1 Einleitung

Beim Übertritt an eine Hochschule und auch während der ersten Orientierungsphase im Studium spielen Effekte der sozialen Herkunft eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Familie hat unter anderem in Bezug auf die Wahl von Schulformen und Bildungsgängen einen Einfluss (Baumgart 2009, S. 310). Die soziale Herkunft beeinflusst zudem die Art der Bildungserfahrungen, die jemand gemacht hat, was wiederum einen Einfluss auf das Lernen hat, insbesondere im Hinblick auf das für die Hochschule relevante selbstgesteuerte Lernen (Bremer 2009, S. 295). Die Orientierungsphase im Studium stellt also für Studierende, die selber nicht aus einer Familie mit akademischer Prägung stammen, wie auch für Studierende, die noch keine ausreichenden Erfahrungen im selbstgesteuerten Lernen machen konnten, einen neuralgischen Punkt dar. Es kommt deshalb in dieser Anfangszeit eher zu Studienabbrüchen. Eine zusätzliche Erhöhung der anfänglichen Anforderungen ergibt sich mit der für die Soziale Arbeit wichtigen Persönlichkeitsentwicklung als Teil des Studiums. Die Arbeit mit Klientinnen und Klienten in unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit ist aber auf entwickelte Persönlichkeiten, die die anspruchsvolle Arbeit als Fachkräfte der Sozialen Arbeit ausführen können, angewiesen. Um diese Entwicklung bei Studierenden zu fördern und sie in der herausfordernden, ersten Phase des Studiums zu unterstützen, ist es wichtig, zu verstehen, wer Soziale Arbeit studiert: Welche sozialen und schulischen Vorerfahrungen bringen die Studierenden mit, was hat sie zu einem Studium in Sozialer Arbeit bewogen und welche Persönlichkeitsmerkmale weisen sie auf? Diese Fragen der Zusammensetzung der Studierendenschaft und des in den letzten Jahren etablierten Anspruchs der Persönlichkeitsentwicklung als Teil des Studiums Sozialer Arbeit markieren den Beginn der Konzeptualisierung der Verlaufsstudie des Bachelor-Studiengangs Soziale Arbeit an der Berner Fachhochschule (BFH)Footnote 1, die im vorliegenden Artikel vorgestellt wird und aus welcher die ersten Ergebnisse präsentiert werden.

Neben der praxisbezogenen sowie der theoretisch-wissenschaftlichen Ausbildung ist – wie erwähnt – in den letzten Jahren auch die PersönlichkeitsentwicklungFootnote 2 Teil des Hochschulstudiums Soziale Arbeit geworden. Dies weil insbesondere die Persönlichkeitsentwicklung die Voraussetzungen schafft, dass die kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit den Inhalten der Sozialen Arbeit, mit den Rahmenbedingungen in sozialen Organisationen und der Arbeit mit teilweise vulnerablen Klientinnen und Klienten gefördert werden können (Albers 2019, S. 18).

Es werden aktuell unterschiedliche didaktische Ansätze zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung thematisiertFootnote 3:

  • Klassische Lerntheorien (Spada et al. 2006, S. 343 ff.)

  • Konzept des problemorientierten Lernens (Euler und Hahn 2014, S. 118 ff.)

  • Selbstreflexion/Reflexionsarbeit im Allgemeinen (Gerber und Müller 2014, S. 37; Greif 2008, S. 20; Müller 2013; Reis 2009; von Rosenstiel 2012, S. 113 ff.)

  • Coaching-Ansätze (Greif 2008, S. 87; Kühl 2014, S. 49 ff.)

  • Portfolioarbeit (vgl. die Sammelbänder Gläser-Zikuda (2010) und Gläser-Zikuda und Hascher (2007) sowie Fink (2010))

  • Selbstgesteuertes Lernen (von Rosenstiel 2012, S. 113; Gerholz 2012, S. 62 f.)

Laut Studer (2019, S. 57) besteht in der Literatur grundsätzlich Konsens darüber, dass Kompetenzentwicklung der Reflexionsarbeit bedarf. „Das Bewusstmachen von Geschehnissen und kritischen Ereignissen, das Aufzeigen alternativer Denk- und Handlungsweisen, das Wahrnehmen von Werte- und Normendifferenzen, die Übernahme neuer Rollen und/oder von Verantwortung, nonverbales und verbales Feedback“ (Studer 2019, S. 57) sowie der Erwerb von neuem Wissen sind Möglichkeiten, um die für den Kompetenzerwerb notwendigen Reflexionsprozesse auszulösen. Die kritische Reflexivität, als ein Merkmal der oben erwähnten Ansätze, stellt insgesamt ein wichtiges Merkmal für soziale Berufe dar (vgl. auch Dauber 2006; Dewe 2013) und steht aufgrund der Wichtigkeit für die Kompetenzentwicklung auch in Zusammenhang mit der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung (Albers 2019, S. 14). Das Lernen der fachlichen Inhalte eines Studiums stellt immer nur eine Seite dar, die dann auf der anderen Seite von Studierenden, die eigene Dispositionen, Voraussetzungen und Wissensbestände mitbringen, verarbeitet, interpretiert und transformiert werden (Schweppe 2004, S. 144). Im Kontext von Bildung als kritisch-reflexiver Vorgang lässt sich der Zusammenhang von Persönlichkeitsentwicklung und Biografie verorten, der für die Hochschulentwicklung relevant ist. Selbst wenn im Rahmen eines Curriculums nicht aktiv versucht werden würde, die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden zu fördern, würde das Studium respektive die Auseinandersetzung der einzelnen Studierenden mit den Studieninhalten gewisse persönlichkeitsbezogene Entwicklungen auslösen. „Lebensgeschichtliches Lernen und Bildung sind also immer an den Kontext einer konkreten Biographie gebunden. Andererseits ist es aber auch die Voraussetzung oder das Medium, in dem biographische Konstruktionen sich überhaupt als reflexive Erfahrungsgestalt herausbilden und verändern können. Ohne Biographie gibt es kein Lernen, ohne Lernen keine Biographie“ (Alheit und von Felden 2009, S. 9; vgl. dazu auch Alheit 2010; Alheit und Dausien 2018). Gerade die im Studium anvisierte kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, um bestimmte persönliche Eigenschaften und Erfahrungen zugänglich und reflexiv nutzbar zu machen, ist damit untrennbar mit eigenen biografischen Erfahrungen verbunden.

Die Wichtigkeit der Reflexivität zeigt sich allerdings nicht nur als Anforderung an Bildungsprozesse, sondern auch als Anforderung an den Umgang mit konkreten Situationen, die Studierende in der Praxis und in der Ausführung der Profession erleben werden: „Im Zentrum professionellen Handelns steht also nicht das wissenschaftliche Wissen als solches, sondern die Fähigkeit der diskursiven Auslegung und Deutung von lebensweltlichen Schwierigkeiten und Einzelfällen mit dem Ziel der Perspektiveneröffnung bzw. einer Entscheidungsbegründung unter Ungewissheitsbedingungen“ (Dewe 2013, S. 107). Um in der Praxis nicht auf allzu reduzierende Erklärungen und Handlungsweisen zurück zu greifen und um mit der komplexen Realität zurecht zu kommen, müssen die Fachkräfte entsprechend in der Lage sein, die vielen Anforderungen an sie und die Konfrontation mit Erfahrungen des Scheiterns auf Seite des Systems der Klientinnen und Klienten zu verarbeiten und zu reflektieren (Albers 2019, S. 16). Der Zusammenhang der Persönlichkeitsentwicklung und der Reflexivität mit der Profession der Sozialen Arbeit kann einerseits in der Verbindung der Arbeit mit Klientinnen und Klienten gesehen werden und andererseits in der Bearbeitung komplexer, gesellschaftlicher Phänomene, die einen differenzierten Umgang mit fachwissenschaftlichem Wissen und der eigenen Betroffenheit und den eigenen Vorurteilen erfordern. Die kritische Reflexion entsprechender Diskriminierungen sowie des eigenen sozioökonomischen Hintergrunds sind damit als Inhalte der Auseinandersetzung mit eigenen Persönlichkeitsmerkmalen und -facetten ein wichtiger Teil eines Hochschulstudiums.

Die Persönlichkeitsentwicklung steht im Hochschulkontext also in Zusammenhang mit der eigenen Biografie und dem gewählten Studium respektive der gewählten Profession. Durch das Studium allgemein und durch die methodisch-didaktisch angeregte Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit im Einzelnen werden gewisse Lernprozesse in Gang gesetzt, die dann wiederum über das Studium hinaus auf die Biografie wirken (Schweppe 2006, S. 116). Es handelt sich damit um individuelle Prozesse, wobei die Dispositionen der einzelnen Studierenden, also individuelle Persönlichkeitsmerkmale, eine gewisse Stabilität aufweisen, so dass das Studium nicht ohne Weiteres eine Veränderung in gewissen Denk- und Handlungsweisen bewirkt, wie vielleicht angenommen werden könnte. Einige empirische Studien, die sich rekonstruktiver Verfahren bedienen, weisen zumindest in die Richtung, dass ein Studium der Sozialen Arbeit auf der Ebene des Habitus keine großen Veränderungen bewirkt (Engel-Unterberger und Haselbacher 2019, S. 115; vgl. auch Ackermann und Seeck 1999; Becker-Lenz und Müller 2009). Die Frage nach der tatsächlichen Beeinflussbarkeit von Persönlichkeitsstrukturen durch (hochschul-)didaktische Settings prägt auch die Debatte um die Persönlichkeitsentwicklung als Teil eines Hochschulstudiums. Die Förderung der Persönlichkeit im Rahmen des Studiums ist anders gesagt keine einfach zu lösende AufgabeFootnote 4.

Die Befunde und Vorgehensweisen zur didaktischen Einpassung der Persönlichkeitsentwicklung im Studium der Sozialen Arbeit können bis dato als heterogen bezeichnet werden. Nach Schulze und Kondratjuk (2019, S. 227) spielen für die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung sowohl die berufliche Orientierung, biografische Vorerfahrungen als auch die Studienmotivation eine Rolle. Die Persönlichkeitsentwicklung im Studium kann demnach besser begleitet und gefördert werden, wenn klarer wird, welche soziodemografische Herkunft, welche Studienwahlmotive und welche Persönlichkeitsmerkmale Studierende der Sozialen Arbeit aufweisen.

Die eingangs erwähnte BFH-Verlaufsstudie des Bachelor-Studiengangs Soziale Arbeit, die in der Folge dargestellt wird, liefert entsprechend wertvolle Studierendendaten, die für die didaktische und inhaltliche Ausgestaltung der Persönlichkeitsentwicklung in der Hochschulausbildung genutzt werden können. So ergibt sich unter Bezugnahme der dargelegten theoretischen Rahmung folgende Frage:

Wer studiert Soziale Arbeit und welche Hinweise und Anregungen ergeben sich aus Daten zur soziodemografischen Herkunft, zu Persönlichkeitsmerkmalen und zu Studienwahlmotiven von Studierenden der Sozialen Arbeit für die Ausgestaltung der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung in der Hochschulausbildung?

2 Ziel und Design der Studie

Im Rahmen der BFH-Verlaufsstudie werden seit Herbstsemester 2016 mittels standardisiertem online Fragenbogen Daten zu den Studierenden des Bachelor-Studiengangs Soziale Arbeit erhoben. Die Studie wurde, wie der Name Verlaufsstudie bereits impliziert, als Längsschnittstudie konzipiert. Als Panel-Studie werden damit die gleichen Studierenden zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor, während und nach dem Studium befragt. Die Studie weist aber auch Eigenschaften einer Kohortenstudie auf, weil über mehrere Semester hinweg Studierende befragt werden, weshalb bei separater Betrachtung jeweils nur eines Befragungszeitpunktes, Daten für unterschiedliche Studierendenkohorten verglichen werden können.

Das grundsätzliche Erkenntnisinteresse der Verlaufsstudie liegt darin, zu erfahren, welchen Hintergrund die Studierenden haben, was sie aus dem Studium mitnehmen und wie sie sich im Erwerbsleben nach dem Studium entwickeln. Die Informationen sollen das Bild über die Personen, die sich für das Studium der Sozialen Arbeit entscheiden, verfeinern; auch, um ihre Motivation für die Studienwahl und das teilweise unterschiedliche Interesse an den verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit besser zu verstehen. Weiterhin soll die Studie Erfolgsfaktoren für Studium und Beruf während und nach Abschluss des Studiums eruieren. Informationen dieser Art dienen nicht zuletzt der stetigen Weiterentwicklung des Curriculums und sind wichtig für die optimale inhaltliche und didaktische Ausgestaltung der Gefäße der Persönlichkeitsentwicklung. Die Zufriedenheit der Studierenden, die Kompatibilität der Studieninhalte mit der Praxisrealität und allfällige Zugangserschwernisse zum Studium für bestimmte Personengruppen stellen mögliche weitere Untersuchungsschwerpunkte dar.

Um diese Ziele zu erreichen, werden mehrere Studierendenkohorten zu fünf unterschiedlichen Zeitpunkten befragt und das im Zeitraum von der Zulassung bis mehrere Jahre nach dem Abschluss des Studiums. Das Panelstudiendesign ermöglicht dabei intra- und interpersonelle Datenauswertungen. Seit Beginn der Datenerhebung im Herbst 2016 wurden mittels standardisiertem Online-Fragebogen über die Umfrageplattform Unipark neun Kohorten zum Zeitpunkt ‚t1_Zulassung‘ befragt, fünf Kohorten zum Zeitpunkt ‚t3_Studienabschluss‘ und drei Kohorten zum Zeitpunkt ‚t4_ein Jahr nach Abschluss‘. Aufgrund des zeitlichen Verlaufs der Panels wird die erste Befragung zum Zeitpunkt ‚t5_drei Jahre nach Abschluss‘ frühstens 2023 erfolgen. Ergänzend zu den vier genannten Messzeitpunkten der standardisierten Befragungen, erfolgt zum Zeitpunkt ‚t2_während des Studiums‘ eine qualitative Erhebung in Form von Interview- respektive Fokusgruppenbefragungen.

Auf die weitere Darstellung der Ausgestaltung der Gesamtstudie wird an dieser Stelle verzichtet, weil die folgenden Ergebnisdarstellungen sich ausschließlich auf Resultate aus der Befragung zum Zeitpunkt der Zulassung (t1_Zulassung) beziehen. Für diese Befragung werden nur Studierende angeschrieben, die die Zulassung bestanden haben und das Studium antreten werden. Auf mögliche Effekte des vorangehenden Selektionsprozesses (von der Bewerbung bis zur Zulassung) kann in diesem Artikel nicht eingegangen werden.

Im Vordergrund der Teilstudie ‚t1_Zulassung‘ stehen Fragen zur soziodemografischen Herkunft, zum Bildungshintergrund und zur Motivation des Studienentscheids der Studierenden. Außerdem erhalten Fragen, die in Zusammenhang mit der Persönlichkeitsentwicklung stehen, in dieser Teilstudie eine besondere Bedeutung. So werden mittels Big-Five-Item-Skala BFI10 die Persönlichkeitsmerkmale der zugelassenen Studierenden erhoben und Einschätzungen zur Relevanz und zur Motivation der Arbeit an Selbst- und Sozialkompetenzen abgefragt.

Der Fragebogen ist entsprechend der genannten thematischen Schwerpunkte gegliedert und besteht aus 30 Items. Es wurde darauf geachtet, die Länge des Fragebogens so zu beschränken, dass die Bearbeitungsdauer fünfzehn Minuten nicht überschreitet, weil längere Befragungen das erhöhte Risiko aufweisen, dass Befragte nach einiger Zeit einfach abbrechen (Taddicken und Batinic 2014, S. 168). Die Gesamtpopulation (N) in den bis dato neun Kohorten der bei Zulassung zum Studium angeschriebenen Studierenden beläuft sich auf 853 Personen. 575 davon haben den Fragebogen ausgefüllt und beendet, was einer Beendigungsquote von 67,4 % entspricht. Die Ausschöpfungsquote, die auch Studierende berücksichtigt, die den Fragebogen abgebrochen haben, liegt entsprechend höher bei 85,9 %Footnote 5. Die grundsätzlich hohe Beendigungsquote ist darauf zurück zu führen, dass das gesamte Anmeldeverfahren für den Studiengang online abgewickelt wird und die Korrespondenz mit der Hochschule somit vorwiegend per Mail erfolgt. Die Einladung zur Teilnahme an der Befragung ist verbunden mit der Gratulation zur bestandenen Zulassung und einer Willkommensmail; entsprechend hoch ist der Aufforderungscharakter. Die bei Online-Befragungen teilweise problematische Stichprobenziehung respektive die daraus resultierenden Coverage-Fehler (vgl. auch Taddicken und Batinic 2014, S. 166) können unter den oben beschriebenen Voraussetzungen weitgehend ausgeschlossen werden.

Um Vergleichs- und Anschlussmöglichkeiten der Studie und eine möglichst hohe Reliabilität und Validität der in der Befragung verwendeten Skalen (Taddicken 2008, S. 57) zu gewährleisten, wurde wenn immer möglich auf bereits erprobte Item-Skalen zurückgegriffen: So beispielsweise auf die Big-Five-Item-Skala BFI10 (Erhebung der Persönlichkeitsmerkmale) oder Items aus dem Schweizer-Haushalt-Panel (Erhebung des sozialen Engagements der Studierenden) resp. der BfS-Studierendenbefragung aus 2009 von Frölicher-Güggi (Erhebung der Studienmotive). Spezifika der einzelnen Items werden im Rahmen der Ergebnisdarstellung thematisiert.

3 Soziodemografische Daten der Studierenden

Die befragten Studierenden sind mehrheitlich weiblich (76,6 %) und der Altersdurchschnitt beträgt knapp 25 Jahre; während der Median noch etwas darunter, bei 23 Jahren, liegt. Der Abgleich der Verlaufsstudiendaten mit den Administrativdaten des Studiengangs zeigt, dass die prozentualen Anteile der Geschlechterverteilung und der Altersstruktur ziemlich genau der tatsächlichen Verteilung in der Studierendenpopulation entsprechen.

Der hohe Anteil an weiblichen Studierenden korrespondiert mit den Studierendenzahlen anderer Hochschulen für Soziale Arbeit und mit der Geschlechterverteilung der Arbeitnehmenden im Gesundheits- und Sozialwesen der Schweiz. Das Bundesamst für Statistik (BFS) weist für Ende 2019 einen Frauenanteil von 76,7 % aus (BFS 2020a). Grundsätzlich zeigt sich in den Studiengängen Soziale Arbeit eine ungleiche Verteilung der Geschlechter, die auch für andere Fächer an schweizerischen Fachhochschulen typisch ist; beispielweise der ebenfalls hohe Frauenanteil in der Pflege oder der hohe Männeranteil im Maschinenbau (SKBF 2018, S. 242). Eine solche horizontale Geschlechtersegregation ist typischer für die Fächerbeschaffenheit der Fachhochschulen als für Studiengänge der Universitäten.

In Bezug auf die Altersverteilung der Studierenden im BFH-Studiengang Soziale Arbeit wird angemerkt, dass sich diese seit den Fachhochschulgründungen in der Schweiz Mitte der 1990-er Jahre merklich verändert hat. Während das Studium Soziale Arbeit vor den Nullerjahren für viele den Charakter einer Zweitausbildung hatte, ist es mittlerweile zur Erstausbildung geworden, was sich unter anderem am mittlerweile tendenziell jungen Alter der Studierenden festmachen lässt.

Der höchste schulische BildungsabschlussFootnote 6 der meisten Studierenden ist die Berufsmaturität (54,2 %) (Abb. 1). Der Anteil der Studierenden, die als Zugangsvoraussetzung eine gymnasiale Maturität mitbringt, ist der zweithöchste (18,4 %). Damit stellt für das Studium Soziale Arbeit die Berufsmaturität, als bildungspolitisch für die Fachhochschulen spezifisch konzipierter Standardzugang, den häufigsten Zugangsweg dar.

Abb. 1
figure 1

BFH-Verlaufsstudie: Höchster Bildungsabschluss von Studierenden der Sozialen Arbeit (n = 592)

Im Vergleich mit den anderen Fachhochschulstudiengängen für Soziale Arbeit zeigt sich, dass der Anteil Studierender mit Berufsmaturität an der BFH deutlich höher ausfällt. Gesamthaft machen die Studierenden Sozialer Arbeit mit Zulassung via Berufsmaturität laut der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) nämlich nur gut 40 % aus (SKBF 2018, S. 231). Der Anteil an Studierenden mit Fachmaturität, der in unserer Verlaufsstudienbefragung 13,3 % aufweist, ist im schweizweiten Vergleich (30 %) dafür deutlich tiefer. Studierende mit gymnasialer Maturität (Verlaufsstudie 18,4 %) liegen wiederum ungefähr im Schnitt respektive ist der BFH-Anteil etwas höher, weil die Studierenden, die bereits über einen universitären Abschluss verfügen, meistens ebenfalls die vorgelagerte gymnasiale Maturität erlangt haben.

Der höchste Bildungsabschluss korrespondiert auch mit den jünger gewordenen Studierenden. In der Regel wird die gymnasiale sowie auch die Fach- und Berufsmatur mit 19 Jahren abgelegt. Trotzdem sind es immer noch 12,5 % der Studierenden, die bereits eine höhere Berufsbildung oder eine Ausbildung auf Tertiärstufe mitbringen. Für 10,5 % stellt das Studium der Sozialen Arbeit ein Zweitstudium dar. Es überrascht daher nicht, trotz des durchschnittlich jungen Alters, dass 7,4 % der Studierenden verheiratet sind, in eingetragener Partnerschaft leben oder bereits wieder geschieden sind und auch der Anteil der Studierenden mit Kinderbetreuungspflichten von 5,9 % ist im Zuge dessen verständlich. Im schweizweiten Vergleich sind es 5,2 % der Studierenden, die Kinder haben, womit der Anteil der Studierenden mit Kindern in unserer Befragung etwas höher liegt (BFS 2017, S. 32).

Wenn wir die Herkunft der Studierenden verstehen wollen, dann hilft ein Blick auf die Ausbildungssituation der Eltern. Es zeichnet sich ab, dass der Anteil der Eltern, die über einen tertiären Bildungsabschluss verfügen, mit insgesamt 37,9 % deutlich hinter den 44,4 % zurückbleibt, die das Bundesamt für Statistik (BFS 2020b) im Jahr 2019 für die 25–64-jährige ständige Wohnbevölkerung der Schweiz auswies. Noch deutlicher ist die Diskrepanz des Anteils Eltern, die über einen Universitäts- respektive FH- oder PH-Abschluss verfügt, denn der beträgt im Schweizer Durchschnitt 29,6 % im Vergleich zu nur 21,6 % bei den Eltern unserer Studierenden. Auffallend ist zudem, dass es vor allem der Anteil der Mütter ist, der deutlich hinter dem schweizweiten Vergleich zurückbleibt. Während in der Schweiz 2019 40,7 % der Frauen zwischen 25 und 65 Jahren über einen Abschluss im tertiären Bereich verfügt (und 48,1 % der Männer in dieser Altersspanne), sind es bei den Müttern unserer Studierenden nur 31 % (und 44,9 % bei den Vätern). Bei diesen Vergleichen wurde die in den letzten Jahren grundsätzlich gestiegene Akademisierungsrate allerdings nicht berücksichtigt. Es lässt sich trotzdem festhalten, dass Studierende der Sozialen Arbeit im Vergleich zu anderen Studiengängen eher aus Haushalten kommen, in denen noch niemand studiert hat respektive wo die Art der Ausbildung eher durch die berufliche Bildung (Anteil Eltern mit Berufslehre 38,9 %) als durch die akademische Bildung geprägt war (vgl. dazu BFS 2017, S. 18).

Ebenfalls sehr interessant erscheint ein Blick auf die Geburtsländer der Studierenden und ihrer Eltern (Abb. 2). So geben nur 7,7 % der Studierenden an, ein anderes Geburtsland als die Schweiz zu haben. Bei den Eltern ist dieser Anteil mit 17,8 % bereits deutlich höher. Davon kommt die größte Gruppe der Eltern aus Deutschland (4,5 %), die zweitgrößte aus Sri Lanka (1,2 %) und die drittgrößte aus Italien (1,1 %). Es fällt auf, dass niemand der Befragten angibt, selbst in Sri Lanka oder Italien geboren zu sein, hingegen geben 2,3 % an, in Deutschland geboren zu sein. Je nach Land handelt es sich damit eher um Studierende, die selbst migriert sind oder sogar zum Zweck des Studiums migriert sind (erste Generation), oder um Studierende die einen familialen Migrationskontext aufweisen (zweite Generation).

Abb. 2
figure 2

BFH-Verlaufsstudie: Studierende der Sozialen Arbeit – Geburtsland der Eltern; die Rubrik ‚Andere‘ umfasst 50 Nationen (n = 596)

Verglichen mit den restlichen Fachhochschulen der Schweiz liegt der Anteil Studierender mit Migrationshintergrund unter dem Durchschnitt. Dieser ist seit 2006 von circa 17 % (SKBF 2018, S. 244) auf 27 % gestiegen (BFS 2017, S. 25). Für die Soziale Arbeit insgesamt weist das BFS einen Anteil von 20 % an Studierenden mit Migrationshintergrund auf. Die Soziale Arbeit als Fachbereich bleibt damit hinter den anderen Fachbereichen zurück und der Anteil der befragten BFH-Studierenden sogar hinter dem schweizerischen Durchschnitt der Sozialen Arbeit.

4 Persönlichkeitsmerkmale und Motive der Studierenden

Nachdem in Kap. 3 die soziodemografischen Ergebnisse der Studierendenbefragung deskriptiv aufgearbeitet wurden, folgt in Kap. 4 die Darstellung ausgewählter Ergebnisse zu Persönlichkeitsmerkmalen und Studienwahlmotiven der Studierenden.

4.1 Persönlichkeitsmerkmale

Die Persönlichkeitsmerkmale werden mittels Big-Five-Item-Skala BFI10 erhoben. Das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit „ist zurzeit das am weitesten verbreitete Modell zur Beschreibung der Gesamtpersönlichkeit“ (Rammstedt et al. 2014, S. 3). Das Modell enthält folgende fünf Faktoren, die die grundsätzliche Struktur einer Persönlichkeit ausmachen: Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit.

Die Erhebung der zur Skala gehörenden Items erfolgt mit einer Skala von 0 ‚überhaupt nicht einverstanden‘ bis 10 ‚vollkommen einverstanden‘ (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

BFH-Verlaufsstudie: Persönlichkeitsmerkmale von Studierenden der Sozialen Arbeit (n = 574)

Bei Studierenden der Sozialen Arbeit an der BFH sind die Merkmale Extraversion und Gewissenhaftigkeit am deutlichsten ausgeprägt, was nicht gänzlich erstaunt, da für Fachkräfte der Sozialen Arbeit der Austausch und das Handeln in sozialen Gruppen sowie ein selbstkontrolliertes Arbeiten wichtig sind. Die Persönlichkeitsmerkmale der befragten Studierenden korrelieren nicht bezüglich Alter, Bildungsabschluss, Bildung- und Herkunft der Eltern. Der Schluss, dass Studierende der Sozialen Arbeit trotz unterschiedlicher soziodemografischer Voraussetzungen eine gewisse Ähnlichkeit in ihrer Persönlichkeitsstruktur aufweisen, scheint naheliegend. Generelle Aussagen über Persönlichkeitsmerkmale in Zusammenhang mit bestimmen Studienfächern sind allerdings schwierig; auch weil das Studium in Sozialer Arbeit je nach Kontext unter anderen Studiengängen subsumiert wird und damit als Vergleichsgröße fehlt (vgl. auch Vedel 2016).

Erkennbare Unterschiede zeigen sich hingegen zwischen Frauen und Männern. Die emotionale Labilität ist bei Frauen leicht stärker ausgeprägt, weshalb das Merkmal Neurotizismus mit 3,56 gegenüber 3,05 den Männern eine höhere Zustimmung aufweist. Auch hinsichtlich des Merkmals Gewissenhaftigkeit gibt es Geschlechterunterschiede. Dieses ist bei Frauen ebenfalls stärker ausgeprägt mit 7,58 zu 6,88. Gewisse geschlechtstypische Unterschiede in Bezug auf die Ausprägungen der Big-Five-Merkmale sind auch aus anderen Studien bekannt (Rammstedt et al. 2014).

Das ebenfalls relativ stark ausgeprägte Merkmal Verträglichkeit, solche Menschen zeichnen sich durch Altruismus und Hilfsbereitschaft aus, korreliert mit einer positiven mittleren Effektstärke mit der Gewissenhaftigkeit (r = 0,317, p = 0,000, n = 574). Die beiden Merkmale weisen deshalb auch ähnlich hohe Zustimmungswerte auf.

Neurotizismus weist die geringste Ausprägung aus. Studierende der Sozialen Arbeit scheinen folglich eine gewisse emotionale Stabilität und Sicherheit aufzuweisen. Dieses Merkmal korreliert zudem negativ mit der Extraversion (r = −0,172, p = 0,000, n = 574), Verträglichkeit (r = −0,202, p = 0,000, n = 574) und Gewissenhaftigkeit (r = −0,196, p = 0,000, n = 574). Auch in der deutschen, bevölkerungsrepräsentativen Umfrage von Rammstedt et al. (2014, S. 17) ist das Merkmal Neurotizismus bei jungen Erwachsenen mit höherem Bildungsabschluss am wenigsten ausgeprägt.

4.2 Motive für die Studienwahl

Die Frage nach der Motivation für ein Studium in Sozialer Arbeit liefert mögliche Rückschlüsse über biografische Erfahrungen, die die Studierenden prägten. Die Kenntnis der Motive für eine Studienwahl kann u. a. Aufschluss darüber geben, welche Erwartungen die Studierenden hinsichtlich des späteren Berufsalltags haben und als diese wichtige Reflexionsinhalte anlässlich der berufsbezogenen Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit darstellen. In Abb. 4 werden die Zustimmungswerte zu den verschiedenen Motiven rangiert dargestellt (von 5 ‚trifft völlig zu‘ bis 1 ‚trifft überhaupt nicht zu‘).

Abb. 4
figure 4

BFH-Verlaufsstudie: Studienwahlmotive von Studierenden der Sozialen Arbeit (n = 588; 1n = 426)

Die Item-Skala der Studienmotive wurde in leicht abgeänderter Form aus einer BFS-Befragung zur Studienfachwahl entlehnt.

Am höchsten sind die Zustimmungswerte (4,62) bei der Frage nach der beruflichen Vielfalt. Hier scheint ein direkter Zusammenhang mit den vielfältigen Berufsmöglichkeiten, die ein generalistisches Studium der Sozialen Arbeit (wie der Bachelor-Studiengang an der BFH) bietet, naheliegend. In einer schweizweiten Befragung von 2005 wies diese Frage für die Studiengänge Soziale Arbeit noch einen deutlich tieferen Wert auf (4,0). Es erhielten aber auch keine anderen Studiengänge in dieser Befragung so hohe Zustimmungswerte (Frölicher-Güggi 2009, S. 20). Die zwei Motive, die spezifisch für die Soziale Arbeit formuliert und in der Item-Skala ergänzt wurden, werden ebenfalls als wichtig empfunden (Unterstützung Anderer in schwierigen Situationen, Platz 2, Zustimmungswert 4,37; Persönliche Entwicklung und Selbstverwirklichung, Platz 4, Zustimmungsmittelwert 4,32). Bemerkenswert ist, dass das Motiv auf Platz 4 sowie das Motiv auf Platz 3 (Studienfach entspricht meinen Begabungen und Fähigkeiten) beide einen interessanten Bezug zur Persönlichkeitsentwicklung aufweisen, weil hohe Zustimmungswerte dieser beiden Items nahelegen, dass die Bereitschaft, sich mit der eigenen Person auseinanderzusetzen, bei Studierenden der Sozialen Arbeit tendenziell hoch ist.

Etwas weniger gewichtig wird in der Verlaufsstudie das Studienwahlmotiv Verbesserung der Gesellschaft (Platz 7) eingeschätzt. Im schweizweiten Vergleich rangiert dieses Motiv auf den vorderen Plätzen und es hätte vermutet werden können, dass das bei den BFH-Studierenden der Sozialen Arbeit ebenfalls zutrifft.

Grundsätzlich sind für ein Studium der Sozialen Arbeit aber altruistische sowie intrinsische Motive relevanter als extrinsische. Das wird auch in der Verlaufsstudie deutlich. Weniger Einfluss auf die Studienmotive haben soziometrische Merkmale. Die Vorbildung der Eltern hat kaum Einfluss auf die Motive, die einzige Korrelation besteht zwischen einem höheren Bildungsabschluss der Eltern und der Motivation weil es in meiner Familie üblich ist, zu studieren (Mutter: r = 0,142, p = 0,001, n = 575; Vater: r = 0,158, p = 0,000, n = 557). Dieser Zusammenhang liegt in der Natur der Sache, dass Studierende, die aus einer eher bildungsfernen Familie kommen, diese Erfahrung gar nicht machen können.

Das Alter der Studierenden korreliert hingegen mit einigen Motiven. So studieren Ältere öfters um die Einkommens-, (r = 0,168, p = 0,000, n = 585) und Arbeitsmarktchancen (r = 0,166, p = 0,006, n = 585) zu verbessern und ihnen ist es wichtig, die Studienkosten niedrig zu halten (r = 0,114, p = 0,000, n = 585) und nebenbei noch einer Beschäftigung nachgehen zu können (r = 0,098, p = 0,017, n = 585). Eine negative Korrelation ergibt sich mit zunehmendem Alter bezüglich der Motive um zur Verbesserung der Gesellschaft beitragen zu können (r = −0,087, p = 0,036, n = 585), weil ich Menschen in schwierigen Situationen helfen möchte (r = −0,190, p = 0,000, n = 425) und weil ich mich selbst verwirklichen möchte (r = −0,115, p = 0,018, n = 425). Sehr beständig sind die Motive bezogen auf Geschlecht und Befragungskohorten, das heißt Motive haben sich im Lauf des Untersuchungszeitraums kaum geändert.

Es bestehen zudem erwartbare Verbindungen zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen und den Studienwahlmotiven: So stimmen Studierende, die eine hohe Ausprägung des Merkmals Offenheit aufweisen, dem Motiv um meinen Horizont zu erweitern in höherem Masse zu als andere (r = 0,136, p = 0,000, n = 574) und Studierende, die eher extravertiert sind, schätzen ihre Fähigkeiten und Begabungen in einem Studium der Sozialen Arbeit höher ein (r = 0,138, p = 0,001, n = 574).

Der Bachelorstudiengang in Sozialer Arbeit an der BFH weist als Spezifikum Coaching basierte Module zur Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenzen auf (vgl. auch Studer 2019), deswegen enthält die Befragung zwei spezifische Items zum Thema der Selbst- und Sozialkompetenzen, welche zusätzlich zu den Studienwahlmotiven erhoben wurden. Erfragt wurde einerseits die Relevanz der Förderung und Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenz im Rahmen des Studiums und anderseits die Motivation sich damit auseinanderzusetzen.

Die Relevanz der Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenzen wird unabhängig von Alter, Persönlichkeitsmerkmalen und Motiven für den Studienentscheid von den Befragten als sehr hoch eingeschätzt (m = 8,42). Gleichzeitig ist auch die Motivation sich mit den eigenen Kompetenzen auseinanderzusetzen hoch (m = 8,21). Mit einer mittleren Effektstärke kann zudem davon ausgegangen werden, dass je relevanter die Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenzen eingeschätzt wird, desto motivierter ist jemand daran zu arbeiten und umgekehrt (r = 0,488, p = 0,000, n = 575). Diese Einschätzung unterscheidet sich nicht nennenswert zwischen den verschiedenen Befragungskohorten.

Auch wenn Relevanz und Motivation nicht von den Motiven für den Studienentscheid abhängen, überrascht es nicht, dass das Studienmotiv weil ich mich entwickeln und selbst verwirklichen möchte mit der Einschätzung von Relevanz und Motivation in Zusammenhang steht (r = 0,173, p = 0,000, n = 419; resp. r = 0,160, p = 0,001, n = 285).

Es kann also davon ausgegangen werden, dass Studierende der Sozialen Arbeit eine sehr hohe Bereitschaft mitbringen, im Rahmen des Studiums an der Entwicklung ihrer Selbst- und Sozialkompetenzen, verstanden als didaktisch förderbare Operationalisierungen der Persönlichkeit, zu arbeiten.

5 Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zu den Fragen, wer Soziale Arbeit studiert, mit welchem soziodemografischen Hintergrund sie an die Hochschule kommen, welche grundsätzlichen Persönlichkeitsmerkmale sie ausmachen und was sie motiviert hat, den Studiengang zu wählen, wurden in den Kap. 3 und 4 präsentiert. Bleibt zu beantworten, welche Anregungen und Hinweise sich aus den dargestellten Daten für die Ausgestaltung der Persönlichkeitsentwicklung im Rahmen eines Hochschulstudiums ergeben.

Der Studiengang Soziale Arbeit ist stark horizontal geschlechtersegregiert. Dass der hohe Anteil an Frauen, der für die Geschichte der Sozialen Arbeit bestimmend war, sich auch in der heutigen Studierendenpopulation nach wie vor zeigt, kann im Rahmen der reflexiven Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit als inhaltlicher Gegenstand aufgegriffen werden. Gerade in der grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Kategorie Geschlecht, die im Rahmen des Studiums allgemein und mit Hinblick auf die Profession Soziale Arbeit im Spezifischen sehr aktuell ist, regt der Umstand, dass insbesondere junge Frauen Soziale Arbeit studieren zur Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit an. In diesem Zusammenhang können im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung in der Hochschulausbildung von Studierenden unterschiedliche Themen bearbeitet werden: Angesichts dessen, dass in der Praxis auch mit Adressatinnen und Adressaten gearbeitet wird, die (wesentlich) älter sind und eine andere Geschlechteridentität aufweisen, geht es für einige Studierende um das eigene Auftreten und die eigene Wirkung als Frau nach außen, und für andere wiederum um die Auseinandersetzung mit der (eigenen) Männlichkeit in einer weiblich dominierten Profession.

In Bezug auf die Altersstruktur der Studierenden gibt es zwei Beobachtungen, die die didaktische und inhaltliche Ausgestaltung der Persönlichkeitsentwicklung als Zugänglichmachen persönlicher Erfahrungen und deren Nutzbarmachung für die Arbeit als Fachkraft der Sozialen Arbeit beeinflussen. Einerseits sind die Studierenden im Schnitt jünger als vor zwanzig Jahren und andererseits gibt es eine Gruppe von Studierenden, die bereits mit der Dreifachbelastung Studium-Familie-Beruf umgehen muss. Das heißt ein Teil der Studierenden verfügt tendenziell über weniger biografische Erfahrungen als eine andere Gruppe, zumindest gemessen an der Lebensdauer. Die Studierenden stehen an unterschiedlichen Orten im Leben und sind aufgrund dessen mit unterschiedlichen Herausforderungen und Belastungen konfrontiert. Dies spricht für die Wichtigkeit, den Studierenden Gefäße zur Verfügung zu stellen, in deren Rahmen sie sich mit den eigenen Stärken und Entwicklungspotenzialen sowie mit eigenen persönlichkeitsbezogenen Themen individuell und auf unterschiedliche Weise auseinandersetzen können und dabei bestmöglich individuell begleitet werden.

Die schulische Vorbildung der Studierenden und der Bildungshintergrund der Eltern deuten auf eine starke Berufsorientierung hin (im Gegensatz zu einer stark akademischen Orientierung). Dies legt zum einen nahe, die Studierenden in der Orientierungsphase an die Institutionslogik einer Hochschule und die mit einem Hochschulstudium verbundenen (Leistungs‑)Erwartungen heranzuführen, wenn vorschnelle Studienabbrüche vermieden werden sollen. Zum anderen bietet es sich an, den Studierenden in der Anfangsphase ihres Studiums Gefäße zur Verfügung zu stellen, in denen sie sich mit ihrem eigenen Lern- und Arbeitsstil, dem eigenen Zeit- und Stressmanagement sowie den eigenen Erfolgs- und Misserfolgsattributionen auseinandersetzen können.

Die absolut größte Mehrheit der Studierenden stammt, wie die Daten zeigen, aus der Schweiz. Die Diversität als Thema der Sozialen Arbeit bildet sich damit nicht in der Studierendenschaft ab. Die meisten Studierende haben keine Migrationserfahrungen gemacht, werden aber in einer Vielzahl von Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit jedoch mit Klientinnen und Klienten konfrontiert sein, die diesbezüglich über einen anderen Erfahrungshorizont verfügen. Daraus ergibt sich die inhaltliche Anregung, im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung Themen wie Werte, kulturelle Prägung und deren Einfluss auf die eigenen Handlungsweisen sowie den eigenen Umgang mit kulturellen Differenzen aufzugreifen.

Ausgehend von den identifizierten Persönlichkeitsmerkmalen der Studierenden können nicht zuletzt Fähigkeiten und Stärken von Studierenden detektiert werden und als Einstiegs- oder Anschlusspunkt für die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit im Rahmen des Studiums genutzt werden, indem beispielsweise der Mehrwert, vielleicht aber auch allfällige Gefahren bestimmter Merkmalsausprägungen für die Berufspraxis bzw. das professionelle Handeln sichtbar gemacht werden. Die Identifizierung und Thematisierung von Persönlichkeitsmerkmalen in individuellen Begleitmodulen, wie beispielsweise Coachings, eröffnen Chancen für einen individualisierten und damit passenden Entwicklungsverlauf (Nachtwei und Markus 2019, S. 22–25).

Neben den Persönlichkeitsmerkmalen geben aber auch die identifizierten Studienmotive Anhaltspunkte für die Ausgestaltung der Persönlichkeitsentwicklung im Studium. Die Motivation sich zu entwickeln, ist – wie gesehen – Bestandteil der Studienwahlmotivation. Hier kann bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit angesetzt werden. Dass die Studierenden, die die Relevanz der Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen sehen, sich motivierter zeigen, an diesen Kompetenzen zu arbeiten, verweist zudem auf die Wichtigkeit, diese Relevanz im Zuge der Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit immer wieder aufzuzeigen, um die Motivation zur Auseinandersetzung mit sich selbst zu fördern bzw. beizubehalten.

Darüber hinaus zeigen die Daten, dass viele das Studium aus altruistischen Gründen wählen und andererseits auch sehr gewissenhaft arbeiten wollen. Die Gefahr, sich selbst im Berufsalltag zu verausgaben, vielleicht sogar ‚zu vergessen‘, liegt nahe. Entsprechend gilt es die Studierenden Strategien im Rahmen des Studiums erarbeiten zu lassen, die sie vor einem Burnout schützen. Hierzu gehört auch die kritisch-reflexive Auseinandersetzung des eigenen Umgangs mit Stress, Emotionen und Abgrenzungsthematiken.

Schließlich bietet es sich an, die eigenen Studienmotive und damit verbundenen Erwartungen und Vorstellungen an die Berufspraxis zum Gegenstand der reflexiven Auseinandersetzung im Studium zu machen. Damit kann allfällig falschen Vorstellungen an die Profession Soziale Arbeit entgegengewirkt werden.