Zusammenfassung
Das Verhältnis zwischen Elternhaus und Schule und die daraus resultierende Kooperation lässt sich unter zwei Perspektiven betrachten: eine soziologisch-historische Perspektive fokussiert den programmatischen Diskurs und zeichnet den Wandel in der Adressierung von Eltern nach, eine mehr erziehungswissenschaftliche Perspektive fokussiert die konkrete Situation an Schulen sowie die dortige Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften und analysiert diese im Rahmen empirischer Studien. Mit dem vorliegenden Beitrag wird das Ziel verfolgt, die beiden genannten Perspektiven zur Verhältnisbestimmung zwischen Elternhaus und Schule einerseits nachzuzeichnen sowie die dabei genutzten Programmatiken und die sich darin abzeichnenden Spannungsfelder zu rekonstruieren. Andererseits soll auf Basis einer repräsentativen Elternbefragung in Deutschland (N = 3000) herausgearbeitet werden, wie sich das Verhältnis von Elternhaus und Schule aktuell darstellt. Dabei werden die Wahrnehmungen von Eltern als Partner, Zulieferer und Kunde genauer bestimmt, operationalisiert und im Kontext verschiedener Bedingungen analysiert. Im Ergebnis lassen sich drei Elterntypen identifizieren, die sich im Wesentlichen dadurch unterscheiden, ob sie Zuliefererfunktionen für das schulische Lernen ihrer Kinder übernehmen oder nicht. Die Zugehörigkeit zu den Elterntypen lässt sich primär auf die Schulform des Kindes und dessen von den Eltern wahrgenommene Unter- bzw. Überforderung zurückführen.
Abstract
The relationship between parents and schools and the ways to install cooperation can be discussed under two perspectives: the sociological-historical perspective focuses on the programmatic discourse and analyses the changes in addressing parents, the more educational discourse focuses on the situation in schools and the actual cooperation between parents and teachers, and carries out empirical studies based on that focus. This paper is aimed at tracing the two perspectives of the relationship between parents and school. On the one hand, the current programmatic discourses as well as the inherent conflict areas are reconstructed. On the other hand, data from a representative survey conducted in Germany (3,000 parents) are used to explore the current relationship between parents and teachers. At the same time, the perception of parents as partners, supporters and consumers is defined, operationalised and analysed in the context of various conditions. Ultimately, three types of parents were identified, that differ primarily in whether they take over a support function for the learning of their children or not. The type that parents belong to depends largely on the kind of school-type attended and on whether they perceive their child as being over or under challenged.
Notes
Der Begriff der „Bildungslandschaft“ ist ebenfalls als programmatisches Konzept einzuordnen, mit dem Schule mit ihren begrenzten Zuständigkeiten in eine größere regionale Einheit („community“) eingebettet und vernetzt gedacht wird (Tibussek 2012). Daraus wurden im Besonderen in den USA durch die Parent Teacher Association (PTA) die Forderung nach einer verstärkten Vernetzung im Stadtteil bzw. in lokalen Einheiten abgeleitet. In Deutschland wurde diese Idee durch Sacher (2008) aufgegriffen und verbreitet und findet sich u. a. in den Qualitätsmerkmalen schulischer Elternarbeit, gefördert durch die Vodafone Stiftung Deutschland (2012), oder in den Ausführungen des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen (2014) wieder. Kritisch lässt sich dazu anmerken, dass eine solche Forderung zu einer Entgrenzung und verstärkten Diffusion der Verantwortung führen kann.
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Killus, D., Paseka, A. Eltern als Partner, Zulieferer oder Kunden von Schule? Empirische Befunde zum Verhältnis von Elternhaus und Schule. Z f Bildungsforsch 6, 151–168 (2016). https://doi.org/10.1007/s35834-016-0157-0
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DOI: https://doi.org/10.1007/s35834-016-0157-0
Schlüsselwörter
- Eltern
- Diskurse zur Verhältnisbestimmung
- Kooperation Elternhaus und Schule
- Adressierung von Eltern
- Elterntypen