Zusammenfassung
Lehrwerke für den Schulunterricht bieten Lehrkräften Unterstützung für die Unterrichtsgestaltung, da mit ihnen Lehrpläne in konkrete didaktische Lernarrangements umgesetzt werden können. Insofern lässt sich erwarten, dass in aktuellen Schulbüchern auch die Herausforderung zur individuellen Förderung aufgegriffen wird. Mit diesem Beitrag wird ein Analyseraster zur Untersuchung des Potenzials von Lehrwerken für individuelle Förderung vorgestellt und am Beispiel von Leselehrwerken für Klasse 4 überprüft, indem diese mittels qualitativer Inhaltsanalyse untersucht werden. Es zeigt sich, dass individuelle Förderung in diesen Lehrwerken in geringerem Maße aufgegriffen wird, als dies vor dem Hintergrund der schulgesetzlichen Verankerung des Rechts auf individuelle Förderung zu erwarten wäre. Zudem lassen sich deutliche qualitative und quantitative Unterschiede zwischen den einzelnen Lehrwerken feststellen.
Abstract
Textbooks for schools teachers generally provide support for the instructional design, as educational curricula can be implemented into specific learning arrangements. In this respect can be expected that, in current textbooks the challenge for individual support is taken up. With this contribution an analytical framework for examining the potential of textbooks for individual support is presented and proved with reading text books for grade 4 using qualitative content analysis. It appears that individual support in these textbooks is taken up to a lesser extent than would be expected, particularly individual support is applied in school law. In addition, significant qualitative and quantitative differences between textbooks can be observed.
Notes
Im Schulgesetz heißt es dazu: „Lernmittel dürfen vom Ministerium nur zugelassen werden, wenn sie […] den Schülerinnen und Schülern individuelle Lernwege eröffnen und selbständiges Arbeiten durch methodische und mediale Vielfalt fördern“ (MSW NRW 2013, § 30(2)).
Jeweils nach 2006 erschienen.
In einigen Lehrwerken wird die Unterstützung unterschiedlicher Leistungsgruppen differenziert in Förderung (Unterstützung leistungsschwacher Schüler/innen) und Forderung (Unterstützung leistungsstarker Schüler/innen). Diese Begrifflichkeit wird im Raster aufgegriffen.
Von Maier et al. (2010) wird dieser Offenheitsgrad als „schlecht definiert und divergent“ bezeichnet. Aufgrund der negativen Wertung, die mit diesem Begriff assoziiert werden kann, haben wir uns jedoch entschieden bei Grad-3-Aufgaben den Begriff „gering definiert und divergent“ zu verwenden. Dieser Begriff gibt zudem u. E. exakter wieder, was gemeint ist: ein geringer Definitionsgrad der Aufgaben.
Verzeichnis der analysierten Lehrwerke
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Liegmann, A., Dreyer, H. Unterstützen Schulbücher individuelle Förderung? Eine Analyse am Beispiel von Leselehrwerken für Klasse 4. Z f Bildungsforsch 4, 153–171 (2014). https://doi.org/10.1007/s35834-014-0090-z
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