1 Kenntnisse und Qualifikation zur Förderung nachhaltiger Entwicklung – SDG 4.7

Die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen wurden 2015 beschlossen und traten 2017 in Kraft. Es handelt sich dabei um Entwicklungsziele auf globaler Ebene, die auf eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft abzielen, um so ein Mehr an Gerechtigkeit zwischen den Nationen und über Generationen hinweg sowie eine Erweiterung des Wohlstands für alle zu erreichen. Sie reihen sich damit in global-integrative Strategien und Programme der UN (beginnend mit dem Brundtland-Report, WCED 1987) ein. Die SDGs beinhalten 17 Ziele mit zahlreichen Unterzielen, die ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen umfassen (vgl. dazu bspw. Leal Filho 2019). Nachhaltigkeit entfalte sich dabei als „Reflexions- und Lösungsbegriff des Krisendiskurses westlicher Industrienationen um die Gefährdungen von Mensch und Natur, die ein individuelles wie gesamtgesellschaftliches Umdenken überlebensnotwendig machen“ (Kehren und Winkler 2019, S. 374). Für eine umfangreiche Genese und Diskussion des Nachhaltigkeitsbegriffs sei auf Brand (2021) verwiesen.

In weiterer Folge hat die österreichische Bundesregierung alle Bundesministerien beauftragt, die SDGs in die relevanten Strategien und Programme einzuarbeiten (vgl. Bundeskanzleramt 2020), da „im österreichischen Bundesverfassungsgesetz (…) die Nachhaltige Entwicklung als Staatsziel deklariert“ ist (Bundeskanzleramt 2020). SDG 4 mit dem Titel „Hochwertige Bildung“ behandelt den umfassenden und gerechten Zugang zu qualitativer Bildung für alle Menschen. Beispielsweise Leal Filho (2019) und Stoltenberg und Burandt (2014) betonen den engen Zusammenhang mit allen anderen SDGs, weil durch die entsprechenden bildungsbezogenen Kapazitäten Lösungen für verschiedene SDGs erst entstehen können. Besonders relevant für pädagogische Überlegungen ist dabei SDG 4.7:

„4.7 Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung“ (Bundeskanzleramt 2019)

Damit wird eine entsprechende Bildung als Grundvoraussetzung für die globale Realisierung nachhaltiger Lebensweisen verstanden (Stoltenberg und Burandt 2014). Nachdem dieses Ziel den Diskurs der Bildungsforschung und -praxis betrifft, möchte vorliegender Artikel einen Blick auf die entsprechende Datenlage werfen.

2 Mögliche Datenquellen aus dem nationalen und internationalen Bereich

Während – wenn auch nicht umfassend oder in ausreichendem Ausmaß – Daten für eine Vielzahl von Unterzielen vorliegen (geschlechtsspezifischer Bildungszugang, Literalisierungsgrad etc.), gibt der Indikatorenbericht der Statistik Austria (2020) zum zentralen Ziel 4.7, das, wie besprochen, als eine Voraussetzung für viele Nachhaltigkeitsziele dienen soll, die eher ernüchternde Auskunft: „Die Umsetzung der Vermittlung von Kenntnissen über nachhaltige Entwicklung für alle Lernenden ist derzeit mangels geeignetem Indikator [sic!] nicht messbar.“ (ebd., S. 39). Die Datenverfügbarkeit scheint diesbezüglich auch weltweit nur teilweise gegeben zu sein. Verfügbare Quellen für Daten oder Ansätze für Indikatoren sollen nachfolgend dargestellt werden. Strukturierend dient dabei das CIPO-Modell von Ditton (2000), das Schulqualität prozesshaft und mehrdimensional betrachtet und die Faktoren Kontext (Ausbildung, Bildungspolitik), Input (Lehrpläne), Prozess (Prozessqualität der ganzen Institution und der einzelnen Interaktion) sowie Output/Outcome (Kompetenzen) behandelt. Die Qualität von Schulen wäre somit entlang und in der Interaktion dieser Faktoren zu betrachten, Indikatoren, welche über die Qualität von Bildung für nachhaltige Entwicklung Auskunft geben, müssten sich auf diese Dimensionen beziehen. Daher werden nachfolgend entlang dieser Faktoren österreichische wie internationale Indikatoren beschrieben.

2.1 Kontext und Input-Indikatoren – Gesetze, Personal, Bildungssystemstruktur, Lehrpläne

Diese beiden Variablen sollen zusammen gedacht werden, weil sie gewissermaßen direkt auf der politischen Ebene angesiedelt sind – Gesetzgeber*in und Behörden bestimmen den strukturellen Kontext wie auch den Input, also welche Inhalte und Kompetenzen prinzipiell angezielt werden.

  • Eine mögliche österreichische Datenquelle auf Kontext-Ebene stellen einschlägige Projekte und Netzwerke dar. Exemplarisch für solche Maßnahmen können Initiativen wie ÖKOLOG oder das österreichische Umweltzeichen dienen. Die Initiative ÖKOLOG des Bildungsministeriums hat zum Ziel, Schulen zu ermutigen und zu motivieren, im Bereich Umweltbildung aktiv zu werden (vgl. z. B. Swatek und Rauch 2020). Nach einem Start 1996 mit 22 Pilotschulen ist das Netzwerk bis 2021 auf 600 Schulen (von insgesamt etwa 5500 Schulen in Österreich) angewachsen. Das Wachstum kann als ein Kontext-Indikator verstanden werden, hinterfragt werden muss aber, dass eine Mitgliedschaft (Input-Faktor) nicht unbedingt zu Lehr- und Lernprozessen auf Institutions- und Interaktionsebene führt.

  • Eine weitere Initiative, die u. a. auch Schulen hinsichtlich ihres Engagements für Bildung für nachhaltige Entwicklung auszeichnet, ist das Österreichische Umweltzeichen (Österreichisches Umweltzeichen 2021), das im Jahr 2022 145 Bildungseinrichtungen für sich in Anspruch nehmen können. Ziel ist es hier, „durch pädagogische, gesundheitsfördernde und ökologische Maßnahmen positive Umweltwirkungen und qualitätssteigernde Effekte“ (ebd.) zu erzielen. Auch wenn die Anforderungen hier deutlich höher sind, gilt eine ähnliche Einschränkung wie oben, nämlich dass eine Zertifizierung nicht unbedingt einen Indikator für dringend notwendige Transformationen auf Prozess- und Outcome-Ebene darstellt.

  • Im Bereich der (universitären) Erwachsenenbildung kann in diesem Kontext insbesondere das österreichweit agierende Projekt UniNETZ (https://www.uninetz.at) erwähnt werden, in dem 18 Universitäten und Pädagogische Hochschulen Optionen für den tertiären Bildungsbereich hinsichtlich der SDGs erarbeiten und diskutieren. Hinsichtlich der Datenlage zu SDG 4.7 verweisen aber auch sie auf das Nichtvorhandensein entsprechender Indikatoren gemäß Statistik Austria.

  • Der von der Weltbank herausgegebene SDG-Atlas beschreibt einen Datenmangel in Bezug auf verschiedene Unterziele von Ziel 4, Ziel 4.7 ist nicht einmal explizit erwähnt (World Bank 2017).

  • Die UNESCO (2021) plant Monitoringberichte für 2030 und ruft die Mitgliedsstaaten zu entsprechenden Befragungen auf.

  • Das deutsche statistische Bundesamt subsummiert die bis dahin vorliegenden, teilweise auf die bereits 1974 von der UN entwickelten „Recommondation concerning Education relating to Human Rights an Fundamental Freedoms“ basierenden Ansätze in folgendem Vorschlag: „Umfang in dem (i) politische Bildung im globalen Maßstab und (ii) Bildung für nachhaltige Entwicklung in (a) nationale Bildungspolitik, (b) Lehrpläne, (c) Ausbildung von Lehrkräften und (d) Leistungsbewertung der Lernenden integriert sind“ (Statistisches Bundesamt 2021). Gleichzeitig wird angegeben, dass nach einer Datenquelle gesucht werde und diesbezügliche Vorschläge erwünscht seien. Der Indikator des deutschen Statistischen Bundesamts berücksichtigt zwar das CIPO-Modell, klammert allerdings die Prozessdimension aus.

  • In Deutschland begann das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2017 mit der Umsetzung eines Nationalen Aktionsplans für Bildung für nachhaltige Entwicklung. Im Rahmen dieses umfassenden Vorhabens wurden auch vier Verbundprojekte (2019–21) ausgewählt, die „entscheidende Beiträge zur Ermittlung eines Indikatoren-Sets für BNE und zur Entwicklung von Messinstrumenten für die BNE-Berichterstattung, insbesondere für die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2017) liefern sollen. Vor allem das vierte dieser Verbundprojekte, „E-I-BNEs“ (Entwicklung von Indikatoren zur Erfassung von BNE im schulischen Bildungsbereich), ist von der Fragestellung prädestiniert, um BNE-Indikatoren für vorgesehen sechs Indikatorenbereiche (Ressourcen, Rahmenbedingungen, Curricula, Lehrerbildung 1. Phase, Lehrerbildung 2. Phase, Lernort Schule/Partizipation) zu entwickeln. Inwieweit entsprechende Indikatoren dann auf Österreich übertragbar wären bzw. ob diese dann auch Prozessindikatoren beinhalten, bleibt abzuwarten.

Insgesamt zeigt sich also, dass es zwar Vorschläge für Indikatoren gibt (vor allem in Bezug auf Lehrpläne und Netzwerke), dafür aber wenige Daten für Österreich vorliegen. Dies dürfte ein nicht unerheblicher Grund sein weshalb, der freiwillige Umsetzungsbericht (Bundeskanzleramt 2020) überwiegend auf exemplarische Projekte verweist. Wenig wissen wir ebenfalls über Personalfaktoren (Kompetenzen und Einstellungen des Personals) im flächendeckenden Sinne, allerdings kann vermutet werden, dass diese eher nicht den hoch gegriffenen Zielen bis 2030 entsprechen dürften (bspw. Fischer et al. 2022).

2.2 Prozess-Indikatoren – Schulentwicklung und Unterricht

Als Prozessfaktoren werden die unmittelbaren pädagogischen Prozesse – einerseits durch Programme und Entwicklungsprozesse innerhalb der ganzen Bildungsinstitution und andererseits innerhalb der einzelnen pädagogischen Interaktion, sowie deren wechselseitige Beziehungen – subsumiert. Beispiele hierfür wären, ob es spezifische Programme im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung gibt, wie die Schule beispielsweise selbst (durch Gebäudebewirtschaftung etc.) mit sozialer, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit umgeht, und letztlich die „feinen“ pädagogischen Prozesse wie der Kommunikationsstil, die Themenauswahl, der Methodeneinsatz etc.

Das bereits erwähnte Papier „New Indicator Proposal for SDG Target 4.7“ (UNESCO 2020) enthält ebenso eine pädagogische – und damit eine Prozess-Dimension: „There is no ‚correct‘ pedagogy for sustainability education, but there is a broad consensus that it requires a shift towards active, participative, and experiential learning methods that engage the learner and make a real difference to their understanding, thinking and ability to act.“ (ebd., S. 15). Folgende fünf pädagogischen Elemente werden dabei beschrieben: critical reflection, systemic thinking and analysis, participatory learning, thinking creatively for future scenarios and collaborative learning. Diese Beschreibung fokussiert pädagogische und emanzipatorische Ziele und bezieht die Prozess-Dimension ein, vor allem dadurch, dass es verstärkt um die Ausbildung komplexer Fähigkeiten geht, die das Individuum zur persönlichen Verantwortungsübernahme für sich und die Gesellschaft als Ganzes befähigen kann. Derartige Zieldimensionen verlangen aber deutlich höhere Anforderungen an die Indikatorenmessung, als dies abfragbares Wissen tun würde – dies wird weiter unten noch diskutiert werden. Uns sind abgesehen von projektspezifischen Begleitforschungen keine Arbeiten bekannt, die repräsentativ eine Aussage zu Prozessindikatoren in Österreich liefern könnten.

2.3 Output und Outcome – (gemessene) Kompetenzen und Einstellungen sowie langfristige (gesellschaftliche) Wirkung

Als die beiden letzten Komponenten des CIPO-Modells konzeptualisiert Ditton (2000) die Output- und Outcome-Faktoren. Output-Faktoren bezeichnen Kompetenzen und Haltungen, Outcome-Faktoren die langfristigen Wirkungen des Bildungswesens wie gesellschaftliche Teilhabe und beruflicher Erfolg. Während erstere verhältnismäßig einfach mit Skalen und Tests gemessen werden könnten, steht für letztere vor allem in Bezug auf nachhaltige Entwicklung eine Diskussion an: Konsequenter Weise müssten dies ja (analog „zu beruflicher Erfolg“ und „gesellschaftliche Teilhabe“) Effekte auf CO2-Bilanz, sozialen Zusammenhalt oder Umweltverschmutzung sein (bspw. Loparics 2022, S. 73–74). Diese Diskussion ist letztlich aber nicht Gegenstand von SDG 4.7, da dieses ja auf Kompetenzen, nicht aber deren weitere Wirkung abzielt (sondern durch andere SDG-Bereiche gemessen wird).

Eine gute Möglichkeit, Daten zum Kompetenzstand der Bildung für nachhaltige Entwicklung im schulischen Kontext zu erheben, stellen die regelmäßig durchgeführten Large Scale Assessments (PISA, TIMSS, PIRLS) dar. Tatsächlich finden sich in den entsprechenden Fragekatalogen auch immer wieder Items mit deutlichem SDG-Bezug (zuletzt etwa in TIMSS & PIRLS 2019). Eine österreichbezogene Auswertung dieser Daten, die Entwicklung nationaler Zusatzfragen zu dieser Thematik bzw. die Heranziehung dieser Daten zur Entwicklung entsprechender Indikatoren hat aber unseres Wissens nicht stattgefunden.

Abgesehen von diesen Daten sind den Autoren keine Österreich-weit relevanten und -spezifischen Daten zum Themenbereich bekannt, was durch die Tatsache bestätigt wurde, dass der Freiwillige Nationale Umsetzungsbericht des Bundeskanzleramtes (2020) lediglich Projekte als Beleg für die Umsetzung angibt.

Das aus unserer Sicht vielversprechendste Indikatoren-Set wurde bereits 2012 im Zuge einer schweizerisch-deutsch-österreichischen Kooperation dargestellt und veröffentlicht (Di Giulio et al. 2012). Hier werden insgesamt 10 quantitative und qualitative Indikatoren beschrieben (die Output- wie auch Kontext- und Input-Variablen berücksichtigen), denen eine erhebliche Aussagekraft hinsichtlich der Umsetzung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung zugeschrieben werden kann. Ein weiteres Aufgreifen bzw. Umsetzen dieser vorgeschlagenen Indikatoren – etwa im Rahmen nationaler Strategien und tatsächlicher Datenerhebungen – ist in der Folge unterblieben. Inwieweit die damals entwickelten Indikatoren noch den Anforderungen von SDG 4.7 entsprechen, wäre genauer zu untersuchen.

Seit einiger Zeit liegt allerdings seitens der UN ein neuer Versuch vor, die Indikatoren-Lücke für Ziel 4.7 zu füllen. In dem „New Indicator Proposal for SDG Target 4.7: Conceptual Framework“ (UNESCO 2020) werden teils neu entwickelte Output- und Outcome-Indikatoren angeführt. Hier werden differenzierter, als es bis dahin der Fall gewesen ist, Indikatoren vorgeschlagen, die beispielsweise angeben sollen, in welchem Ausmaß Global Citizenship Education oder Bildung für nachhaltige Entwicklung in grundlegenden Dokumenten zur schulischen Bildung (Nationale Bildungsstrategien, Curricula, Lehrerbildung …) der jeweiligen Länder enthalten sind.

Auch die OECD befasste sich im Rahmen von PISA mit der Frage von Indikatoren für SDG 4 „Hochwertige Bildung“. Im „PISA for Development Brief – 2017/09“ (OECD 2017) wird allerdings als entsprechender Beitrag von PISA lediglich eine kombinierte Auswertung der Lese- und Mathematik-Fähigkeiten der 15–16-Jährigen unter Berücksichtigung ihres sozioökonomischen Hintergrundes (ESCS parity index) angeboten. Wenn diese Fähigkeiten auch zweifellos eine wesentliche Voraussetzung darstellen, um sich mit Themen wie nachhaltige Entwicklung usw. befassen zu können, so misst der Indikator doch lediglich eine konkrete Output-Variable und lässt weitere Faktoren, insbesondere jedoch die Prozess-Ebene außer Acht. Er ist daher nur partiell geeignet, um das hier behandelte Ziel 4.7, Bildung für nachhaltige Entwicklung, einzuschätzen.

Die SDGs werden zudem seit einigen Jahren, nunmehr unter der Bezeichnung „Global Competences“, erneut von der OECD aufgegriffen – und erstmals auch bei PISA 2018 erhoben. Im Oktober 2020 wurden erste Ergebnisse der Öffentlichkeit im Rahmen des „Launch of the PISA 2018 Global Competence Results“ vorgestellt. Weis et al. haben diese Daten einem Vergleich Deutschlands mit einigen seiner Nachbarländer unterzogen und kamen u. a. zu folgendem interessanten Ergebnis: „Jugendliche in Österreich, im Vereinigten Königreich, in Frankreich und in Deutschland berichten gleichermaßen eine im OECD-Vergleich unterdurchschnittliche Handlungsfähigkeit bezüglich globaler Themen“ (Weis et al. 2020, S. 11).

Schließlich soll auch die für 2023 geplante IEA-TIMSS-Studie als Datenquelle für das Monitoring von SDG 4.7 verwendbar sein können (IEA 2020). Allerdings ist auch hier wiederum lediglich ein „statischer“ Indikator vorgesehen, der den Ansätzen von PISA ähnelt, nämlich „Percentage of students in lower secondary education showing proficiency in knowledge of environmental science and geoscience“ (ebd., S. 6). Weiters ergibt sich daraus eine entsprechende Datenerhebung nur für die 8. Schulstufe – an der Österreich zudem erstmals seit 28 Jahren wieder teilnehmen wird (dazwischen nur 4. Schulstufe). Dennoch eröffnet sich mit TIMSS 2023 ein weiteres Fenster für Daten (Veröffentlichung Herbst 2024), die auf SDG 4.7 bezogen werden können.

Sollte es gelingen, die oben vorgeschlagenen Datenquellen für Österreich nutzbar zu machen, so ließen sich entsprechende Daten für den größten Teil der hier von der UN genannten Output- und Outcome-Indikatoren erfassen. Gleichzeitig befassen sich die oben benannten Datenquellen überwiegend mit Kontext‑, Input- und Output-Variablen, lassen aber eine Prozessdimension vermissen.

Insgesamt wird deutlich, dass wenig Wissen über die Ausprägung von Kompetenzen und deren Vorbedingungen (Kontext‑, Input‑, Prozessdimension) in Bezug auf Bildung für nachhaltige Entwicklung in Österreich besteht. Noch viel größer erscheint die Datenkluft im Hinblick auf Prozessfaktoren. Vor dem Hintergrund, dass SDG-Ziel 4.7 bis 2030 realisiert sein sollte, werden international zwar diverse Output-Indikatoren erwogen (und erhoben) – in Österreich existieren jedoch kaum Daten und trotz der Ratifizierung auch keine entsprechende Strategie, um die Zielerreichung bzw. deren Ausmaß festzustellen.

3 Vorschläge für ein österreichisches Monitoring in diesem zentralen Bildungsbereich

Wie sollten sich Österreichs Bildungspolitik, Praktiker*innen und Gesellschaft also datenmäßig fit für den Kenntnisstand zur und die Weiterentwicklung von Bildung für nachhaltige Entwicklung machen? Um neben den vom Bundeskanzleramt angeführten Projekten (s. oben) als ausschließlichen Beleg für den Fortschritt in Bezug auf SDG 4.7 zu einem Gesamtüberblick hinsichtlich der Umsetzung von Maßnahmen zu gelangen, wäre es zunächst vergleichsweise einfach, wenn bei der Erarbeitung eines Indikators auf Daten zurückgegriffen werden könnte, die im Zuge des im Frühjahr 2021 in Kraft getretenen „Qualitätsrahmen für Schulen“ (BMBWF 2020) und den damit verbundenen Tools regelmäßig für alle ca. 5500 Schulen Österreichs erhoben werden könnten. Erstaunlicherweise scheint der Begriff „nachhaltig“ in der entsprechenden Unterlage lediglich einmal auf – und das im Kontext der Verwendung von Sachmitteln (ebd., S. 9). Die SDGs finden hingegen keinerlei Erwähnung, obgleich sie ohne Frage die größte Herausforderung auch der österreichischen Gesellschaft darstellen.

Bei einer Überarbeitung von QMS könnte mit vergleichsweise geringem Aufwand in die Beschreibung von Schulqualität der Aspekt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ verpflichtend aufgenommen werden. Da QMS keine Ziele aus sich selbst heraus definiert (oder definieren sollte), sondern viel mehr zusammenfasst und fokussiert, welche Qualitätsziele sich aus den bestehenden Rahmen (Lehrpläne, didaktische Prinzipien …) für Schulen ergeben, wäre es notwendig, Ziele und Aufgaben von Schulen aus den bereits existierenden Dokumenten den SDGs zuzuordnen und einen entsprechenden Fokus im Qualitätsrahmen bei Outcomes und Prozessen zu verankern. Eine weitere Möglichkeit ergibt sich bei der Konzeptionierung von Pilot-Erhebungen für diverse Large-Scale-Assessments: Hier könnten begleitende Fragestellungen mit vergleichsweise geringem Aufwand zur Anwendung gebracht werden, zumal für die Bewertung der Umsetzung der SDG-Thematik an den Schulen keine Vollerhebung notwendig scheint. Für alle diese einfachen und bestehenden Gelegenheiten zur Datengenerierung müssten lediglich existierende Skalen (bspw. Alisat und Riemer 2015; Olsson et al. 2020; Waltner et al. 2019) übersetzt und validiert werden. In Bezug auf die bereits angesprochene Thematisierung der Prozessfaktoren stellt dies allerdings nur eine Zwischenlösung dar, da diese Skalen keine veränderten Verhaltensweisen oder gesetzten Aktionen messen können (vgl. Algurén 2021; O’Flaherty und Liddy 2018), was ein unverzichtbares Element der Bildung für nachhaltige Entwicklung darstellt.

Mit diesen beiden potenziellen und vergleichsweise rasch zur Verfügung stehenden Datenquellen wäre zwar ein erheblicher Teil der fehlenden Daten durchaus einfach zu erheben – eine konzeptionell anspruchsvolle Entwicklung vor allem prozessualer Indikatoren wird damit jedoch keinesfalls obsolet, sondern ist ein ungelöstes Problem und verlangt intensive Forschungsarbeit. An dieser Stelle seien nur einige konzeptionelle Ansatzpunkte formuliert, die umfassende Ausarbeitung entsprechender Indikatoren und deren Erhebung würde vorliegenden Rahmen sprengen. Notwendig erscheint jedenfalls zu monitoren, inwieweit die einschlägigen Unterrichtsprinzipien (Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung, Globales Lernen etc.) sowie die übergreifenden Themen der neuen Lehrpläne im Unterricht ankommen. Wenn die Themen zwar im Lehrplan stehen, trotzdem aber weiter überwiegend aus fachlicher Perspektive behandelt werden, ist nicht mit einem Kompetenzgewinn in Bezug auf Bildung für nachhaltige Entwicklung zu rechnen. Ähnliches gilt für Unterrichtsmaterial, -methoden und -orte: In Bezug auf Bildung für nachhaltige Entwicklung scheinen diese konzeptionell eine starke Rolle zu spielen, werden Naturbegegnungen und kooperative Lernformen essentielle Bestandteile zu sein. Dass derartige Faktoren in ein eben aufgesetztes neues Qualitätsmanagementsystem samt externer Evaluierung keine Berücksichtigung gefunden haben, verwundert und sollte in Anbetracht der Herausforderung des Klimawandels dringend überdacht werden.

Wenig diskutiert wurden bisher Indikatoren im Bereich der Erwachsenenbildung – SDG 4.7 zielt schließlich auf alle Lernenden ab. Als weitere Datenquelle schlagen wir als möglichen Kontext-Indikator noch eine Erhebung einschlägiger Veranstaltungen in der Erwachsenenbildung vor. Hier könnte sowohl der berufliche als auch der persönliche Bereich fokussiert werden – eine österreichweite Erhebung in der Lehrer*innenfortbildung zur Input- und Prozessdimension oder auch eine Aufnahme in PIAAC (bspw. OECD 2019; „PISA für Erwachsene“) als Outcome-Faktor wären mögliche Ansatzpunkte. Gegenwärtig sind im Bereich der Erwachsenenbildung allerdings keinerlei konkrete Datenquellen erkennbar, die auch nur indirekt auf den Erreichungsgrad der Umsetzung von SDG 4.7 rückschließen lassen könnten.

4 Conclusio – Österreich könnte die Datenlücke schnell füllen

Wie wir zeigen konnten, tut sich nicht nur Österreich mit der Entwicklung von Indikatoren zur Messung der Erreichung von Ziel 4.7 der SDGs schwer. Dabei gibt es im schulischen Bildungsbereich durchaus einige Datenquellen (PISA, ÖKOLOG, Umweltzeichen etc.) wie auch aktuelle Datenerhebungsprozesse (im Kontext von QMS), aus denen indirekt erfolgreiche Bemühungen des österreichischen Bildungswesens in Bezug auf „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ abgeleitet werden können. Was diesen Ansätzen von Ergebnis-Indikatoren aber fehlt, ist insbesondere die Prozess-Komponente, auf deren Wichtigkeit auch im internationalen Dialog stärker hingewiesen wird, die aber offensichtlich noch nicht in einem Indikatorenset (bpsw. unter Verwendung der oben genannten Skalen und durch ergänzende Prozessindikatoren) umgesetzt werden konnte.

Ansätze für eine bessere Datenqualität im Schulbereich könnten durch eine entsprechende Weiterentwicklung des kürzlich eingeführten Qualitätsmanagement-System für Schulen (QMS) vergleichsweise schnell in die Realität umgesetzt und über den Ausbau bestehender Erhebungsinstrumente (bspw. als Bestandteil von Pilotierungen bei Large Scale Assessments) auch überprüfbar werden.

Ohne eine genauere, umfassendere Datengrundlage bleibt es daher gegenwärtig unklar, wie weit Österreich auf dem Weg zur Erreichung von Ziel 4.7 ist. Eine solche verbesserte Datengrundlage wäre aber im Rahmen bestehender Instrumente zumindest im schulischen Bildungsbereich bis 2030 durchaus umsetzbar. Ein nächster Schritt in diese Richtung müsste daher die (wissenschaftliche) Entwicklung und Durchsetzung eines österreichweit verbindlichen Indikatorensets – zumindest für den schulischen Bereich – und die Einbindung in die Qualitätsmanagementsysteme (QMS) sein.