Einführung

In diesem letzten Artikel der Publikationsreihe MISSCARE-Austria wird der Fokus auf die Arbeitszufriedenheit und auf die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, von Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern gelegt. Dies wird in Zusammenhang mit Missed Nursing Care (MNC) als einen wichtigen Einflussfaktor darauf gesetzt.

Die Relevanz dieser Beziehung wird insbesondere aufgrund der dringenden Notwendigkeit vom Pflegepersonal in der akutstationären Versorgung im Kontext der demografischen und epidemiologischen Entwicklungen deutlich. Die Beobachtungen zur Alterung der europäischen Bevölkerung kumulieren sich (Eurostat 2020a). Das trifft auch für Österreich zu. Prognosen besagen, dass sich im Jahr 2050 ca. 28 % der Bevölkerung oberhalb der Altersgrenze der Personen mit 65 Jahre situieren wird (Statistik Austria 2021a; Famira-Mühlberger und Firgo 2019). Diese Tendenz wird von einem epidemiologischen Wandel mit Zunahme der Anzahl an pflegebedürftigen Menschen begleitet (Eurostat 14,15,a, b). Zudem erfolgt die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung zu einem bedeutenden Anteil im Krankenhaus (Habl et al. 2010). Wie im Bericht der OECD und der europäischen Union (2020) Health at a Glance: Europe angeführt, hat Österreich eine der höchsten Krankenhausbettendichten und eine der höchsten relativen Anzahlen an stationären Krankenhausaufenthalten Europas. Es wird erwartet, dass der Bedarf an Pflegepersonal im akutstationären Setting hierzulande steigen wird. Schätzungen zufolge sind im Jahr 2030 ca. zusätzlich 13.000 Pflegepersonen in diesem Bereich notwendig (Rappold und Juraszovich 2019). Hierdurch eröffnen sich zahlreiche Perspektiven für die Entwicklung des Arbeitsmarktes für Pflegepersonen im akutstationären Bereich. Deshalb ist es erforderlich, dass Pflegepersonen im Beruf verbleiben und ihre Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, minimiert ist. Nur dann kann die Versorgungsstruktur sichergestellt werden.

Arbeitssituation von Pflegepersonal und Missed Nursing Care

Viele Faktoren sprechen derzeit allerdings gegen die Berufswahl bzw. gegen den Verbleib in einem Pflegeberuf im österreichischen Kontext (Hinterbuchner et al. 2021; Gferer und Gferer 2021). Das trifft auch auf den akutstationären Bereich zu.

Mögliche Gründe hierfür werden in diversen Studien dargelegt, in denen sich Pflegepersonen im Zusammenhang mit belastenden berufsbedingten Anforderungen im Krankenhaus zu Wort melden. Hierbei wurden, beispielweise im Rahmen der NEXT-Studie, Aspekte wie Infektionsgefahr und Kontakt mit gefährlichen Stoffen, ein geringer Einfluss auf die Dienstplangestaltung, ein hohes Arbeitsaufkommen (u. a. im Zusammenhang mit schweren körperlichen Tätigkeiten, wie Heben und Tragen), ein erhöhtes interpersonelles Konfliktpotenzial (u. a. zwischen Hierarchien und im interprofessionellen Team), eine geringe Bindung an Einrichtungen und die Arbeitsorganisation (beeinflusst u. a. durch Informationsfluss und Arbeitsanweisungen) als bedeutende Themenschwerpunkte erörtert (Simon et al. 2005).

In Österreich betont der Bericht zu Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz [BMSGPK] 2021), dass Herausforderungen, wie Belastung, eine Arbeit unter ständigem Zeitdruck und atypischen bzw. wechselnden Dienstzeiten (i.e. in Schichtarbeit), einen bedeutenden negativen Effekt auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit von Pflegepersonen ausüben können. Eine enorme Herausforderung stellt der derzeitige Personalmangel in der Pflege per se und damit auch im Krankenhaus dar, da Pflegepersonen aufgrund der Personalknappheit permanent mit hohen quantitativen Anforderungen (i.e. mit einer hohen anfallenden Arbeitsmenge während der Arbeitszeit) in ihrer Arbeit konfrontiert sind (Simon et al. 2005; Gferer und Gferer 2021). Hohe quantitative Anforderungen bedeuten u. a., dass Pflegepersonen Tätigkeiten nicht vollenden können, Pausen auslassen oder unter Zeitdruck arbeiten müssen (Simon et al. 2005). Aufgrund der meist nur selten oder nie angemessenen Personalbesetzung in ihren Teams können die befragten Pflegepersonen in der MISSCARE-Austria-Studie (Cartaxo et al. 2022) auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern eine fachgerechte Patientenversorgung nur z. T. sicherstellen.

Die unzureichende Sicherstellung einer fachgerechten Patient*innenversorgung, bedingt durch knappe Ressourcen, wird in der internationalen Literatur als Unterlassungsfehler klassifiziert (World Health Organisation 2009; Kalisch et al. 2009b). Dieses Phänomen wird u. a. als MNC bezeichnet. MNC wird als Situation definiert, in der Pflegepersonen, aufgrund von fehlenden Rahmenbedingungen, notwendige Tätigkeiten bei ihren Patient*innen weglassen müssen bzw. nicht fach- oder zeitgerecht erbringen können (Kalisch et al. 2009a). In einer rezenten Befragung von Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern gaben mehr als 80 % der Befragten an, dass diese Situation auf ihrer Station zu beobachten ist (Cartaxo et al. 2022).

Unzureichende Rahmenbedingungen für eine angemessene Versorgung umfassen fehlende Personalressourcen, erhöhte Anforderungen, bezogen auf die Patient*innenversorgung, knappe Materialressourcen oder konfliktreiche bzw. ineffektive Beziehungen und Kommunikationsprozesse (Kalisch et al. 2009a). Konkret für den österreichischen Kontext hat die MISSCARE-Austria-Studie gezeigt, dass potenziell ineffiziente Arbeitsprozesse (wie durch Multitasking oder wiederholte Unterbrechungen), Personalmangel, ein erhöhter Versorgungsaufwand und gesteigerte Aufnahmen- und Entlassungsdynamik sowie Erschöpfung des Pflegepersonals und mangelnde Unterstützung seitens der direkten Führung besonderes wichtige Einflussfaktoren hierzu darstellen (Cartaxo et al. 2022).

Missed Nursing Care und Outcomes bezogen auf das Pflegepersonal

MNC bringt gravierende Konsequenzen mit sich. Negative Konsequenzen für die Patient*innensicherheit sind umfänglich beforscht. Hierzu zählen Stürze mit schweren Verletzungen, nosokomiale Infektionen, Medikationsfehler oder Dekubitusentstehung (Kalánková et al. 2020). Negative Folgen für die Mitarbeiter*innen in den Pflegeberufen werden ebenfalls zunehmend in der Literatur als relevante Outcomes mit MNC assoziiert. Hierzu zählen u. a. eine geringere Zufriedenheit mit der derzeitigen Stellensituation und/oder mit dem Pflegeberuf bis hin zur Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen (Bragadóttir et al. 2020; Jones et al. 2015).

Arbeitszufriedenheit und Missed Nursing Care

Arbeitszufriedenheit wird als Wahrnehmung definiert, die eine persönliche Bewertung über den eigenen Arbeitsplatz ausdrücken soll. Wenn individuelle Erwartungen am eigenen Arbeitsplatz und dessen Umfeld erfüllt werden, steigt die Arbeitszufriedenheit (Lu et al. 2012).

In Österreich liegen mit dem SORA-Bericht zum Arbeitsklima-Index Aussagen zur Arbeitszufriedenheit hinsichtlich der Gestaltungs- sowie Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten in der Krankenpflege vor. Hierbei geben über 60 % der befragten Pflegepersonen an, mit diesen Aspekten derzeit zufrieden zu sein (BMSGPK 2021).

MNC kann dabei jedoch die Arbeitszufriedenheit vom Pflegepersonal negativ beeinflussen. Dies bestätigt sich durch Literatur und Forschung zunehmend. Plevová et al. (2021) legten beispielsweise in einer rezenten Untersuchung dar, dass zwischen der Zufriedenheit mit der aktuellen beruflichen Position und MNC ein negativer Zusammenhang besteht. Bereits Kalisch et al. (2011) deckten auf, dass Pflegepersonal, das die erforderlichen und geplanten pflegerischen Interventionen bei Patient*innen auf Allgemeinstationen angemessen erbringen konnte, mit seiner derzeitigen Position und Tätigkeit zufriedener war als Pflegepersonen, die Tätigkeiten implizit rationieren mussten.

Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, im Zusammenhang mit Missed Nursing Care

Forschungsarbeiten zur Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, zeigen sich, als Folge von Arbeitszufriedenheit und MNC, als äußerst relevant. Halter et al. (2017) legen in ihrer systematischen Übersichtsarbeit dar, dass die Arbeitsunzufriedenheit aktuell einen der wichtigsten Faktoren für den Pflegeberufsausstieg darstellt. Des Weiteren zeigten Tschannen et al. (2010) eine eindeutige Beziehung zwischen MNC und der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, auf. Alsubhi et al. (2020) fassen die Evidenz aus früheren Untersuchungen zum Thema systematisch zusammen und betonen, dass MNC gegenüber der beruflichen Identität von Pflegepersonen verletzend wirkt (u. a., in dem sie sich weniger mit ihrem Beruf verbunden fühlen, möglicherweise als Selbstschutzmechanismus), was wiederum die Absicht erhöht, den Beruf zu verlassen.

Vor diesem Hintergrund gilt es zu explorieren, welche Aspekte mit der Absicht von Pflegepersonen, den Pflegeberuf zu verlassen, im österreichischen Kontext zusammenhängen. Dies soll aus der theoretischen Perspektive von MNC – als bedeutender Einflussfaktor hierzu – verfolgt werden. Die Identifikation von Risikofaktoren und deren Wechselwirkungen im Zusammenhang mit MNC bietet dabei die Möglichkeit, das Phänomen vertiefter zu betrachten – um dementsprechend präventiv oder bei besonders gefährdeten Mitarbeitenden, welche Gedanken über einen Berufsausstieg haben, frühzeitig und gezielt handeln zu können.

Zielsetzung und Forschungsfragen

Vor dem theoretischen Hintergrund von Missed Nursing Care werden die derzeitige arbeitsbezogene Zufriedenheit und die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, aus der Perspektive von Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern untersucht. Des Weiteren werden Faktoren in Bezug auf berufliche Merkmale von Pflegepersonen und ihrer Arbeitssituation identifiziert, die in Kombination mit MNC und der Arbeitszufriedenheit beeinflussend auf die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, wirken können.

Die Datenanalyse wird von folgenden Fragen geleitet:

  • Wie stellt sich die Zufriedenheit vom Pflegepersonal auf Allgemeinstationen der konservativen und operativen Fachbereiche in österreichischen Krankenhäusern dar? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit und MNC?

  • Wie oft denken Pflegepersonen in diesem Setting daran, den Pflegeberuf zu verlassen? Gibt es hier ebenfalls einen Zusammenhang mit MNC?

  • Welche Aspekte, bezogen auf die Arbeitszufriedenheit, auf MNC sowie auf berufliche Merkmale von Pflegepersonen und ihre Arbeitssituation per se, können als Einflussfaktoren identifiziert werden, dass Pflegepersonen die Absicht äußern, ihren Beruf verlassen zu wollen?

Methode

Studiendesign, Zielgruppe und Rekrutierung

Diese Studie ist Teil der MISSCARE-Austria-Studie. Diese wurde als quantitative deskriptiv-komparative Querschnittstudie konzipiert, welche zwischen Mai und Juli 2021 auf konservativen und operativen AllgemeinstationenFootnote 1 in österreichischen Krankenhäusern durchgeführt wurde. Übergeordnetes Ziel der Studie war es, MNC auf Allgemeinstationen konservativer und operativer Fachbereiche in österreichischen Krankenhäusern und die Einflüsse darauf zu erheben. Grundgesamtheit waren alle Pflegepersonen, welche zur Zeit der Erhebung in diesem Setting tätig waren. Eine Stichprobe von n = 1006 Personen, welche die definierten Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten, wurde durch eine Rekrutierung mittels Schneeballverfahren über österreichische Pflegeausbildungsstätten und über Social Media erreicht. Die Ethikkommission der Universität Wien erteilte ein positives Votum zur Durchführung der Studie (00684/2021). Alle Studienteilnehmer*innen gaben vor der Teilnahme ihre informierte Einwilligung. Die Datenerhebung erfolgte in anonymisierter Form.

Variablen, Datenerhebung und Analyse

Erhebungsinstrument zur Erfassung der Daten war das revised MISSCARE-Austria. Ein quantitativer Pretest zum Instrument zeigte eine hohe Akzeptanz, eine gute interne Konsistenz (ω zwischen 0,954 und 0,806) und eine angemessene Konstruktvalidität (Cartaxo et al. in Vorbereitung). Das revised MISSCARE-Austria bestand u. a. aus Items zu: 1) Krankenhaus und Stationscharakteristika (4 Items), 2) soziodemografischen und beruflichen Merkmalen (8 Items), 3) Arbeitssituation (5 Items) und 3) Häufigkeit von MNC (Sektion A, 30 Items, gemessen in einer 6‑stufigen Endpunkteskala von 1: „sehr selten“ bis 6: „sehr oft“). Die Variablen 1), 2) und 3) wurden als unabhängige Variablen im Rahmen unserer Studie betrachtet. Hier wird die Arbeitssituation durch die Variablen Arbeitszeitverhältnis (1 „Vollzeit“ und 2 „Teilzeit“), Dienstzeiten (1 „Tagdienst“, 2 „Nachtdienst“ und 3 „wechselnde Dienstzeiten“), Dienstform (1 „bis 8-Stunden-Dienst“, 2 „9- bis 10-Stunden-Dienst“, 3 „11- bis 13-Stunden-Dienst“, 4 „wechselnde Dienstformen“ und 5 „andere“), wöchentliche Sollstunden und Stunden, die über die gewöhnlichen Arbeitsstunden hinaus geleistet werden (beide in Stunden), erhoben. Die Arbeitszufriedenheit wird durch die Variablen Zufriedenheit mit derzeitiger Stelle, Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit auf der Station und Zufriedenheit damit, Pflegeperson zu sein, erhoben (gemessen in einer 4‑Punkte-Likert-Skala von 1 „sehr unzufrieden“ bis 4 „sehr zufrieden“). Die Frage Wie oft denken Sie daran, den Pflegeberuf zu verlassen? soll Auskunft über die Häufigkeit geben, wie oft Pflegepersonen an einem Berufsausstieg denken (gemessen in einer 7‑Punkte-Likert-Skala von 1 „mehrmals täglich“ bis 7 „nie“).

Die deskriptive Datenanalyse erfolgte mittels Häufigkeitszählungen sowie Berechnungen von Mittelwerten (M) und Standardabweichungen (SD), gefolgt von schließender Statistik mittels Berechnung von Korrelationen, nichtparametrischen Tests zu möglichen Gruppenunterschieden und einem logistischen Regressionsmodell. Nach Backhaus et al. (2018) gehören logistische Regressionsmodelle zu den multivariaten strukturprüfenden Verfahren. Hier werden dichotome Regressanden behandelt (i.e. abhängige Variablen, bestehend aus 2 Antwortkategorien – wie z. B. ja und nein). Mit der logistischen Regression ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens von einer der Antwortkategorien des dichotomen Regressanden zu prognostizieren – u. a. mittels „odds ratio“ (OR). Diese können auf Basis der Regressionskoeffizienten eines Regressionsmodells berechnet werden. Ein OR ist ein Maß für den Zusammenhang zwischen einem Faktor und einem Ergebnis. Es gibt somit die Chance an, dass ein Ergebnis bei einem bestimmten Faktor eintritt, im Verhältnis zur Chance, dass das Ergebnis ohne diesen Faktor eintritt (Szumilas 2010).

Für das Aufdecken von möglichen Einflussfaktoren zur Absicht, den Pflegeberuf verlassen zu wollen, wurde deshalb ein logistisches Regressionsmodell berechnet. Als Voraussetzung hierfür wurde eine neue dichotome Variable definiert (Berufver_bi). Im Vorfeld der Datenanalyse wurden alle Faktoren deskriptiv ausgewertet. Kategoriale Faktoren mit mehreren Antwortmöglichkeiten wurden als Dummy-Variablen kodiert (Anhang 1, Tab. 3). Erste Assoziationen und Gruppenunterschiede zwischen den neu kodierten Faktoren und der abhängigen Variable wurden geprüft (Anhang 1, Tab. 4).

Für die Berechnung eines logistischen Modells wurden alle theoretisch relevanten Variablen für eine rückwärtsschrittweise Modellierung auf MNC (abhängige Variable) auf Basis des Akaike-Informationskriteriums (AIC) berücksichtigt. Das AIC ermöglicht es, insbesondere bei Modellen mit vielen Parametern, ein geeignetes Modell, welches sowohl an die Daten angemessen angepasst ist als auch parsimonisch gestaltet wird, zu finden (Bozdogan 1987). Die Modellselektion wurde vor dem theoretischen Hintergrund bzw. AIC getroffen. Interaktions- und Moderationseffekte sowie Confounding wurden bei korrelierenden bzw. assoziierten unabhängigen Variablen im Modell geprüft. Die statistische Signifikanz wurde auf α = 0,05 und das Konfidenzintervall auf 95 % (95 %-KI) gelegt. Fehlende Werte wurden paarweise (beschreibende Statistik) und listenweise (schließende Statistik) ausgeschlossen.

Ergebnisse

Beschreibung der Stichprobe

Die Stichprobe kann hinsichtlich der Verteilung der Merkmale Arbeitszeitverhältnis, Geschlecht und Funktion (i.e. DGKP, PFA und PA) entsprechend den Daten des Gesundheitsberuferegisters für die Grundgesamtheit als repräsentativ betrachtet werden (BMSGPK 2021; Statistik Austria 2021b; Holzweber et al. 2021). Der Großteil der Teilnehmenden war zwischen 25 und 34 Jahre alt (41,2 %, n = 414) und weiblich (86,5 %, n = 868). Circa 49 % (n = 493) der Befragten haben die Matura absolviert. Etwa 78 % (n = 779) haben eine Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege oder ein pflegespezifisches Bachelorstudium erworben, und ca. 13 % (n = 129) verfügen über eine pflegefachliche Spezialisierung oder ein pflegespezifisches Masterstudium. Die größte Anzahl der befragten Pflegepersonen arbeitet als DGKP (75,0 %, n = 752) in der direkten Patient*innenversorgung. Im Durchschnitt verfügen die Teilnehmenden über 14 Jahre Berufserfahrung seit der Ausbildung (SD = 9,9) und arbeiten seit 8 Jahren auf ihrer derzeitigen Station (SD = 7,1) (Tab. 1).

Tab. 1 Soziodemografische und berufliche Merkmale

Zur Arbeitssituation der Teilnehmenden wurden unterschiedliche Daten erhoben (Tab. 2). 65,2 % (n = 653) der Befragten hatten einen Vollzeitarbeitsvertrag. Durchschnittlich arbeiten die befragten Pflegepersonen 35 h/Woche (n = 972, SD = 7,5 h). 86,3 % (n = 786) der Befragten leisteten zudem in den letzten 3 Monaten mehr Stunden, als ihre geplante Arbeitszeit umfasste: durchschnittlich ca. 20 h mehr (n = 911, SD = 28,1). Hier zeigt sich eine große Streuung innerhalb der Daten (Median = 12 h; 5 %-getrimmtes Mittel = 15,4 h).

Tab. 2 Arbeitssituation

Ein Großteil der Befragten arbeitete zudem in rotierenden Dienstzeiten, i.e. in wechselnden Tag- und Nachtdiensten (77,0 %, n = 768). Hinsichtlich der häufigsten Dienstformen lässt sich beobachten, dass mehr als die Hälfte der Befragten in 11- bis 13-Stunden-Diensten arbeiteten (56,6 %, n = 568), gefolgt von 25,1 % (n = 252) der Teilnehmer*innen, die in unterschiedlichen Dienstformen tätig sind (i.e. wechselnd zwischen Dienstformen mit unterschiedlicher Stundendauer).

Durchschnittlich versorgte eine PflegepersonFootnote 2 19 Patient*innen (i.e. durchschnittliche Patient-to-Nurse [PtN] Ratio, Median = 18, 5 %-getrimmtes Mittel = 18, SD = 10,5). Für den Tagdienst umfasst dies eine durchschnittliche PtN von 16 (SD = 10,6) und im Nachtdienst von 21 (SD = 11,3). Auf die Frage nach der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung gaben lediglich 34,8 % (n = 348) der Teilnehmenden an, dass diese in den letzten 3 Monaten immer oder meistens vorhanden war.

Missed Nursing Care

In der ersten Studie unserer Publikationsreihe wurde dargelegt, was Pflegepersonen über MNC auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern berichten. Erhoben wurde dies mittels Einschätzung der Häufigkeit der in ihren Teams weggelassenen bzw. mit Verzögerung durchgeführten Pflegetätigkeiten. Die Häufigkeit von MNC in den vorhergegangenen 2 Arbeitswochen wurde, je nach Art der Tätigkeit, unterschiedlich bewertet (Cartaxo et al. 2022).

Die erfassten Häufigkeiten wurden in einem Mittelwertindex MNC zusammengefasst. Dieser wurde durch die Summe aller Werte der Variablen der Sektion A des revised MISSCARE-Austria berechnet, welche dann durch die Gesamtanzahl der Items dividiert wurde. Für 999 Personen konnte dabei ein Mittelwertindex berechnet werden. Die Ergebnisse variierten zwischen 1 (alle aufgelisteten Pflegetätigkeiten werden durchschnittlich sehr selten weggelassen) und 6 (alle aufgelisteten Pflegetätigkeiten werden durchschnittlich sehr oft weggelassen). Alle MNC umfassenden, unterlassenen pflegerischen Tätigkeiten, die in dieser Erhebung in einzelnen Items abgefragt wurden, wurden in einer durchschnittlichen Häufigkeit (M = 3, SD = 1,0) als nicht rechtzeitig durgeführt bzw. als weggelassen angegeben.

Arbeitszufriedenheit und Missed Nursing Care

Die Mehrzahl der befragten Pflegepersonen ist mit ihrer derzeitigen Stelle (63,5 %, n = 635), mit der Zusammenarbeit auf ihrer Station (85,9 %, n = 860) sowie damit, Pflegeperson zu sein (70,3 %, n = 699), zufrieden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Arbeitszufriedenheit

Statistische Tests auf lineare Zusammenhänge zwischen Arbeitszufriedenheit und MNC zeigen einen hochsignifikanten Zusammenhang (p < 0,001) mit mittleren negativen Effekten in Hinsicht auf die Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit [n = 999, r = −0,250] und damit, Pflegeperson zu sein [n = 993, r = −0,328]. Ein großer negativer Zusammenhang wurde, bezogen auf die Zufriedenheit mit der derzeitigen Stelle [n = 998, r = −0,454], beobachtet. Dies bedeutet, je höher die durchschnittliche Häufigkeit von MNC, desto niedriger die Arbeitszufriedenheit des Pflegepersonals und umgekehrt.

Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, und Missed Nursing Care

Fast drei Viertel der befragten Pflegepersonen gaben an, dass sie daran denken, den Pflegeberuf zu verlassen (74,6 %, n = 747). Circa 42 % der Personen (n = 419) denken sogar mindestens einmal wöchentlich daran (Abb. 2a, b).

Abb. 2
figure 2

a,b Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen

Statistische Tests auf lineare Zusammenhänge zwischen der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, und MNC zeigen einen hochsignifikanten Zusammenhang (p < 0,001) mit mittlerem negativem Effekt (n = 999, r = −0,385): Dies weist daraufhin, dass, je höher die durchschnittliche Häufigkeit von MNC, desto häufiger denken Pflegepersonen daran, den Pflegeberuf zu verlassen, und umgekehrt.

Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, und weitere Einflussfaktoren darauf

Die Ergebnisse zeigen hochsignifikante Assoziationen (p < 0,001) zwischen der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, und: 1) der Funktion des Pflegepersonals auf der Station (i.e. DGKG und Leitung), 2) dem Alter, 3) der Angemessenheit der Personalbesetzung und 4) der Zufriedenheit mit der derzeitigen Stelle sowie 5) der Zufriedenheit damit, Pflegeperson zu sein. Deutliche Gruppenunterschiede in der Absicht von Pflegepersonen, den Pflegeberuf verlassen zu wollen, zeigten sich zudem nach: 1) der Anzahl ihrer geleisteten Arbeitsstunden über die Sollarbeitszeit, 2) ihrer Berufserfahrung und 3) dem Mittelwertindex MNC (p < 0,001).

Um den Einfluss erster beobachteter Assoziationen und Unterschiede zu prüfen, wurde ein logistisches Regressionsmodell berechnet. 83,9 % der Fälle (n = 844) wurden im finalen Modell inkludiert. Dieses Modell zeigt eine hohe statistische Signifikanz zur Erklärung der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen (Omnibus-Test = 207,541, p < 0,001, AIC = 752,2) (Anhang 2, Tab. 5). Die Anpassungsgüte des Modells wurde geprüft und ist, trotz einzelner Extremwerte, für das Ziel der Studie angemessen (Anhang 2). Die Ergebnisse zeigen, dass:

  1. a)

    ein geringeres Alter (Alter (bis 45 Jahre alt) [p < 0,028])

  2. b)

    eine Funktion als Pflegefachperson (Funktion: DGKP (ja) [p < 0,001]),

  3. c)

    Überstünden in Interaktion mit gleichbleibenden Dienstzeiten (A_ÜST * DZ_Wechselnde (nein) [p < 0,011]),

  4. d)

    Zufriedenheit mit dem Pflegeberuf im Allgemeinen (Zuf_Beruf (ja) [p < 0,001]) und

  5. e)

    MNC (Mittelwertindex MNC [p < 0,001])

in statistisch signifikante Regressionskoeffizienten mit einem relevanten Erklärungsbeitrag resultieren. Die berechneten OR-Werte können wie folgt interpretiert werden:

  1. a)

    Alter (bis 45 Jahre alt): Jüngere Pflegepersonen (bis 45 Jahre) zeigen eine ca. 1,6fach höhere Wahrscheinlichkeit, die Absicht zu haben, den Pflegeberuf zu verlassen, als ältere Pflegepersonen (45 Jahre oder älter) (95 %-KI = [1,049; 2,341]).

  2. b)

    Funktion: DGKP (ja): Pflegepersonen, welche als DGKP (ohne Leitungsfunktion) in der direkten Patient*innenversorgung arbeiten, haben eine ca. 2,8fach höhere Wahrscheinlichkeit, die Absicht zu haben, den Pflegeberuf zu verlassen, als Pflegepersonen mit anderen Funktionen (95 %-KI = [1,830; 4,377]).

  3. c)

    A_ÜST * DZ_Wechselnde: Bei Pflegepersonen, die nicht in wechselnden Dienstzeiten arbeiten, erhöht jede geleistete Überstunde in den letzten 3 Monaten die Wahrscheinlichkeit, die Absicht zu haben, den Pflegeberuf zu verlassen, um ca. 1 Einheit (95 %-KI = [1,009; 1,069]).

  4. d)

    Zuf_Beruf (ja): Pflegepersonen, die damit zufrieden sind, Pflegeperson zu sein, haben eine ca. 0,04fach niedrigere Wahrscheinlichkeit, die Absicht zu haben, den Pflegeberuf zu verlassen, als Pflegepersonen, welche mit dem Pflegeberuf nicht zufrieden sind (95 %-KI = [0,017; 0,105]).

  5. e)

    Mittelwertindex MNC: Die Wahrscheinlichkeit, dass Pflegepersonen die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, haben, wird um ca. 1,6 Einheiten höher für jeden Punkt der durchschnittlichen HäufigkeitFootnote 3 an Missed Nursing Care auf ihren Stationen (95 %-KI = [1,282; 1,908]).

Des Weiteren zeigen die Variablen PtN und Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung sowie Berufserfahrung seit der Ausbildung hochsignifikante Beziehungen jeweils mit den Variablen MNC und Alter auf – und, am wichtigsten, mit der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen (Abb. 3). Diese Variablen konnten allerdings aufgrund einer starken Interaktion miteinander im Rahmen der Regressionsanalyse nicht als Regressoren berücksichtigt werden. Sie bleiben dennoch zur Entwicklung eines Verständnisses für die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, im Zusammenspiel mit dem Phänomen Missed Nursing Care, äußerst relevant.

Abb. 3
figure 3

Einflussfaktoren auf die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen. → Einflussfaktoren: OR-Werte (schwarz): mit ↓ negativen oder ↑ positiven Einfluss auf die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen. - - - → Einflussfaktoren: OR Werte (grau): mit ↓ negativen oder ↑ positiven Einfluss auf die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen (ausgeschlossene Variablen aufgrund Confounding bzw. Interaktion, - - - - →, schwarz). ← - - - - → (grau) Hochsignifikante Assoziation/Korrelation zwischen Regressoren (p-Werte werden mit p angezeigt)

Diskussion

Zentrales Ziel unserer Studie war es zu prüfen, ob auf konservativen und operativen Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern – analog zu bestehenden internationalen Studien – Zusammenhänge zwischen MNC und der Arbeitszufriedenheit von Pflegepersonen sowie ihrer möglichen Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, bestehen. Weiteres Ziel war herausfinden, wie sich Aspekte, bezogen auf soziodemografische und berufliche Merkmale, in diesem Kontext auf die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, in statistischen Einflussbeziehungen auswirken. Hier konnten wir zeigen, dass zwischen MNC und der Arbeitszufriedenheit bzw. der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, hochsignifikante statistische Zusammenhänge bestehen. Des Weiteren wurden vorhandene Ergebnisse aus der Literatur bestätigt: Diese legen dar, dass jüngere Pflegepersonen mit einer Funktion als Pflegefachperson besonders dazu neigen, den Pflegeberuf verlassen zu wollen, im Vergleich zu anderen Kolleg*innen. Zusätzlich zu den zentralen Aspekten unserer Untersuchung gibt die vorliegende Studie einen wichtigen Einblick in die Arbeitssituation von Pflegepersonen auf Allgemeinstationen der konservativen und operativen Fachbereiche in österreichischen Krankenhäusern.

Arbeitssituation von Pflegepersonal

Wie bereits in der Pflegepersonalbedarfsprognose für das Land Österreich dargestellt, arbeitet der Großteil der Pflegepersonen in diesem Setting in einer Vollzeitanstellung (Rappold und Juraszovich 2019). In der vorliegenden Studie sind dies ca. 65 % (n = 653) der Befragten. Dieses Ergebnis deckt sich annähernd mit den Angaben des Berichtes zu Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen des BMSGPK (2021). Hier wurden 66 % angeführt.

Aufgrund der Notwendigkeit, die Patient*innenversorgung in diesem Setting sicherzustellen, war vorauszusehen, dass die meisten Befragten in wechselnden Dienstzeiten arbeiten. Auch unsere Beobachtung, dass längere Dienstformen die häufigste Form der Dienstzeitaufteilung darstellen (d. h., 57 % der Befragten arbeiteten in Diensten, die länger als 10 h dauern), deckt sich mit der Literatur – obgleich sich diese Situation sowohl für die Patient*innensicherheit als auch für die Belastung von Mitarbeitenden als nicht förderlich erweist (Geiger-Brown und Trinkoff 2010; Caruso 2014; Ejebu et al. 2021). Dass jedoch ca. 80 % der Befragten in den letzten 3 Monaten Arbeitsstunden über das geplante Maß der Arbeitszeit hinaus leisteten, ist ein allarmierendes Ergebnis. Dass sich diese Aspekte direkt auf MNC und indirekt auf die Arbeitszufriedenheit und auf die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, auswirken, wurde bereits durch andere Studien nachgewiesen (Alsubhi et al. 2020).

Arbeitszufriedenheit und MNC

Der Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und MNC ist in der Literatur bekannt. Bereits 2012 zeigten Aiken et al. (2012), dass in europäischen Ländern zwischen 11 % (Niederländen) und 56 % (Griechenland) der befragten Pflegepersonen in Krankenhäusern mit ihrer Arbeit unzufrieden waren (Deutschland: 37 %). Dabei zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Qualität der geleisteten pflegerischen Versorgung. Pflegepersonen äußern in unserer Studie eine positivere Tendenz zur Arbeitszufriedenheit hinsichtlich ihrer derzeitigen Position, der Zusammenarbeit im Team und dem Pflegeberuf selbst (Anteil der unzufriedenen Personen < 36,5 %). Aufgrund der ebenfalls hohen Häufigkeit von Großteils als ungünstig bewerteten personellen Rahmenbedingungen (wie z. B. wechselnde Dienstzeiten, langen Dienstzeiten oder Überstunden) und der erhobenen, hohen Häufigkeit von MNC bleibt dieses Ergebnis jedoch ein Paradoxon.

Die Literatur zeigt einen eindeutigen Einfluss von MNC auf die Arbeitszufriedenheit (Dall’Ora et al. 2015; Mandal und Seethalakshmi 2021), der auch in dieser Studie deutlich wurde. Eine weitere Exploration dieser Beziehung erscheint erforderlich, um das komplexe Zusammenspiel zwischen diesen Phänomenen besser darstellen zu können – auch in Anbetracht von Theorien der positiven Psychologie, wie z. B. der Anpassungstheorie des Wohlbefindens, welche sich mit dieser Art von vermutlichen Widersprüchen beschäftigen (Diener et al. 2006). Hierzu ist zu klären, welche persönlichen oder die Arbeitsumgebung betreffenden Faktoren dazu beitragen, dass Pflegepersonen, die häufig mit MNC konfrontiert sind, trotzdem ihre Arbeitszufriedenheit halten können. Anhand der Ergebnisse unserer Studie scheint die Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit im Team eine wichtige Rolle in dieser Beziehung, welche in weiteren Studien exploriert werden soll, zu spielen.

Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, und MNC

In der vorliegenden Studie zeigt sich ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen MNC und der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen. Dieser steht im Einklang mit den Ergebnissen anderer Studien. Im integrativen Review von Alsubhi et al. (2020) konnten mehrere Studien auf konsistente Weise darlegen, dass MNC und eine daraus resultierende gefährdete Patient*innensicherheit Faktoren sind, die die berufliche Identität verletzen und die moralische Belastung in Pflegepersonen intensivieren – was dazu führt, dass sie ihre Stelle wechseln bzw. den Pflegeberuf verlassen möchten.

Dass die Mehrzahl unserer Befragten angibt, dass sie häufig daran denken, den Pflegeberuf zu verlassen, ist ein Befund, welcher rezente Untersuchungen zum Thema in Österreich bestätigt. Aktuelle Studien im österreichischen Kontext berichten darüber, dass eine bedeutende Anzahl von Pflegepersonen die Absicht äußert, aus dem Beruf aussteigen zu wollen (zwischen 45 und 61 %, Gferer und Gferer 2021; BMSGPK 2021). Allerdings zeigt unsere Studie einen deutlich höheren Anteil an Personen, welche Gedanken an einen Berufsausstieg äußern. Hier ist ein Haloeffekt im Zusammenhang mit dem Thema MNC sicherlich zu reflektieren. Anzumerken ist, dass die bestehenden österreichischen Studien zur Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, andere theoretische Konstrukte und eine geringere Anzahl an Antwortkategorien herangezogen haben, was die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen erklären könnte. Diese Unterschiede limitieren ebenfalls die Vergleichbarkeit der vorhandenen Ergebnisse. Künftige Untersuchungen sollten in diesem Sinne auf einheitlichen Instrumenten ansetzen und weitere, parallele Kontrollfragen zur deskriptiven Quantifizierung dieses Aspektes verfolgen. Basierend auf Empfehlungen der Sozialforschung zur Gestaltung von Antwortkategorien (Menold und Bogner 2015) sollten hierzu Antwortkategorien verwendet werden, die eine differenziertere Angabe zum Thema ermöglichen.

Einflussfaktoren auf die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen

In Anbetracht der vielfältigen, möglichen direkten und indirekten Einflussfaktoren auf die Absicht, der Pflegeberuf zu verlassen, zeigen MNC und die Zufriedenheit damit, Pflegeperson zu sein, eine hochsignifikante und starke Aussagekraft, was im Hinblick auf eine Risikoeinschätzung über einen Berufsausstieg von ausgesprochener Relevanz ist. Angesichts dessen, dass MNC beeinflussend auf die Arbeitszufriedenheit wirken soll, bestätigt dieses Ergebnis die Argumentation von Ball und Griffiths (2018), welche die Erhebung von MNC als eine wichtige Grundlage für ein Monitoring von Versorgungsqualität und von Outcomes auf der Personalebene sehen. Hierzu bleibt die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung (quantitativ und qualitativ) ein wichtiger Faktor für das Zusammenspiel aller Aspekte (Burmeister et al. 2019; Sasso et al. 2019; Tschannen et al. 2010).

Eine wichtige Feststellung bleibt es, dass DGKP in der direkten Patient*innenversorgung im Vergleich zu anderen Kolleg*innen ein höheres Risiko für einen Berufsausstieg zeigen. Dieses Ergebnis bestätigt die Resultate bestehender Studien, die zeigen, dass Pflegepersonen mit höherem Bildungsstatus, in wechselnden Diensten und in der direkten Patient*innenversorgung häufiger dazu neigen, aus dem Pflegeberuf aussteigen zu wollen (Alsubhi et al. 2020; Tschannen et al. 2010).

Für Pflegepersonen, welche derzeit in nichtwechselnden Dienstzeiten tätig sind (z. B. immer nur tagsüber arbeiten), spielen laut unserer Studie geleistete Stunden, die über die geplante Arbeitszeit hinausgehen, eine besondere Rolle für die Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Literatur, dass Überstunden per se eine Belastung darstellen können (Sharififard et al. 2019) – aber ebenso, dass Pflegepersonen in wechselnden Dienstzeiten über eine bessere Work-Life Balance berichten als Kolleg*innen, die mit gleichbleibenden Dienstzeiten arbeiten (Geiger-Brown und Trinkoff 2010). Der Grund hierfür liegt womöglich darin, dass diese Personengruppe, entsprechend den Arbeitsformen im Krankenhaus, oft durchgehend während den Werktagen (i.e. von Montag bis Freitag) tätig ist. Aus diesem Grund gestaltet sich ein Ausgleich von Überstunden schwieriger als in einem Arbeitszeitmodell mit wechselnden Dienstzeiten und Arbeitstagen.

Bereits Schönherr (BMSGPK 2021) zeigte, dass das Alter eine Rolle für die Erklärung der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, spielen könnte. Er erklärt, dass u. a. „ältere Beschäftigte (…) häufiger den Plan [haben], im Beruf zu verbleiben als Jüngere (…), die den Beruf häufiger wechseln möchten“ (S. 14). Jüngeren Pflegepersonen werden tendenziell bessere Chancen im Arbeitsmarkt im Falle eines Berufswechsels ermöglicht (BMSGPK 2021). Dieses Ergebnis kann aber auch aus Sicht der neuen Bewertung der Arbeitswelt durch jüngere Generationen interpretiert werden: Eine bedeutende Anzahl der Pflegepersonen auf dem aktuellen Arbeitsmarkt gehört den jüngeren Generationen an. Diese zeigen sich weniger bereit, unter belastenden Arbeitsbedingungen zu arbeiten, und streben nach einer anderen Form der Priorisierung von Arbeits- und Lebenswelten. Sie streben nach mehr Flexibilität und Feedback sowie nach geringer Hierarchie und Bürokratie (Chung und Fitzsimons 2013).

Die Argumentation, dass der Pflegeberuf – abseits der Arbeitsmarktchancen und seines sinnstiftenden Charakters – nicht ausreichend attraktiv für einen Verbleib bis zur Pension ist (BMSGPK 2021), wird durch unsere Studie noch einmal mehr verdeutlicht. Sollte das mittelfristige Ziel darin bestehen, eine Versorgungskrise im Gesundheitssystem durch Pflegepersonalmangel zu verhindern, müssen die Arbeitsbedingungen für Pflegepersonen dringend verbessert werden. Hierzu liegen bereits mehrere Orientierungen und Empfehlungen aus Literatur und Expert*innengremien vor (s. hierzu beispielweise Literatur zu Magnetkrankenhäusern, wie dem American Nurses Credentialing Center (2022) Magnet Recognition Program. Analog dazu betonen Sasso et al. (2019), dass Maßnahmen zur Förderung 1) der Arbeitszufriedenheit, 2) der individuellen Karriereplanung und beruflichen Zielerreichung, 3) einer transformationalen Führung, 4) von guten Arbeitsbeziehungen im interprofessionellen Team und 5) der Beteiligung an der Entscheidungsfindung bei strategischen Ausrichtungen der Kliniken den Verbleib im Pflegeberuf von Pflegepersonen auf Allgemeinstation in Krankenhäusern unterstützen können.

Eines wird dabei deutlich: Es geht grundsätzlich darum, dass Pflegepersonen ihre Patient*innen und deren Angehörigen adäquat versorgen können und keine notwendige Versorgung aufgrund unzureichender Arbeitsbedingungen unterlassen müssen. MNC bleibt aufgrund des prädiktiven Charakters eine zentrale Kennzahl für das Monitoring von Entwicklungen in österreichischer Krankenhäusern sowie für die Evaluierung etwaiger Strategien für die Gewinnung und Bindung von Pflegefachpersonen in der direkten Patient*innenversorgung.

Fazit und Ausblick

Es wird eine positive Tendenz zur Arbeitszufriedenheit von Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern in unserer Studie beobachtet – jedoch berichtet der Großteil der Pflegepersonen, dass sie trotzdem über einen Berufsausstieg nachdenken. Beide dieser Aspekte hängen mit Missed Nursing Care zusammen und können als Ergebnisse daraus argumentiert werden: 1) einerseits, weil, wenn Pflegepersonen ihre Patient*innen nicht fachgerecht versorgen können, sie häufiger über Unzufriedenheit berichten; 2) andererseits, weil MNC und die Arbeitsunzufriedenheit, wenn mit anderen belastenden Faktoren, bezogen auf die Arbeitsbedingungen, gepaart, einen Einfluss darauf nehmen, dass Pflegepersonen aus dem Beruf aussteigen wollen. Das Monitoring von MNC ist deshalb für die Steuerung der Entwicklung von Maßnahmen zur Unterstützung der Arbeitszufriedenheit von Pflegepersonen sowie zum Verbleib von Pflegepersonen im Beruf äußerst relevant. Das Messen dieses Phänomens im Zusammenhang mit der Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, unterliegt aber gewissen Herausforderungen und Limitationen. Es ist daher notwendig, das Thema Missed Nursing Care und die Einflussfaktoren darauf mit anderen Methoden weiterführend zu erforschen, wie z. B. durch ethnografische Ansätze, welche dieser komplexen Beziehungen gerecht werden können.