Das vorliegende Heft der ZBF widmet sich zur Gänze dem Schwerpunkt „Pädagogisch-psychologisches Professionswissen von Lehramtsstudierenden und (angehenden) Lehrkräften“, der inhaltlich von Horst Biedermann, Christian Brühwiler, Ulrike Greiner und Michaela Katstaller als Gastherausgeber/innen betreut wurde. Der Schwerpunkt versammelt ein breites Spektrum an Beiträgen, das von der Festlegung und Vermittlung relevanten pädagogisch-psychologischen Professionswissens im Rahmen der Ausbildung über Untersuchungen zu dessen Auswirkungen auf das Lehrerhandeln bis zu Strategien seiner Dissemination an die Lehrpersonen in der Praxis reicht. Genaueren Aufschluss über die inhaltlichen Intentionen des Heftes gibt die nachfolgende „Einführung in das Schwerpunktthema“.

Damit leistet das Themenheft, so hoffen wir, einen wichtigen Beitrag zum laufenden wissenschaftlichen Diskurs über die Rolle des Wissens in der Ausbildung von Lehrpersonen, und soll nicht zuletzt auch weitere einschlägige Forschung anregen.

Als Herausgeber/innen der ZBF danken wir den Autorinnen und Autoren, dass sie sich auf den Schwerpunkt eingelassen haben, insbesondere aber den Gastherausgeber/innen für die Arbeit und Ideen, die sie in das Konzept des Schwerpunktes und die Betreuung der Beiträge eingebracht haben.

Neben dem Schwerpunktthema bringt das Heft eine Rezension von Rudolf Stadler über Tomáš Janíks Buch „Aktuelle Entwicklungen im Bildungsbereich in der Tschechischen Republik“ sowie laufende Nachrichten aus der ÖFEB, diesmal insbesondere zum ÖFEB-Kongress 2017, der mit großer Resonanz Ende September in Feldkirch stattgefunden hat.

Ferdinand Eder

Einführung in das Schwerpunktthema: Pädagogisch-psychologisches Professionswissen von (angehenden) Lehrpersonen

Pädagogisch-psychologisches Professionswissen wird als bedeutsame Facette professioneller Kompetenz bei Lehrkräften angesehen (Baumert und Kunter 2011; Hohenstein et al. 2015; Sonmark et al. 2017), auch wenn bislang wenig Einigkeit in der Konzeptualisierung besteht und insbesondere die Gemeinsamkeit bzw. Unterschiedlichkeit zum „Konglomerat“ bildungswissenschaftliches Wissen nicht hinreichend klar definiert ist (Köller et al. 2016). Mit Shulman (1987) hat sich die Differenzierung des Professionswissens als mehrdimensionales Konstrukt in Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisch-psychologisches Professionswissen weitgehend etabliert. In der aktuellen Literatur wird es als domänenunspezifisches, generisches Wissen verstanden, das zumindest für die fachunabhängigen Anteile des unterrichtlichen Handelns bedeutsam ist (z. B. Voss et al. 2015). Basierend auf einem transformativen Verständnis wird davon ausgegangen, dass in der Lehrerausbildung fachliches und insbesondere fachdidaktisches Wissen in enger Verbindung mit pädagogisch-psychologischem Wissen vermittelt werden soll, damit professionelles Können entstehen kann, da letztgenannter Wissensbereich die lehr-, lern- und entwicklungsbezogenen Voraussetzungen bereitstellt (Blömeke et al. 2013). Pädagogisch-psychologisches Wissen soll gemeinsam mit anderen Kompetenzaspekten die (angehenden) Lehrpersonen dazu befähigen, die Komplexität und vielfältigen Anforderungen des Lehrberufs erfolgreich zu bewältigen (Blömeke et al. 2008).

Während für das fachdidaktische Wissen gut abgestützte Befunde vorliegen, dass dieses die Unterrichtsqualität maßgeblich mitbestimmt (Blömeke und Delaney 2012; Depaepe et al. 2013), ist die Forschungslage für das fachunspezifische pädagogisch-psychologische Wissen noch dünn und uneinheitlich (Voss et al. 2015). Dies liegt daran, dass das pädagogisch-psychologische Wissen von Lehrpersonen erst in den letzten Jahren Gegenstand intensiverer Forschungsbemühungen wurde (z. B. BilWiss, Kunina-Habenicht et al. 2012; COACTIV, Voss et al. 2011; KiL-Projekt, Kleickmann et al. 2014; LEK, König und Seifert 2012; Adaptive Lehrkompetenz, Brühwiler und Blatchford 2011) und demzufolge bislang wenige Operationalisierungen in Form standardisierter Leistungstests vorliegen. Aufgrund dieser jungen Forschungstradition lag zudem der bisherige Fokus mehrheitlich auf der Entwicklung von Testinstrumenten sowie der Genese pädagogisch-psychologischen Wissens während der Lehrerausbildung. Daher finden sich erst wenige Untersuchungen, welche Zusammenhänge mit Merkmalen des Unterrichts in den Blick nehmen. Diese ersten Studien weisen darauf hin, dass positive Effekte von pädagogisch-psychologischem Wissen auf die Unterrichtsqualität und teilweise auch auf den Lernerfolg bei den Schülerinnen und Schülern bestehen (z. B. Brühwiler 2014; Voss et al. 2014).

Als Wirkmechanismus wird angenommen, dass sich fundiertes Grundlagenwissen zu Lehr-Lern-Prozessen in professioneller Unterrichtswahrnehmung manifestiert, die sich neben dem Erkennen und Beschreiben von relevanten Aspekten des Unterrichtsgeschehens durch ein tieferes Reflexionsverständnis des Erklärens und Vorhersagens auszeichnet (Seidel und Prenzel 2008; Seidel und Stürmer 2014). Ausgehend von der Wahrnehmung und Interpretation beruflicher Situationen werden Entscheidungen für konkretes unterrichtliches Handeln gefällt (Blömeke et al. 2015).

Das Themenheft zielt auf das dargelegte Forschungsdesiderat in Bezug auf das pädagogisch-psychologische Wissen von (angehenden) Lehrpersonen ab. In insgesamt sieben Beiträgen wird das pädagogisch-psychologische Professionswissen als zentraler Forschungsgegenstand der Lehrerbildungsforschung national und international beleuchtet sowie dessen Vielfalt der Konzeptualisierung, Modellierung, Operationalisierung sowie dessen Genese und Effekte auf unterrichtliches Lernen aufgezeigt und kritisch diskutiert.

Christian Kraler, Ann-Kathrin Dittrich und Fiona MacKay-Falls verdeutlichen im ersten Beitrag, dass pädagogisch-psychologische Professionalisierungsprozesse ein Kernelement der Lehrerausbildung sind. Im Zuge der österreichischen Lehrerbildungsreform in den letzten Jahren wurde im Verbund Lehrerbildung West ein professionsspezifisches Konzept pädagogisch-psychologischen Professionswissens entwickelt. Bei der Curriculumserstellung wurde die Wissensklassifikation in Verfügungswissen (Wissen über Ursachen, Wirkungen und Mittel) und Orientierungswissen (Wissen um Ziele und Maximen) vorgenommen, um die professionsspezifische Reflexion sowohl in Lehrveranstaltungen als auch in schulpraktischen Phasen optimal zu fördern. Der gesamte Prozess des strukturellen Implementierungsprozesses für pädagogisch-psychologische Studienanteile wird anhand prototypischer Beispiele veranschaulicht und daraus resultierende Erkenntnisse werden kritisch diskutiert.

Christian Brühwiler, Lena Hollenstein, Benita Affolter, Horst Biedermann und Fritz Oser stellen in ihrem Beitrag ein neues Messinstrument zur Erfassung pädagogisch-psychologischen Handlungswissens (PPHW) im Vergleich mit zwei bestehenden Messinstrumenten, dem Pädagogischen Unterrichtswissen (PUW) und dem Videovignettentest Observer, vor und analysieren die prädiktive Validität auf die aus Schülersicht wahrgenommene Unterrichtsqualität. Die insgesamt neun Skalen der Unterrichtsqualität beruhen auf bestehenden Instrumenten und lassen sich den drei übergeordneten Bereichen Klassenführung (Regelklarheit, Klassenmanagement), Unterrichtsgestaltung (Vermittlungskompetenz, Transparenz) und Lernen (individuelle Bezugsnorm, Individualisierung, Schülerorientierung, Diagnosekompetenz, kognitive Aktivierung) zuordnen. Die Befunde zeigen, dass sich das mit dem vignettenbasierten Testverfahren PPHW erfasste Wissen der Lehrpersonen außer für Regelklarheit als signifikanter Prädiktor der schülerperzipierten Unterrichtsqualität erweist, für PUW und Oberserver lassen sich keine signifikanten Effekte feststellen. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund unterschiedlicher Operationalisierungen des pädagogisch-psychologischen Wissens, eines potentiell anderen Verständnisses von Unterrichtsqualität in Deutschland und der Schweiz sowie möglichen schulstufenabhängigen Unterschieden diskutiert.

Gerlinde Lenske, Detlev Leutner und Joachim Wirth gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, ob pädagogisch-psychologisches Professionswissen von Lehrkräften einen Einfluss auf das situationale Interesse im Fach Physik ausübt und ob die Klassenführung und der Umgang mit Heterogenität als Prozessqualitätsmerkmale eine mediierende Funktion einnehmen. Die Ergebnisse liefern einen ersten empirischen Hinweis für den theoretisch postulierten Mediationseffekt der Klassenführung, nicht aber des Umgangs mit Heterogenität. Die Autor/inn/en diskutieren diesen Befund hinsichtlich eines vorliegenden Bodeneffekts kritisch. Dieser verdeutlicht, dass nur ein geringes Ausmaß an Differenzierungsmaßnahmen in den Videoanalysen beobachtet werden konnte. Weitere deskriptive Analysen einer Ergänzungsstudie legen nahe, dass es sich um keine selektive Stichprobe hinsichtlich der Ausprägung des Unterrichtsmerkmals Umgang mit Heterogenität handelt. Dieser Beitrag liefert Hinweise dafür, dass in der Lehrerbildung Interventionen zur Sensibilisierung von (angehenden) Lehrpersonen auf den Umgang mit Heterogenität notwendig sind.

Im Beitrag von Verena Gindele und Thamar Voss wird längsschnittlich untersucht, inwiefern im Vorbereitungsdienst das pädagogisch-psychologische Professionswissen im Fach Mathematik beruflichen Erfolg zwei Jahre später – wenn die Lehrkräfte ihren Schuldienst bereits ausüben – vorhersagt. Die Indikatoren beruflichen Erfolgs (Erklärungsfertigkeiten der Lehrkräfte, emotionale Erschöpfung, Noten im zweiten Staatexamen und berufliches Commitment) wurden teils aus Lehrkraft- und teils aus Schülersicht eingeschätzt. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass pädagogisch-psychologisches Professionswissen ein relevanter Prädiktor für eine erfolgreiche Berufspraxis der Lehrkräfte ist: Schülerinnen und Schüler nehmen Lehrpersonen mit höherem pädagogisch-psychologischen Wissen kompetenter in ihren Erklärungsfertigkeiten und weniger emotional erschöpft wahr. Darüber hinaus zeigt sich, dass das pädagogisch-psychologische Professionswissen einen substantiellen Erklärungsanteil zur Vorhersage der Note im zweiten Staatsexamen leistet. Erwartungswidrig lässt sich kein Zusammenhang zwischen dem pädagogisch-psychologischen Wissen im Vorbereitungsdienst und der Entwicklung des beruflichen Commitments während der ersten zwei Berufsjahre feststellen. Abschließend wird diskutiert, welche Handlungsimplikationen sich bei Replikation dieser Ergebnisse auf die Bedeutsamkeit und den Ausbau bildungswissenschaftlicher Anteile in der Lehrerbildung ableiten lassen.

Christoph Helm und Doreen Holtsch werfen in ihrem theoretisch ausgerichteten Beitrag erstmalig den Blick auf pädagogisch-psychologisches Professionswissen aus der Perspektive der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Eingangs werden die Ergebnisse eines systematischen Literaturreviews dargestellt und hinsichtlich berufsbildungsspezifischer Kriterien analysiert. In einem zweiten Schritt werden erste theoretische Überlegungen zur Erfassung pädagogisch-psychologischen Professionswissens in der wirtschaftspädagogischen Berufsbildung anhand eines heuristischen Rahmenmodells erläutert. Konkret wird der Versuch unternommen, Wissenstypologien (Ausbildungswissen, implizites Wissen und Lehrerhandeln) und Berufsbildungscharakteristika (z. B. Leitprinzipien), die für berufs- und wirtschaftspädagogisch orientierte Lehr-Lernprozesse kennzeichnend sind, in einem gemeinsamen Modell zu integrieren. Im Ausblick werden erste Empfehlungen für eine mögliche Operationalisierung des pädagogisch-psychologischen Professionswissens in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik konkretisiert.

Sarantis Tachtsoglou und Johannes König untersuchen in ihrem Beitrag die Wirkung universitärer Lerngelegenheiten auf das pädagogische Wissen von angehenden Lehrkräften. Konkret wird zwischen Ausbildungsinhalten (Umgang mit Heterogenität, Strukturierung, Klassenführung/Motivierung, Leistungsbeurteilung) und schulpraktischen Tätigkeiten (Komplexität forschungsmethodischer Zugänge, Planung von Unterricht, Durchführung von Unterricht, Bezugnahme von Theorien auf konkrete Situationen, analytisch-reflexiver Umgang mit konkreten Unterrichtssituationen) bei der Erfassung von universitären Lerngelegenheiten unterschieden. Die Ergebnisse veranschaulichen, dass pädagogische Inhalte einen stärkeren Einfluss auf das pädagogisch-psychologische Professionswissen ausüben als schulpraktische Tätigkeiten und dass Masterstudierende über ein höheres Leistungsniveau pädagogisch-psychologischen Wissens verfügen als Bachelorstudierende. Zentral ist der Befund, dass der stärkere Effekt des Ausbildungsabschnitts (Bachelor- oder Masterstudium) auf pädagogisch-psychologisches Professionswissen indirekt über inhaltliche und schulpraktische Lerngelegenheiten vermittelt wird. Im Ausblick wird die Notwendigkeit von Panelanalysen diskutiert, um interindividuelle Unterschiede in intraindividuellen Veränderungen untersuchen zu können.

Tina Seidel, Sog Yee Mok, Andreas Hetmanek und Maximilian Knogler beschäftigen sich im letzten Beitrag mit der Realisierung eines deutschsprachigen Clearing House Unterricht (CHU). Zu Beginn wird die Relevanz einer Evidenzbasierung in der Lehrerbildung aufgezeigt, deren zentrales Ziel es ist, wissenschaftlich generierte Wissensbestände – sowohl zu pädagogisch-psychologischem Professionswissen als auch zu anderen Themenfeldern – in der Lehreraus- und -weiterbildung zu vermitteln. Meta-Analysen bilden hierfür eine wichtige Basis, um systematisch zu erkunden, welche pädagogisch-psychologischen Themen für die Lehrerbildung zentral sind. Unter dem Leitbild „Forschung fördert Bildung“ zielt die Erstkonzeption des CHU darauf ab, hinreichend belegtes Wissen so aufzubereiten, dass Lehrerbildner/innen für ihre eigene Weiterentwicklung davon Gebrauch machen können. Es wird aufgezeigt, wie auf der Basis von Zusammenfassungen und Bewertungen relevanter Meta-Analysen, sogenannten Kurzreviews, Forschungsergebnisse zur Lehrerbildung in die Lehrerbildungspraxis disseminiert werden können. Um eine möglichst breite Informationsplattform im deutschsprachigen Raum aufzubauen, wird im Ausblick dargelegt, wie ein nachhaltiges Netzwerk an kooperierenden Partneruniversitäten und -institutionen etabliert werden könnte.

Horst Biedermann, Christian Brühwiler, Ulrike Greiner und Michaela Katstaller