1 Professionalisiertes sozialarbeiterisches/sozialpädagogisches Handeln

In der Professionsgeschichte der Sozialen Arbeit existiert eine ausgiebige Fachdebatte um die Bedeutung und den Erwerb von Professionalität. Sie speist sich aus verschiedenen Theoriesträngen (exemplarisch dazu Becker-Lenz und Müller 2009; Becker-Lenz et al. 2015; Dewe und Stüwe 2016; Heiner 2018; Helsper 2021; Leinenbach et al. 2022) mit unterschiedlichen, teilweise sich widersprechenden Annahmen darüber, welche Wissenschaftsdisziplinen an der Erklärung sozialer Probleme beteiligt sind (Wissen), welchen Routinen und Logiken sozialarbeiterisches Alltagshandeln (Können) folgt, wie der Theorie-Praxis- sowie Praxis-Theorie-Transfer vonstattengeht und inwiefern Reflexion und Haltung modifizierend involviert sind. Professionalität ist als eine „sozialpädagogische Handlungskomponente“ (Dewe et al. 2011, S. 36) zu verstehen, die mit dem Studium initiiert wird, nicht ohne Bezug zur Handlungssituation auskommt, nie einen finalen Zustand erreicht, sondern reflexiv immer wieder neu generiert wird. Der besonderen Bedeutung der Theorie-Praxis-Relation beim Aufbau sozialpädagogischer Professionalität entsprechend, sind in den Studiengängen der Sozialen Arbeit verschieden modellierte Praxisphasen integriert (Leinenbach et al. 2022), mit denen intendiert ist, Studierende in professionelles sozialpädagogisches Handeln einzuführen. Weitgehend parallel zur Umstellung auf die Bachelor- und Masterstruktur für die Studiengänge wurden für die theoretische Ausbildung ebenso wie für die Praxisphase(n) Kompetenzen auf verschiedenen Niveaustufen und in ausdifferenzierten Bereichen als Ziel und Ergebnis für das Studium und Basis für das Erreichen professionellen Handelns formuliert (Helsper 2021), ohne jedoch die hochschuldidaktischen Implikationen für die Lehr-Lernanforderungen gleichermaßen zu adressieren.

2 Sozialpädagogische Handlungskompetenz

Auch in den Kompetenzkatalogen für das Studium der Sozialen Arbeit spiegeln sich verschiedene Theoriekontexte wider und stehen unverbunden nebeneinander. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) unterscheidet Fach- und Personale Kompetenz, letztere differenziert in Sozialkompetenz und Selbständigkeit (BMBF 2021). Die zehn Schlüsselkompetenzen des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e. V. (DBSH) enthalten u. a. neben der sozialpädagogischen Fachkompetenz eine personale und kommunikative Kompetenz (DBSH 2012). Von Spiegel (2018, S. 113f) unterteilt Kompetenzen für die Fall- und die Managementebene in die Dimensionen Können, Wissen und berufliche Haltungen. Soziale Kompetenz ist beim Können auf der Fall- und der Organisationsebene enthalten. Kreft (2017) ergänzt das Können um die kommunikative und die Management-Kompetenz. Heiner (2018) fügt der Fall- und der System- noch die Selbstkompetenz hinzu und kombiniert sie mit drei Mustern des Interventionsprozesses.

Dieser kurze Ausschnitt verdeutlicht, wie in der Diskussion um die beruflich geforderten Kompetenzen zunächst einfache und mitunter theoretisch und empirisch wenig begründete Listen um bereichs-, fähigkeits- und prozessorientierte Matrizen ergänzt wurden, welche die komplexen Anforderungen sozialpädagogischer Handlungssituationen näherungsweise abbilden sollen. Basierend auf dem weitgehend implizierten Konsens, dass sich sozialpädagogische Handlungskompetenz als relational versteht, die situativ in der Bearbeitung von komplexen und ungewissen Sachverhalten entsteht (Dewe und Stüwe 2016; Hochuli Freund und Stotz 2017), sind soziale und emotionale Kompetenzen in den Modellen häufig impliziert oder als universell zugrunde gelegt (Pohlmann und Gosch 2008), oft aber nicht direkt ausgewiesen. Nur der Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit 6.0 (QR SozArb 6.0) benennt explizit die soziale Kompetenz als Element der personalen Kompetenz.

3 Sozialkompetenz als Learning Outcome

Der QR SozArb 6.0 hat die im DQR zugrunde gelegte Einteilung in Fach- und Personale Kompetenz übernommen. Als wichtige Referenz für die Studiengänge (BAG und FBTS 2020) taucht deshalb soziale Kompetenz (Spindler 2020) in den Modulhandbüchern durchgängig auf. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Praxisreferate (BAG) dagegen legt eine Dreiteilung in Fach‑, Methoden- und Sozialkompetenz zugrunde (BAG 2019). Sozialkompetenz wird definiert als „Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die dazu befähigen, in der Beziehung zu Mitmenschen situationsadäquat als Professioneller/e zu handeln. Neben Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit gehören dazu u. a. Konfliktfähigkeit und Einfühlungsvermögen sowie die Entwicklung einer handlungsbezogenen professionellen Urteilskraft“ (BAG 2019, S. 22). Letztere erstreckt sich auf die Klientel von Sozialer Arbeit, ihre Organisationen und das für die Profession relevante Umfeld.

4 Emotionale Kompetenz als Learning Outcome

Emotionale Kompetenz wird explizit weder im DQR noch im QR SozArb 6.0 als Lernergebnis angeführt. In der Konkretisierung liest man aber unter „Persönlichkeit und Haltungen“, dass Absolvent:innen „über eine stabile, belastungsfähige und ausgeglichene Persönlichkeit mit ausgeprägter Empathie für soziale Aufgabenstellung und darin beteiligte Personen verfügen“ sollen (FBTS 2016). Bei von Spiegel (2018) werden Facetten emotionaler Kompetenz auf der Fallebene als Fähigkeiten beim Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung oder zum Einsatz der Person als Werkzeug in Form von „Empathiefähigkeit“ erwähnt. Die berufliche Haltung impliziert Aspekte emotionaler Kompetenz durch die Reflexion von Motiven, Identifikation, Identität, Werten und der Rolle (Von Spiegel 2018). Auch Hochuli Freund und Stotz (2017) sehen im Einsatz der Person stets einen reflexiven Bezug zu Emotionen und zur Biografie. Heiner (2018) rekurriert auf die Bedeutung von Empfindungen und deren Reflexion z. B. auch bei Problemlösungsschritten in Form von Einfühlungs- oder Introspektionskompetenz. Den mitschwingenden Gefühlen werde, Heiner (2018) zufolge, in der Arbeit mit der Klientel und dem Innenblick der sozialpädagogischen Fachkraft noch zu wenig nuanciert nachgespürt.

Nach Werner (2018) lassen sich verschiedene Verhältnisbestimmungen zwischen Emotionen und sozialpädagogischer Professionalität eruieren: Emotionen können irrationalen, latent wirkenden Einfluss haben, die prosoziale Handlungsmotivation unterfüttern, in ein professionelles Arbeitsbündnis eingebettet das Nähe- und Distanzverhältnis ausbalancieren, (un)reflektiert mitschwingen oder versuchsweise ausgeklammert werden. Weil sie im sozialpädagogischen Handlungsvollzug allgegenwärtig sind, ist von Absolvent:innen zu erwarten, kompetent im Umgang mit ihren Emotionen zu sein. Als Lernergebnis ist die emotionale Kompetenz kaum explizit formuliert.

5 Soziale und emotionale Kompetenz im Studium und im Praktikum erwerben

Den Kompetenzbeschreibungen von Modulhandbüchern zu Studiengängen Sozialer Arbeit liegen kaum evidenzbasierte Lehrkonzepte zugrunde, wie soziale und emotionale Kompetenz parallel zum und verschränkt mit dem Wissenserwerb erlernt werden können, so dass die von Dewe et al. (2011) vorgetragene Kritik an einer unhinterfragten Anwendungsorientierung wissenschaftlichen Wissens inklusive des Anspruchs, es in die Praxis übertragen zu können und das professionelle Handeln zu verbessern – ungeachtet dessen, in welchem Lehrformat es erworben wurde –, an Aktualität nicht eingebüßt hat.

Im Folgenden werden ausgewählte Voraussetzungen bei den Studierenden, die Relevanz für Studium und Praxis und die Art der Vermittlung von emotionaler und sozialer Kompetenz fokussiert.

Fröhlich-Gildhoff (2003) identifizierte zwei Cluster psychologischer Schlüsselqualifikationen für das berufliche Handeln von Sozialpädagog:innen: a) Die professionelle Beziehungsgestaltung und b) ein selbstreflexives, fachlich positioniertes und teamfähiges Vorgehen. Dabei werden praxisbezogene Übungsformate den Vorlesungen vorgezogen. Laut Soellner et al. (2008) monierten Praktikumsstellen unzureichende soziale Kompetenzen und mangelndes Engagement bei den Praktikant:innen. Die Studierenden dagegen erwarten, das theoretische Wissen experimentell mit den Praxisanforderungen abgleichen zu können. Eine Studie von Stauder (2017) bestätigt, dass Praktika Selbst- und Sozialkompetenzen stärker stimulieren als Fachkompetenzen. Ferner initiieren Praxiserfahrungen Impulse zur Praxis-Theorie-Relationierung und zur professionellen Reflexivität.

In der Studie von Pohlmann und Gosch (2008) haben Hochschullehrer:innen und Praxisvertreter:innen alle Items zur sozialen Kompetenz, gefolgt von denen zur Empathie, als Bedingung für berufliche Handlungskompetenz sehr hoch bewertet. Empirisch konnte daraus aber keine Disposition zu sozialer Kompetenz schon vor dem Studium abgeleitet werden.

Eine Absolvent:innenbefragung von Schubert und Keller (2015) hat die Vermittlungsziele der Lehrenden und die Arbeitgebererwartungen in Bezug gesetzt. Sie stellten fest, dass soziale und personale Kompetenzen im Vergleich zur Fachkompetenz zu Beginn des Studiums eher niedrig, am Ende dagegen sehr hoch eintaxiert wurden. Die Vorlesung eignet sich am wenigsten für die Vermittlung der genannten Kompetenzen. Bei den Arbeitgebern dagegen wurde die Kommunikations- und Teamfähigkeit von Anfang an deutlich höher gewertet (ähnlich Pohlmann und Gosch 2008).

Ob im Studium soziale oder emotionale Kompetenzen aufgebaut werden, hänge maßgeblich mit den Bedingungen des Lehr-Lernprozesses zusammen. Thöne-Geyer (2004) resümiert, dass Gefühle und die Identitätsrelevanz beim Lernen zwar als wichtige Einflussgrößen erachtet, diese didaktisch und methodisch aber nicht berücksichtigt werden. Sie fordert deshalb, die Vermittlungsproblematik sozialer Kompetenzen stärker emotionspsychologisch und neurobiologisch zu analysieren.

Spindler (2020) untersucht Lehr- und Lernformen, die in der Sozialen Arbeit besonders geeignet sind, um sozial-emotionale Kompetenzen auszubilden. Soziale Kompetenz der Lehrenden erweist sich dabei als hoch virulent, um eine professionelle Identität erreichen zu können.

6 Zur Verschränkung von Theorie und Praxis

Die verschiedenen professionstheoretischen Ansätze durchziehen unterschiedliche Theorie-Praxis-Relations-Figurationen, die jeweils theorieimmanent entwickelt sind und mitunter in unterschiedlichen Modellen in Studiengängen (implizit) implementiert sind (allgemein Helsper 2021; spezifisch BAG 2019; Leinenbach et al. 2022). Es zeigt sich, wie komplex und zugleich fragil die Verschränkung von im Studium erlerntem Wissen und erworbener Fachkompetenz und des erfahrungsbasierten Vorgehens in der beruflichen Praxis bei der Ausbildung von Professionalität ist (z. B. Becker-Lenz und Müller 2009; Gruber und Harteis 2018; Helsper 2021; Stauder 2017). Dabei wird sogar eine Transfer-Kompetenz konzipiert, die jedoch verkennt, dass Wissen teilweise erst im begleitenden reflektierten Tun durch Anleitung entsteht (Gruber 2021; Pfister 2017). Die Programmatik der Studiengänge impliziert, dass nur wissenschaftliches Wissen und eine reflexive Professionalität den Anspruch einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit bzw. Entwicklung sozialpädagogischer Kompetenz einlösen kann (Henrich 2020; Matthies und Lau 2019). Dabei bedingen motivationale und identitätsrelevante Aspekte sowohl die Theorieaneignung in den Lehrveranstaltungen als auch die praktische Umsetzung am Lernort Praxis (vgl. etwa die entsprechenden Ausführungen von Kanning (2009) im Kontext des Inventars sozialer Kompetenzen). In den Handlungsfeldern Sozialer Arbeit bedarf es für die Umsetzung des Handlungspotenzials neben der Fachqualifikation ferner der Zuständigkeit und der Handlungsmotivation. Heiner (2018) zufolge sei bei der sozialpädagogischen Handlungskompetenz zu resümieren, dass die volitionale Komponente (inklusive emotionale und soziale Aspekte) eine stark steuernde Funktion innehabe (Heiner 2018; allgemein Sauter 2018) und die Reflexivität beeinflusse (Gruber 2021).

7 Fragestellungen

Die uneinheitliche theoretische Modellierung sozialpädagogischer Handlungskompetenz bedingt, dass soziale und emotionale Kompetenzen nicht zwingend differenziert konzeptualisiert und empirisch überprüft werden. Zudem wird kaum thematisiert, womit sich in welcher Studienphase und wie der Kompetenzerwerb entwickelt. Wegen der wenigen spezifischen Studien werden folgende explorative Fragestellungen formuliert: (F1) Wie stark sind Soziale Kompetenzen und Emotionale Kompetenzen bei Studierenden der Sozialen Arbeit (Gesamtstichprobe) im Vergleich zu Norm- und Referenzgruppen ausgeprägt? (F2) Weisen Studierende mit sehr gutem Hochschulreifezeugnis statistisch signifikant andere Werte der sozialen und emotionalen Kompetenzen auf als diejenigen mit sehr schlechtem Hochschulreifezeugnis? (F3) Gibt es zwischen Studierenden niedriger und höherer Semester statistisch signifikante Unterschiede in der sozialen und emotionalen Kompetenz? (F4) Weisen Studierende mit absolviertem Praktischen Studiensemester statistisch signifikant unterschiedliche Werte der sozialen und emotionalen Kompetenzen auf als diejenigen vor dem Praxissemester?

8 Methode

8.1 Stichprobe

Rekrutierung:

Die Befragung fand im November 2019 statt. Der Gesamt-Fragebogen wurde mittels SoSci-Survey Tool (www.soscisurvey.de) als Online-Version erstellt und (a) in Präsenz-Lehrveranstaltungen der Sozialen Arbeit im ersten (Semester 1–3) und dritten Studienabschnitt (ab Semester 5) und (b) online außerhalb der Hochschule (Studierende im Praktikum) beantwortet. Es sollten möglichst Studierende aus allen Semestern rekrutiert werden.

Charakterisierung:

Die nicht-probabilistische Gelegenheitsstichprobe beinhaltet 264 auswertbare Datensätze. Die Stichprobe wird allerdings mit n = 211 Datensätzen charakterisiert, da 53 Proband:innen (20,1 %) den Fragebogen zur Erfassung der Bildungsbiografie und des aktuellen Studiums nicht bearbeiteten. Um systematische Verzerrungen der Ergebnisse aufzudecken, wurde eine Dropout-Analyse mittels ANOVAs zwischen den Personen, die Zusatzfragen beantworteten, versus denjenigen, die dies nicht taten, durchgeführt. Die Ergebnisse für alle erfassten Abhängigen Variablen (AVs) ergeben lediglich für eine Subdimension des Inventars soziale Kompetenzen (ISK: Soziale Orientierung) einen signifikanten Befund mit niedrigerem arithmetischem Mittelwert (28,32 vs. 30,42) für die Gruppe der Non-Responder (F(1,231) = 5,99; p = 0,015; η2 = 0,025), allerdings bei Verletzung der Homogenitätsannahme der Varianzen der Vergleichsgruppen (Levene-Test: p =0,031). Aufgrund dieser Werte ist von aussagekräftigen Ergebnissen für die Stichprobe auszugehen. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten (47,7 %) hat das obligate Praktische Studiensemester absolviert. Das Durchschnittsalter der Proband:innen beträgt 22,94 (SD = 4,60) Jahre bei einem Altersbereich von 18 bis 43 Jahre. Es antworten mehrheitlich weibliche Studierende (88,7 %), was allerdings näherungsweise für Studiengänge der Sozialen Arbeit der üblichen Geschlechterverteilung entspricht (gFFZ 2020). Der Notendurchschnitt des Hochschulreifezeugnisses beträgt im Mittel 2,13 (SD = 0,56; 1,0–3,7) und 29,9 % der Stichprobe hat eine Berufsausbildung durchlaufen. Etwa die Hälfte der Proband:innen befindet sich im ersten (n = 48,3 %) und fünften (n = 32,2 %) Semester.

8.2 Messinstrument

Der Gesamt-Fragebogen besteht aus den zwei psychometrisch geprüften und als reliabel und valide einzuschätzenden Fragebögen Inventar sozialer Kompetenzen-Kurzform (ISK‑K; Kanning 2009) und Emotionale Kompetenzen Fragebogen-Selbsteinschätzung (EKF-S; Rindermann 2009) sowie einem selbstentwickelten Fragebogen zur Erfassung der Bildungsbiografie und des aktuellen Studiums. Der ISK-K-Fragebogen ist ein Selbstbeurteilungsverfahren, das differenziert soziale Kompetenzen erfasst. Er besteht aus den Subdimensionen Soziale Orientierung (ISK-K-SO), Offenheit (ISK-K-OF), Selbststeuerung (ISK-K-SE) und Reflexibilität (ISK-K-RE). Der EKF‑S konzeptualisiert Emotionale Kompetenz als „Fähigkeit zum Erkennen und Ausdrücken von Emotionen sowie (…) einem angemessenen Umgang mit Gefühlen“ (Rindermann 2009, S. 7). Er umfasst die Subdimensionen Erkennen und Verstehen eigener Emotionen (EKF-S-EE), Erkennen von Emotionen bei anderen (EKF-S-EA), Regulation und Kontrolle eigener Emotionen (EKF-S-RE), Emotionale Expressivität (EKF-S-EX), Regulation von Emotionen bei anderen (EKF-S-RA) und Einstellungen zu Emotionen (EKF-S-EU). Der selbstentwickelte Fragebogen erfasst bildungsbiografische Aspekte (z. B. Notendurchschnitt Hochschulreifezeugnis) sowie Angaben zum Studium (z. B. Semester; Praktikum).

8.3 Datenauswertung

Die Datenanalyse erfolgt mittels SPSS-Statistiksoftware. Als inferenzstatistische parametrische Prozeduren werden einfaktorielle Varianz- und Kovarianzanalysen (ANOVA, ANCOVA) sowie Pearson Produkt-Moment Korrelationen (r) gerechnet. Als statistisch signifikante Unterschiede werden Irrtumswahrscheinlichkeiten von p ≤ 0,05 (ggf. adjustiert p ≤ 0,01) festgelegt. Die Beurteilung der Größe der Unterschiede bzw. Zusammenhänge orientiert sich an den von Cohen (1988) für sozialwissenschaftliche Studien vorgeschlagenen Richtlinien. Hierbei gelten für (Ko‑)Varianzanalysen η2-Werte ab η2 = 0,01 als gering, ab η2 = 0,06 als mittel und ab η2 = 0,14 als groß. Beim Pearson-Korrelationskoeffizienten werden Werte ab r = 0,10 als gering, ab r = 0,30 als mittel und ab r = 0,50 als groß interpretiert. Sofern bei der Ergebnisdarstellung nicht explizit erwähnt, sind die Anwendungsvoraussetzungen der genutzten Statistikverfahren (Tabachnick und Fidell 2018) erfüllt.

9 Ergebnisse

Fragestellung 1: Vergleich mit Norm- und Referenzwerten:

In Tab. 1 und 2 lassen sich die getesteten Variablen im Vergleich zu korrespondierenden Norm- bzw. Referenzgruppen einordnen. Hinsichtlich ISK-Sozialer Kompetenzen ist festzuhalten, dass alle Durchschnittswerte (bezogen auf die Gesamtgruppe und auf weibliche und männliche Studierende) um den Standardwert (SW) 100 und somit im Bereich von 90 bis 110 liegen (siehe Tab. 1), welcher in der psychologischen Diagnostik als unauffällig bzw. normal angesehen wird (Krohne und Hock 2015). Hinsichtlich der EKF-S-Emotionalen Kompetenzen fallen drei grenzwertig hohe (SW = 110) Ausprägungen verglichen mit der Allgemeinbevölkerung (Frauen und Männer) auf (siehe Tab. 2). Bei EKF-S-EA weisen Studentinnen und Studenten vergleichsweise hohe Werte auf. Für EKF-S-EX ist der Wert für Studenten relativ hoch. Demnach beschreiben sich die Studierenden der Sozialen Arbeit geschlechterübergreifend als recht kompetent im Erkennen von Emotionen bei anderen Personen und es gelingt Studenten relativ gut, anderen ihre eigenen Emotionen mitzuteilen.

Tab. 1 Einordnung der erhaltenen ISK-K-Dimensionswerte im Vergleich zu Normwerten
Tab. 2 Einordnung der erhaltenen EKF-S-Dimensionswerte im Vergleich zu Referenzwerten

Kontrollvariablen

Die Fragestellungen 2 bis 4 lassen sich im Sinne einer quasi-experimentellen Interventionsstudie analysieren, wobei die verschiedenen formellen Lernsettings bzw. Vergleichsgruppen das Treatment (Unabhängige Variablen; UVs) darstellen und die Facetten der sozialen resp. emotionalen Kompetenzen die Abhängigen Variablen (AVs) bilden. Um den Einfluss des Treatments (Lehrveranstaltungen) auf die sozialen bzw. emotionalen Kompetenzen (AVs) zu erfassen und ihn von potenziellen Ko-Einflüssen rechnerisch zu bereinigen, ist deren Einfluss vor den Hauptanalysen zunächst herauszurechnen. Somit liegt eine intern-valide Studie vor (Sarris und Reiß 2005). Insbesondere Geschlecht, Alter und berufliche Erfahrung können Einflüsse auf soziale und emotionale Kompetenzen haben (Kanning 2009; Rindermann 2009). Sie werden statistisch geprüft (Varianzanalysen; Pearson-Korrelation). Als Resultat der Berechnungen ergeben sich für die Teilgruppen-Vergleiche (Fragestellungen 2–4) bzw. ANCOVAs folgende Kontrollvariablen, deren Einflüsse auspartialisiert werden: EKF-S-EE (Kontrollvariablen: Alter; Berufsausbildung), EKF-S-RE (Geschlecht; Berufsausbildung), ISK-K-OF (Geschlecht; Berufsausbildung), ISK-S-SE (Alter; Geschlecht; Berufsausbildung) und ISK-K-RE (Alter).

Fragestellung 2: Hochschulreifezeugnis und soziale/emotionale Kompetenzen:

Die ANCOVAs in Abhängigkeit vom Notendurchschnitt des Hochschulreifezeugnisses (UV: Notendurchschnitt 1,0–1,5 vs. 3,0–3,7) erbringen für die ISK-K-Soziale Kompetenzen keine statistisch signifikanten Effekte und deskriptiven Auffälligkeiten. Hinsichtlich der EKF-S-Emotionalen Kompetenzen lässt sich für EKF-S-RE ein statistisch signifikanter mittelgroßer bis großer Effekt feststellen, der aus dem höheren Wert der Studierenden mit sehr gutem Hochschulreifezeugnis resultiert. Obwohl hierbei die Voraussetzung homogener Varianzen der Vergleichsgruppen verletzt ist [Levene-Test: F(1,48) = 7,0; (p = 0,011), ist ein Typ-1-Fehler aufgrund der gleichen Gruppengrößen, des p-Wertes deutlich < 0,05 (p = 0,012) sowie der insgesamt robusten ANCOVA-Prozedur nicht zu erwarten (Tabachnick und Fidell 2018). Der deskriptiv höhere Wert der Studierenden mit schlechtem Hochschulreifezeugnis bei EKF-EX lässt sich teststatistisch nicht bestätigen (siehe Tab. 3 und 4).

Tab. 3 Deskriptive Statistik der Teilgruppen-Vergleiche
Tab. 4 Kovarianzanalysen (ANCOVAs) zum Einfluss von Notendurchschnitt des Hochschulreifezeugnisses, Studienabschnitt und Praxissemester (UVs) auf die Dimensionen von emotionaler und sozialer Kompetenzen (AVs)

Fragestellung 3: Studienabschnitt und soziale/emotionale Kompetenzen:

Die ANCOVAs in Bezug auf den Studienfortschritt (UV: Semester 1–3 vs. Semester 5 und höher) ergeben für ISK-K-Soziale Kompetenzen keine statistisch signifikanten Effekte und deskriptiven Auffälligkeiten (siehe Tab. 3 und 4). Bei EKF-S-Emotionale Kompetenzen liegen für EKF-S-RE (Studienabschnitt 1 > 3) und EKF-S-EX (Studienabschnitt 3 > 1) deskriptiv zwar differierende Werte vor, sie können jedoch teststatistisch nicht bestätigt werden (siehe Tab. 3 und 4).

Fragestellung 4: Praktisches Studiensemester und soziale/emotionale Kompetenzen:

Die ANCOVAs bezüglich des Praktischen Studiensemesters (UV: Praxissemester absolviert vs. Praxissemester nicht absolviert) ergeben für ISK-K-Soziale Kompetenzen weder statistisch signifikante Effekte noch deskriptive Auffälligkeiten (siehe Tab. 3 und 4). Hinsichtlich EKF-S-Emotionale Kompetenzen zeigen sich zwar bei EKF-S-EX deskriptiv unterschiedliche Werte (Praxissemester absolviert > Praxissemester nicht absolviert), allerdings teststatistisch kein statistisch signifikanter Befund (siehe Tab. 3 und 4).

10 Diskussion

Soziale und emotionale Kompetenzen werden ex- oder mindestens implizit als förderungswürdige Lernziele formuliert und als für sozialpädagogische Handlungskompetenz relevant erachtet (Spindler 2020). Auch soziale Dienste legen auf soziale/emotionale Kompetenzen besonderen Wert (Rios et al. 2020). In operationalisierten Lernzielformulierungen wird oft unhinterfragt davon ausgegangen, dass sich genannte Kompetenzen durch formelle Lernsettings unterschiedlichster Art fördern lassen. Eine empirisch abgesicherte Datenbasis hierzu fehlt bisher allerdings. Die referierte explorative Studie beschäftigt sich mit der übergeordneten Fragestellung, ob die gängigen formellen Lernsettings einer HAW (z. B. seminaristischer Unterricht bzw. Vorlesung, Seminar, Übung) die sozialen und emotionalen Kompetenzen fördern können.

Betrachtet man die Dimensionswerte der Kompetenzen und setzt sie in Relation zu Norm- und Referenzwerten (F1), so ist zu konstatieren, dass alle Bereiche der sozialen Kompetenzen geschlechtsübergreifend um den Standardwert (SW) 100 liegen, was in der psychologischen Diagnostik als durchschnittlich, unauffällig oder normal gewertet wird (Krohne und Hock 2015). Somit weisen die Soziale Arbeit-Studierenden sowohl in der Studienanfangsphase als auch im Verlauf vergleichbare Werte auf wie Studierende insgesamt (d. h. verschiedener Studiengänge; siehe Tab. 1). Hinsichtlich der Dimensionen der emotionalen Kompetenzen und des Vergleichs mit einer Referenzgruppe (repräsentative Zufallsstichprobe der deutschen Allgemeinbevölkerung) findet sich ein ähnlicher Befund: Die Werte sind unauffällig, normal oder durchschnittlich, lediglich für das Erkennen der Emotionen anderer (EKF-S-EA) beschreiben sich die Befragten geschlechterübergreifend grenzwertig auffallend (SW = 110) kompetenter; ebenso weisen Studenten im Verbalisieren der Emotionen (EKF-S-EX) erkennbar höhere Werte als die Referenzgruppe auf (siehe Tab. 2). Vordergründig betrachtet lässt sich der Befund positiv werten: Die Studierenden der Sozialen Arbeit verfügen am Anfang des Studiums wie auch im Verlauf über durchschnittliche soziale und emotionale Kompetenzen. Allerdings ist zu fragen, ob die genannten und für die spätere professionelle Berufspraxis als fundamental angesehenen Kompetenzen (Rios et al. 2020) im Idealfall nicht höher ausgeprägt sein müssten, zumindest unter der Voraussetzung, dass sie sich durch formelle Lernsettings entwickeln. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Vergleich von Studierenden des ersten Studienabschnitts mit denjenigen des dritten Abschnitts erbringt keinerlei statistisch signifikante Veränderungen der erfassten Kompetenzen (F3; Tab. 3 und 4). Da spielt es keine Rolle, mit welchen kognitiven Leistungsvoraussetzungen die Personen das Studium beginnen: Der Vergleich von Studierenden mit sehr gutem Hochschulreifezeugnis (Durchschnitt 1,0–1,5) versus denjenigen mit sehr schlechtem Zeugnis (Durchschnitt 3,0–3,7) führt nur bei einer Dimension (EKF-S-RE) zu einem statistisch signifikanten Unterschied mit höheren Werten der Studierenden mit sehr gutem Abitur (siehe Tab. 3 und 4). Insofern bestätigen sich die Befunde sowie insbesondere auch die Validierungsprüfungen der Verfahren (Kanning 2009; Rindermann 2009), wonach kognitive Intelligenz kaum mit sozialen und emotionalen Kompetenzen kontextualisiert ist (F2). Und selbst das Praktische Studiensemester scheint keinerlei Effekte auf die Weiterentwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen zu haben (F4; siehe Tab. 3 und 4).

Wie lassen sich diese scheinbar ernüchternden Befunde erklären? Aus Studien ist erkennbar, dass sich soziale und emotionale Kompetenzen fördern lassen. Auch die Konzeptualisierungen der Fragebogen-Inventare weisen die operationalisierten Kompetenzbereiche als Verhaltensdispositionen (statt Trait-Persönlichkeitseigenschaften) und somit als prinzipiell lehr- bzw. veränderbar aus (Kanning 2009; Rindermann 2009). Beispielsweise präsentiert Rindermann (2009) Befunde eines Trainingsprogramms für hochbegabte Kinder und Jugendliche und berichtet von Verbesserungen in Teilbereichen der emotionalen Kompetenzen, sofern das Programm multimodal aufgebaut ist (Rindermann 2009, S. 74). Auch Pfingsten (2009) hebt die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Programme mit Schwerpunktsetzung auf eine Methodenkombination sowie der Bedeutung von Übungs- und Feedback- bzw. Reflexionsprozessen (S. 590–591) hervor. Wenngleich sich diese Trainingsprogramme auf Patient:innen mit psychischen Problemen beziehen, bieten sie doch Anhaltspunkte, wie soziale und emotionale Kompetenzen auch im Hochschulkontext weiterentwickelt werden können. Demnach müssten die Lehrveranstaltungen anwendungsbezogen angelegt sein und systematische Reflexionsoptionen beinhalten. Es dürfte nicht davon ausgegangen werden, dass sich soziale und emotionale Kompetenzen ohne intensive formelle Lernunterstützung nebenbei entwickeln, selbst wenn das für das Erwachsenenlernen durchaus zutreffend ist (Dinkelaker und Hippel 2015). Im Sinne einer reflexiv und relational ausgerichteten Perspektive (sozial‑)pädagogischer Handlungskompetenz resp. Professionstheorie (Dewe et al. 2011; als Überblick Dewe und Stüwe 2016) ist professionelles Handeln (Professionswissen) in der zukünftigen Berufspraxis nur dann zu erwarten, wenn bereits in der Hochschule situationsbezogene reflexive Prozesse der Relationierung von Handlungs- und Wissenschaftswissen eingeübt werden können.

11 Limitationen

Aus forschungsmethodischer Perspektive ist festzustellen, dass es sich nicht um eine Längsschnittstudie handelt und somit die (nicht) gefundenen Veränderungen im Zeitverlauf vorsichtiger als Entwicklungs-Trends zu sehen sind (wobei es sich auch nicht um eine Trendstudie im engen Sinne handelt; Cohen et al. 2011). Eine echte Längsschnittstudie war zwar geplant, musste jedoch aufgrund der aufgetretenen COVID-19-Pandemie abgebrochen werden. Um Entwicklungsverläufe verlässlich nachzuzeichnen und überdies (Nicht‑)Effekte auf formelle Lernarrangements zurückführen zu können (interne Validität; Sarris und Reiß 2005), müsste im Idealfall ein (quasi‑)experimentelles Studiendesign umgesetzt werden, selbst wenn dieses im pädagogischen Kontext oft schwer realisierbar ist und vor allem wegen fragwürdiger externer bzw. ökologischer Validität kritisiert wird (Thomas 2021). Außerdem wurden aus zeitökonomischen Gründen keine Fragen zu den Formaten, Inhalten und didaktischen Vorgehensweisen der besuchten Lehrveranstaltungen gestellt. Insofern sind detailliertere Begründungen und Empfehlungen nicht möglich. Es ist denkbar, dass die genutzten standardisierten Fragebögen nicht differenziert genug die in der Sozialarbeitspraxis relevanten Facetten der analysierten Kompetenzbereiche erfassen; dies gilt insbesondere für den ISK-Fragebogen, der „allgemeine soziale Kompetenzen“ im Sinne eines situationsübergreifenden Persönlichkeitsmerkmals operationalisiert (Kanning 2009, S. 9). Trotz der Limitationen liefert die Studie seriöse Hinweise, dass es für die Weiterentwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen im Hochschulalltag durchdachter formeller Lernarrangements bedarf und sie sich nicht selbstverständlich beiläufig ergibt, wie dies die formulierten Modulhandbücher an Hochschulen oder Kompetenzlisten von Berufsverbänden häufig suggerieren.