In der deutschsprachigen quantitativen Unterrichtsforschung bzw. „Unterrichtsqualitätsforschung“ wird die Systematik von drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität als eine zentrale Errungenschaft betont (Begrich et al. 2023, S. 67). Unterrichts- und Klassenführung, Schülerorientierung sowie kognitive Aktivierung wurden erstmals als Grunddimensionen der Qualität des Mathematikunterrichts im Rahmen der TIMS-Videostudie anhand der faktorenanalytischen Auswertung von Beobachter:innen-Urteilen identifiziert und als „Grunddimensionen der Unterrichtsqualität“ präsentiert (Klieme et al. 2001, S. 51). In verschiedenen weiteren Untersuchungen konnten die drei Dimensionen faktorenanalytisch bestätigt und die postulierten Wirkungen auf die Schüler:innenleistung und -motivation – mit Einschränkungen (s. unten) – dokumentiert werden (Praetorius et al. 2022, S. 874f.).

Seit den 2010er-Jahren gilt das Modell in der deutschsprachigen quantitativen Unterrichtsforschung mit den Basisdimensionen Klassenführung, konstruktive Unterstützung und kognitive Aktivierung als etabliert (ebd.). Dem hier in Rede stehenden Zugang liegt die Idee zugrunde, die Komplexität des Forschungsgegenstandes Unterricht zu reduzieren und ihn infolgedessen handhabbar(er) zu machen, indem eine überschaubare Zahl an Qualitätsmerkmalen identifiziert werden kann, die leichter zu interpretieren und im Hinblick auf die Auswirkungen auf das Lernen der Schüler:innen zu analysieren ist (Praetorius et al. 2020a, S. 20). Der Forschungsansatz folgt so mit dem Gebot der Sparsamkeit der Norm einer ökonomischen Erfassung von Unterrichtsqualität. Das Modell der drei Basisdimensionen besteche allerdings nicht allein durch seine Sparsamkeit, sondern auch angesichts der generischen Konzeption, mit der eine fachübergreifende, schulform- und fachstufenunabhängige Geltung beansprucht wird (Begrich et al. 2023, S. 69). Zentrales Kriterium für die Auswahl der Merkmale ist ihre nachweisbare Relevanz für die Leistungs- oder Motivationsentwicklung der Schüler:innen (Praetorius et al. 2020b, S. 305) und es wird die Ableitung von „Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte“ in Aussicht gestellt (Trautwein et al. 2022, S. 11).

Mit den drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität materialisiert sich im Ergebnis deutschsprachiger Unterrichtsqualitätsforschung, was sich Brophy und Good (1986) bereits in den 1980er-Jahren erhofften: nämlich die zuverlässige Vorhersage des Lernfortschritts der Schüler:innen durch einige wenige beobachtbare Prozessmerkmale des Lehrer:innenhandelns auf der Basis der Befunde empirischer Forschung.

In der gegenwärtigen Diskussion des Modells wird nun nicht allein die sparsame Systematik, die empirische Fundierung und der generische Anspruch als besondere Merkmale herausgestellt, sondern auch die theoretische Begründung des Modells betont: „A considerable strength of the framework is that it is based on sound theoretical grounds“ (Praetorius et al. 2018, S. 422). Die Basisdimensionen würden den Vorteil bieten, dass sich die Merkmale des Unterrichts und seine Wirkungen „theoretisch gut erklären lassen“ (Lipowsky und Bleck 2019, S. 220). Hinzu treten aktuell Bemühungen, das Modell der drei Basisdimensionen selbst als „Theorie“, als Unterrichtstheorie auszuweisen und zu begründen (Praetorius et al., 2020; vgl. zur neueren Diskussion einer Theorie des Unterrichtens generell mit vielfältigen disziplinären Referenzen Praetorius und Charalambous 2023). Je nach Veröffentlichung wird schon von einem (theoretischen) Rahmen und einem (theoretischen) Modell gesprochen oder das Modell bereits als Theorie bezeichnet (Praetorius et al. 2020a, S. 17, FN 3).

Im Folgenden geht es nun nicht um die herausfordernde Begründung der drei Basisdimensionen als eigenständiger Unterrichtstheorie, sondern um die vielfach betonte solide theoretische Grundlage. Neben Verweisen auf die Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Ryan und Deci 2000; Deci und Ryan 2004) und sozial-konstruktivistische Lerntheorien (Palincsar 1998) als psychologischen Fundierungen hat hier das Studienbuch „Theorie der Schule“ von Jürgen Diederich und Heinz-Elmar Tenorth aus dem Jahr 1997 eine bemerkenswerte Karriere als die erziehungswissenschaftliche Theoriebasis des Modells der drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität erfahren, der in diesem Beitrag nachgegangen wird. Im Anschluss (1.) an eine Skizze der inhaltlichen Bestimmung der drei Basisdimensionen wird (2.) ausgehend von den Bezugnahmen auf das Studienbuch „Theorie der Schule“ als theoretischer Grundlage danach gefragt, welcher Art die Ausführungen von Diederich und Tenorth (1997) sind und wie diese zur soliden theoretischen Fundierung des Modells einerseits in Anspruch genommen werden und andererseits überhaupt dienen können. Eine kurze bilanzierende Diskussion bildet (3.) den Abschluss des Beitrags.

1 Hintergrund: Basisdimensionen der Unterrichtsqualität

Dem Modell der drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität folgend können drei basale Kennzeichen eines lernwirksamen Unterrichts benannt werden: (1.) die Klassenführung, (2.) die konstruktive Unterstützung und (3.) die kognitive Aktivierung der Schüler:innen (Terhart 2020).

  1. 1.

    Klassenführung: In der nationalen Erweiterung von TIMSS wurde die erste der drei faktorenanalytisch identifizierten Grunddimension der Unterrichtsqualität als Klassenführung interpretiert. Hierauf luden die Skalen „Effektive Behandlung von Unterrichtsstörungen“, „Häufigkeit von Störungen (–)“, „Zeitverschwendung (–)“, „Sprunghaftigkeit des Lehrers (–)“, „Regelklarheit“, „Klarheit und Strukturiertheit des Unterrichts“, „Monitoring“ und „Time on Task“ (Klieme et al. 2001, S. 51). In neueren Operationalisierungen zählen „Verhaltensmanagement“ (Prävention von und Intervention bei Störungen) oder auch die „Verhaltenssteuerung“ (Ophardt und Thiel 2019; Praetorius et al. 2020) sowie das „Zeitmanagement“ bzw. das „Management von Lernzeit“ (Drechsel und Schindler 2019; Praetorius et al. 2020) zu den Subdimensionen und ausbleibende Störungen bzw. Disziplinprobleme zu den Indikatoren der Klassenführung. Sie beinhaltet des Weiteren „klare Regeln für erwünschtes Schülerverhalten im Sinne von aktiver Beteiligung und Aufmerksamkeit“ (Klieme 2022, S. 420) und folgt dem Ideal des „gut organisierten und störungsarmen Unterricht[s] ohne Leerlauf und mit einem geringen Umfang außerunterrichtlicher Aktivitäten“ (Lipowsky und Bleck 2019, S. 220).

    Zielperspektive der Klassenführung ist die maximale Nutzung der zur Verfügung stehenden Lernzeit (Gröschner und Kleinknecht 2013; Drechsel und Schindler 2019; Ophardt und Thiel 2019), die ihrerseits als bedeutsamste Voraussetzung für das wirkungsvolle und erfolgreiche Lernen gilt (Weinert 2001). Zu diesem Zwecke sind nicht-fachbezogene Aktivitäten etwa durch das Monitoring der Lehrer:innen, durch Routinen der Unterrichtsorganisation oder mittels tauglicher Interventionen bei Störungen zu minimieren (Praetorius et al. 2020b). Der Fokus liegt im Anschluss an die als Klassiker (Seidel 2020) ausgewiesenen Forschungsarbeiten von Jacob S. Kounin (1970/2006) auf der Lehrkraft, die den Schüler:innen u. a. klar macht, dass sie über sämtliche Geschehnisse im Unterricht informiert ist (Drechsel und Schindler 2019), die Interaktion im Unterricht effektiv steuert und „regelwidriges Verhalten modifiziert“ (Ophardt und Thiel 2019, S. 259).

  2. 2.

    Konstruktive Unterstützung: Die zweite Grunddimension der Unterrichtsqualität wurde in der TIMS-Videostudie als Schülerorientierung bezeichnet. Auf diese Dimension luden die Skalen „Sozialorientierung“, „Individuelle Bezugsnormorientierung“, „Diagnostische Kompetenz des Lehrers im Sozialbereich“, „Interaktionstempo (–)“ und „Leistungsdruck (–)“ (Klieme et al. 2001, S. 51). In Abgrenzung zur Schüler:innenorientierung in einem unterrichtsmethodischen Sinne (Klieme 2022) wird die zweite Basisdimension gegenwärtig in der Regel als konstruktive Unterstützung gefasst (seltener auch „Unterstützendes Unterrichtsklima“, vgl. Hess und Lipowsky 2023). Diese Dimension basiert auf der oben bereits als theoretische Basis angeführten Selbstbestimmungstheorie der Motivation. Unterricht solle Kompetenz- und Autonomieerleben sowie das Gefühl der soziale Eingebundenheit ermöglichen (Praetorius et al. 2020a). Hervorgehoben werden unter dieser Zielperspektive u. a. eine wertschätzende Schüler:innen-Lehrer:innen-Beziehung, ein positives Unterrichtsklima, die Unterstützung in methodisch-didaktischer Hinsicht oder die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Interessen der Schüler:innen sowie konkreter formatives Assessment, Feedback und eine positive Fehlerkultur (Lipowsky und Bleck 2019; Klieme 2022; Sliwka et al. 2022).

  3. 3.

    Kognitive Aktivierung: Die dritte Grunddimension der Unterrichtsqualität wurde in der TIMS-Videostudie kognitive Aktivierung genannt. Sie basierte dort auf den Skalen „Genetisch-sokratisches Vorgehen“, „Anspruchsvolles Üben“, „Repetitives Üben (–)“ und „Motivierungsfähigkeit des Lehrers“ (Klieme et al. 2001, S. 51). Ziel ist es bezogen auf diese Basisdimension nicht, die aktive mentale Auseinandersetzung mit Lerngegenständen selbst empirisch zu erfassen, sondern das Potenzial für eine kognitive Aktivierung der Schüler:innen (Fauth und Leuders 2022, S. 6) im Sinne der Förderung eines vertieften Verständnisses zu bewerten. Um Letzteres zu ermöglichen, gilt es u. a., Schüler:innen mit herausfordernden Aufgaben- und Problemstellungen zu konfrontieren, die an ihre Erfahrungen und ihr Verständnisniveau anschließen, kognitive Konflikte auslösen und/oder mehrere richtige Lösungen bzw. Lösungswege eröffnen (Lipowsky 2020; Fauth und Leuders 2022; Klieme 2022).

Trotz ihrer Etablierung und breiten Akzeptanz im Diskurs der deutschsprachigen quantitativen Unterrichtsforschung werden als zentrale Limitationen und Problemlagen des Modells der drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität neben genereller Kritik, wie sie von Andreas Helmke artikuliert wird (Helmke 2022, S. 142), vier weitreichende Einschränkungen benannt, die zu berücksichtigen sind und im Review von Praetorius et al. (2018) herausgearbeitet wurden: (a) fehlende einheitliche Definitionen und Operationalisierungen der Hauptelemente, (b) eine nur partielle Bestätigung der angenommenen Wirkungen auf die Schüler:innenleistung sowie die begründet zu bezweifelnde (c) Fachunabhängigkeit sowie (d) Schulstufen- und Schulformunabhängigkeit (Decristan et al. 2020; Praetorius et al., 24,25,a, b, 2022; Begrich et al. 2023). In Anbetracht dieser Einschränkungen fragt Kurt Reusser skeptisch, wie „der Status eines Konstrukts zu beurteilen [sei; Einfüg. d. MR], wenn es keine anerkannte Art der Operationalisierung dazu gibt, dessen generische Qualität (auch durch die Außerachtlassung fachdidaktischer Variabilität) genuin unscharf bleiben muss, und dessen Merkmale vor allem im Kontext der Mathematik (also in spezifischer Weise kontextabhängig) erhoben worden sind?“ (Reusser 2020, S. 242f.).

Ungeachtet dieser Limitationen wird die generische Erklärungskraft des Modells der drei Basisdimensionen herausgestellt und eine eindeutig uneindeutige Befundlage auf eine überschaubare Zahl von Qualitätsmerkmalen samt darauf aufbauender Hinweise und Handlungsempfehlungen für die Unterrichtspraxis reduziert (vgl. bereits die Kritik bei Rauin 2004): „Auch wenn der Forschungsstand nicht ganz einheitlich ist, so zeichnen sich doch einige Unterrichtsmerkmale ab, die als wichtig für eine hohe Unterrichtsqualität gelten“ (Gräsel und Göbel 2015, S. 112); alles in allem würden die drei Grunddimensionen einen vielversprechenden Rahmen für die Erfassung von Unterrichtsqualität unter anderem aufgrund der soliden theoretischen Grundlage sowie einer klaren und übersichtlichen Struktur eines komplexen Phänomens bieten (Praetorius et al. 2018, S. 423).

2 Auf der Spur der erziehungswissenschaftlichen theoretischen Grundlage

Wie steht es nun um diese solide theoretische Grundlage, die womöglich die uneindeutige empirische Forschungslage kompensieren und so das Modell der drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität legitimieren kann. Generell werden die theoretischen Wurzeln des Modells in der Erziehungswissenschaft und in der Pädagogischen Psychologie verortet (Praetorius et al. 2018, S. 408), wobei es im Folgenden allein um den „Theoretical background from educational science“ (ebd., S. 408) gehen soll. Als einzige zentrale Referenz einer erziehungswissenschaftlichen Theoriegrundlage firmiert das Studienbuch „Theorie der Schule“ (Diederich und Tenorth 1997). Bereits im Rahmen der erstmaligen Identifikation der drei Basisdimensionen im Rahmen der TIMS-Videostudie wird auf diese Autoren Bezug genommen, wenn es heißt, dass das Muster der für den Mathematikunterricht identifizierten drei Grunddimensionen der Unterrichtsqualität die „unverzichtbaren Grundbedingungen schulisch organisierten Lernens wider [spiegele; Einfüg. d. MR], wie sie Schultheoretiker seit langem formuliert haben (vgl. etwa Diederich und Tenorth 1997)“ (Klieme et al. 2001, S. 52).

Mit der ersten Inanspruchnahme des Studienbuchs „Theorie der Schule“ von Diederich und Tenorth (1997) wird dies als erziehungswissenschaftliche Fundierung und theoretische Grundlage in weiteren Veröffentlichungen fort-, festgeschrieben und variiert. Zu den Variationen zählt, dass die Chronologie insofern umgekehrt wird, als dass jüngst die von Diederich und Tenorth (1997) entwickelte „Theorie“ zum Ausgangspunkt erklärt wird: „The theory developed by Diederich and Tenorth (1997) served as a starting point for outlining potential effects of the three basic dimensions on students“ (Vieluf und Klieme 2023, S. 65).

Wie wird auf Diederich und Tenorth (1997) Bezug genommen und wie werden die Ausführungen dort als theoretische Grundlage erfasst?

  • Verwiesen wird zur theoretischen Begründung der drei Basisdimensionen auf die „didaktische Unterscheidung von Diederich und Tenorth (1997)“, der zufolge ein „zielführender Unterricht ein hinreichendes Maß an Aufmerksamkeit (Klassenführung), Motivation (konstruktive Unterstützung) sowie Verständnis seitens der Schülerinnen und Schüler (kognitive Aktivierung) erfordert“ (Praetorius et al. 2020b, S. 306). Diese drei von Diederich und Tenorth (1997) beschriebenen Anforderungen an den Unterricht „can be seen as an initial theoretical foundation for TBD“ [TBD = Three Basic Dimensions of Teaching Quality] (Praetorius et al., 2020, S. 25).

  • An anderer Stelle wird ausgeführt, dass das Modell der drei Basisdimensionen „auf der theoretischen Unterscheidung notwendiger Bedingungen für Unterricht“ von Diederich und Tenorth (1997) beruhe: „Aufmerksamkeit (Klassenführung), Motivation (konstruktive Unterstützung) und Verständnis (kognitive Aktivierung) seitens der Schüler*innen“ (Praetorius et al. 2022, S. 874).

  • In ähnlicher Weise wird darauf verwiesen, dass die drei Dimensionen die „Merkmale des Interaktionsgeschehens und des Umgangs mit den Lerninhalten [erfassen, Einfüg. d. MR], die dafür sorgen, die von Diederich und Tenorth (1997) genannten Bedingungen einzulösen: Aufmerksamkeit und Disziplin (= Klassenführung), Motivation (= Konstruktive Unterstützung) sowie Lernen und Verstehen (= Kognitive Aktivierung)“ (Klieme 2022, S. 420).

  • Weiter führt Klieme (2022) aus, dass Diederich und Tenorth (1997) auf der Basis pädagogischer Traditionen und erziehungswissenschaftlicher Konzepte die maßgeblichen Dimensionen des Unterrichts und damit verbundene grundlegende Erwartungen an die Lehrkräfte herausgearbeitet haben: „Diese Erwartungen betreffen (1) Aufmerksamkeit und Disziplin, (2) Motivation und Engagement sowie (3) Lernen und Verstehen. Ohne aufmerksam zu sein, können Schülerinnen und Schüler sich nicht auf Gegenstände fokussieren, Hinweisen und Instruktionen folgen, eigenständige Beiträge leisten und schließlich Selbstregulation entwickeln. Ohne Motivation werden Lernende sich nicht aufmerksam verhalten und nicht den Habitus und die Orientierungen erwerben, auf die Schule erzieherisch zielt. Und ohne Verstehen grundlegender Konzepte können Lernende nicht an der Ko-Konstruktion des Wissens teilnehmen, eigene Verknüpfungen und Reflexionen entwickeln. Unterricht muss davon ausgehen, dass Lernende aufmerksam, motiviert und verstehend engagiert sind; zugleich müssen diese Bedingungen immer neu hergestellt und gesichert werden. Nach Diederich und Tenorth hat sich die Tradition der Schulpädagogik und Didaktik wesentlich mit der ersten Dimension befasst, die Reformpädagogik mit der zweiten, und die Fachdidaktiken mit der dritten“ (Klieme 2022, S. 412).

  • Die Konzeption der drei Basisdimensionen schließe „unterrichtstheoretisch an die […] referierte Arbeit von Diederich und Tenorth (1997) an“ (ebd., S. 416) bzw. lasse sie sich unterrichtstheoretisch mit diesen Autoren gut begründen (Klieme und Rakoczy 2003).

  • Die Grundlage der Identifikation von drei Grundbedingungen des Unterrichts bzw. einer eigenen (Unterrichts‑)Theorie, die den beiden Autoren zugeschrieben wird, wird wie folgt charakterisiert: „Diederich and Tenorth (1997), building on various European traditions in educational science, pedagogy, and didactics, identified three generic goals, i.e., goals that are constitutive for classroom teaching and learning, irrespective of the subject matter taught“ (Praetorius et al. 2018, S. 409).

Welcher Art sind nun die Ausführungen von Diederich und Tenorth (1997)? Bieten die Autoren, wie veranschlagt, eine „Theorie“, eine erziehungswissenschaftliche unterrichtstheoretische Fundierung des Modells der drei Basisdimensionen?

Im Studienbuch „Theorie der Schule“ selbst können vor dem Hintergrund der oben skizierten Bezug- und Inanspruchnahmen, die sämtlich auf Seitenangaben verzichten, zwei Kapitel ausgemacht werden, die den Autor:innen rund um das Modell der drei Basisdimensionen als „theoretische“ Grundlage dienen: An erster Stelle steht das Kap. 5 „Schulklasse als Ort der Integration“ (Diederich und Tenorth 1997, S. 95–110), in dem drei „Konstitutionsbedingungen von Unterricht“ beschrieben werden: „Disziplin“ (5.1), „Leistung“ (5.2) und „Motivation“ (5.3). Diese drei Konstitutionsbedingungen korrespondieren, so die Interpretation, mit den in der TIMS-Videostudie ausgemachten „unverzichtbaren Grundbedingungen schulisch organisierten Lernens“ (Klieme et al. 2001, S. 52), den drei generischen Zielen, die für das Lehren und Lernen im Klassenzimmer konstitutiv seien (Praetorius et al. 2018, S. 409) bzw. „der theoretischen Unterscheidung notwendiger Bedingungen für Unterricht“ (Praetorius et al. 2022, S. 874), die Diederich und Tenorth (1997) zugeschrieben werden (s. Tab. 1).

Tab. 1 Von den Konstitutionsbedingungen des Unterrichts zu den drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität

Hinzu kommt das Kap. 8 mit dem Titel „Versuche, Unterricht zu normieren“ (S. 148–162), auf das Klieme (2022, S. 412) Bezug nimmt, wenn er – wie oben zitiert – ausführt, dass sich „die Tradition der Schulpädagogik und Didaktik wesentlich mit der ersten Dimension“, der „Aufmerksamkeit und Disziplin“, befasst habe („Unterricht in herbartianischer Tradition“, Kap. 8.1), die Reformpädagogik mit der zweiten Dimension „Motivation und Engagement“ („Unterricht in reformpädagogischer Tradition“, Kap. 8.2) und die Fachdidaktiken mit der dritten Dimension „Lernen und Verstehen“ („Der Wandel fachdidaktischer Traditionen“, Kap. 8.3) (s. Tab. 1).

Im Kapitel 5, das als die zentrale „theoretische“ Referenz betrachtet werden kann, stehen sozialpsychologische Forschungen zum Unterricht, soziologische Theorietraditionen und die Schulklasse als Sozialisationsinstanz im Fokus (Diederich und Tenorth 1997, S. 97). Die Wirkungsweisen des Sozialsystems Schulklasse sollen – so die Autoren – in einer „Theorie der Schule“ betrachtet werden. Die Darstellung gehe dabei im Kapitel 5 vom „Sprachgebrauch in Schulen“ aus; sie soll „in das Theoretische von alltäglichen Beobachtungen her“ einführen (ebd., S. 98). Zu diesen alltäglichen Beobachtungen – und nicht zu einer wie auch immer gearteten „Theorie“ – zähle, dass „Lehrer drei Möglichkeiten [hätten], die Lernbereitschaft sicherzustellen, ohne die der Unterricht nicht beginnen und weitergeführt werden könne. Diese ‚Konstitutionsbedingungen‘ des Unterrichts seien Disziplin, Leistung und Motivation“ (ebd., S. 98).

Basis der Identifikation dieser drei „Bedingungen“ des Unterrichts ist also die Alltagswahrnehmung im Sprachgebrauch der Schulpraxis und nicht eine schul- oder unterrichtstheoretische Reflexion. Eine solche schließt vielmehr in den Unterkapiteln 5.1 bis 5.3 an die „alltäglichen Beobachtungen“ – wenn auch nur ansatzweise – an. In diesen Unterkapiteln wird dann auch schnell deutlich, dass die drei sog. Konstitutionsbedingungen Disziplin, Motivation und Leistung ganz anders reflektiert (und weniger theoretisiert) werden, als dies die Indienstnahme für die drei Basisdimensionen vermittelt über die drei Begriffe Aufmerksamkeit, Motivation und Verständnis suggeriert.

  1. 1.

    Disziplin: Zwar wird im Kap. 5.1 einleitend von einem ‚vordidaktischen Handlungsproblem‘ der Lehrer:innen ausgegangen, das darin bestünde „so viel Disziplin herzustellen, dass der Unterricht beginnen und ohne größere Störung gehalten werden kann“ (Diederich und Tenorth 1997, S. 99), was inhaltlich Teilaspekte der Basisdimension Klassenführung tangiert. Eine theoretische, erziehungswissenschaftliche Fundierung wird mit dieser Aussage bzw. Behauptung jedoch nicht geboten. Das Handlungsproblem der Lehrkräfte, die Herstellung von Disziplin und insbesondere das Erzeugen von schüler:innenseitiger Aufmerksamkeit, die in der Rezeption von Diederich und Tenorth (1997) im Rahmen der theoretischen Begründung des Modells der drei Basisdimensionen betont wird, interessiert in diesem Unterkapitel auch nicht. Stattdessen ist es das Interesse an der Perspektive der Schüler:innen. Konkret wird mit Philip W. Jacksons „Die Welt des Schülers“ (1973) als zentraler Referenz des Unterkapitels 5.1 der „heimliche“ Lehrplan des Schulunterrichts behandelt, in dem es um Wohlverhalten gehe und weniger um Leistungsförderung oder Schüler:innenleistung im Sinne von Unterrichtsqualität. Auf diese Weise wird eine betont kritische Sicht auf „Disziplin als Konstitutionsbedingung des Unterrichts“ eröffnet, die mit den Einlassungen auf Klassenführung als Basisdimension der Unterrichtsqualität kaum kompatibel erscheint, geschweige denn ihrer theoretischen Fundierung dienen kann. Um dies mit den von Diederich und Tenorth (1997, S. 100) zitierten Worten Jacksons zu illustrieren: „Es geht einfach darum, dass, in Schulen wie Gefängnissen, gute Führung lohnt“ (Jackson 1973, S. 22). Dies korrespondiert nur insofern mit dem Klassenführungsjargon, als dass die Idee, „regelwidriges Verhalten“ modifizieren zu wollen (Ophardt und Thiel 2019, S. 259), auch eher an den Strafvollzug denn an Unterricht in einem allgemeinbildenden Schulwesen, an einen Unterricht mit Bildungsanspruch (Rucker 2020), erinnert, in dem Schüler:innen nicht mechanisch verändert oder ihr Verhalten ‚gemanagt‘ werden soll (Giesinger 2014).

    Anzumerken ist zudem, dass in der Betrachtung von Diederich und Tenorth (1997) generell und im Kap. 8.1 im Besonderen anders als bei Klieme (2022, S. 412) angeführt Schulpädagogik und Didaktik allgemein und speziell in der Tradition von Johann Friedrich Herbart nicht wesentlich mit der ersten Dimension der Aufmerksamkeit und Disziplin als (vermeintlichem) Äquivalent zur Klassenführung in Verbindung gebracht werden.

  2. 2.

    Motivation: Das Kap. 5.3 über die „Motivation als Konstitutionsbedingung von Unterricht“ nutzt, wie auch das Kap. 5.1, eine – ebenfalls betagte – Veröffentlichung als zentrale Referenz, in diesem Falle Heinz Heckhausens „Motive und ihre Entstehung“ (1974). Auch in diesem Kapitel scheinen die Ausführungen nicht dazu angetan, konstruktive Unterstützung als Basisdimension der Unterrichtsqualität, die sich vermittelt über das Erleben von Autonomie, Kompetenz und sozialer Einbettung positiv auf die Motivation der Schüler:innen und damit auf ihre Leistung auswirken soll, theoretisch, geschweige denn erziehungswissenschaftlich zu fundieren. Diederich und Tenorth (1997) skizzieren zunächst Grundlagen der Leistungsmotivation, garniert mit handlungsleitenden Schelmereien („Nahrung für die Neugier ist denn auch der beste Speck, den Lehrer in die Motivationsfalle legen können – denn gerade schlauen Schülern fällt es schwer dieser Verlockung zu widerstehen“, ebd., S. 107), um dann jedoch den Motivationsbegriff und das Konstrukt der Motivation für eine Theorie der Schule als entbehrlich oder irreführend in Frage zu stellen und das Erklärungspotential für schultheoretische Interessen anzuzweifeln. Sie schließen mit einer „Warnung vor einem allzu unbefangenen Gebrauch des Motivationsbegriffs“ (ebd., S. 108).

    Dass es insbesondere die reformpädagogische Tradition sei (Kap. 8.2), die sich der Dimension „Motivation und Engagement“ gewidmet habe (Klieme 2022, S. 412), ist aus den Ausführungen von Diederich und Tenorth (1997, S. 152ff.) nicht herauszulesen, in denen es generell um alternative Unterrichtsformen (Gruppen- oder Projektunterricht), „Lebensnähe“ oder die Öffnung von Schule und die Förderung von Selbsttätigkeit geht. Gewiss lassen sich hier grobe Verbindungen zu (motivationsförderlichen) Teilaspekten der konstruktiven Unterstützung herstellen, eine theoretische, erziehungswissenschaftliche Fundierung wird allerdings ebenso gewiss nicht geboten.

  3. 3.

    Leistung: Leistung als dritte Konstitutionsbedingung des Unterrichts wird im Kap. 5.2 ebenfalls anders von Diedrich und Tenorth (1997, S. 101ff.) eingeführt und gerahmt, als die hergestellte Beziehung über „Verständnis“ (Klieme et al. 2001, S. 52) bzw. „Lernen und Verstehen“ (Klieme 2022, S. 412) zur kognitiven Aktivierung vermuten lässt. Um das Lernen der Schüler:innen, Verstehen oder Verständnis geht es nicht und auch Aspekte der kognitiven Aktivierung im Sinne der Anregung zu einem „vertieften Nachdenken und zu einer elaborierten Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand“ (Lipowsky 2020, S. 92) werden nicht adressiert. Stattdessen wird über das Leistungsprinzip und dessen Internalisierung im Unterricht, die Schulklasse als Vergleichsmaßstab oder die Entkopplung von Lebensleistung und Schulbildung, von Produktivität und Entlohnung verhandelt. Als zentrale Referenz mit umfassendem Zitat tritt Robert Dreebens „Was wir in der Schule lernen“ (1989) auf. Eine theoretische, erziehungswissenschaftliche Grundlage für die Basisdimension kognitive Aktivierung findet sich bei Diederich und Tenorth (1997) so nicht.

    Erst recht findet sie sich nicht im Kapitel 8.3 „Der Wandel fachdidaktischer Traditionen“, obwohl den Autoren zugeschrieben wird, in erster Linie die Fachdidaktiken mit der dritten Dimension „Lernen und Verstehen“ (Klieme 2022, S. 412) zusammen zu bringen. Die Ausführungen wenden sich vielmehr gegen das Konstrukt der kognitiven Aktivierung, indem Diederich und Tenorth (1997) einen Wandel der fachdidaktischen Traditionen als „Entwertung ‚bloß reproduktiver‘ Tätigkeiten“ zugunsten der Aufwertung produktiver Aneignung explizit beklagen (ebd., S. 157), da die alte, von ihnen glorifizierte „Lernschule“ von einem beispiellosen Siegeszug reformpädagogischer Ideen überrollt worden sei (ebd., S. 155). Der Bezug auf ‚fachdidaktische Traditionen‘ erschöpft sich dabei im Übrigen darin, dass Beispiele für verschiedene Unterrichtsfächer gegeben werden, an denen die kritisierte Entwicklung illustriert wird: es werde nicht mehr einfach nur gerechnet, sondern mathematische Probleme bearbeitet und „eigene Lösungswege“ der Schüler:innen gefordert; „Geschichte und Religion, früher sichere Bank für das Auswendiglernen von Daten und Versen, verlangen nun historische Zusammenhänge zu verstehen oder Glaubenszweifel nachzuvollziehen“ (ebd., S. 155), etc. Um es zu betonen: diese Entwicklungen werden vor dem Hintergrund einseitig verklärter ‚früherer‘ Lehr-Lernbedingungen und Bewertungsmaßstäbe beklagt und nicht im Sinne der Förderung eines vertieften Verstehens von Unterrichtsgegenständen infolge kognitiver Aktivierung gefordert.

3 Bilanz

Im Ergebnis der Überprüfung einer wiederholt betonten soliden theoretischen Fundierung des Modells der drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität kann bezogen auf die ‚erziehungswissenschaftlichen Wurzeln‘ (Praetorius et al. 2018) bilanzierend konstatiert werden, dass die als zentrale Referenz angeführte „Theorie der Schule“ von Diederich und Tenorth (1997) weder eigens eine (Unterrichts‑)Theorie bietet noch eine erziehungswissenschaftliche Theoriebasis der Klassenführung, konstruktiven Unterstützung und kognitiven Aktivierung. Sie bietet im Übrigen auch keine eigene „Theorie der Schule“, sondern vermittelt einen Überblick über schultheoretische Zugänge wie etwa Helmut Fends strukturfunktionalistische Schultheorie und eröffnet das Spektrum schultheoretischer Perspektiven für Studierende.

Die von Diederich und Tenorth (1997) benannten Konstitutionsbedingungen des Unterrichts (Disziplin, Leistung und Motivation), die in der Inanspruchnahme für das Modell der drei Basisdimensionen als Referenz und Theoriebasis für Klassenführung, konstruktive Unterstützung und kognitive Aktivierung angeführt werden, basieren auch nicht auf pädagogischen Traditionen und erziehungswissenschaftlichen Konzepten (Klieme 2022) bzw. auf europäischen Traditionen der Erziehungswissenschaft, Pädagogik und Didaktik (Praetorius et al. 2018). Stattdessen sind Alltagswahrnehmungen im Sprachgebrauch der Schulpraxis Ausgangspunkt für die Benennung dieser sog. Konstitutionsbedingungen, die dann auf der Basis vereinzelter, bereits 1997 älterer Publikationen gerahmt und reflektiert werden, um im Ergebnis inhaltlich den drei Basisdimensionen zum Teil diametral entgegen zu stehen; so etwa, wenn zum einen eine Fixierung auf ein durch Disziplin erzeugtes „Wohlverhalten“, auf ‚gute Führung‘ und Anpassung („erwünschtes Schülerverhalten“; Klieme 2022, S. 420) oder aber der Nutzen der (Leistungs‑)Motivation für schultheoretische Perspektiven kritisch betrachtet bzw. in Frage gestellt werden und zum anderen problemorientierter, kognitiv aktivierender Unterricht zugunsten des Auswendiglernens von Vokabeln, Zahlen und Fakten, des Schönschreibens oder generell des Nicht-Verstehens, sondern nur Wissen-müssens, herabgewürdigt wird.

Bilanzierend ist so festzuhalten, dass Diederich und Tenorth (1997) keine fundierte erziehungswissenschaftliche Theoriebasis für die drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität bieten. Eine Kompensation empirischer Limitationen des Modells qua solider erziehungswissenschaftlicher Theoriebasis wird so nicht ermöglicht. Zu vermuten wäre, dass sich ein Verweis infolge der erstmaligen Nennung im Jahr 2001, in der es noch eher moderat hieß, die drei Basisdimensionen würden die „unverzichtbaren Grundbedingungen schulisch organisierten Lernens wider[spiegeln; Einfüg. d. MR], wie sie Schultheoretiker seit langem formuliert haben (vgl. etwa Diederich und Tenorth 1997)“ (Klieme et al. 2001, S. 52), ungeprüft verselbstständigt hat und zur wohl fundierten, im europäischen Diskurs verankerten erziehungswissenschaftlichen Theoriebasis wurde. Es bleibt somit das Desiderat einer erziehungswissenschaftlichen Fundierung des Modelles der drei Basisdimensionen – so es sie denn gibt.