1 Einleitung

In der COVID-19 Pandemie war das österreichische Bildungssystem relativ stark von Schulschließungen betroffen, vor allem im Sekundar- und Tertiärbereich lag die Anzahl der Schließtage über dem OECD-Durchschnitt (OECD 2021). Zahlreiche Untersuchungen befassten sich seither mit den Folgen der Schulschließungen bzw. den allgemeinen Auswirkungen der Pandemie auf Schülerinnen und Schüler. Helm et al. (2020) listen allein aus dem ersten Halbjahr 2020 beachtliche 43 Studien zu den Schulschließungen im deutschsprachigen Raum auf, wobei der Fokus auf den Perspektiven der Schülerinnen und Schüler, Eltern und/oder Lehrpersonen liegt. Ergänzend wurden mit Fortdauer der Pandemie Studien publiziert, die Kinder und Jugendliche ohne den direkten Kontext von Schule in den Mittelpunkt rücken und die psychischen Auswirkungen der Pandemie im Längsschnitt dokumentieren (Andresen et al. 2020; Ravens-Sieberer et al. 2021). Derartige Forschungsergebnisse finden mittlerweile auch vermehrt Eingang in den öffentlich-medialen Diskurs. Die Ergebnisse der COPSY-Studie, wonach sich in Deutschland im Längsschnitt die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Verlauf der COVID-19-Pandemie verschlechtert hat (Kaman et al. 2021b), wurden beispielsweise breit rezipiert. Ebenso wurde der Bericht der UNICEF (2021) über den massiven Einfluss der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Generell zeigt sich, dass der Anteil an Kindern und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten in der Zeit der Pandemie gestiegen ist.

Im vorliegenden Paper soll ein Beitrag geleistet werden, die beschriebene Befundlage zum Einfluss, den die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hatten, zu erweitern. Spezifisch wird dabei auf Schwierigkeiten in der sozial-emotionalen Entwicklung eingegangen, die im nächsten Abschnitt genauer beschrieben sind.

2 Schwierigkeiten in der sozial-emotionalen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen

Schwierigkeiten in der sozial-emotionalen Entwicklung werden oft unterteilt in internalisierende/internalisierte (z. B. Angststörungen, Depressionen, sozial unsichere Kinder) und externalisierende/externalisierte Verhaltensprobleme (z. B. Störungen des Sozialverhaltens, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) (Gasteiger-Klicpera et al. 2008). Den externalisierten Störungen wird dabei im Kontext von Schule wesentlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt, was grundsätzlich durch das Störungspotential dieser Verhaltensprobleme im Unterricht und deren damit einhergehend leichterer Wahrnehmbarkeit bedingt ist. Dennoch können auch internalisierte Verhaltensprobleme schwerwiegende Auswirkungen auf die betroffenen Schülerinnen und Schüler nach sich ziehen, wie etwa weitere psychische Auffälligkeiten und Erkrankungen, Substanzmissbrauch, Schulabbruch etc. und sind dementsprechend in ihren langfristigen Konsequenzen ähnlich schwerwiegend wie externalisierte Verhaltensprobleme (Duinhof et al. 2015; Krammer et al. im Druck; Maguire et al. 2016).

Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Verhaltensproblemen sind sowohl intraindividuell zu finden (z. B. genetische Dispositionen) als auch im Umfeld und in den Umweltbedingungen (z. B. Familie und Schule) (Duinhof et al. 2015; Keyser et al. 2017). Auf intraindividueller Ebene zeigen beispielsweise Jungen ein höheres Risiko externalisierte Verhaltensprobleme zu entwickeln als Mädchen (Duinhof et al. 2015; Maguire et al. 2016), wohingegen Mädchen häufiger internalisierte Verhaltensprobleme aufweisen (Alivernini et al. 2020; Duinhof et al. 2015; Krammer et al. im Druck). Zugleich zeigen Mädchen aber auch deutlich prosozialere Verhaltensweisen, die den Gegenpol zu Verhaltensproblemen darstellen und eng mit Empathie und Perspektivenübernahme verknüpft sind (Hine und Leman 2014; Van der Graaff et al. 2018). Weiters wird von einer Zunahme von problematischen Verhaltensweisen mit zunehmendem Alter, insbesondere ab Eintritt in die Pubertät, (Klasen et al. 2016) und einer Abnahme von prosozialem Verhalten in der späteren Jugend (Van der Graaff et al. 2018) berichtet. Hinsichtlich der kognitiven Fähigkeiten konnte in einer Reihe von Studien festgestellt werden, dass ein niedriger IQ sowohl die Entstehung von externalisierten als auch internalisierten Verhaltensproblemen begünstigt und sich zudem einschränkend auf die Entwicklung prosozialer Verhaltensweisen auswirkt (Flouri et al. 2018; Salovey et al. 2008).

Betrachtet man nun die Umweltbedingungen, so wird dem familiären Hintergrund eine wichtige Rolle zugeschrieben (Keyser et al. 2017). Vor allem die psychische Gesundheit der Eltern, deren Erziehungsverhalten und Elternstress sowie der sozioökonomische Status der Familie stehen in Zusammenhang mit der Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten der Kinder und Jugendlichen (Egeland et al. 2002; Keyser et al. 2017; MacKenzie et al. 2013).

Als weitere Einflussgröße der Umwelt ist auch das soziale Umfeld in der Schule bzw. Schulklasse für die Entwicklung von Verhaltensproblemen bedeutend. So konnten etwa Müller et al. (2013; 2015) zeigen, dass die Anzahl von Kindern mit externalisierten Problemen in der Klasse mit der individuellen Entwicklung von problematischem Sozialverhalten zusammenhängt. Ebenso scheinen institutionelle Selektionsmechanismen (Tracking) mit der Entwicklung von Verhaltensproblemen einherzugehen. Vor allem in den unteren Tracks kann man davon ausgehen, dass externalisierte Verhaltensprobleme vermehrt aufzutreten (Krammer et al. im Druck).

Nach diesem kurzen Überblick über allgemeine Einflussfaktoren, die als Ursachen von Problemdimensionen der sozial-emotionalen Entwicklung identifiziert wurden, werden nachfolgend konkrete Auswirkungen der Pandemie und daraus resultierende Verhaltensprobleme beschrieben.

3 Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die sozial-emotionale Entwicklung

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen resultieren mitunter aus pandemiebedingten Maßnahmen, die das tägliche Leben der Kinder und Jugendlichen stark beeinflussen, wie beispielsweise die Umstellung des öffentlichen und sozialen Lebens oder pandemiebedingte Schulschließungen.

Bei Schülerinnen und Schülern aus sozial benachteiligten Familien wirkten sich die Schulschließungen deutlich stärker negativ auf die sozial-emotionale Entwicklung aus (Kaman et al. 2021a). Dieser Effekt ist besonders stark bei Schülerinnen und Schülern der Mittelschule nachweisbar (Santibanez und Guarino 2020). Die Grundproblematik dabei ist jedoch, dass die negativen Auswirkungen auf die sozial-emotionale Entwicklung oft nur als nachrangig zum akademischen Fortschritt gesehen werden (Phelps und Sperry 2020).

Einige Studien haben sich konkret mit durch COVID-19 induziertem Stress bzw. induzierte Angst auseinandergesetzt. Lee (2020) entwickelte ein Screening-Instrument (CAS: Coronavirus Anxiety Scale), das sich mit COVID-19 induzierter Angst auseinandersetzt. In diesem Screening werden fünf Symptombereiche abgefragt, die zum Teil auch oft bei anderen psychischen Auffälligkeiten auftreten (Schlafstörungen, Appetitlosigkeit bspw. auch bei Depressionen und Angststörungen). Es konnten enge Zusammenhänge zwischen hohen Scores bei der CAS und bspw. extremer Hoffnungslosigkeit, Suizidgedanken, Alkohol- und Drogenmissbrauch gezeigt werden (Lee 2020; Lee et al. 2020). Bereits vor COVID-19 konnte in Studien nachgewiesen werden, dass pandemiebezogene Angst – hier im Kontext der Schweinegrippe – unter anderem eng mit erhöhten Stress- und Belastungssymptomen zusammenhängt (Wheaton et al. 2012). Als Hauptprädiktoren von durch COVID-19 induziertem Stress gelten bei den über 15-Jährigen in Österreich höheres Alter, niedriges Bildungsniveau und ein schlechter Gesundheitsstatus, zudem sind Frauen eher von durch COVID-19 induziertem Stress betroffen als Männer (Traunmüller et al. 2020). Zahlreiche Studien bestätigen außerdem die durch die Pandemie verursachte hohe psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen: 70 % der Kinder und Jugendlichen fühlen sich durch die Pandemie psychisch belastet, fast jedes dritte Kind leidet ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten (für Deutschland: Kaman et al. 2021a; Ravens-Sieberer et al. 2021; für Österreich: Pieh et al. 2021). Daraufhin kamen die einschlägigen Gesundheitseinrichtungen derart massiv unter Druck, dass es sogar zu Aussagen über die Notwendigkeit von Triagen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Österreich kam.Footnote 1

Zudem führt die pandemiebedingte Reduzierung des öffentlichen Lebens zu einer Verminderung sozialer Interaktionen bzw. einer Reduktion des sozialen Umfelds. Eingeschränkte soziale Interaktionen und reduzierte soziale Kontakte können zudem auch Auswirkungen auf neuronale Vernetzungsprozesse haben, die im Gehirn bei Heranwachsenden nachweisbar sind. Zusätzlich vermindert COVID-19 bzw. die damit verbundenen Maßnahmen die physischen Aktivitäten, verstärkt nicht-reguläre Schlafmuster und vermehrt unangemessene Ernährungsgewohnheiten (Figueiredo et al. 2021). Fuchs-Schündeln et al. (2020) ergänzen, dass Kinder mit bestehenden psychischen Einschränkungen (etwa Autismus-Spektrum-Störungen) von den Auswirkungen der Pandemie besonders betroffen sind. Im Gegensatz zu Ergebnissen bei Erwachsenen, wo in Krisenzeiten oft eine Zunahme von prosozialem Verhalten festgestellt wird, dokumentiert eine finnische Studie – basierend auf Elternauskunft – die Abnahme prosozialer Verhaltensweise durch die Krise bei Kindergartenkindern bzw. Vorschülerinnen und Vorschülern (Linnavalli und Kalland 2021). Eine Studie aus den USA belegte zudem Probleme hinsichtlich Aufmerksamkeit, Fokus und negativer Stimmung bei US-amerikanischen Sekundarstufenschülerinnen und -schülern (Altersmedian 13,4 Jahre), die durch die COVID-19-Pandemie erklärt werden konnten (Raffaele et al. 2021).

Durch das als anstrengend erlebte Homeschooling kam es in vielen Fällen zu einer Verschlechterung des Familienklimas (Hahlweg et al. 2021; Ravens-Sieberer et al. 2021). Darüber hinaus bestätigen Untersuchungen den Schereneffekt innerhalb der Schüler*innenschaft, im familiären Umfeld, in den Lehrer*innenkollegien sowie zwischen den Schulen (Huber et al. 2020): Verliererinnen und Verlierer sind in dieser Situation demnach vorwiegend Schülerinnen und Schüler aus sozioökonomisch benachteiligten Haushalten sowie jene mit Migrationshintergrund (Auferbauer et al. 2021; Kaman et al. 2021a).

4 Forschungsfragen

Im Zusammenhang mit den vorgestellten sozial-emotionalen Konstrukten (externalisierte und internalisierte Verhaltensprobleme, prosoziales Verhalten) bzw. mit deren Entwicklung bei 12- bis 13-Jährigen wurde in der vorliegenden Studie untersucht, inwiefern sich durch COVID-19 induzierte Angst auf die sozial-emotionale Entwicklung bei österreichischen Jugendlichen auswirkt.

Grundsätzlich wurden in dieser Untersuchung zwei Forschungsziele verfolgt: Zum einen wird querschnittlich untersucht, mit welcher Häufigkeit bzw. Verteilung Angst und Befürchtungen in Bezug auf COVID-19 in der Gruppe der 12- bis 13-Jährigen auftreten. Zum anderen wird im Längsschnitt geprüft, ob und wie stark sich die Gruppe der Kinder, die angaben, durch COVID-19 belastet zu sein von der Gruppe jener Kinder, die angaben, nicht belastet zu sein, in ihren Angaben zur sozial-emotionalen Entwicklung unterscheiden. Dazu werden zwei Dimensionen problematischen Sozialverhaltens betrachtet (internalisierte und externalisierte Verhaltensprobleme) sowie eine Dimension sozial erwünschter Verhaltensformen (prosoziales Verhalten). Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen:

  1. 1.

    Mit welcher Häufigkeit und Verteilung tritt COVID-19 induzierte Angst in der untersuchten Gruppe der 12- bis 13-Jährigen auf (CAS-Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler)?

  2. 2.

    Unterscheiden sich die Angaben zur Entwicklung von internalisierten Verhaltensproblemen (SDQ-Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler) bei Schülerinnen und Schülern mit hohen CAS-Scores von jenen mit niedrigen Scores?

  3. 3.

    Unterscheiden sich die Angaben zur Entwicklung von externalisierten Verhaltensproblemen (SDQ-Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler) bei Schülerinnen und Schülern mit hohen CAS-Scores von jenen mit niedrigen Scores?

  4. 4.

    Unterscheiden sich die Angaben zur Entwicklung des prosozialen Verhaltens bei Schülerinnen und Schülern mit hohen CAS-Scores von jenen mit niedrigen Scores?

Zudem wurde auch eine Reihe von Individualvariablen (Geschlecht, Alter und IQ) als Kovariaten in die Modelle miteinbezogen, da diese, wie in der Literatur ausgewiesen, einen wesentlichen Effekt auf die sozial-emotionale Entwicklung aufweisen und deren Berücksichtigung eine genauere Modellierung bzw. Schätzung möglicher Effektgrößen ermöglicht.

5 Methode

Die in dieser Studie verwendeten Daten wurden im Rahmen einer Follow-up-Untersuchung im Forschungsprojekt Geteilte Jugend im österreichischen Schulsystem erhoben (für eine Übersicht siehe Krammer et al. im Druck). Dazu wurden im Zeitraum November 2020 bis Jänner 2021 bei den teilnehmenden Schulen nachgefragt, inwiefern die Möglichkeit besteht, dass die Schülerinnen und Schüler aus der vorangegangenen Untersuchung einen kurzen Paper-Pencil-Fragebogen ausfüllen. Bei ca. der Hälfte der Schulen war dies der Fall, wobei die Hauptgründe für eine Nicht-Teilnahme entweder auf die Nicht-Verfügbarkeit der Schülerinnen und Schüler aufgrund von Klassenwechsel zurückzuführen war (vor allem in der AHS aufgrund von Spezialisierungen entlang von Sprachen usw.) oder die Lehrpersonen angaben, keine Zeit zu haben.Footnote 2 Insgesamt konnten dennoch 774 Schülerinnen und Schüler ein weiteres Mal befragt werden, was im Vergleich zur vorangegangenen Erhebung einer Rücklaufquote von ca. 55 % entspricht.

Insgesamt stehen zu vier Messzeitpunkten Daten dieser Schülerinnen und Schüler zur Verfügung. In die vorliegende Studie flossen jedoch ausschließlich Daten aus den letzten drei Messzeitpunkten ein, da nur zu diesen drei Messzeitpunkten auch ein Verhaltensscreening durchgeführt wurde.Footnote 3

Die Daten zu Messzeitpunkt 1 wurden zwischen März und Juni 2019 erhoben, Messzeitpunkt 2 fand zwischen Oktober und Dezember 2019 statt und Messzeitpunkt 3 (als Follow-up) wurde schließlich zwischen Oktober und Dezember 2020 durchgeführt, also zu jener Zeit als der zweite Lockdown mit 17. November 2020 im Sekundarbereich in Österreich zu Schulschließungen führte. Die Erhebungen zu den ersten beiden Messzeitpunkten wurden von einem Erhebungsteam direkt an den Schulen durchgeführt, wohingegen die Datensammlung zum dritten Messzeitpunkt rein postalisch durchgeführt wurde, indem vorgefertigte Fragebögen für jede Schülerin und jeden Schüler an die jeweiligen Schulen gesendet und dort von den Lehrpersonen verteilt wurden. Im Anschluss wurden sie an uns postalisch retourniert.

5.1 Stichprobe

Insgesamt wurden bei der Follow-up-Erhebung (Messzeitpunkt 3) Daten von 774 Schülerinnen und Schülern gewonnen, von denen 49,3 % weiblich sind. Im Schnitt waren die getesteten Schüler beim dritten Messzeitpunkt 12,81 Jahre alt (SD = 0,8). 72 % der Schüler und Schülerinnen besuchten eine MS und 28 % eine AHS bzw. ein Gymnasium. 77 % der Schüler*innen besuchten eine Schule im ländlichen Raum (unter 100.000 Einwohnerinnen bzw. Einwohner; Mullis et al. 2012) und 23 % eine städtische Schule (in Wien oder Graz). Ca. 20 % der Schülerinnen und Schüler wiesen einen Migrationshintergrund auf (erste und zweite Generation). Von diesen 774 Schülerinnen und Schülern, die an der Follow-up-Erhebung teilnahmen, liegen lediglich von 650 Schülerinnen und Schülern Daten zu allen drei Messzeitpunkten vor (Ausfälle von Schülerinnen und Schülern aufgrund Krankheit, Abwesenheit oder Schulwechsel). Diese Tatsache führt zu zwei Stichproben, mit denen in der vorliegenden Studie gerechnet wurde. Je nach Forschungsfrage wurde die jeweils relevante Stichprobe verwendet. Die größere Stichprobe (Follow-up, Messzeitpunkt 3) wurde für querschnittliche Fragestellungen und die kleinere Stichprobe (Schülerinnen und Schüler, die zu allen drei Messzeitpunkten anwesend waren) wurde für längsschnittliche Betrachtungen (ANCOVA Modellierungen) herangezogen.

5.2 Instrumente

Zur Erfassung des Sozialverhaltens wurde die deutschsprachige Version des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) verwendet. Der SDQ ist ein standardisiertes Screening-Instrument für die Altersgruppe der 3‑ bis 16-Jährigen. Insgesamt erfasst der SDQ mittels 25 Items vier Dimensionen problematischen Verhaltens (Emotionale Probleme, Probleme mit Peer-Beziehungen, Hyperaktivität, Verhaltensprobleme) und mit einer Dimension sozial-erwünschte Verhaltensweisen (Prosoziales Verhalten). Für die vorliegende Untersuchung wurden die beiden Subskalen Emotionale Probleme und Probleme in Peer-Beziehungen als Internalisierte Dimension zusammengefasst. Die beiden Subskalen Hyperaktivität und Verhaltensprobleme wurden als Externalisierte Dimension aggregiert. Dieses Vorgehen entspricht den Empfehlungen der Autor*innen für allgemeine Populationen (Goodman et al. 2010). Cronbach Alphas für die entsprechenden Subskalen liegen im Bereich von 0,61 bis 0,73 und entsprechen damit den Angaben aus der Literatur (Lohbeck et al. 2015).

Die kognitiven Fähigkeiten (IQ) wurde mittels der Subtests Klassifikationen, Reihen und Matrizen aus dem standardisierten Testverfahren CFT-20 R bestimmt (Weiß 2006). Die Rohdaten der drei Subtests wurden anschließend akkumuliert und an der gegebenen Stichprobe z‑standardisiert.

Um die Häufigkeit bzw. das Ausmaß an Angst durch das Corona-Virus zu erfassen, wurde die deutschsprachige Version des Corona Anxiety Scale (CAS) adaptiert verwendet. Bei der CAS handelt es sich um ein kurzes Screening-Instrument, das mit fünf Items die Ausprägung bzw. die Quantität von psychischen Belastungen bzw. Angst durch die COVID-19 Pandemie abfragt (Beispielitem: Ich habe mich komisch oder schlecht gefühlt, wenn ich vom Coronavirus gehört habe.). Aus diesen fünf Items wurde in der vorliegenden Studie eine klassierte Variable gebildet, bei der Schülerinnen und Schüler, die bei zumindest zwei Items die Antwortmöglichkeit „an 1–2 Tagen in den letzten zwei Monaten“ (geringste mögliche Belastung) bzw. bei einem Item die Antwortmöglichkeit „an mehreren Tagen in den letzten Monaten“ (nächsthöhere Antwortmöglichkeit) bzw. noch höhere Häufigkeiten des Angsterlebens angaben, als belastet klassifiziert wurden und jene Schülerinnen und Schüler, die nur bei einem Item eine seltene bzw. bei keinem der fünf Items überhaupt eine Häufigkeit der Angst angaben, als nicht bzw. wenig belastet klassifiziert wurden. Das Verhältnis von belasteten zu unbelasteten bzw. wenig belasteten Schüler*innen innerhalb der Stichprobe beträgt dabei ca. 20 % (belastet) zu 80 % (unbelastet bzw. wenig belastet). Dies ist etwas abweichend von dem, in der Skalenpublikation (Lee 2020) empfohlenen, Cut-off-Score von 5, unter den 5 % der getesteten Stichprobe fallen würde. Jedoch ist anzumerken, dass sich der beschriebene Cut-off-Score von 5 auf dysfunktionale bzw. pathologische Angstzustände bezieht (Lee 2020). Nachdem in der vorliegenden Studie auch weniger ausgeprägte Angst bzw. Belastung miterfasst und somit ein breiteres Spektrum des Kontinuums abgebildet werden sollte, wurde für die Längsschnittsmodellierungen auf das Kriterium der Dysfunktionalität verzichtet. Das Cronbach Alpha für die Gesamtskala in der vorliegenden Stichprobe beträgt 0,72 und entspricht damit in etwa der Skalenpublikation (Lee et al. 2020).

6 Ergebnisse

Insgesamt gaben ca. 66 % der 774 befragten Schüler und Schülerinnen für alle fünf Einzelitems der CAS die Antwortkategorie „Nie“ an und fühlten sich laut Selbstauskunft nicht belastet. Ungefähr 15 % der Schülerinnen und Schüler gab zudem nur bei einem Einzelitem die unterste Belastungskategorie („an 1–2 Tagen“) an. Knapp 20 % der Schüler*innen wiesen höhere Häufigkeitsangaben auf (entweder mehrere Items mit der Antwortkategorie „an 1–2 Tagen“ oder ein Item mit der Antwortkategorie „mehrere Tage“ beantwortet). Damit ergibt sich eine relativ stark rechtsschiefe Verteilung im Antwortverhalten, mit einem Mittelwert für die Gesamtskala von 0,17 (SD = 0,40; Range: 0–4). Ein t‑test für unabhängige Stichproben zeigte zudem einen nicht-signifikanten Unterschied für das Geschlecht (t(772) = −1,739, p = 0,082; Jungen: M = 0,15; Mädchen: SD = 0,38 bzw. M = 0,19; SD = 0,39). Vergleicht man die vorliegenden Werte der Stichprobe mit den Cut-off-Scores der CAS-Skala (Annahme der Cut-off-Scores für die allgemeine Bevölkerung ≥ 5 (Lee 2020)) hinsichtlich dysfunktionalen Angsterlebens zeigt sich, dass 5 % der getesteten Schülerinnen und Schüler dysfunktionales Angsterleben aufgrund COVID-19 aufweisen.

In Abb. 1 ist das Antwortverhalten der Schüler*innen jeweils getrennt nach Geschlecht und für die Einzelitems der CAS dargestellt. Insgesamt zeigte sich auch bei Betrachtung der Einzelitems jenes rechtsschiefe Antwortverhalten, wobei dies für die ersten beiden Items der CAS etwas weniger stark ausgeprägt war. Zudem ergab die Berechnung des Cramers V einen signifikanten, wenn auch schwachen Zusammenhang des Antwortverhaltens und des Geschlechts für diese beiden Kategorien, wobei Schülerinnen etwas höhere Scores aufwiesen als Schüler.

Abb. 1
figure 1

Einzelitemanalyse CAS (Lee 2020)

6.1 Auswirkungen auf Verhaltensprobleme und prosoziales Verhalten im Zeitverlauf

Um mögliche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die sozial-emotionale Entwicklung darzustellen, wurden insgesamt drei ANCOVAs mit Messwiederholung berechnet. Die unabhängigen Variablen stellten jeweils die Mittelwertindizes für internalisierte Probleme (Model 1), externalisierte Probleme (Model 2) sowie prosoziales Verhalten (Model 3) dar. Als Faktor diente die klassierte Variable aus der CAS. Als Kovariaten wurden Geschlecht, Alter und kognitive Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt. Der Einfluss der Kovariaten auf die drei Verhaltensdimensionen entsprach dabei in jedem der Modelle den theoretischen Erwartungen.

Die Normalverteilungsannahme wurde deskriptiv über Kurtosis und Schiefe geprüft und lag mit einer Ausnahme (Prosoziales Verhalten Messzeitpunkt 2 Kurtosis = 2,98) im Bereich ± 1,96. Daher kann, durch das Vorliegen einer statistisch ausreichenden Grundlage, von einer Normalverteilung der abhängigen Variablen ausgegangen werden. Varianzgleichheiten wurden mittels Levene-Tests überprüft und ergaben jeweils nicht signifikante Ergebnisse für die beiden Problemdimensionen, jedoch signifikante Ergebnisse für die Dimension Prosoziales Verhalten (dritter Messzeitpunkt p = 0,001). Das gleiche Muster zeigte sich zudem bei Überprüfung der Gleichheit der Kovarianzmatrizen. Auch hier ergaben sich nicht signifikante Box-M-Tests für die beiden Problemdimensionen, jedoch ein signifikanter Box-M-Test für das Prosoziale Verhalten (p = 0,001).

6.2 Model 1: COVID-19-Belastung und internalisierte Probleme

In Abb. 2 ist der Verlauf der Mittelwerte für internalisierte Verhaltensprobleme über die drei Messzeitpunkte hinweg dargestellt. Betrachtet man die Mittelwerte, so zeigt sich ein deutlicher Anstieg bei der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit höheren CAS-Scores im Vergleich zu den Werten der Schülerinnen und Schüler mit niedrigeren CAS-Scores.

Abb. 2
figure 2

Verlauf der Mittelwerte internalisierte Dimension

Die ANCOVA mit Messwiederholung mit Greenhouse-Geisser-Korrektur zeigte einen nicht signifikanten Haupteffekt für die Zeit (F(1,9, 1239) = 0,55; p = 0,565; η2 = 0,001). Jedoch zeigten sich für die signifikanten Haupteffekte sowohl zwischen den Subjekten (F(1, 650) = 11,85, p < 0,001, η2 = 0,018) als auch für Zeit × Gruppenzugehörigkeit (ebenfalls mit Greenhouse-Geisser-Korrektur: F(1,9, 1239) = 6,89; p = 0,001; η2 = 0,01). Berechnet man zudem das Cohens f, ergibt sich mit einem Wert von 0,1 ein schwacher Effekt für die Gruppenzugehörigkeit (hohe CAS-Scores vs. niedrige CAS-Scores) (Lenhard und Lenhard 2016).

6.3 Model 2: COVID-19-Belastung und externalisierte Probleme

In Abb. 3 ist der Verlauf der Mittelwerte für externalisierte Verhaltensprobleme über die drei Messzeitpunkte hinweg dargestellt. Betrachtet man diese, so zeigt sich eine relativ ähnliche Entwicklung beider Gruppen (hohe vs. niedrige CAS-Scores).

Abb. 3
figure 3

Verlauf der Mittelwerte externalisierte Dimension

Die ANCOVAs mit Messwiederholung mit Greenhouse-Geisser-Korrektur zeigten jedoch sehr wohl signifikante Unterschiede. Zwar zeigte sich, ähnlich wie bei der internalisierten Dimension, ein nicht signifikanter Haupteffekt für die Zeit (F(1,9, 1276) = 0,52, p = 0,597, η2 = 0,001), jedoch konnte ein signifikanter Interaktionseffekt Zeit × Gruppenzugehörigkeit (ebenfalls mit Greenhouse-Geisser-Korrektur: F(1,9, 1276) = 3,51; p = 0,036; η2 = 0,005) nachgewiesen werden. Hinsichtlich der Zwischensubjekteffekte zeigte sich wiederum kein signifikanter Effekt (F(1, 650) = 0,275; p < 0,6; η2 = 0,000). Das Cohens f für den Interaktionseffekt beträgt zudem nur 0,07. Daher ist von einer vernachlässigbaren Effektstärke der COVID-19-Belastung über den Zeitverlauf auszugehen.

6.4 Model 3 – COVID-19 Belastung und prosoziales Verhalten

Betrachtet man den Verlauf der Mittelwerte, so zeigt sich, dass sich die beiden Gruppen bis zum zweiten Messzeitpunkt relativ ähnlich entwickeln. Mit dem Eintreten der COVID-19-Pandemie kam es jedoch zu einem Auseinanderdriften der beiden Gruppen. Während bei der Gruppe derer mit höheren CAS-Scores prosoziale Verhaltensweisen weiter ansteigen, kommt es in der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit niedrigen CAS-Scores zu einem Abfall berichteter prosozialer Verhaltensweisen (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Verlauf der Mittelwerte Prosoziale Dimension

Auf eine inferenzstatistische Auswertung der Subskala prosoziales Verhalten wird hier aufgrund der Verletzung mehrerer Modellprämissen (Varianzgleichheit, Gleichheit der Kovarianzmatrizen) verzichtet.

7 Diskussion

Insgesamt zeigten die Ergebnisse dieser Studie, dass sich ein beträchtlicher Teil der befragten Schüler und Schülerinnen durch die COVID-19-Pandemie und die damit einhergehenden Maßnahmen belastet fühlte bzw. von COVID-19 induzierter Angst betroffen ist. Betrachtet man die Verteilung in der Stichprobe, so zeigt sich, dass je nach Schwere der Einschätzung (deutlicher ausgeprägt bzw. nur geringfügig) immerhin 20 bis 33 % der befragten Schüler und Schülerinnen hohe CAS-Scores (also hohe Häufigkeiten der Angstsymptome, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind) angaben. Berücksichtigt man den Cut-off-Score von fünf (Lee 2020), berichten auch in unserer Stichprobe 5 % der befragten Schüler und Schülerinnen von bereits als dysfunktional anzusehenden Angstzuständen mit deutlichen somatischen Auswirkungen, die damit schwerwiegende Konsequenzen in der Entwicklung der Jugendlichen nach sich ziehen könnten, wie es bereits in anderen Populationen nachgewiesen wurde (Lee 2020; Lee et al. 2020). Dieses Ergebnis deckt sich relativ gut mit anderen Zahlen aus deutschsprachigen Ländern zum Anstieg psychischer Probleme durch die Pandemie (für Deutschland: Kaman et al. 2021a; Ravens-Sieberer et al. 2021; für Österreich: Pieh et al. 2021). Ein möglicher Geschlechtsunterschied hinsichtlich durch COVID-19 induziertem Stress bzw. induzierten Belastungen konnte anhand unserer Daten nicht bestätigt werden. Zwar zeigten sich bei den Einzelitems zu durch COVID-19 induzierter Angst beim Einschlafen durchaus ein Zusammenhang zwischen dem Antwortverhalten und dem Geschlecht (Cramers V: 0,179; p = 0,01 und 0,121; p = 0,023), wobei grundsätzlich Schülerinnen häufiger angaben, durch die COVID-19 Pandemie belastet zu sein. Auf die Skala bezogen ist dieser Unterschied jedoch nicht signifikant und die Gesamtmittelwerte unterscheiden sich zudem nur minimal (Schüler: M = 0,15; SD = 0,38; Schülerinnen: M = 0,19; SD = 0,39). Im Gegensatz zu Traunmüller et al. (2020), die signifikante Geschlechtsunterschiede bei österreichischen Erwachsenen feststellten, kann davon zumindest bei der in dieser Studie untersuchten Gruppe der 12- bis 13-Jährigen nicht ausgegangen werden.

Betrachtet man nun die Ergebnisse hinsichtlich des Einflusses von Covid-19 induzierter Angst auf die sozial-emotionale Entwicklung, so zeigen sich deutlich unterschiedliche Auswirkungen bei den untersuchten Dimensionen. In der internalisierten Dimension (z. B. emotionale Probleme, sozialer Rückzug) war in den Daten ein signifikanter Anstieg der Problem-Scores bei der Gruppe derer mit höheren Scores in der CAS zu beobachten, während die Mittelwerte bei der Gruppe derer mit niedrigeren CAS-Scores sogar einen leicht fallenden Verlauf und bereits vor Eintreten der Pandemie einen niedrigeren Ausgangswert aufwiesen. Berücksichtigt man zudem das Cohens f von 0,1, ergibt sich damit ein schwacher Einfluss der durch COVID-19 hervorgerufenen Angst bzw. Sorgen auf die Entwicklung internalisierter Verhaltensprobleme bei der Gruppe der belasteten Kinder. Dies ist von hoher praktischer Relevanz, da es gerade diese Verhaltensdimension ist, der im Bereich Schule weniger Aufmerksamkeit zuteil wird (Duinhof et al. 2015; Maguire et al. 2016). Damit sind diese Schülerinnen und Schüler praktisch in doppelter Weise von der Pandemie belastet. Zum einen erleben sie verstärkt Angst und Befürchtungen in Bezug auf die Pandemie, was sich wiederum negativ auf die Entwicklung internalisierter Probleme auswirkt. Zum anderen werden dann gerade diese internalisierten Probleme der Schülerinnen und Schüler in der Schule bzw. im Unterricht weniger wahrgenommen als externalisierte Probleme, da internalisierte Probleme weniger Störungspotential im schulischen Kontext aufweisen.

Bei externalisierten Verhaltensproblemen (ADHS, aggressives Verhalten) scheint durch COVID-19 induzierte Angst einen deutlich geringeren Effekt auf die Entwicklung zu haben. Es zeigt sich zwar auch hier ein signifikanter Interaktionsunterschied mit der Zeit, wobei die Gruppe derer mit hohen CAS-Scores geringfügig besser bei der Ausgangsmessung war, sich jedoch die Gruppen nicht signifikant unterschieden. Allerdings kam es nach dem zweiten Messzeitpunkt, der sich mit den Lockdowns und Distance-Schooling deckt, auch hier zu einem stärkeren Anstieg bei den Problemscore-Angaben im Vergleich zur Gruppe der Schüler*innen mit niedrigen CAS-Scores, die im Wesentlichen stabil blieben. Damit sind auch in dieser Dimension problematischen Sozialverhaltens Auswirkungen der Pandemie nachweisbar, wenn auch hier die Effektstärke deutlich geringer ausfällt.

Schließlich lassen sich auch bei der prosozialen Verhaltensdimension recht deutliche Unterschiede der Mittelwerte zumindest rein augenscheinlich feststellen, wobei hier empirisch abgesicherte Aussagen aufgrund fehlender Modellprämissen nicht möglich sind. Während die Entwicklung bis zum zweiten Messzeitpunkt relativ stabil scheint, kommt es mit dem zweiten Messzeitpunkt zu einer Abnahme prosozialer Verhaltensformen (in der Selbsteinschätzung) bei der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit niedrigen CAS-Scores. Eine mögliche Erklärung dafür könnte das Eintreten der Pubertät darstellen, welche für die befragten Personen eine Transitionsperiode mit einer ganzen Reihe von psychosozialen Anforderungsprozessen mit sich bringt. Bei der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit höheren CAS-Scores hingegen lässt sich kein Abnehmen von berichteten prosozialen Verhaltensweisen feststellen. Vielmehr weist die Entwicklung einen steigenden Verlauf auf: Schülerinnen und Schüler mit höheren Scores bei der CAS gaben im Mittel auch nach dem Eintreten der Pandemie augenscheinlich mehr prosoziale Verhaltensweisen an als jene mit niedrigeren CAS-Scores. Ob diese augenscheinlichen Mittelwertsunterschiede durch die Pandemie oder durch Zufall bzw. andere Faktoren zustande kamen, kann aufgrund fehlender Signifikanztests nicht beantwortet werden. Dies entspricht zwar Ergebnissen zu Untersuchungen bei Erwachsenen, welche eine Zunahme der prosozialen Verhaltensweisen in Krisenzeiten feststellen, steht aber im Widerspruch zu den Ergebnissen von Linnavalli und Kalland (2021), die eine Abnahme prosozialer Verhaltensweisen bei finnischen Vorschülerinnen und -schülern konstatierten. Eine mögliche Erklärung hierfür stellt vielleicht das unterschiedliche Alter der Befragten dar. Abschließend sei hier noch einmal angemerkt, dass aufgrund der Modellverletzungen eine inferenzstatistische Auswertung dieser Dimension leider nicht möglich war.

Für die Lehrpersonen ist es wichtig, Ergebnisse, wie die hier vorgestellten, auch in ihrem Umgang mit den Schülerinnen und Schülern zu berücksichtigen. Vor allem internalisierte Verhaltensprobleme scheinen häufig mit hohen Werten bei der CAS zusammenzuhängen. Es gilt vermehrt aufmerksam zu sein, wenn sich Schülerinnen und Schüler zurückziehen und durch COVID-19 induzierte Angst bzw. dadurch hervorgerufene Belastung als mögliche Mitverursacher anzuerkennen. Eine laufende Aufklärung der Schülerinnen und Schüler und ein offener Dialog über die Herausforderungen, vor die uns die Pandemie stellt, sind von Bedeutung, damit Kindern und Jugendlichen eine realistische Einschätzung der Lage möglich ist und die Angst nicht pathologische und dysfunktionale Ausmaße annimmt.

8 Limitationen

Eine deutliche Limitation dieser Arbeit stellt die Stichprobe dar, da diese nicht repräsentativ für die Population der 12- bis 13-Jährigen Schülerinnen und Schüler in Österreich ist und aufgrund ihrer Zusammensetzung als abfallende Stichprobe betrachtet werden muss. De facto sind Schülerinnen und Schüler aus ländlichen Mittelschulen in der Stichprobe deutlich überrepräsentiert im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern aus urbanen AHSen bzw. Gymnasien. Dies ist vor allem darin begründet, dass diese Untersuchung ein Follow-up zum Forschungsprojekt „Geteilte Jugend im österreichischen Schulsystem“ darstellt, bei dem ursprünglich geplant war, die Schülerinnen und Schüler lediglich während der 5. und 6. Schulstufe zu begleiten. Nachdem viele Schüler und Schülerinnen gerade in den AHSen in der 7. Schulstufe den Klassenverband wechseln (aufgrund sprachlicher oder mathematischer Spezialisierung), waren sie zum letzten Messzeitpunkt (Follow-up) für das Forschungsteam nicht mehr erreichbar bzw. konnten an der Untersuchung nicht weiter teilnehmen. Hinzu kommt noch, dass einige Lehrpersonen eine Fortführung der Untersuchung ablehnten, meist begründet mit Zeitmangel und Rückstand im Lehrplan, was auch wiederum mit der Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen und deren Auswirkungen in Zusammenhang gebracht werden kann. Es ist mit einiger Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dies einen Einfluss auf die Ergebnisse aufweist.

Zudem ist auch darauf hinzuweisen, dass zur Erfassung problematischer und prosozialer Verhaltensweisen sowie durch COVID-19 induzierte Angst nur die Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler herangezogen wurden. Weitere Studien könnten hier mit der Verwendung von objektiveren bzw. valideren Daten (etwa durch Beobachtungen und/oder Interviews) wesentlich genauere Analysen über die Zusammenhänge bzw. Wirkungsweisen der Pandemie und der sozial-emotionalen Belastung von Sekundarstufenschülerinnen und -schülern durchführen.

Schließlich stellen die Ergebnisse dieser Untersuchung, trotz ihres längsschnittlichen Charakters, nur eine limitierte zeitliche Perspektive während der COVID-19 Pandemie dar. Nachdem Schülerinnen und Schüler auch nach Dezember 2020 von Lockdowns bzw. Schulschließungen betroffen waren, ist daher eher sogar noch von einer Verstärkung der in dieser Studie nachgewiesenen Effekte auszugehen.