1 Einleitung

Videoaufzeichnungen von Unterricht bieten vielfältige Möglichkeiten, um die professionelle Entwicklung angehender Lehrkräfte zu unterstützen (Blomberg et al. 2013). Insbesondere die Videografie eigenen Unterrichts kann, z. B. in schulpraktischen Phasen des Lehramtsstudiums, die Reflexionskompetenz angehender Lehrkräfte fördern (vgl. von Aufschnaiter et al. 2019). Auch wenn mittlerweile erprobte Lehr-Lern-Szenarien für ihren Einsatz existieren und die generelle Wirksamkeit der Arbeit mit Eigenvideografien empirisch nachgewiesen wurde (Gaudin und Chaliès 2015), ist sie noch nicht breit in der deutschsprachigen Lehramtsausbildung implementiert. Neben Schwierigkeiten aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen zur Videoaufzeichnung in Schule oder der technischen Umsetzung, liegt eine weitere Herausforderung darin, dass die Methode der Eigenvideografie auch von Studierenden selbst in ausreichendem Maße akzeptiert werden muss. Haben Studierende gegenüber der Arbeit mit Eigenvideografie starke Aversionen, kann das Potenzial der Methode nicht voll ausgeschöpft werden. Insbesondere negative affektiv-motivationale Voraussetzungen und Erwartungen können die Lernwirksamkeit verringern, aber auch generell die Bereitschaft der Studierenden, überhaupt teilzunehmen (vgl. Kleinknecht und Poschinski 2014). Erkenntnisse hierzu beruhen aber meist auf Untersuchungen in spezifischen Gruppen von Studierenden mit kleineren Fallzahlen, in denen extremere Einschätzungen natürlich deutlicher hervorstechen können. Um abschätzen zu können, mit welchen Voraussetzungen auf studentischer Seite bei der breiteren Implementierung von Eigenvideografien zu rechnen ist, werden in diesem Beitrag daher die Ergebnisse einer Befragung von N = 938 Lehramtsstudierenden im Masterstudium zu ihren Emotionen, Einschätzungen und Bereitschaften sowie ihren Erfahrungen zur Eigenvideografie berichtet.

2 Hintergrund

2.1 Eigenvideografien in der Lehramtsausbildung

Bei Unterrichtsvideografien handelt es sich um Videoaufnahmen schulischen Unterrichts, die in Länge und Aufnahmefokus variieren können. Grundsätzlich werden in der Lehramtsausbildung sowohl Videografien fremder Lehrkräfte (Betrachtende sind nicht die im Video Handelnden), als auch Eigenvideografien von (angehenden) Lehrkräften verwendet (Betrachtende sind Teil des Videos). Dabei hängt es von den Zielen einer Lehr-Lern-Umgebung ab, welche Einsatzform geeigneter ist (vgl. Blomberg et al. 2013). Die Arbeit mit Eigenvideografien bildet dabei einige Vorteile, um die Entwicklung von Reflexionsfähigkeiten von angehenden Lehrkräften und die Relation von Theorie und Praxis zu unterstützen (vgl. Zeichner 2010). Dies umfasst die Möglichkeit der wiederholten externen Beobachtung und den möglichen Aufbau einer Distanz zum eigenen Handeln (Dorlöchter et al. 2013), oder das Vermeiden von Erinnerungseffekten (Danielowich 2014). Die Reflexion eigener Videos kann durch die Videografierten selbst erfolgen. In der Ausbildungspraxis erfolgt dies allerdings meist in kooperativen Lehr-Lern-Szenarien mit Anderen, meist Kommiliton/innen und Dozierenden, teilweise auch in Formaten kollegialer Beratung (z. B. Herbst 2019; Pollmeier et al. 2022), oder kombiniert mit Techniken der Videoannotation (vgl. Vohle und Reinmann 2012). Zur Verbreitung von Eigenvideografie als Methode innerhalb von Programmen der Lehramtsausbildung existieren aber kaum Studien.

2.2 Wirksamkeit der Arbeit mit Eigenvideografien

Zur Frage, inwiefern die Arbeit mit Eigenvideografien empirisch die Professionalisierung angehender Lehrkräfte fördert, ist die Forschungslage uneindeutig (vgl. Kleinknecht und Steffensky 2016). Die Arbeit mit Videografien generell erweist sich als förderlich für die Entwicklung von Reflexionsfähigkeiten, wobei im Vergleich zur Arbeit mit Fremdvideos die Reflexion von Eigenvideografie als bedeutsamer und aktivierender wahrgenommen wird (vgl. das Review von Gaudin und Chaliès 2015). Dabei können die angenommenen Vorteile (z. B. Distanzierung zum Geschehen) auch überwiegend empirisch bestätigt werden. Zugleich können Eigenvideografien aber auch stärkere emotionale Reaktionen hervorrufen. Viele Ergebnisse beruhen allerdings auf Untersuchungen mit schon im Schuldienst tätigen Lehrkräften.

Bei angehenden Lehrkräften im Studium hingegen wurde die Wirkung von Eigenvideografien häufig in (quasi-)experimentellen Studien in schulpraktischen Phasen im Vergleich zu anderen Methoden zur Förderung von reflexiven Fähigkeiten (z. B. Protokollen) untersucht (z. B. Baumgartner 2018). In Evaluationen geben (angehende) Lehrkräfte meistens an, dass sie die Arbeit mit Eigenvideografien als sinnvolles methodisches Mittel in der Lehramtsausbildung betrachten und sie insgesamt zufrieden mit dem Einsatz sind (z. B. Krammer et al. 2012). Dabei ergaben sich sowohl Hinweise auf relative Vorteile, aber auch relative Nachteile der Reflexion von Eigenvideografien im Vergleich zu anderen Methoden. In der quasi-experimentellen Untersuchung von Krammer et al. (2015) gaben Lehramtsstudierende, die mit Eigenvideografien arbeiteten, in quantitativen Selbsteinschätzungen eine höhere Lerneffektivität an, als Studierende, die mit Fremdvideos oder schriftlichen Fallvignetten gearbeitet haben. Zugleich gaben Studierende aus der Eigenvideografiegruppe eine höhere Akzeptanz des fallbasierten Lernens auf Basis dieses Materials an als Studierende der Fremdvideo- bzw. Textgruppe. Kücholl und Lazarides (2021) nutzen mit schriftlichen Analysetexten ein proximaleres Maß zur Bewertung der Reflexionsfähigkeit von Studierenden. Sie stellten fest, dass für positiv sowie für herausfordernd erlebte Unterrichtssituationen mit Fremdvideos und auch mit schriftlichen Unterrichtsprotokollen eine im Vergleich tiefere Reflexion gelingt.

Auch wenn Ergebnisse zur Wirksamkeit bisher nicht eindeutig sind, lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die kognitiven Wirkungen der Arbeit mit Eigenvideografien stark von der konkreten Strukturierung des gesamten Lehr-Lern-Szenarios und der Art, wie diese evaluiert werden, abhängen (vgl. Blomberg et al. 2013). Unbestritten ist dabei, dass der Einsatz von förderlichen und hemmenden affektiv-emotionalen Prozessen begleitet wird (vgl. Hormann und Disep 2020). Dabei können negative Emotionen die Distanzierung vom eigenen Handeln in der Reflexion erschweren (vgl. Kleinknecht und Schneider 2013), was sich auch bei Lehramtsstudierenden zeigt (z. B. Kücholl und Lazarides 2021).

2.3 Emotionen und Erwartungen zur Arbeit mit Eigenvideografien

Emotionen beziehen sich auf die Affekte bzw. die Gefühlslage einer Person und lassen sich als komplexe Reaktion auf die Einschätzung einer Situation betrachten (appraisal theory of emotion, vgl. Moors et al. 2013). Emotionen gehen dabei mit verschiedenen Arten des Erlebens einher. Die Valenz einer Emotion beschreibt, ob sie als angenehm/positiv oder unangenehm/negativ erlebt wird. Davon lässt sich das Erleben der Intensität von Emotionen unterscheiden bzw. das Ausmaß von Aktivierung/Erregung (arousal), das mit einer Emotion einhergeht. In Lehr-Lern-Szenarien spielen insbesondere Bewertungsemotionen eine wichtige Rolle (Pekrun 2006), die sich aus einer Wertkomponente und einer Kontrollkomponente zusammensetzen. Für das Erleben einer bestimmten Emotion bei Lernaktivitäten ist dabei ausschlaggebend, inwiefern die Konsequenzen einer Aktivität positiv oder negativ bewertet werden. Zugleich hängt es aber auch davon ab, inwiefern Studierende subjektiv einen Eindruck von Kontrolle darüber haben, ob eine solche positive oder negative Konsequenz eintreten wird. Wichtige Emotionen im Zusammenhang mit Lehr-Lern-Szenarien sind bspw. Angst, Ärger, Freude oder Scham (vgl. Kuhbander und Frenzel 2019). Generell haben negative Emotionen einen negativen Einfluss auf den Lernerfolg, was insbesondere auch für Lehramtsstudierende in schulpraktischen Phasen gezeigt werden konnte (Kordts-Freudinger et al. 2017).

In Forschungen zur Arbeit mit Eigenvideografien wurde meist die Valenz von Emotionen betrachtet, also, ob sie positiv oder negativ wahrgenommen werden. Kleinknecht und Poschinski (2014) analysierten z. B. in Fallstudien die Emotionen von Mathematiklehrkräften, die mit Hilfe von Videos ihren eigenen Unterricht kooperativ mit einer anderen Lehrkraft reflektiert haben. Dabei zeigten sich negative Emotionen (z. B. Enttäuschung) dann, wenn der videografierte Unterricht von den Lehrkräften selbst als negativ bewertet wurde, was als Bedrohung des eigenen Selbstwerts wahrgenommen werden und Abwehr- und Rechtfertigungsäußerungen hervorrufen konnte. Dies traf vor allem auf unerfahrene Personen zu. Ähnliche Prozesse zeigen sich auch in Untersuchungen mit Lehramtsstudierenden, insbesondere, wenn Eigenvideografien gemeinsam mit Kommiliton/innen analysiert werden sollen. In diesem Format können Studierende schon im Vorfeld der Videoaufnahme negative Folgen für ihr Selbstbild sowie ihr Bild in der Gruppe erwarten, was mit Gefühlen von Angst und Scham einhergeht, und in einer geringen Bereitschaft, im extremen Fall einer Verweigerung, zur Teilnahme resultieren kann (Leung et al. 2021; vgl. Hormann und Disep 2020). Auch in Evaluationen werden Befürchtungen, negative Erwartungen und damit einhergehende negative Emotionen (z. B. Nervosität) von Studierenden schon vor der eigentlichen Videografie häufig berichtet (z. B. Herbst 2019). Dies deutet auf eine Erwartung negativer Konsequenzen hin (Wertkomponente der Emotion), bspw., weil erwartet wird, dass ihre Mitstudierenden ihr videografiertes Handeln negativ bewerten und damit auch sie als Person negativer betrachten könnten. Ist die gemeinsame Reflexion von Eigenvideografie obligatorisch, haben die Studierenden zudem weniger Kontrolle über die Situation, was negative Emotionen und damit verbundene geringe Bereitschaften noch verstärken kann. Diese Emotionen würden so nicht auftreten, wenn Studierende ausschließlich allein ihre Eigenvideografie reflektieren würden (wobei natürlich andere negative Emotionen auftreten können). Generell hängen Emotionen daher vom konkreten Lehr-Lern-Szenario ab, in das die Arbeit mit Eigenvideografie eingebettet ist. In den Fallstudien von Leung et al. (2021) mit Studierenden die kollaborativ mit Kommiliton/innen Videos eigenen Unterrichts reflektieren mussten, zeigte sich allerdings, dass weniger die gemeinsame Reflexion der Auslöser negativer Emotionen ist, sondern ein generell negativer „evaluative stance“ bzgl. des eigenen Unterrichts (Leung et al. 2021, S. 270). Negative Erwartungen können aber bei vorherigen Erfahrungen mit Eigenvideografien in anderen Kontexten auch abgemildert werden. Studierende, die sich bspw. außerhalb von Unterrichtskontexten schon videografiert haben, berichten schon im Vorfeld der Aufnahme von tendenziell positiveren Emotionen zur Arbeit mit Eigenvideografien (vgl. Pollmeier et al. 2022).

Vorliegende Untersuchungen erfolgten meist im Rahmen von Evaluations- oder Interventionsstudien zu spezifischen Lehr-Lern-Szenarien. Mögliche Schlussfolgerungen beziehen sich daher immer auf konkrete Einsatzszenarien, die sich im Detail unterscheiden. Insgesamt lässt sich aber vermuten, dass Lehramtsstudierende in der Breite tendenziell negative Emotionen (z. B. Unsicherheit, Angst) und damit einhergehende geringere Bereitschaften zur Arbeit mit Eigenvideografien äußern würden, wobei Unterschiede zwischen verschiedenen Einsatzszenarien erwartbar sind. Die Bereitschaft einer alleinigen Reflexion kann als größer erwartet werden, als eine gemeinsame Reflexion. Dabei können auch Unterschiede danach auftreten, mit welchen Personen die Eigenvideografie reflektiert werden soll (z. B. Mitstudierende, Dozierende) (vgl. Pollmeier et al. 2022).

3 Forschungsfragen

Auf Basis der Befundlage lässt sich ein Bedarf an Untersuchungen formulieren, die Erwartungen und Bereitschaften von Lehramtsstudierenden zur Arbeit mit Eigenvideografien auf breiter Basis und vor der eigentlichen Intervention explorieren, um die Herausforderungen bzgl. der Akzeptanz bei einer möglichen Implementierung abschätzen zu können. Exemplarisch an Lehramtsstudierenden an der Universität Paderborn werden daher in diesem Beitrag die folgenden Forschungsfragen untersucht:

  • Über welche Erfahrungen verfügen Lehramtsstudierende im Masterstudium mit Videografien von Unterricht?

  • Welche Emotionen zur Videografie eigenen Unterrichts äußern Lehramtsstudierende?

  • Welche Bereitschaften zur Videografie eigenen Unterrichts äußern Lehramtsstudierende? Welche Gründe für ihre (Nicht‑)Bereitschaft nennen sie?

  • Wie hängen emotionale Bewertung, Bereitschaft zur Videografie und Erfahrungen mit Videografie zusammen?

Neben einer explorativen Analyse von Erfahrungen, Emotionen und Bereitschaften wird insbesondere die Frage untersucht, ob die Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografien im Vergleich zum etablierten, den Studierenden bekannten Verfahren der Unterrichtshospitation in schulpraktischen Studienphasen geringer ausfällt. Das ist insofern von Interesse, weil auch bei einer klassischen Hospitation verschiedene Akteur/innen den Unterricht beobachten und dieser auch häufig gemeinsam reflektiert wird.

Haben Studierende sich selbst schon einmal videografiert, wissen sie also, was sie grundsätzlich erwartet, sollten sie die Methode als transparenter wahrnehmen, was mit einem höheren Eindruck von Kontrolle über die Situation einhergeht (vgl. Krammer et al. 2012). Dies sollte darin resultieren, dass Lehramtsstudierende, die im Studium bereits Erfahrungen zur Arbeit mit Eigenvideografien gemacht haben, positivere Emotionen und eine höhere Bereitschaft äußern, als Studierende ohne Eigenvideografieerfahrungen.

4 Methode

4.1 Erhebungskontext

In Nordrhein-Westfalen ist der Einsatz von Eigenvideografien unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bedingungen (z. B. Zustimmung der Beteiligten) für Zwecke der Lehramtsausbildung grundsätzlich möglich. Vor diesem Hintergrund wurden zur Untersuchung der Forschungsfragen Lehramtsstudierende der Universität Paderborn im Masterstudium mit Hilfe eines Onlinefragebogens hinsichtlich ihrer Erfahrungen, Bereitschaft und Emotionen zur Eigenvideografie befragt.

Zwischen den Curricula der verschiedenen Lehramtsstudiengänge an der Universität Paderborn bestehen bzgl. schulpraktischer Phasen keine Unterschiede. Sämtliche Lehramtsstudierende absolvieren drei verpflichtende Praxisphasen während ihres Lehramtsstudiums. Im Bachelorstudium umfasst dies zunächst das so genannte Eignungs- und Orientierungspraktikum (EOP). Dabei handelt es sich um ein 25-tägiges Schulpraktikum (wöchentlich mind. 15 Zeitstunden verteilt auf fünf Tage). Es wird in der Regel innerhalb der ersten drei Semester absolviert und von universitären Vor- und Nachbereitungsveranstaltungen sowie mehreren verpflichtenden Reflexionsgesprächen begleitet. In dieser Praxisphase liegt der Schwerpunkt auf der Erkundung des Handlungsfelds Schule und des Unterrichtsalltags durch die Studierenden sowie der Reflexion der eigenen Studien- und Berufswahl. Erste eigene Unterrichtserprobungen sind möglich, allerdings nicht obligatorisch vorgeschrieben. Die zweite Praxisphase des Bachelorstudiums ist das so genannte Berufsfeldpraktikum (BFP), in dem Studierende ein vierwöchiges außerschulisches Praktikum absolvieren, um Einblicke in außerschulische fachliche oder pädagogische Berufsfelder zu erhalten und/oder eventuelle Alternativen zum Lehrberuf kennenzulernen. Es wird in der Regel gegen Ende des Bachelorstudiums im fünften Semester durchgeführt. Die zentrale Praxisphase des Lehramtsstudiums an der Universität Paderborn bildet das so genannte Praxissemester, ein ca. fünfmonatiges Langzeitpraktikum an einer Schule mit begleitenden Kursen an einem Seminartag in der Woche an der Universität beziehungsweise an Zentren für schulpraktische Lehrer/innenbildung (Studienseminare). Im Rahmen des Praxissemesters ist auch die Durchführung von eigenem Unterricht (oder Teilen davon) obligatorisch (50 Schulstunden) (Herzig und Wiethoff 2019). Es wird in der Regel im zweiten Semester des Masterstudiums absolviert.

Möglichkeiten, Erfahrungen mit der Eigenvideografie zu sammeln, bieten sich Studierenden daher zum einen im EOP, aber aufgrund des obligatorischen Umfangs eigenen Unterrichtens vor allem im Praxissemester. Inwiefern dies möglich ist und umgesetzt wird, hängt aber von der konkreten Gestaltung der jeweiligen Praxisphase an den Schulen und den begleitenden Veranstaltungen ab, und weniger vom studierten Studiengang. Darüber hinaus sind Eigenvideografieerfahrungen auch in einzelnen Lehrveranstaltungen außerhalb von Praxisphasen möglich, wenn Dozierende dies integrieren (z. B. als Unterrichtssimulationen mit Kommiliton/innen als Schüler/innen).

Die Befragung zur Eigenvideografie war in regelmäßige Prä-Post-Evaluationsbefragungen zum gesamten Praxissemester im Masterstudium integriert. Dies limitierte allerdings auch den Umfang möglicher Items. Für die Auswertungen wurden Daten aus drei Semestern zusammengeführt (WS 19/20, SoSe 20, WS 20/21), wobei die Fragen zur Videografie in zwei Kohorten nach dem Praxissemester, und in einer Kohorte vor Beginn des Praxissemesters gefragt wurden. Es liegen daher sowohl Antworten von Studierenden vor, die das Praxissemester noch nicht absolviert haben, als auch von solchen, die es gerade beendet haben. Dabei wurden Studierende nicht mehrfach zur Videografie befragt.

4.2 Instrumente

Videografieerfahrungen wurden mit dichotomen Items (ja/nein) erfasst, in denen die Studierenden angeben sollten, ob sie verschiedene Einsatzszenarien von Unterrichtsvideografie während ihres Studiums erlebt haben (Bsp: „Haben Sie während ihres Lehramtsstudiums Unterrichtsvideos von Kommilitoninnen oder Kommilitonen analysiert bzw. reflektiert?“). Gaben die Studierenden Erfahrungen mit Eigenvideografie an, wurde zusätzlich dichotom gefragt, in welcher Form andere Personen beteiligt waren (Bsp: „Wurde Ihre eigene Aufzeichnung mit Kommilitoninnen oder Kommilitonen gemeinsam analysiert bzw. reflektiert?“) und ob eine schriftliche Reflexion erfolgen musste.

Mit einer möglichen Eigenvideografie verbundene Emotionen wurden mit Hilfe fünf-stufiger semantischer Differentiale (sieben Items) angelehnt an die erfassten Emotionen von Hascher et al. (2004) erfasst, bei denen gegensätzliche Valenzen von Emotion eingeschätzt werden mussten (z. B. zuversichtlich/angstfrei vs. ängstlich/besorgt). Zusätzlich wurde aufgrund von Vorarbeiten (Pollmeier et al. 2022) das Gefühl der Scham ergänzt. Der Itemstamm geht dabei von einer Aufforderung zur Eigenvideografie durch eine/n Dozierende/n aus („Stellen Sie sich vor, ein/e Dozent/in fordert Sie in einer Veranstaltung auf, Ihren eigenen Unterricht aufzuzeichnen, um ihn anschließend zu reflektieren.“).

Die Bereitschaft der Studierenden zu einer möglichen Eigenvideografie wurden mit Hilfe sechs-stufiger Likert-Items erhoben. Fünf Items bezogen sich auf die Bereitschaft zur Eigenvideografie für unterschiedliche Einsatzzwecke (Bsp: „Ich bin bereit, aufgezeichneten eigenen Unterricht gemeinsam mit Dozierenden zu schauen und zu reflektieren.“). Zwei Items beziehen sich kontrastierend auf die Bereitschaft, Kommiliton/innen oder Dozierende im Unterricht hospitieren zu lassen (Bsp: „Ich bin bereit, Dozierende in meinem Unterricht hospitieren zu lassen.“). In einem Item wurde zum Vergleich zur generellen Bereitschaft eine konkrete Volition zur Eigenvideografie erfragt (Bsp: „Ich möchte gerne meinen eigenen Unterricht zur Reflexion auf Video aufzeichnen.“). Zusätzlich wurden Studierende ohne Eigenvideografieerfahrung nach Beantwortung aller übrigen Items – im Sinne eines retrospektiven Wunsches – dichotom (ja/nein) gefragt, ob sie gerne während ihres Studiums ihren eigenen Unterricht zur Reflexion videografiert hätten. Dabei wurden offen ebenfalls Gründe für ihre Antwort erfragt.

Zusammengefasst gehen in die Analysen dieses Beitrags die folgenden Variablen ein: Erfahrungen der Studierenden mit der Eigenvideografie von Unterricht, die Emotionen der Studierenden bzgl. der Eigenvideografie, Bereitschaften zur Arbeit mit Eigenvideografie in verschiedenen Einsatzszenarien sowie der konkrete Wunsch zur Eigenvideografie inklusive genannter Begründungen. Zur Kontrastierung wird die Bereitschaft zur Hospitation im eigenen Unterricht durch Dozierende und Kommiliton/innen einbezogen.

4.3 Auswertung

Zur Untersuchung der explorativen Forschungsfragen werden die Antworten zunächst deskriptiv ausgewertet und teilweise faktorenanalytisch aufbereitet. Zur Analyse von Unterschieden werden bei der Betrachtung von Einzelitems nicht-parametrische Wilcoxon- bzw. χ2-Tests und zur Analyse von Zusammenhängen Rangkorrelationen (Spearman’s ρ) berechnet. Für Unterschiede von Skalen werden t‑Tests oder ANOVAs herangezogen. Die Auswertung der offenen Antworten erfolgte nach einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016). Dabei wurde das gesamte Material von zwei unabhängigen Personen doppelt kodiert. Die Interraterreliabilität ergab eine gute Übereinstimmung (Gwet’s AC1 = 0,96; Gwet 2008).

4.4 Stichprobe

Die Stichprobe umfasst N = 938 Studierende. Sie waren zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt 26,0 (SD = 3,4) Jahre alt. 71,6 % der Studierenden gaben als ihr Gender weiblich an, 27,7 % männlich, 0,3 % divers. 0,4 % machten keine Angabe. Der Mittelwert der Hochschulsemesterzahl betrug 10,4 (SD = 2,5). 28,6 % (N = 268) der Studierenden hatten das Praxissemester schon absolviert. In Tab. 1 ist eine Übersicht über die Verteilung der Studierenden auf die unterschiedlichen möglichen Lehramtsstudiengänge innerhalb der Stichprobe dargestellt. Die Verteilung auf die unterschiedlichen Studiengänge war nicht signifikant unterschiedlich zwischen Studierenden, die das Praxissemester schon bzw. noch nicht absolviert hatten (χ2-Test: χ (4) = 4,00; p = 0,406; φ = 0,065).

Tab. 1 Verteilung auf die unterschiedlichen Studiengänge

5 Ergebnisse

5.1 Erfahrungen mit Unterrichtsvideografie im Studium

In Tab. 2 sind die Antworten der Studierenden zu Erfahrungen mit Unterrichtsvideografie dargestellt.

Tab. 2 Erfahrungen mit Unterrichtsvideografie im Studium (dichotom)

Fast zwei Drittel der befragten Lehramtsstudierenden geben an, während ihres Studium zumindest einmal Videos des Unterrichts fremder Lehrkräfte analysiert zu haben. Erfahrungen mit der Aufzeichnung eigenen Unterrichts berichten nur 11,3 % der Studierenden. Dabei ergaben sich Unterschiede zwischen den belegten Studiengängen. Bzgl. der Reflexion von Unterrichtsvideografien fremder Lehrkräfte berichteten insbesondere Studierende für LA G signifikant mehr und für das Lehramt BK signifikant weniger Erfahrungen (χ2-Test: χ (4) = 78,45; p < 0,001; φ = 0,289). Für die Reflexion von Unterrichtsvideografien von Kommiliton/innen gaben signifikant häufiger Studierende für LA HRSGe Erfahrungen an (χ (4) = 36,12; p < 0,001; φ = 0,196). Erfahrungen mit der Videografie eigenen Unterrichts gaben wiederum Studierende für das LA G und LA GyGe signifikant häufiger und für das LA HRSGe signifikant weniger an (χ (4) = 80,43; p < 0,001; φ = 0,293). Betrachtet man nur die Studierenden mit Erfahrungen mit Eigenvideografie ergaben sich signifikante Unterschiede hinsichtlich der Reflexion der Eigenvideografie mit Kommiliton/innen, was häufiger Studierende für das LA G und seltener Studierende für das LA GyGe angaben (χ (4) = 9,71; p = 0,046; φ = 0,303) und für Feedback von Dozierenden, das vergleichsweise häufiger Studierende für das LA SoPäd erhielten (χ (4) = 20,30; p < 0,001; φ = 0,438). Diese Analysen beruhen allerdings auf teilweise sehr kleinen Subgruppen.

Unterschiede ergaben sich auch dahingehend, ob Studierende schon das Praxissemester absolviert hatten. Bei Studierenden, die das Praxissemester schon absolviert haben, berichtet mit 20,5 % ein höherer Anteil Studierender Erfahrungen mit Eigenvideografie, als bei Studierenden, die das Praxissemester noch nicht absolviert haben (7,6 %) (χ (1) = 31,83; p < 0,001; φ = 0,184). Ebenso berichtet diese Gruppe einen signifikant höheren Anteil von Erfahrungen mit der Analyse/Reflexion von Unterrichtsvideografien von Kommiliton/innen (χ (1) = 45,90; p < 0,001; φ = 0,221). Betrachtet man nur die Studierenden mit Erfahrungen mit Eigenvideografie, dann zeigen sich auch hier Unterschiede zwischen Studierenden, die das Praxissemester schon bzw. noch nicht absolviert haben. Studierende, die das Praxissemester schon absolviert haben, haben auch signifikant mehr Erfahrung mit gemeinsamer Reflexion der Eigenvideografie mit Kommiliton/innen (χ (1) = 20,37; p < 0,001; φ = 0,438) und mit Feedback zur Eigenvideografie durch Dozierende (χ (1) = 4,93; p = 0,026; φ = 0,216). Bzgl. Feedback durch schulische Mentor/innen und der Anfertigung schriftlicher Reflexionen zur Eigenvideografie ergaben sich keine Unterschiede. Wohl aber sind Studierende, die das Praxissemester schon absolviert haben, signifikant eher zur nochmaligen Eigenvideografie bereit (χ (1) = 5,82; p = 0,016; φ = 0,234).

5.2 Emotionen zur Arbeit mit Eigenvideografien

Die deskriptiven Ergebnisse zu den semantischen Differentialen bzgl. der Emotionen hinsichtlich einer möglichen Eigenvideografie, zu der sie von Dozierenden aufgefordert würden, sind in Tab. 3 dargestellt.

Tab. 3 Emotionen zur Arbeit mit Eigenvideografie – 5‑stufige Differentiale

Die Studierenden antworten im Durchschnitt nahe der Skalenmitte mit vergleichbaren Streuungen. Als größte Abweichungstendenz von der theoretischen Skalenmitte berichteten die Studierenden, dass sie eher friedfertig und nicht ärgerlich sowie aktiv und nicht träge auf eine Eigenvideografieaufforderung reagieren würden. In Wilcoxon-Tests erweisen sich die Abweichungen für alle Items von einem theoretisch angenommenen Median von 3 als signifikant mit kleinem Effekt (jeweils p < 0,015; 0 < r < 0,29) mit Ausnahme des Differentials ängstlich vs. zuversichtlich.

Um die Valenz des emotionalen Zustands bzgl. der Eigenvideografie zusammengefasst auszudrücken, wurde mittels explorativer Faktorenanalyse untersucht, ob sich verschiedene emotionale Faktoren unterscheiden lassen. Dabei ergab sich eine Lösung mit einem Faktor, auf den alle Emotionen gemeinsam laden. Daher wurden alle sieben Items zu einer Skala zusammengefasst (α = 0,919). Ein hoher Skalenwert bezeichnet hierbei eine positive emotionale Reaktion auf eine mögliche Eigenvideografie, ein niedriger Skalenwert eine negative emotionale Reaktion. Für die Gesamtstichprobe ergab sich dabei ein Mittelwert von MW = 3,11 (SD = 0,84). Dies liegt dicht an der Skalenmitte und entspricht einer leicht positiven Gesamtvalenz der Emotionen bzgl. der Arbeit mit Eigenvideografien.

5.3 Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografien

In Tab. 4 sind die deskriptiven Ergebnisse für die Items bzgl. der Bereitschaft zur Eigenvideografie eigenen Unterrichts dargestellt.

Tab. 4 Bereitschaften zur Arbeit mit Eigenvideografien, Deskriptive Ergebnisse & Ergebnisse der Faktorenanalyse

Grundsätzlich äußert knapp über die Hälfte der Studierenden (55,2 %) eine generelle Bereitschaft zur Eigenvideografie zur eigenen Reflexion (letzte beiden Antwortmöglichkeiten der Likert-Skala). Die Bereitschaft, eigenen aufgezeichneten Unterricht mit Dozierenden oder Kommiliton/innen gemeinsam zu reflektieren ist jeweils signifikant geringer mit kleiner bis mittlerer Effektstärke (Dozierende: Z = 8,71; p < 0,001; r = 0,29; Kommiliton/innen: Z = 12,01; p < 0,001; r = 0,39). Die Bereitschaft dies mit schulischen Mentor/innen zu tun, unterscheidet sich hingegen kaum von der generellen Bereitschaft zur Eigenvideografie zur eigenen Reflexion (Z = 2,74; p < 0,001; r = 0,09), wohl aber zur gemeinsamen Reflexion mit Vertreter/innen des Studienseminars mit kleiner Effektstärke (Z = 7,70; p < 0,001; r = 0,25).

Zur Hospitation von Kommiliton/innen oder Dozierenden im eigenen Unterricht erklären sich jeweils mindestens ca. 60 % der Studierenden überwiegend bereit. Dieser Anteil ist jeweils signifikant größer mit mittlerer Effektstärke, als bei den zugehörigen Items zur Bereitschaft zur Eigenvideografiereflexion mit diesen Personengruppen (Kommiliton/innen: Z = 14,01; p < 0,001; r = 0,46; Dozierende: Z = 11,22; p < 0,001; r = 0,37).

Der Unterschied zwischen einer generellen Bereitschaft zur Videografie zur Eigenreflexion, aber der Volition bzw. dem konkreten Wunsch, dies auch tun zu wollen, ist signifikant mit großer Effektstärke (Z = 17,33; p < 0,001; r = 0,57).

Generell korrelieren die Antworten der Studierenden bzgl. der Bereitschaften zur Eigenvideografie mit unterschiedlichen Personengruppen auf Itemebene jeweils hoch miteinander (0,631 < Spearman’s ρ < 0,809). Um weitere Analysen zur Aufklärung der Bereitschaften vornehmen zu können, wurden daher mit Hilfe einer Explorativen Faktorenanalyse Skalen gebildet. Die Ergebnisse sind ebenfalls in Tab. 2 dargestellt. Dabei ergaben sich zwei Faktoren (nach Eigenwertkriterium > 1), die sich als Bereitschaft zur Eigenvideografie und Bereitschaft zur Hospitation im eigenen Unterricht beschreiben lassen. Beide Faktoren erklären zusammen 77,64 % der Gesamtvarianz. Bereitschaft zur Videografie (MW = 3,99; SD = 1,37) und Bereitschaft zur Hospitation (MW = 4,57; SD = 1,27) korrelieren mit großer Effektstärke (r = 0,518; p < 0,001). Bei beiden Skalen besteht kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Studierenden verschiedener Lehramtsstudiengänge (ANOVAs, Bereitschaft zur Eigenvideografie: F (4) = 0,60; p = 0,666; Bereitschaft zur Hospitation: F (4) = 1,14; p = 0,227).

Das Item zur Bereitschaft zur gemeinsamen Reflexion von Eigenvideografie mit Kommiliton/innen, das auch deskriptiv einen vergleichsweise geringen Mittelwert aufweist, hat zugleich eine vergleichsweise niedrige Kommunalität. Auf theoretischer Ebene könnte also ein eventuell dritter Faktor vermutet werden. In einer explorativen Faktorenanalyse mit der Extraktion von drei Faktoren ergab sich allerdings eine weniger eindeutige Faktorstruktur. Es zeigten sich aber Hinweise darauf, dass beide Items, die sich auf die Reflexion der Eigenvideografie mit Kommiliton/innen und die Hospitation von Kommiliton/innen im Unterricht beziehen, zu einem gewissen Grad zusammenhängen und noch zusätzlich auf einen gemeinsamen dritten Faktor laden, allerdings im gleichen Ausmaß wie auf die Faktoren aus der 2‑Faktor-Extraktion. Wird zudem das Item zur Bereitschaft zur gemeinsamen Reflexion von Eigenvideografie mit Kommiliton/innen aus der Gesamt-Skala ausgeschlossen, verändert sich die interne Konsistenz der Skalen so gut wie nicht (auf α = 0,930). Um möglichst viel Information zu erhalten, wird das Item aber bei den weiteren Analysen beibehalten.

5.4 Zusammenhänge von Emotionen und Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografien

Um Zusammenhänge der Emotionen mit den Bereitschaften der Studierenden zur Arbeit mit Eigenvideografien differenzierter zu untersuchen, wurden auf Itemebene Rangkorrelationen berechnet (Tab. 5).

Tab. 5 Korrelationen zwischen Emotionen und Bereitschaften zur Eigenvideografie

Die Valenz der Emotionen zur Arbeit mit Eigenvideografie korreliert für alle Einsatzszenarien wie mit dem Wunsch zur Videografie positiv mit mittlerem bis großem Effekt. Je negativere Emotionen mit der Videografie verbunden werden, desto geringer ist also die Bereitschaft zur Videografie. Die Gesamtskalen der Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografie und Valenz der Emotionen zur Eigenvideografie korrelieren ebenfalls hoch (Pearson, r = 0,529). Betrachtet man einzelne Emotionen genauer, fällt auf, dass die kleinsten Effekte für Gefühle der Nervosität zu beobachten sind, gefolgt von Gefühlen der Besorgnis bzw. Angst bzw. der Scham, was vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus Evaluationen zum Einsatz von Eigenvideografie unerwartet ist (Leung et al. 2021; Herbst 2019).

5.5 Zusammenhänge von Erfahrung, Bereitschaften und Emotionen zur Arbeit mit Eigenvideografien

Um den Einfluss von Erfahrungen in der Eigenvideografie zu betrachten, wurden zunächst für die Einzelitems zu Bereitschaften Wilcoxon-Tests zwischen den Untergruppen der Studierenden mit und ohne Erfahrungen mit der Aufnahme eigenen Unterrichts berechnet (Tab. 6). Für die Skalen erfolgte der Vergleich per t‑Test. Zur einfacheren Einschätzung von Unterschieden sind dort auch Mittelwerte und Standardabweichungen der Einzelitems angegeben.

Tab. 6 Einfluss von Erfahrungen im Studium auf Bereitschaften und Emotionen zur Eigenvideografie

Bzgl. aller Szenarien berichten Studierende, die selbst schon eigenen Unterricht zur Reflexion videografiert haben, signifikant höhere Bereitschaften und positivere Einschätzungen. Große Effektstärken ergeben sich dabei bzgl. Eigenvideografiereflexion für sich selbst, mit Dozierenden und Kommiliton/innen. Diese Unterschiede drücken sich auch im Unterschied bzgl. der Gesamtskala zur Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografien aus (mittlerer Effekt). Ebenfalls zeigen Studierende mit eigener Erfahrung mit Eigenvideografie eine leicht höhere Bereitschaft, Personen im Unterricht hospitieren zu lassen. Bzgl. der Skala der Emotionen zur Eigenvideografie ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Um Unterschiede bzgl. der einzelnen Emotionen im Detail abzubilden, sind Profillinien für beide Gruppen grafisch in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Unterschiede in Emotionen zur Arbeit mit Eigenvideografien mit & ohne Erfahrungen

Dabei unterscheiden sich Studierende mit und ohne Erfahrung mit Eigenvideografie statistisch signifikant darin, dass Studierende ohne Erfahrung ein wenig mehr Unsicherheit/Nervosität berichten (Z = 5,85; p = 0,021; r = 0,19). Bzgl. der anderen Emotionen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede, auch wenn sich optisch kleine Tendenzen bei Ängstlichkeit/Sorge, Zögerlichkeit und Scham abbilden. Zur Kontrastierung wurden in den Analysen ebenfalls die Untergruppen Studierender betrachtet, die im Studium Videos fremder Lehrkräfte analysiert haben, wobei sich keine Unterschiede zeigten.

Um den Einfluss von Emotionen unter Kontrolle von Erfahrungen und demografischen Faktoren genauer abzuschätzen, wurden in einem explorativen Vorgehen lineare Regressionen mit der Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografien als abhängiger Variable berechnet. Dabei wurden dichotome Items jeweils als Dummy-Variablen kodiert. Die unabhängigen Variablen wurden schrittweise in das Regressionsmodell einbezogen. Dabei wurden zuerst die Emotionen, anschließend die Erfahrungen, dann die Bereitschaft zur Hospitation im eigenen Unterricht und danach weitere demografische Variablen einbezogen. In Tab. 7 sind die standardisierten Regressionskoeffizienten dargestellt. Für die Studiengänge ergaben sich jeweils Regressionskoeffizienten < 0,01 weshalb sie zur besseren Übersicht nicht dargestellt werden.

Tab. 7 Lineare Regression zur Erklärung der Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografien

Betrachtet man die Regressionskoeffizienten, fällt auf, dass die Valenz der Emotionen und die Bereitschaft der Hospitation den größten Beitrag zur Aufklärung der Varianz in der Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografien liefert. Einen weiteren signifikanten, aber kleinen Beitrag liefert auch die Erfahrung mit Videografie eigenen Unterrichts. Es zeigt sich ebenfalls ein kleiner Geschlechtereffekt dahingehend, dass weibliche Studierende mit sehr kleinem Effekt etwas größere Bereitschaft zur Eigenvideografiearbeit zeigen. Das Praxissemester zu absolvieren hat sogar einen negativen Effekt. Unterschiede zwischen Studiengängen zeigten sich nicht.

5.6 Gründe für oder gegen die Arbeit mit Eigenvideografien

Um Zusammenhänge zwischen der Volition bzw. dem Wunsch nach Videografie und den anderen Variablen unter einer anderen Perspektive zu untersuchen, wurde die dichotome Frage zu einem retrospektiven Videografiewunsch am Ende aller Items herangezogen („Hätten Sie während Ihres Studiums gerne Ihren eigenen Unterricht auf Video aufgezeichnet?“). Sie wurde nur Studierenden gestellt, die noch keine Erfahrung mit der Eigenvideografie sammeln konnten. Dabei antworteten 30,0 % der Studierenden mit ja, 58,7 % mit nein. 11,3 % machten keine Angabe. Unterschiede zwischen den Gruppen wurden analog zu den bisherigen Analysen berechnet (Tab. 8).

Tab. 8 Unterschiede in Bereitschaften, Einschätzungen und Emotionen zur Eigenvideografie von Unterricht zwischen Studierenden mit und ohne Wunsch nach Eigenvideografie (retrospektiv)

Studierende, die retrospektiv einen Wunsch zur Videografie äußern, geben konsistent auch insgesamt höherer Bereitschaften zur Arbeit mit Eigenvideografien mit großer Effektstärke an. Bzgl. der Valenz der Emotionen besteht nur ein kleiner Effekt.

Die inhaltsanalytisch ausgewerteten offenen Antworten der Studierenden sind in Tab. 9 beschrieben. Hierbei ist zu beachten, dass nicht alle Studierenden eine Antwort verfasst haben (48,3 % der Befragten gaben eine Antwort) und eine Antwort mehreren Kategorien zugeordnet werden konnte.

Tab. 9 Gründe für/gegen den Wunsch zur Arbeit mit Eigenvideografien (retrospektiv) – Kategorien

In der häufigsten vorkommenden Kategorie äußern die Studierenden, dass sich ihnen keine Möglichkeiten zur Videografie eigenen Unterrichts geboten haben, wobei dies signifikant mehr Studierende angeben, die es gerne getan hätten (χ (1) = 14,81; p < 0,001; φ = 0,192). Mit immer noch vergleichsweise hohem, aber etwas geringerem Anteil äußern die Studierenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Eigenvideografie, weil sie aus ihrer Sicht über zu wenig Unterrichtserfahrungen verfügten, wobei hierbei kein signifikanter Gruppenunterschied besteht. In der dritthäufigsten Kategorie zeigen die Studierenden, dass sie keine Kenntnis davon haben, dass Eigenvideografie ein mögliches Mittel ihrer Lehramtsausbildung sein kann (kein Unterschied).

Weitere Kategorien treten deutlich weniger auf. Dies betrifft Studierende, die angeben, dass sie bspw. bisher noch nie dazu aufgefordert wurden, ihren eigenen Unterricht zu videografieren. Antworten mit negativen Emotionen (χ (1) = 10,22; p < 0,001; φ = 0,159), negativen Bewertungen der Eigenvideografie als Methode (χ (1) = 6,63; p = 0,010; φ = 0,128), Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit (χ (1) = 10,42; p < 0,001; φ = 0,161) oder mit Äußerungen geringen Bedarfs (χ (1) = 10,42; p < 0,001; φ = 0,161) sind für Studierende ohne retrospektivem Wunsch höher, als Studierende, die rückblickend gerne videografiert hätten. Rechtliche Bedenken und Aussagen zu einem (möglichen) hohen Aufwand kommen (jeweils kein Unterschied) vergleichsweise wenig vor, ebenso wie positive Bewertungen der Eigenvideografie (χ (1) = 10,42; p = 0,020; φ = 0,128). Es ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Antwortverteilung bzgl. des Studiengangs der Studierenden.

Systematisiert man die Antwortkategorien weiter, dann fällt auf, dass die meisten Studierenden keine eigentliche Begründung dafür angeben, warum sie retrospektiv im Studium gerne eigenen Unterricht videografiert hätten oder nicht, sondern eher Rechtfertigungen des eigenen Nicht-Videografierens. Die Antwortkategorien zu fehlenden Möglichkeiten, fehlender Aufforderung (durch Dozierende) und fehlender Kenntnis drücken dabei die implizite Erwartung aus, dass den lehrerbildenden Institutionen die Verantwortung zur Initiierung der Eigenvideografie obliegt. So könnten bspw. die 16 % der Studierenden, die sich rückblickend selbst nicht videografieren würden und als Grund angeben, dass es keine Gelegenheit gab, dies als unsinnige Frage verstehen, da die Möglichkeit aus subjektiver Sicht nicht bestand. Da eine Umsetzung von Eigenvideografie curricular zwar an sich möglich ist, aber sehr von einzelnen Dozierenden abhängt, wäre dies aus Sicht der Studierenden plausibel. Die Antwortkategorien zu rechtlichen Bedenken und zum erhöhten Aufwand lassen sich in diesem Sinne auch als Rechtfertigung des bisherigen Nicht-Videografierens interpretieren. Die Häufigkeit der Antworten zu fehlender Unterrichtserfahrung, sowie zu Zweifeln eigener Leistungsfähigkeit können als Begründung für die Vermeidung von Videografie verstanden werden. Dies gilt in ähnlicher Weise für die Äußerung negativer Emotionen. Insgesamt überwiegen daher eher affektiv-subjektive Gründe für oder gegen den Videografiewunsch. Eher argumentativ dargelegte Gründe wie eine negative Bewertung von Eigenvideografie wurden selten genannt.

6 Diskussion

6.1 Zusammenfassung

In diesem Beitrag wurden Erfahrungen, Emotionen und Bereitschaften zur Arbeit mit Eigenvideografien von Unterricht von 938 Lehramtsstudierenden im Masterstudium, also im letzten Studiendrittel, exploriert. Zusammengefasst berichtet gut jede/r zehnte Studierende, dass er/sie während ihres Studiums Erfahrungen mit Eigenvideografien gesammelt hat. Dies erfolgte überwiegend in Lehr-Lern-Szenarien, in denen die Videos im Kontext des Praxissemesters gemeinsam mit Kommiliton/innen reflektiert wurden. Dabei scheinen Eigenvideografien zumindest an der Universität Paderborn bisher hauptsächlich im LA für Grundschulen und im LA an Gymnasien/Gesamtschulen implementiert worden zu sein, allerdings auf insgesamt niedrigem Niveau. Da bisher keine vergleichbaren Daten vorliegen, kann allerdings nicht abgeschätzt werden, ob dieser Implementationsgrad vergleichsweise niedrig oder hoch ist.

Es zeigen sich keine großen Ausschläge spezifischer Emotionen hin zu positiven oder negativen Gefühlen bezogen auf die Eigenvideografie. Dies lässt sich als eine Art emotionaler Indifferenz der Studierenden gegenüber dieser Methode interpretieren. Die größten Abweichungen von der emotional neutralen Skalenmitte zeigen sich für Gefühle der Unsicherheit/Nervosität und damit zusammenhängender Zögerlichkeit (bei dennoch insgesamt kleinen Effekten). Diese emotionale Indifferenz ist vor dem Ergebnis bisheriger Studien überraschend und es zeigen sich weniger negative Emotionen als man erwarten könnte (z. B. Leung et al. 2021; Herbst 2019). Dies könnte auf die insgesamt niedrige Erfahrung mit Eigenvideografie zurückgeführt werden. Die Items bezogen sich auf ein fiktives Szenario, in dem die Studierenden ihre Emotionen als Reaktion auf die Aufforderung von Dozierenden, verpflichtend ein Video eigenen Unterrichts aufzuzeichnen, angaben. Personen ohne konkrete Erfahrung scheinen dabei kaum negative oder positive Konsequenzen der Eigenvideografie (Wertkomponente der Emotion, Pekrun 2006) zu erwarten und es wird anscheinend als fiktives Szenario nicht als Kontrollverlust erlebt. In diesem Sinne würden auch keine negativen Emotionen entstehen. Allerdings ergaben sich kaum Unterschiede bzgl. der Emotionen zwischen Studierenden mit und ohne Eigenerfahrung. Die gemachten Erfahrungen scheinen daher die emotionale Bewertung der Methode nicht wesentlich zu beeinflussen.

Gut die Hälfte der Studierenden ist generell bereit, eigenen Unterricht für sich selbst zur Reflexion auf Video aufzuzeichnen. Die Bereitschaft, Eigenvideografien gemeinsam mit Anderen zu reflektieren, ist allerdings geringer. Dies gilt insbesondere für Mitstudierende. Dies lässt sich so interpretieren, dass die Bedrohung des Selbstwerts bei der Arbeit mit Eigenvideografien innerhalb der Peer-Group der Studierenden etwas größer ausfällt, als eine Bedrohung des Selbstwerts durch Dozierende, auch wenn diese die Studierenden innerhalb der Ausbildung bewerten (vgl. Pollmeier et al. 2022). Allerdings hängt die Bereitschaft zur Reflexion mit Mitstudierenden nicht stärker mit negativen Emotionen zusammen, als die Bereitschaften zur Reflexion mit anderen Personengruppen.

Generell hängen aber die Bereitschaften zum Einsatz von Eigenvideografie in verschiedenen Szenarien eng zusammen (alle Items laden auf einen gemeinsamen Faktor) und in den Regressionsanalysen zeigte sich konsistent zu anderen Untersuchungen (vgl. Hormann und Disep 2020), dass positive Emotionen bzgl. der Eigenvideografie positiv mit der Bereitschaft zur Arbeit mit Eigenvideografie insgesamt zusammenhängen. Tatsächliche Erfahrungen klären aber kaum zusätzliche Varianz auf. Dieser geringe Einfluss von Erfahrungen auf Bereitschaften und Emotionen zur Eigenvideografie zeigte sich auch in weiteren Studien (z. B. Kleinknecht und Poschinski 2014).

Interessanterweise klärte die Bereitschaft dazu, andere Personen im eigenen Unterricht hospitieren zu lassen, in ähnlicher Höhe wie Emotionen die Bereitschaft zur Eigenvideografie auf. Studierende, die eher akzeptieren, dass Andere ihr Unterrichten beobachten, sind also auch eher bereit, dies mit Hilfe von Eigenvideografien zu tun. Dies deutet daraufhin, dass eine Art generelle Bereitschaft den eigenen Unterricht beobachten zu lassen, als hinter liegende Variable bedeutsam ist, konsistent zum von Leung et al. (2021) vermuteten negativen „evaluative stance“. Diese negative generelle Bewertungshaltung gegenüber eigenem Unterrichtens beeinflusst die Bereitschaften und Emotionen zur Videografie oder Hospitation negativ.

Rückblickend gefragt, ob sie gerne ihren Unterricht videografiert hätten, sind die Antworten der Studierenden ohne Eigenvideografieerfahrung konsistent zu den mit Hilfe von Likert-Items erhobenen Antworten. Interessanterweise ist der häufigste genannte Grund die fehlende Möglichkeit im Studium. Erst danach werden Unsicherheiten zur Eigenvideografie geäußert, die auch auf insgesamt geringe schulpraktische Erfahrungen bezogen werden. Diese Antworten lassen sich allerdings eher als Rechtfertigung dafür interpretieren, warum sie bisher noch keine Eigenvideografie durchgeführt haben, und die weiteren Antworten deuten an, dass manche Studierende diese nur dann durchführen würden, wenn sie dazu verpflichtend aufgefordert würden. Antworten, in denen deutlich wird, dass Eigenvideografie als möglicher Teil der Lehramtsausbildung gar nicht bekannt ist, weisen darauf hin, dass ein Großteil der Studierenden zwar unsicher bzgl. der Eigenvideografie ist, sie aber nicht direkt ablehnen würden. Weitere Befürchtungen zur Videografie, die auch aus anderen Studien bekannt sind (vgl. Herbst 2019) werden auch, aber vergleichsweise weniger geäußert.

6.2 Fazit

Insgesamt zeigt sich die Bereitschaft und damit die Akzeptanz zur Arbeit mit Eigenvideografien von Lehramtsstudierenden in der Breite höher als erwartet und auch negative Emotionen zu einer möglichen Eigenvideografie sind nicht so stark ausgeprägt wie angenommen. Dies ist auch deshalb interessant, weil, obwohl die Arbeit mit Unterrichtsvideos fremder Lehrkräfte im Studium mittlerweile regelmäßig vorkommt, die Arbeit mit Eigenvideografien weniger verbreitet zu sein scheint. Ein Großteil der Studierenden hat anscheinend schlicht bisher keine Möglichkeit gehabt, Erfahrung zu machen.

Würden Studierende daher von Dozierenden z. B. in Rahmen von Lehrveranstaltungen zur Eigenvideografie aufgefordert bzw. wäre diese ein planmäßig implementierter Teil des Studiums, wäre eine generell eher hohe Bereitschaft und Akzeptanz der Methode erwartbar. Dass gilt auf dafür, dass Fachleitungen, Dozierende oder schulische Mentor/innen die Videografien betrachten und reflektieren. Die wenigen geäußerten Unsicherheiten scheinen sehr mit geringen Videografie- und geringen Unterrichtserfahrungen verbunden zu sein. In diesem Zusammenhang wird verständlich, warum Bereitschaft und konkrete Volition zur Videografie etwas auseinanderliegen. Fundamental negative Haltungen oder grundsätzlich negative Emotionen gegenüber der Eigenvideografie deuten sich nur bei einer kleineren Zahl von Studierenden an.

Die Bereitschaft zur Eigenvideografie hängt dabei nicht mit dem konkreten Lehramtsstudiengang bzw. der studierten Zielschulform zusammen. Man findet für eine Implementierung von Eigenvideografie als Methoden also vergleichbare Voraussetzungen bezogen auf die Akzeptanz vor, so dass an dieser Stelle keine spezifischen Maßnahmen ergriffen werden müssten. Die leichten Unterschiede in den Emotionen zur Eigenvideografie bei Studierenden mit und ohne Erfahrung deuten darauf hin, dass es vielmehr darauf ankommt, in einem konkreten didaktischen Setting emotionale Sicherheit zu gewährleisten. Dies betrifft insbesondere den Fall, wenn Studierende gemeinsam mit Kommiliton/innen, also der Peer-Group, Eigenvideografien reflektieren müssen. Hierbei ist das Schaffen eines geschützten Rahmens besonders wichtig (vgl. Pollmeier et al. 2022; Gaudin und Chaliès 2015). Das gilt allerdings auch für die Bereitschaft zur Hospitation im Unterricht durch Kommiliton/innen. Auch bei analogen Hospitationen von Mitstudierenden im Unterricht sollte ausreichend emotionale Sicherheit hergestellt werden, ein Umstand, der in der Lehrkräftebildung seltener adressiert wird.

Methodisch ist zudem bemerkenswert, wie stark die jeweiligen Bereitschaften untereinander zusammenhängen. Für weitere Forschungen zur Arbeit mit Eigenvideografien und in Evaluationen scheint es daher möglich, sich auf reduzierte Item-Sets zu beschränken bzw. die Bereitschaft generell zu erfragen. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die Emotionen. Dies ermöglicht eine ökonomischere Betrachtung dieser Faktoren als Kontrollvariablen.

Diese Interpretationen müssen natürlich mit Blick auf die Limitationen dieser Studie eingeschränkt werden. Zwar handelt es sich um eine nahezu repräsentative Befragung Lehramtsstudierender der Universität Paderborn, die aber nicht ohne Weiteres auf andere Hochschulen übertragen werden kann. Aufgrund der rechtlichen Bedingungen in Nordrhein-Westfalen wird der Anteil an Studierenden mit Erfahrungen in der Eigenvideografie zudem größer ausfallen als an Hochschulstandorten mit restriktiverem Zugang zu Videoaufnahmen in Schule. Die gesamten Ergebnisse beruhen aufgrund der Möglichkeiten der Befragung zudem auf Analysen von Einzelitems bzw. eher kurzen Skalen, so dass Bereitschaften zur Arbeit mit Eigenvideografien nicht noch differenzierter betrachtet werden konnten. Hierzu könnten weitere vertiefende Befragungen noch genauere Erkenntnisse liefern. Insbesondere die subjektiven Gründe der Studierenden, auf denen ihre Antworten zu verschiedenen Szenarien beruhen, wurden nicht erfasst (vgl. Pollmeier et al. 2022).

Es wird aber dennoch deutlich, dass das Potenzial des Einsatzes von Eigenvideografien im Lehramtsstudium hinsichtlich der Akzeptanz der Studierenden größer ist, als erwartet, gerade bzgl. der zentralen Zielgruppe der Lehramtsstudierenden mit keinen Erfahrungen mit Eigenvideografien. Betrachtet man ihren Anteil, wird das vorhandene Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Bleibt die Frage, an welcher Stelle Eigenvideografie als Methode im Curriculum verankert werden sollte. Hier sind natürlich schulpraktische Anteile zu nennen. Insbesondere Langzeitpraktika, wie das Praxissemester, bieten vielerlei Möglichkeiten, es als Methode Studierenden zumindest einmalig zu ermöglichen. Wünschenswert wäre aber auch eine frühere Implementation, z. B. einmalig in einer ersten Praxisphase im Bachelorstudium, so dass Studierende die Methode früh kennenlernen und sie im späteren Verlauf selbstverständlich erneut vorkommt. Dies würde auch ermöglichen, dass Studierende Fortschritte im Unterricht schon im Studium wahrnehmen könnten und das weitere Studium auch mit Bezug auf diese Erfahrungen ausrichten. Für eine breitere Implementation bestehen zumindest keine besonderen emotionalen Hinderungsgründe.