Das dritte Heft 2023 widmet sich – im Sinne der inhaltlichen und methodischen Offenheit der Zeitschrift für Bildungsforschung – verschiedenen Themen, die mit unterschiedlichen Methoden der empirischen Bildungsforschung bearbeitet wurden: mit quantitativen Methoden, durch einen qualitativ-kategorialen und qualitativ-rekonstruktiven Zugang sowie durch einen diskursanalytischen Blick auf Argumentationsmuster.

Zwei Beiträge fokussieren Fragen der Selektion des Schulwesens: zum einen, indem die Benotungspraxis in einem ausgewählten Unterrichtsgegenstand genauer analysiert wird, zum anderen, indem der Zusammenhang zwischen Sprachkompetenz, fachlicher Leistung und sozio-ökonomischem Status fokussiert wird.

In ihrer qualitative Interviewstudie „Benotungspraxis im Sportunterricht an Grundschulen und in der Sekundarstufe II – Eine qualitative Untersuchung zu Benotungskriterien und deren Gewichtung“ gehen Sebastian Gehrmann und Valerie Kastrup der Benotungspraxis von Sportlehrkräften nach. Der Hintergrund der Studie ist, dass in einem kompetenzorientierten Sportunterricht nicht nur bezüglich reiner sportmotorischer Leistungen benotet werden sollte, sondern auch Leistungsfortschritt, Leistungsbereitschaft sowie kognitive und soziale Kompetenzen einfließen sollten. Doch berücksichtigen dies Sportlehrkräfte? Die qualitative Inhaltsanalyse der leitfadengestützten Interviews mit Sportlehrkräften der Primar- und Sekundarstufe II legt nahe, dass die sportmotorische Dimension durchgehend als die bedeutsamste für die Gesamtnote angesehen wird. Gleichzeitig können die soziale und kognitive Dimension Einflüsse auf die Benotung haben, während Leistungsbereitschaft und der Leistungsfortschritt genutzt werden, um eine gegebenenfalls schlechtere noch positiv zu beeinflussen. Die Autor*innen arbeiten in ihrem Beitrag heraus, dass fachdidaktische und bildungspolitische Ansprüche an die Sportnote nicht deckungsgleich sind, und geben dabei Impulse sowohl für die Benotungspraxis als auch für die Profession und Professionalisierung von Sportlehrkräften und darüber hinaus.

Alexandra Merkert, Dominik Leiss und Gerlinde Lenske untersuchten in einer Studie mit 438 Grundschüler*innen, ob der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und der Mathematikkompetenz durch die fachbezogene Sprachkompetenz vermittelt wird. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass soziale Unterschiede in der Mathematikkompetenz, die sowohl über die Bildungsabschlüsse der Eltern als auch über die Anzahl der Bücher im Haushalt gemessen wurden, teilweise auf Unterschiede in der fachbezogenen Sprachkompetenz zurückgeführt werden können. Diese Ergebnisse bleiben auch nach Kontrolle der Hintergrundvariablen Migrationshintergrund und IQ bestehen (siehe dazu auch Schmid et al. 2016, die die Benotungspraxis im Fach Mathematik an Grundschulen kritisch analysiert haben).

Zwei weitere Beiträge fokussieren Lehramtsstudierende: zum einen, indem sie sich die Frage nach dem Zugang zu einem Lehramtsstudium unter der Perspektive von biographischen Zugängen ansehen, zum anderen, indem der Blick auf den Verbleib im Lehramtsstudium gerichtet wird.

Die anhaltende Chancenungerechtigkeit in unterschiedlichen Bildungsbereichen war in unserer Zeitschrift schon des Öfteren Gegenstand bildungswissenschaftlicher Bearbeitungen (Eder et al. 2022). Mit dem Beitrag „Familiale Bildungsorientierung von First Generation Studierenden“ von Michael Hermes, Kathrin Petzold-Rudolph und Miriam Lotze geraten nun First Generation Studierende und deren Eltern in den Blick der empirischen Bildungsforschung. Mitglieder der First Generation erschließen sich als erste innerhalb ihrer Familie den akademischen Erfahrungsraum. Sie sind dementsprechend mit besonderen Anforderungen konfrontiert, die sich unter anderem durch die Überlagerungen und Diskrepanzen des familialen und hochschulischen Erfahrungsraums ergeben können. Hier setzt der Beitrag an und richtet sein empirisches Augenmerk auf die innerfamiliale Bearbeitung eben solcher Anforderungen. Das Sample des qualitativ-rekonstruktiv ausgerichteten Untersuchungsdesigns setzt sich aus 21 themenzentrierten Einzelinterviews mit narrativen, erzählgenerierenden Passagen zusammen. Hierbei wurden zehn Studierende und jeweils mindestens ein Elternteil befragt. So liegen der Querschnittuntersuchung als Datenkorpus zehn Familienporträts zugrunde, die mittels der dokumentarischen Methode ausgewertet wurden. Die Ergebnisse verweisen auf das Ausbalancieren von Differenzerfahrungen im Rahmen familialer Interaktion. So kommen aber beim Ausbalancieren die biographischen Erfahrungen beider Generationen zum Tragen, die den mitunter begründungspflichtigen Erfahrungsraum Familie konstituieren, aber auch darüber hinaus bewährte Muster des familialen Zusammenlebens in Frage stellen.

Dumitru Malai, Sebastian Vogel und Frank Lipowsky („Beharrlich, strategisch, integriert. Zur Vorhersage akademischer Studienadaptation durch Beharrlichkeit und den Einsatz von Lernstrategien bei Lehramtsstudierenden“) untersuchten den Anpassungsprozess von Studierenden an das universitäre Umfeld. Sie analysierten eine Kohorte von etwa 300 Lehramtsstudierenden zu Studienbeginn und in der Mitte des Studiums. Dabei stellten sie fest, dass ein höheres Maß an Beharrlichkeit sowie an internen und externen ressourcenbezogenen Lernstrategien – als wichtige strategische Verhaltensweisen – mit erfolgreichen Anpassungsprozessen verbunden waren. Aufgrund dieser Ergebnisse schlagen die Autoren Interventions- und Fördermöglichkeiten vor, um die Studienanpassung zu verbessern, da diese als wichtiger Schutzfaktor gegen Studienabbrüche angesehen wird.

Und schließlich blicken zwei weitere Beiträge auf die Schule als Organisation: zum einen, indem Schulleitungen und ihre Qualifikation genauer betrachtet werden, zum anderen, indem die besondere Stellung von Privatschulen in Österreich in ihrer historischen Genese analysiert wird.

In den letzten Jahren hat die Forschung im Bereich der Führung im Bildungsbereich erhebliche Fortschritte gemacht, wie beispielsweise das Sonderheft der Zeitschrift für Bildungsforschung zur Führungsforschung im Bildungsbereich (Brauckmann & Eder 2019, Heft 9, Heft 1) zeigt. Pierre Tulowitzki, Marcus Pietsch, Ella Grigoleit und Sara Köferli untersuchten in ihrer Studie die Prädiktoren des subjektiven und objektiven beruflichen Erfolgs von Schulleitungen in Deutschland. Sie analysierten eine repräsentative Stichprobe von 405 Schulleitungen und stellten fest, dass qualifizierende Maßnahmen zur Übernahme der Schulleitung sowie Mentoring keinen Zusammenhang mit dem Berufserfolg aufwiesen. Darüber hinaus legen die Ergebnisse nahe, dass Gehalt und Status nicht die einzigen Indikatoren für den subjektiven Berufserfolg von Schulleitungen sind.

Moritz Gawert und Rita Nikolai thematisieren in ihrem Beitrag über „Zuschusspolitiken für Privatschulen: Entwicklungen und parteipolitische Begründungen für die Sonderstellung von konfessionellen Privatschulen in Österreich“ die österreichische Besonderheit, dass nicht-konfessionelle Privatschulen hinsichtlich der staatlichen Förderung gegenüber konfessionellen deutlich benachteiligt werden. Sie untersuchen dazu die Argumentationsmuster der Parteien in den einschlägigen Parlamentsdebatten, insbesondere jene der Österreichischen Volkspartei und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Erstere unterstützt im Einklang mit ihrer christlich-sozialen Ausrichtung eine Bevorzugung der konfessionellen Schulen, während die sozialdemokratische SPÖ Privatschulen zwar grundsätzlich ablehnt, die Förderung der konfessionellen aber als Konzession an die Realität mitträgt. Eine Gleichbehandlung wird offenbar von beiden Parteien nicht angestrebt.

Die Rezension in diesem Heft steuert Elisabeth Seethaler (Pädagogische Hochschule Salzburg) bei. Sie attestiert der Autorin des Buches „Klassenführung durch Beziehung. Grundlagen und Handlungsstrategien“, Petra Siwek-Marcon, mit ihrem kompakten Werk die Relevanz der Beziehungsgestaltung für eine erfolgreiche Klassenführung anschaulich, theoretisch und empirisch fundiert beschrieben zu haben.

Wie immer finden Sie auch dieses Mal aktuelle Nachrichten aus der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB) und Hinweise auf aktuelle Buchveröffentlichungen von deren Mitgliedern. Zunächst aber bitten wir Sie aus traurigem Anlass, Ihre Aufmerksamkeit dem folgenden Nachruf auf unseren langjährigen Wegbegleiter, Rezensenten und Rezensionsverantwortlichen Univ.-Prof.i.R. Dr. Josef Thonhauser zu richten, der am 28. August 2023 verstorben ist.