Hintergrund

In den meisten Schulen kommen Kinder mit unterschiedlichen sprachlichen, kulturellen, religiösen und sozialen Hintergründen zusammen (Kanton Zürich Bildungsdirektion Volksschulamt 2022). Dabei befinden sie sich in verschiedenen Entwicklungsphasen, und die Lernfähigkeit von Schüler*innen ist eng mit ihrem Wohlbefinden und ihrer Gesundheit verbunden. Bildung und Gesundheit können sich gegenseitig beeinflussen und haben einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit im Erwachsenenalter (Direktion für Bildung und Kultur Amt für gemeindliche Schulen Kanton Zug 2015; National Association of School Nurses [NASN] 2017). Kinder im schulpflichtigen Alter werden meist als gesund eingeschätzt, und ihre gesundheitlichen Bedürfnisse werden oft nicht als Priorität angesehen (World Health Organization [WHO] 2023). Kinder sind aber häufig den gleichen Risiken wie Erwachsene ausgesetzt und stehen diesen vulnerabler gegenüber (WHO 2017). Gesundheitsförderung, Prävention und die Früherkennung von potenziellen Gesundheitsproblemen können zur Reduktion von Spätfolgen im erwachsenen Alter beitragen (Lee 2011; World Health Organization [WHO] 2017). Eine frühzeitige Investition in die Kindergesundheit kann Auswirkungen auf die Entwicklung und Bildung der Kinder und letztendlich auf die gesamte Gesellschaft haben (Kepplinger et al. 2022). Die WHO benennt darum die Schule als ein Setting der Gesundheitsedukation und -förderung (WHO 2023).

In der Schweiz sind durchschnittlich 2 bis 4 Schulkinder/Klasse chronisch krank. Sie leiden z. B. an Diabetes mellitus, zystischer Fibrose, Asthma oder Epilepsie (Stadt Zürich – Schul- und Sportdepartement 2019). Die betroffenen Kinder gelten als besonders vulnerabel und benötigen daher mehr Unterstützung zu Hause und in der Schule (Dratva et al. 2020). Hinzu kommt, dass rund 15 % der Kinder in der Schweiz übergewichtig/adipös sind (Bundesamt für Gesundheit [BAG] 2022b). Neben den somatischen Erkrankungen konnte in den letzten Jahren auch ein Anstieg an psychischen Problemen bei Kindern festgestellt werden (Bundesamt für Statistik [BFS] 2022a). Zwischen 2020 und 2021 gab es 26 % mehr stationäre Aufenthalte bei 10- bis 24-jährigen Mädchen aufgrund von psychischen Erkrankungen. Der größte prozentuale Anstieg (+60) zeigte sich bei den 10- bis 14-jährigen Mädchen wegen Selbstverletzung und Suizidversuchen (BFS 2022a).

Schüler*innen mit Erkrankungen werden durch unterschiedliche Fachpersonen betreut. Jedoch besteht in der Grund- und Akutversorgung sowie im Schulsektor ein Personalmangel bei erhöhtem Bedarf. In den nächsten Jahren werden 56 % der Haus- und Kinderärzteschaft pensioniert, und 27.500 Pflegefachpersonen müssen infolge von Pensionierungen und vorzeitigem Berufsaussteig bis 2029 ersetzt werden (Haus- und Kinderärzte Schweiz 2020; Merçay et al. 2021). Gerade für ländliche Schulen und Gemeinden wird es dadurch schwieriger, Ärzt*innen für die schulärztlichen Untersuchen zu finden (Zürcher Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften [ZHAW] 2014). Auch Kindernotfallstationen werden häufiger bei medizinischen Anliegen in Anspruch genommen, weil die Familien keine geeignete Ansprechperson mehr haben (Pädiatrie Schweiz 2022). Kindernotfallstationen haben, in der ersten Jahreshälfte 2022 im Vergleich zu 2021 oder den Vorpandemiejahren, eine Zunahme von Kindernotfällen um mehr als 50 % verzeichnet. Kindernotfallstationen geraten dadurch immer häufiger an ihre Belastungsgrenzen (Pädiatrie Schweiz 2022). Zudem ist Kindermedizin aufwendiger und zeitintensiver als Erwachsenenmedizin, und die Tarifierung deckt die erbrachten Leistung nicht vollumfänglich ab (Allianz Kinderspitäler der Schweiz [AllKidS] 2022; Genewein 2018).

Nebst dem Personalmangel an Gesundheitsfachpersonen existiert auch ein Mangel an Lehrer*innen in Schulen. Bis 2031 sollte die Anzahl an Lehrpersonen um 6 % gesteigert werden (BFS 2022c, Sandmeier und Herzog 2022).

Oft müssen Lehrpersonen zusätzlich zu ihren Unterrichtsaufgaben andere Tätigkeiten, die außerhalb ihrer pädagogischen Kompetenzen liegen, übernehmen (Hansen et al. 2020). Dazu gehört z. B. die gesundheitliche Betreuung von chronisch kranken Kindern in der Schulklasse oder auf der Landschulwoche (Schlunegger 2022). Sie sind auch zuständig für die akute Versorgung von kleineren Unfällen oder Krankheiten. Auch die Qualität der gesundheitlichen Betreuung, wie beispielsweise das Blutzuckermessen, hängt in vielen Schulen vom persönlichem Engagement der Lehrpersonen ab (Helfer und Zeyer 2020). Bereits vor der COVID-19-Pandemie, die stellvertretend für andere Krisen verstanden werden kann, waren Lehrpersonen einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt. Sie gehörten zur Berufsgruppe mit den höchsten krankheitsbedingten Ausfällen aufgrund von beruflichem Stress (García-Carmona et al. 2019). Infolge der Überstunden, während der COVID-19-Pandemie, zeigten die Lehrpersonen Symptome emotionaler Erschöpfung, Zunahme an Burn-outs, Angstzuständen, Frustration oder chronischer Übermüdung (Hansen et al. 2020; Hascher et al. 2021; Kim et al. 2022). Auch das Konfliktpotenzial in den Familien war während dieser Zeit deutlich erhöht und führte zu einem Anstieg an Aggressionen und häuslicher Gewalt (Amarel et al. 2020). Gemäß einer deutschen Studie war für 75 % der befragten Eltern die erste Welle der Pandemie sehr belastend. Sie wünschten sich mehr Unterstützung von der Schule, insbesondere bei der Rückkehr aus der Isolation und im Umgang mit den Gefühlen ihrer Kinder (Ravens-Sieberer et al. 2021). Neben den Folgen der COVID-19-Pandemie wird aktuell eine Vielzahl von Schüler*innen aus der Ukraine, die möglicherweise traumatisiert sind, in Klassen integriert (UNICEF [United Nations International Children’s Emergency Fund] 2022). Zu weiteren gesundheitlichen Herausforderungen bei geflüchteten Schüler*innen gehören Unterernährung, übertragbare Krankheiten, fehlende Impfungen, sexueller Missbrauch, Gewalt, Folter, Armut und ein fehlender Zugang zur Gesundheitsversorgung (Johnson et al. 2017).

Die COVID-19-Pandemie hat verstärkt aufgezeigt, dass Lehrpersonen infolge der zunehmenden gesundheitlichen Herausforderungen ihrer Schüler*innen an Grenzen stoßen und deshalb die Gesundheitsversorgung von Schüler*innen verbessert werden sollte (Hansen et al. 2020; Maughan et al. 2021; Schmidt et al. 2021; Singh et al. 2020). Während der Debatten um die Schließungen, Wiedereröffnungen von Schulen und der Erstellung von entsprechenden Schutzkonzepten wurde ebenfalls ersichtlich, wie wichtig eine Zusammenarbeit von Gesundheitsfachpersonen und Bildungsexpert*innen ist (Kepplinger et al. 2022). Um den genannten Herausforderungen begegnen zu können, sind neue Versorgungsmodelle in Schulen, die einen niederschwelligen Zugang für Kinder und Eltern gewährleisten und Lehrpersonen entlasten, angezeigt. Ein Ansatz für eine adäquatere Gesundheitsversorgung von Schüler*innen könnte dabei die School Nurse sein. Die School Nurse ist eine spezialisierte Pflegefachperson mit Bachelor- oder Masterabschluss, welche das Wohlbefinden und die Gesundheit der Schüler*innen fördert (NASN 2021). Dabei übernehmen School Nurses verschiedene Tätigkeiten, welche in 4 Aufgabenbereichen zusammengefasst werden können: Triage und Behandlung von Unfällen und Notfällen, Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, psychosoziale Unterstützung sowie Management von chronischen Erkrankungen (Lineberry und Ickes 2015). Sie arbeiten eng mit anderen Berufsgruppen, wie den Lehrpersonen, der lokalen Ärzteschaft, Psycholog*innen oder dem Sozialdienst, zusammen.

Im Gegensatz zu anderen Ländern, wie den USA, ist die Rolle der School Nurse in Schweizer Schulen wenig verbreitet (Helfer und Zeyer 2020). Bis jetzt setzt in der deutschsprachigen Schweiz lediglich der Kanton Schwyz Pflegefachfrauen oder Pflegefachmänner für die Schulgesundheit ein. In der französischsprachigen Schweiz ist die Rolle in den Kantonen Genf, Jura und Waadt bereits etwas länger etabliert (Helfer und Zeyer 2020). Wie ein Beispiel aus dem Kanton Waadt zeigt, agieren School Nurses und Pädiater*innen gemäß ihren eigenen Kompetenzen und sprechen sich bei Unklarheiten ab. Sie entscheiden beispielsweise gemeinsam über schulische Impfpläne und koordinieren die Betreuung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen (Casini-Matt und Morrow-Blase 2020). Die momentane Gesundheitsversorgung in den Schweizer Schulen variiert kantonal (Helfer und Zeyer 2020). Sie wird von folgenden Akteuren sichergestellt: von lokalen Pädiaterin*innen, den schulärztlichen Diensten, der schweizerischen Gesundheitsstiftung RADIX, dem schulpsychologischen Dienst und auch von Sozialarbeiter*innen (Helfer und Zeyer 2020). Dabei werden aber nur 3 der 4 oben erwähnten Bereiche abgedeckt. Beim vierten Bereich – dem Management von chronischen Erkrankungen – ist die Zuständigkeit nicht klar definiert (Helfer und Zeyer 2020).

Es besteht somit Bedarf an neuen Modellen, welche am Beispiel der School Nurse geklärt werden sollen.

Ziel und Forschungsfrage

Ziel war es, den Bedarf und die Erwartungen an eine School Nurse zu klären. Daraus ergab sich die Fragestellung: Welchen Bedarf und welche Erwartungen haben Schüler*innen, Eltern, Lehrpersonen, Schulleitungen, die Schulsozialarbeit, Pädiater*innen, der schulärztlicher Dienst und Gemeinderät*innen an eine School Nurse in der Unter- und Oberstufe in der Schweiz?

Methode

Zur Beantwortung der Fragestellung wurde ein qualitatives deskriptives Design mit semistrukturierten Interviews gewählt (Creswell und Poth 2016; Mey und Mruck 2020). Da diese Studie eine Bedarfsabklärung beabsichtigte, war es von zentraler Bedeutung, Einblicke in die Erfahrungen, Wahrnehmungen und das Erleben der befragten Personen hinsichtlich der Gesundheitsversorgung in Schulen und dem Bedarf für eine School Nurse zu erhalten.

Untersuchungsgruppe

Wir haben eine gezielte Stichprobe gewählt. Dieses Vorgehen eignet sich, um den Bedarf einer gezielten Gruppe zu erheben und tiefgehende Einblicke in das zu untersuchende Thema zu gewinnen (Creswell und Plano Clark 2018). Insgesamt wurden eine Oberstufe und eine Unterstufe, die durch einen Gatekeeper des Forschungsinstitutes rekrutiert wurden, eingeschlossen. Die beiden Schulen befanden sich in der Agglomeration. Diese Region war interessant, weil die Sicherstellung der schulärztlichen Versorgung besonders in außerstädtischen Gebieten und ländlichen Gegenden gefährdet ist (ZHAW 2014). Die Schüler*innen, Lehrpersonen, Eltern und die externen Fachpersonen wurden entweder durch das Forschungsteam oder die Schulleitung mündlich auf die Studie aufmerksam gemacht. Alle Teilnehmenden wurden schriftlich über die Studie informiert. Die Teilnehmenden wurden um ihre informierte Zustimmung gebeten. Bei den Schüler*innen wurde zusätzliche die Einwilligung der Eltern eingeholt.

Die Ein- und Ausschlusskriterien sind in Tab. 1 zu finden.

Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien

Datensammlung

Es wurden semistrukturierte Einzelinterviews mit den Teilnehmenden durchgeführt. Die Interviewleitfäden basierten auf der Literatur, die einleitend bearbeitet wurde, und dem Vorwissen des Forschungsteams. Die Leitfäden wurden nach dem zirkulären und diskursiven Prozess des SPSS-Verfahrens (Sammeln, Prüfen, Sortieren, Subsumieren) der Leitfadenentwicklung nach Helfferich (2011) aufgebaut. Für jede Teilnehmendengruppe wurde jeweils ein einzelner Interviewleitfanden entwickelt. Für die Schüler*innen gab es jeweils noch einen Leitfaden für die Unter- und Oberstufe. Der Leitfaden enthielt Fragen zu der aktuellen Gesundheitsversorgung in Schulen, zu den Tätigkeiten der Teilnehmenden bezüglich der Gesundheitsversorgung sowie zum Bedarf für eine School Nurse. Wir haben zwei Pilot-Interviews mit Eltern und Lehrpersonen durchgeführt, und die Leitfäden wurden darauf leicht angepasst.

Die Interviews fanden vor Ort oder online statt. Zudem wurden in Feldnotizen die wichtigsten Eindrücke vor und nach den Interviews festgehalten und ein kurzer Fragebogen zu den soziodemografischen Angaben der Teilnehmenden abgegeben. Die Interviews wurden vom Projektteam durchgeführt. Die Interviewer*innen wurden gemeinsam durch die Projektleitung geschult und hatten Erfahrung bei der Durchführung von qualitativen Interviews mit Kindern und Erwachsenen. Wir haben die Interviews im MAXQDA-Programm (VERBI Software GmbH, Berlin, Deutschland) 2022 wörtlich transkribiert.

Datenanalyse

Die qualitative Datenanalyse erfolgte in 6 Schritten mittels thematischer Analyse nach Braun und Clarke (2006). Das wiederholte Lesen der Transkripte (Schritt 1) und die Entwicklung der ersten induktiven Codes wurden mit dem MAXQDA-Programm 2022 durch die Projektleitung vorgenommen (Schritt 2). Auftauchende Hauptthemen wurden herausgearbeitet und anhand der Codes gebildet (Schritt 3). Die Gruppierung wurde anhand des Bedarfs der jeweiligen Teilnehmendengruppe (Schüler*innen, Eltern, Lehrpersonen, Schulleitungen, Schulsozialarbeit, Pädiater*in, schulärztlicher Dienst und Gemeinderät*in) vorgenommen. Dieser Analyseschritt wurde handschriftlich, mithilfe von Notizzetteln und Flipcharts durch das Projektteam erarbeitet. Abweichungen oder Widersprüche bei der Themenüberprüfung wurden im Projektteam diskutiert und schriftlich festgehalten (Schritt 4). Anschließend wurden die Themen verfeinert und mit ausgewählten Passagen angereichert. Ein klarer Titel wurde für jedes Thema durch die Projektleitung erarbeitet (Schritt 5). Abschließend erfolgte die Verschriftlichung (Schritt 6). Aus Sicht des Projektteams wurde eine Datensättigung erreicht, da sich die Erkenntnisse in den Interviews wiederholten.

Ethische Überlegungen

Eine Zuständigkeitsabklärung wurde bei der Ethikkommission [zur Überprüfung verblindet] eingereicht. Die kantonale Ethikkommission erklärte sich für nicht zuständig [zur Überprüfung verblindet]. Die Teilnehmenden wurden über den Inhalt und das Ziel sowie die Freiwilligkeit der Teilnahme schriftlich und mündlich informiert. Sie wurden gebeten, eine informierte Zustimmung zu unterschreiben. Die qualitativen Daten wurden pseudonymisiert.

Ergebnisse

Beschreibung der Teilnehmenden

Insgesamt haben 35 Personen an den Interviews teilgenommen. Die Mehrheit war weiblich (n = 23). Das Alter lag zwischen 11,2 und 58,7 Jahren. Die Interviews dauerten durchschnittlich 30 min. Weitere Angaben sind in Tab. 2 zu finden.

Tab. 2 Soziodemografische Angaben der Interviewteilnehmenden

Bedarfe

Die qualitativen Themen werden im Folgenden beschrieben und mit Zitaten untermauert. Die Bedarfe sind in Abb. 1 zusammenfassend dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Bedarfe hinsichtlich der Gesundheitsversorgung an Schulen. (Eigene Darstellung)

Allgemeine Bedarfe

In der Analyse wurden Bedarfe identifiziert, die von Schüler*innen, Eltern, Lehrpersonen, Schulleitungen und der Schulsozialarbeit gleichermaßen genannt wurden. Zu den allgemeinen Bedarfen gehörten folgende Themen: Entlastung durch niederschwelliges Angebot, Ansprechperson für Gesundheit, Versorgung von Unfällen, Versorgung von chronisch kranken Kindern.

Die Teilnehmenden äußerten Bedarf an Entlastung durch ein niederschwelliges Angebot, beispielsweise durch eine School Nurse. Aus Sicht der Lehrpersonen nahmen ihre nichtpädagogischen Aufgaben in der vergangenen Zeit zu, und aufgrund des Fachkräftemangels standen ihnen weniger zeitliche Ressourcen zur Verfügung. Eine Lehrperson erzählte:

„Ganz grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass in den letzten Jahren immer mehr auf den Schultern der Lehrer lastet, und da finde ich jegliche Form von Entlastung toll.“ (Lehrperson 1)

Die Fachpersonen aus der Schulsozialarbeit empfanden die gesundheitliche Versorgung als ein großes Thema, in dem sie sich zusätzliche Angebote wünschten. Von den Lehrpersonen wurde berichtet, dass kranke Kinder oft in die Schule kommen. Eine Lehrperson erklärt:

„Kinder kommen häufig krank in die Schule, und trotzdem hat man nicht Zeit … sich um das Kind zu kümmern.“ (Lehrperson 2)

Die Schüler*innen nahmen die Belastung der Lehrpersonen wahr. Sie bemerkten Unterschiede zwischen den Lehrpersonen in der gesundheitlichen Betreuung in den Klassen. Eine Schülerin sage dazu:

„Der Lehrer zuvor, hat sich mehr um mich gekümmert. Manchmal geht es einfach gar nicht mehr […] Also, dass eine Person da sein könnte und sich um mich kümmern könnte. Weil mein Lehrer die anderen 18 Kinder betreuen muss.“ (Schülerin 1)

Die Schüler*innen halfen sich teilweise untereinander und versuchten, die kranken Mitschüler*innen zu unterstützen. Ein Schüler erklärt:

„Wenn zum Beispiel die Lehrerin keine Zeit hat, kommen die Kollegen und fragen, ob es mir geht […] Und dann sage ich, es geht mir nicht so gut. Sie gehen dann zur Lehrerin und sagen es ihr. Und dann ruft die Lehrerin meine Mutter an.“ (Schüler 3)

Auch die Eltern berichteten, dass sie ihre kranken Kinder persönlich in der Schule abholen kamen. Aktuell ist in den Schulen keine Gesundheitsfachperson anwesend, die entscheiden kann, ob ein Kind in der Schule bleibt oder nach Hause geschickt werden muss. Dies wurde durch einen Vater so geschildert:

„Ich denke, es wird ihnen helfen und nicht nur den Eltern, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht verlassen müssen, sondern auch den Kindern, dass sie diese Unterstützung haben.“ (Vater 7)

Die externen Fachpersonen sahen die Belastung der Lehrpersonen und Schulleitungen. Auch hier wurde betont, dass die pädagogischen Aufgaben das Kerngeschäft der Lehrpersonen sein sollten.

„Alles, was die Lehrpersonen nicht erledigen können, landet beim Schulleitungsbüro […] Ein Kind, das Hilfe braucht, kann einen zwei Stunden absorbieren […] Das Ziel ist es, dass sich die Schulen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, und sobald etwas aus diesem Kerngeschäft hinausgeht, dass man schnell Unterstützung erhält.“ (Externe Fachperson 2)

Bedarf der Lehrpersonen, Schulleitungen, Schulsozialdienst und Eltern

Zu den Bedarfen der Lehrpersonen, Schulleitungen, des Schulsozialdiensts und der Eltern gehörten folgende Themen: Verantwortung abgeben können, Handlungsbedarf bei psychischer Gesundheit, Integration von Gesundheitsförderung und Sicherheit.

Das Thema „Verantwortung abgeben können“ wurde von den Teilnehmenden mehrmals aufgegriffen. Die Lehrpersonen fühlten sich allein gelassen, wenn es um die gesundheitliche Betreuung der Schulkinder ging, und wünschten sich eine niederschwellige Anlaufstelle.

„Weil halt die Verantwortung abgegeben werden kann und man mal eine Anlaufstelle hat, sehr niederschwellig, ohne dass man einen Termin vereinbaren muss.“ (Lehrperson 3)

Trat ein gesundheitliches Problem auf, wie beispielsweise ein Unfall oder eine Krankheit, konnten Lehrpersonen an ihre Grenzen stoßen. Dazu sagte eine Lehrperson:

„Da muss ich irgendwie reagieren, aber ich habe 17 Schüler gleichzeitig, oder? Also, es ist für mich unbefriedigend.“ (Lehrperson 7)

Auch bei der Betreuung von chronisch kranken Kindern trugen die Lehrpersonen Verantwortung. Eine Lehrperson äußerte sich zum Medikamentenmanagement:

„Bei mir in der Unterstufe, bin ganz klar ich verantwortlich. Also ich habe bei mir im Lehrerpult die Medikamente.“ (Lehrperson 2)

Außerhalb des Aufbewahrens gewisser Medikamente kam auch die gesundheitliche Überwachung der Kinder, welche mit einer gewissen Erwartungshaltung der Eltern an Lehrpersonen verbunden war, hinzu. Dieses Krankheitsmanagement wurde als komplex wahrgenommen und konnte bei Lehrpersonen Überforderung auslösen. Eine Schulleitung erzählte:

„Und die Lehrperson fühlte sich total überfordert, das Kind hat ein Gerät, das gibt den Zuckerwert an und gibt Alarm, wenn der zu hoch ist oder zu tief, und dann musste sie immer gerade anrufen und Meldung machen den Eltern … Und es hat die Lehrperson extrem gestresst, und eigentlich hat es die Eltern auch gestresst.“ (Schulleitung 1)

Aber nicht nur während des Schulalltags, sondern auch bei außerschulischen Aktivitäten empfanden die Lehrpersonen ein Pflichtgefühl. Eine Lehrperson schilderte die Betreuung von einer Diabetiker*in auf der Landschulwoche:

„im Kurzlager habe ich neben dem Kind geschlafen und hatte die Verantwortung auch in der Nacht, das zu überwachen.“ (Lehrperson 1)

Einen großen Handlungsbedarf sahen die Teilnehmenden bei der psychischen Gesundheit der Schüler*innen. Sie beschrieben eine „explosive“ Zunahme psychischer Erkrankungen und betonen mehrfach, dass sie auch in diesem Bereich eine Versorgungsrolle einnahmen. Trotz dieser Verantwortung und des Anstiegs an Fällen äußerten die Teilnehmenden, keine Kapazitäten für die psychische Betreuung von Schüler*innen zu haben. Hierbei wurde auf die mangelnden Strukturen im Schul- und im Gesundheitswesen hingewiesen. Eine Lehrperson äußerte z. B. den Wunsch von Anlaufstellen:

„Dort [psychische Erkrankungen] fehlt ein Gefäß, wo dann das Kind auch wirklich erzählen kann. Wir haben Schulsozialarbeiterin, aber die hat halt auch nicht immer für alles genug Zeit und ist auch sehr ausgelastet. Auch für mich jetzt, ich habe gerade jetzt so einen aktuellen Fall. Es ist ganz schwierig.“ (Leherperson 2)

Nicht zuletzt wurde das Thema Gesundheitsförderung und Prävention angesprochen. Die Verantwortung, inwiefern und in welchem Umfang dieses Thema im Schulalltag einfloss, oblag den Lehrpersonen. Aufgrund mangelnder Ressourcen und fehlender fachlicher Unterstützung fühlten sich die Lehrpersonen frustriert. Eine Lehrperson erzählte:

„Frustriert, das schaffe ich als Lehrperson nicht alleine. Dort [Gesundheitsförderung und Prävention] bräuchten wir mehr Unterstützung. Das können wir nicht alleine stemmen – dieses große Thema.“ (Lehrperson 2)

Es bestand eine Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit, welche von allen Teilnehmenden sehr geschätzt wurde. Jedoch waren die zeitlichen Ressourcen auch für die Schulsozialarbeit knapp, und meist wurde das Thema Prävention zurückgestuft. Eine Schulsozialarbeiter*in berichtete:

„Prävention ist das, was zuerst gestrichen wird. Einfach, weil ich merke: Ich bin am Anschlag, ich kann nicht – ich habe keine Kapazitäten“ (Schulsozialarbeit 1)

Die Eltern berichteten über ihren Wunsch nach mehr Sicherheit und Entlastung. Gerade bei Eltern mit chronisch kranken Kindern war das Thema Sicherheit im Vordergrund. Eine Mutter sagte:

„Ich würde mich noch sicherer fühlen oder weil ich wüsste, es ist eine Fachperson dort, und sie kann das gut einschätzen.“ (Mutter 2)

Auch während der Pandemie wurde eine Gesundheitsfachperson gewünscht, insbesondere in der Entscheidungsfindung zu gesundheitlichen Aspekten. Eine Mutter erzählte:

„Das ist natürlich eine Herausforderung gewesen, wenn eine Lehrperson sagen musste, du gehst nach Hause, und ich denke, dort wäre es wahrscheinlich einfacher gewesen, man hätte eine Fachperson an der Seite gehabt, die die Entscheidungen für eine Lehrperson übernimmt. […] Also dort wäre sicher eine Unterstützung angebracht gewesen.“ (Mutter 3)

Bedarf der Schüler*innen

Für die Schüler*innen lag der Bedarf bei den folgenden Themen: In der Schule bleiben können, Unterstützung auf der Landschulwoche und schulärztliche Untersuchen in der Schule durchführen können.

Die Schüler*innen schilderten, dass sie bei Erkrankungen, wie z. B. Kopfschmerzen, gerne in der Schule bleiben würden und eine Rückzugsmöglichkeit hätten. Eine Schülerin erzählte:

„Wenn man in der Schule krank wird, die Eltern sind nicht zu Hause oder können nicht kommen, und dann dürfte, glaube ich, die Lehrer uns gar nicht nach Hause schicken. Dann wäre es schon praktischer, wenn da jemand wäre.“ (Schülerin 1)

Nebst der Versorgung bei Krankheiten wünschten sich die Schüler*innen mehr Information und Beratung. Sie äußerten beispielsweise, dass sie wenig Informationen zu Impfungen bekamen oder zum Umgang mit Migräne. Eine Schülerin sagte:

„[…] Aber ich glaube eher, so Tipps, was man gegen Migräne machen könnt.“ (Schülerin 2)

Ein Schüler erklärte zu den Impfungen:

„In der Schule haben wir das Thema nicht mega durchgenommen. Wir hatten nicht angeschaut, welche Impfung für was gut ist, wir erhielten diese Blätter“ (Schüler 3)

Bedarf der externen Fachpersonen (Gemeinderat*in, Pädiater*in, schulärztlicher Dienst)

Zu den Bedarfen der externen Fachpersonen gehörten folgende Themen: Kinder dürfen nicht durchs Netz fallen und Versorgungsengpässe angehen.

Für die Fachpersonen war es wichtig, dass jedes Kind eine gute und zeitnahe Versorgung erhält. Jedoch zeigten sich hier gewisse Schwierigkeiten, wie beispielsweise der Aufnahmestopp in Kinderarztpraxen oder Ineffizienz im Gesundheitssystem. Eine externe Fachperson erklärt:

„Kinderärztliche Versorgung ist in der Schweiz sehr gut, hört aber mit dem Alter von 4‑ bis 5‑Jährigen auf. Man sieht es, dass nicht geimpft wurde. Je nach Standort hat man eine hohe oder tiefe Durchimpfungsrate. Das sehe ich als Marke zum Zugang zum Gesundheitssystem. Jetzt haben wir sehr viele Flüchtlinge in den Schulen, und das ist sehr schwierig für die Flüchtlinge, einen Kinderarzt zu finden. Das sehen wir als unsere Aufgabe, dass jedes Kind in der Schule aufgefangen wird. […] Unsere Leute verbringen enorm viel Zeit damit mit der Frage, wie bringe ich dieses Kind zum Kinderarzt, weil diese häufig einen Aufnahmestopp haben. Diese werden abgelehnt, wir schreiben Beschwerde, und dann folgt die Suche nach einem neuen Kinderarzt. Also da ist der Versorgungsengpass und Ineffizienz im System.“ (Externe Fachperson 3)

Der Bedarf an Fachpersonen im Bereich Pädiatrie wurde als hoch eingeschätzt. Für die externen Fachpersonen schien es klar zu sein, dass Kinderärzt*innen überlastet waren und die Gesundheitsversorgung in Gemeinden nur teilweise gewährleistet werden konnte. Eine externe Fachperson sagte dazu:

„Jeder Kinderarzt ist überlastet. Viele Praxen nehmen keine neuen Kinder mehr. Wir nehmen noch, weil wir das Gefühl haben, wir müssen. Wir brauchen die Ressourcen von den MPA oder Pflegefachpersonen in der Praxis.“ (Externe Fachperson 1)

Oft übernahmen Hausärzte*innen aus Hausarztpraxen im erwachsenen Bereich die schulärztlichen Untersuchungen in Gemeinden. Jedoch war es für die Gemeinden schwierig, Ersatz zu finden, wenn Hausärzt*innen z. B. pensioniert wurden. Eine externe Fachperson erzählte:

„Wir funktionieren sehr dörflich. Wir haben noch Ärzte, die wollen das [schulärztliche Untersuchung] machen. Es sind jedoch immer weniger. Wenn einer nicht mehr will, müssen wir lange suchen.“ (Externe Fachperson 2)

Neben dem Mangel an Kinderärzt*innen und medizinischen Praxisassistentinnen (MPA) sahen die externen Fachpersonen einen großen Bedarf an weiteren Berufsgruppen im Schulsetting, wie z. B. Heilpädagog*innen. Eine externe Fachperson sagte:

„Es bräuchte in der Schule mehr Unterstützungssachen. Mehr Heilpädagoginnen, Logopädinnen, vielleicht auch Ergotherapeutinnen für die Kinder zu unterstützen. Wir sind unterdotiert mit Sprachheilplätzen, also Kinder, die Sprachprobleme haben. Solche Sachen fehlen, nicht medizinische Sachen. Die Kinder sind im Normalfall gesund, wenige chronische Erkrankungen.“ (Externe Fachperson 1)

Bedarf an Rollenklärung

Allgemein ließ sich erkennen, dass der Wunsch der Fachpersonen stets die Optimierung der Versorgung und Betreuung der Schüler*innen war. Diesbezüglich könnte eine School Nurse als Bereicherung im interprofessionellen Team angesehen werden. Eine Schulsozialarbeiter*in erklärte:

„Hier [Schule], wo es immer wieder an vielen Ecken und Enden brennt, ist jede zusätzliche Unterstützung wünschenswert … das Ziel ist ja immer, die Kinder bestmöglich zu unterstützen, und alles, was dazu beitragen kann ist, sinnvoll und ist wichtig.“ (Schulsozialarbeit 1)

Jedoch wurden Unsicherheiten und Befürchtungen in Bezug auf eine Rollenentwicklung und -implementierung von den Interviewten angesprochen. Beispielsweise fragte eine Lehrperson:

„Wer ist wofür zuständig? Also, wenn die School Nurse erste Anlaufstelle ist, ja, gibt sie allenfalls weiter an den Kinderarzt? Oder wie geht das dann?“ (Lehrperson 1)

Auch wenn interprofessionelle Zusammenarbeit gewünscht wurde, könnten neue Schnittstellen entstehen, die zu Schwierigkeiten führen könnten. Die Schulsozialarbeiter*in äußerte sich dazu:

„Es gibt viele Schnittstellen, und es ist dann nochmals jemand mehr, und das müsste gut überlegt werden, wie man das sinnvoll und pragmatisch umsetzen könnte.“ (Schulsozialarbeit 1)

Es wurde auch kritisch angemerkt, ob eine School Nurse wirklich ausgelastet sei und was ihre Aufgaben seien. Eine externe Fachperson sagte:

„Ich habe das Gefühl, eine School Nurse ist unterbeschäftigt. Was will sie schon machen? Sind die Kinder krank, bleiben sie zu Hause.“ (Externe Fachperson 1)

Neben dem Bedarf an Aufgabenklärung kamen vereinzelt auch Bedenken, dass gewisse Tätigkeiten abgegeben würden und ein Kontrollverlust eintreffen würde. Eine externe Fachperson erklärte:

„Ich habe sehr viel Kontakt mit den Schulen, Schulleiter, Lehrer. Ich muss auch eine Rückmeldung haben, wenn zum Beispiel ein Kind eine ADHS-Abklärung braucht, oder wie es auf Medikamente reagiert, dann telefoniere ich mit dem Lehrer. Somit habe ich einen regen Austausch, das muss nur ich wissen. Da kann ich niemand dazwischenschalten, das muss ich kontrollieren. Das ist mein Job.“ (Externe Fachperson 1)

Auch für die Eltern schien die Schnittstellen-Kommunikation mit involvierten Diensten, wie den Lehrpersonen und der Ärzteschaft, ein Bedarf. Eine Mutter sagte:

„Der Informationsfluss, […] dann ist es bei der School Nurse, aber die Eltern wissen nichts davon. Und die Kinderärztin weiß eigentlich auch nichts. Und nachher sieht vielleicht ein Elternteil das Problem, geht zur Kinderärztin, aber das Kind sagt nicht, dass es […] schon bei der School Nurse war, und dann ist die Frage: Treibt man die Kosten unnötig in die Höhe?“ (Mutter4)

Die Kostenfrage war ein Thema, welche Unsicherheit und Fragen auslöste. Die externen Fachpersonen sagten dazu:

„Ich sehe schwarz für eine vollständige Finanzierung über die Gemeinde […] Ich habe keine Lösung.“ (Externe Fachperson 2)

Hierbei wurde erwähnt, dass ein Systemwandel bedingt wäre und ein erstes Pilotprojekt als Grundlage für die weitere Implementierung und Finanzierung. Eine Fachperson erklärte:

„Es muss in das System hineinpassen. Es braucht eine größere Systemumstellung. Die Frage ist: Wo fängt man an? Neue Stellen zu schaffen oder ersetzen oder das System umdefinieren? Der Weg ist, dass man mit Pilotprojekten hineingeht, mit einer Projektfinanzierung. Man stellt das Projekt auf und lässt es parallel laufen und dehnt es dann aus.“ (Externe Fachperson 3)

Diskussion

Ziel war es, den Bedarf und die Erwartungen von Schüler*innen, Eltern, Lehrpersonen, Schulleitungen, Schulsozialarbeiter*innen, Pädiater*innen, dem schulärztlichen Dienst und den Gemeinderät*innen an eine School Nurse zu klären. Es wurden 4 übergeordnete Bedarfe identifiziert: (1) Entlastung durch niederschwelliges Angebot; (2) Ansprechperson für Gesundheit (Information und Beratung); (3) Versorgung von Unfällen; (4) Versorgung von chronisch kranken Kindern. Die Fachpersonen in der Schule erwähnten zusätzlichen Bedarf, wie Verantwortung abgeben können, Handlungsbedarf bei psychischer Gesundheit, Integration von Gesundheitsförderung und Sicherheit. Jedoch wurde geäußert, dass die Aufgabenbereiche, die Schnittstellen-Kommunikation und die interprofessionelle Zusammenarbeit geklärt werden müssen. Als mögliches Hindernis bei einer Implementierung wurde die Finanzierung genannt.

Während der Interviews wurde hinterfragt, ob eine School Nurse mit einem größeren Arbeitspensum in den Schulen ausgelastet sein würde. Die teilnehmende Unter- und Oberstufenschule lagen in außerstädtischen Gebieten. Die Unterstufenschule umfasste ca. 320 Schüler*innen und die Oberstufenschule ca. 450 Schüler*innen. Im Kanton Freiburg wird die empfohlene „nurse-to-student-ratio“ auf 1:3000 bis 1:4400 festgelegt (Direction de la santé et des affaires sociales [DSAS] 2016). Vergleichsweise tief liegt die „nurse-to-student-ratio“ mit 1:766 im Kanton Waadt (120 School Nurses betreuen 92.000 Schüler*innen). Hierbei ist zu beachten, dass die School Nurses im Kanton Waadt Kinder zwischen 4 und 20 Jahren versorgten und ein breiteres Tätigkeitsfeld aufwiesen (Unité de promotion de la santé et de prévention en milieu scolaire [Unité PSPS] 2020). Dies bestärkt den Aspekt, dass die School Nurse mobil unterwegs sein sollte, damit sie genügend Schüler*innen und mehrere Schulen betreuen kann. Die School Nurse sollte dabei unter ärztlicher Supervision arbeiten (Council On School Health 2016). In den USA werden School Nurses bereits länger eingesetzt, und die empfohlene „nurse-to-student-ratio“ wurde auf 1:750 festgelegt (Kann et al. 2007). Im Jahr 2018 war an 81,9 % der öffentlichen Schulen in den USA eine School Nurse angestellt. Davon hatten 51,3 % einen Bachelor of Science in Nursing, und 12,5 % wiesen einen Master of Science in Nursing auf (Willgerodt et al. 2018).

Die Teilnehmenden dieser Studie erwähnten nebst der Auslastung der School Nurse die ungeklärte Finanzierung der School Nurse und stellten infrage, ob sich der finanzielle Aufwand für die Stelle lohne. Eine Kostenanalyse aus den USA zeigte einen relevanten Netto-Nutzen-Vorteil durch den Einsatz von School Nurses in Schulen, wobei eine Ein-Dollar-Ausgabe zu einem Gewinn von 2,2 Dollar führte (Wang et al. 2014). Der Gewinn verteilt sich auf 3 Ebenen: 1) Durch die School-Nurse-Betreuung konnten überflüssige und teure Arztbesuche und Notfalltransporte mit der Ambulanz reduziert werden. 2) Die Lehrpersonen wurden entlastet und konnten sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren. 3) Die Produktivität der Eltern am Arbeitsplatz konnte erhöht werden (Wang et al. 2014). Alle Eltern in dieser Studie waren berufstätig und berichteten, dass das Verlassen des Arbeitsplatzes aufgrund einer Erkrankung oder eines Notfalls der Kinder herausfordernd sei. Aktuelle Erhebungen in der Schweiz bestätigen die hohe Erwerbsbeteiligung von Eltern (BFS 2022b). Die Erwerbsquote von Müttern (Frauen zwischen 25 und 54 Jahren) mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren lag im Jahr 2021 bei 82 %. Bei Väter lag die Erwerbsquote bei 96,9 % (BFS 2022b). Mehrere Studien berichteten, dass eine School Nurse zu einer Entlastung berufstätiger Eltern führen kann und zu mehr Sicherheit beiträgt (Kirchofer et al. 2007; Lineberry und Ickes 2015; Pennington und Delaney 2008). Die Zahl der Schüler*innen, die wegen Krankheit nach Hause mussten, war signifikant kleiner in Schulen mit einer School Nurse (Lineberry und Ickes 2015). Nur 5 % von untersuchten Schüler*innen mussten durch eine School Nurse nach Hause geschickt werden (Pennington und Delaney 2008). Beim Schulpersonal waren es 18 %. Das bedeutet, dass es bei einer Betreuung durch eine School Nurse zu weniger Schulabsenzen kommen kann (Isik et al. 2021; Kindi et al. 2022; Yoder et al. 2022). Auch für die interviewten Lehrpersonen und Schulleitungen bestand Bedarf an Entlastung bei der gesundheitlichen Versorgung von Schüler*innen. Die Literatur zeigt, dass eine School Nurse zur Entlastung des Schulpersonals beitragen kann. Die Anstellung einer School Nurse führte zu einer Verringerung des Zeitaufwandes für die Schulleitung um minus 57 min/Tag und für Lehrpersonen um minus 20 min/Tag in Bezug auf Gesundheitsfragen (Baisch et al. 2011). Lehrpersonen konnten auch die Verantwortung für gesundheitliche Fragen abgeben und sich vermehrt auf ihre pädagogischen Kernaufgaben konzentrieren (Baisch et al. 2011; Helleve et al. 2022).

Die vorliegende Studie zeigte, dass ein Bedarf bei der Versorgung chronischer Krankheiten, Gesundheitsförderung und Prävention sowie der psychischen Gesundheit von Schüler*innen besteht. Momentan fehlt in Schulen eine Person für gesundheitsbezogene Fragen mit niederschwelligem Zugang. Auch die Literatur verdeutlicht, dass eine häufige Barriere von chronisch kranken Schüler*innen das Fehlen einer Person, die sich für die Krankheit in der Schule verantwortlich zeigt, ist (Uhm und Choi 2020). Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass chronisch kranke und „gesunde“ Schüler*innen täglich verschiedene Pflegeinterventionen von School Nurses in Anspruch nehmen und ein Bedarf an einer pflegerischen Expertise in Schulen vorhanden ist (Romberg et al. 2022). Außerdem wollten Eltern in die Gesundheitsversorgung ihrer Kinder miteinbezogen werden. Sie wünschten sich eine Person, welche nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern zu der chronischen Krankheit berät (Uhm und Choi 2020). Auch die Lehrpersonen in dieser Studie fühlten sich bei der Betreuung von chronisch kranken Schüler*innen teilweise überfordert. Ähnliche Ergebnisse zeigte eine Studie, in denen die Lehrpersonen verschiedene Ängste, bezogen auf das Betreuen von chronisch kranken Kindern, äußerten, meist aufgrund von fehlendem Wissen und der daraus entstehenden Unsicherheit (Rodríguez-Almagro et al. 2018). Die Versorgung von chronisch kranken Kindern gilt als komplex, und es bedarf einer sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung (Dratva et al. 2020). Die School Nurse kann zu einem koordinierten Fallmanagement beitragen und beispielsweise Gespräche zwischen Schüler*innen, Eltern, Hausärzt*innen und Lehrpersonen fördern (Kindi et al. 2022). In der Bedarfsabklärung zeigte sich, dass Gesundheitsförderung und Prävention wenig in den Schulalltag integriert wurden. Dies könnte einerseits an mangelnden zeitlichen Ressourcen von Lehrpersonen oder der Schulsozialarbeit liegen, andererseits an den externen Präventionsfachpersonen, die wenig als Bezugspersonen von den Schüler*innen wahrgenommen wurden. Studien bestätigen, dass Lehrpersonen oftmals die Zeit fehlt, um Gesundheitsförderung oder Prävention in den Unterricht zu integrieren (Anderson et al. 2016; Kupka-Klepsch 2022). Zudem kann Vertrauen zwischen Gesundheitsfachpersonen und Patient*innen eine direkte therapeutische Auswirkung haben, insbesondere in Bezug auf die „Outcomes“ der Gesundheitsförderung und Prävention (Rasiah et al. 2020). Eine aktuelle Erhebung in den Kantonen Bern, Solothurn und Freiburg zeigt, dass knapp 80 % der Schüler*innen der Meinung sind, dass mehr für die Gesundheit von Jugendlichen getan werden müsste (Blaues Kreuz Bern-Solothurn-Freiburg 2023). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten, dass Handlungsbedarf in der psychischen Gesundheitsversorgung von Schüler*innen bestand. Die psychosoziale und psychiatrische Versorgung ist in vielen Fällen unzureichend gewährleistet, insbesondere im Übergang von stationären und ambulanten Angeboten (BAG 2022a; Schepker und Kölch 2023). Dieser Engpass dürfte sich durch einen Mangel an niederschwelligen Angeboten als auch durch einen steigenden Personalmangel erklären. Eine School Nurse kann dazu beitragen, dass gefährdete Schüler*innen mit psychischen Krankheiten früher identifiziert werden und Wiedereingliederungen in der Schule nach psychiatrischen Krankenhausaufenthalten stattfinden (Byrne et al. 2018; Pestaner et al. 2021). Hierbei ist zu beachten, dass die interprofessionelle Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit oder der Schulpsychologie geklärt werden muss. Die Zusammenarbeit wird als sinnvoll erachtet, wenn die Ziele und die Rollen im Team klar kommuniziert werden (Helleve et al. 2022; Reuterswärd und Hylander 2017). Es sind neue, innovative Rollen und interprofessionelle Versorgungsmodelle angezeigt, um der Versorgungskrise bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken (Essig 2019).

Schlussfolgerung

Die Bedarfsabklärung gibt erstmals einen vertieften Einblick zum Bedarf einer School Nurse mit Anstellung in der Grundversorgung. Es besteht sowohl bei Schüler*innen, Eltern und Fachpersonen in der Schule ein Bedarf in Bezug auf die Gesundheitsversorgung. Damit eine genügende Auslastung der School Nurse gewährleistet ist, sollte der Dienst mobil bei mehreren Schulen aufgebaut werden und eher in Agglomerationen oder ländlichen Gebieten vorhanden sein. Die Finanzierung ist nicht abschließend geklärt. Die interprofessionelle Erarbeitung eines klaren Stellenprofils ist erforderlich, als wichtige Grundlage für eine zukünftige interprofessionelle Zusammenarbeit im Schulwesen.

Limitationen

Die Studie hat mehrere Limitationen: 1) Eingeschlossen wurden nur 2 Schulen in außerstädtischen Gebieten. Eine Erweiterung auf ländliche Regionen, in denen die schulärztliche Versorgung gefährdet ist, hätte ggf. spezifischere Bedarfe aufzeigen können. 2) Die Mehrheit der interviewten Schüler*innen war gesund. Die Rekrutierung von chronisch oder psychisch kranken Schüler*innen gestaltete sich schwierig und konnte aufgrund der zeitlichen Ressourcen nicht verlängert werden. 3) Es wurde wenig Kritik an der potenziellen School-Nurse-Rolle geäußert, was auf sozial erwünschte Antworten hindeuten kann.