Einführung

Im zweiten Artikel der Publikationsreihe MISSCARE-Austria berichten wir erstmalig über die Patient-to-Nurse Ratio (PtN) und über die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung aus Sicht von Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern. Diese Aspekte nehmen in der Literatur eine besondere Rolle in der Vorhersage von Missed Nursing Care (MNC) und pflegesensitiven Outcomes ein. Das liegt u. a. daran, dass Pflegepersonen, i.e. Personen, welche in der Pflegeassistenz (PA), in der Pflegefachassistenz (PFA) oder in der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege (DGKP) berufstätig sindFootnote 1, die größte Berufsgruppe im akutstationären Bereich des Gesundheitswesens darstellen. Sie machen ca. 60 % des Gesundheitspersonals aus, welches in österreichischen Krankenhäusern beschäftigt ist (Statistik Austria 2021).Footnote 2 Sie sind aufgrund ihrer vielfältigen und spezialisierten Kompetenzbereiche in allen klinischen und organisatorischen Arbeitsprozessen im Krankenhaus involviert und üben hierdurch eine Gatekeeper-Funktion aus (Jones et al. 2015). Hier bieten sie der Bevölkerung ein breites Spektrum an Leistungen in allen Fachrichtungen an, von der Geburt bis zum Lebensende (BGBl. I Nr. 108/1997 2021). Pflegepersonen tragen in diesem Sinne dafür die Verantwortung, eine bestmöglich qualitativ hochwertige pflegerische Versorgung sicherzustellen – und somit das Gesundheitssystem selbst durchgehend aufrechtzuerhalten (International Council of Nurses [ICN] 2018).

Pflegepersonalbesetzung auf Allgemeinstation in österreichischen Krankenhäusern

Die Aufrechterhaltung der akutstationären Versorgung erfordert eine angemessene Personalbedarfsermittlung und den Einsatz einer dementsprechend adäquaten Anzahl qualifizierter Pflegepersonen (ICN 2018). Im österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) ist festgeschrieben, dass im Bereich der akutstationären (inkl. tagesklinischen/tagesambulanten) Versorgung sowie in angrenzenden Versorgungsbereichen „die quantitative Ausstattung mit Personal der verschiedenen Gesundheitsberufe (…) die jeweiligen diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Anforderungen der Patientenversorgung erfüllen [muss]“ (BMGF 2021, S. 111). Im Gegensatz zu bestimmten Fachbereichen (wie z. B. auf der Intensiv- oder Dialysestationen), in denen ein Orientierungsrahmen zur Pflegepersonalbesetzung bereitgestellt wird (s. mehr hierzu unter ÖSG Qualitätskriterien, BMGF 2021), sind für Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern weder Personaluntergrenzen noch andere verbindlichen Vorgaben bezüglich des Pflegepersonalschlüssels bzw. des PflegepersonaleinsatzesFootnote 3 festgelegt (BMGF 2021). Allgemeinstationen werden hierbei als Bettenstationen definiert, die die Versorgung von Patient*innen mit klinisch stabilen Krankheitsbildern übernehmen, wobei keine intensiv-medizinische Behandlung und keine laufende, Monitor gestützte Überwachung von Vitalparametern Monitoren notwendig istFootnote 4.

Entsprechend den Bestimmungen der österreichischen Bundesländer zu den definierten krankenanstaltenrechtlichen Aufgaben, des Bundes-Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (BGBl 1957/1 2021) sowie ergänzenden beruflichen, arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen und weiteren rechtlichen Grundlagen soll auf diesen Stationen durch Pflege- und Krankenhausmanagement ein angemessener Pflegepersonaleinsatz sichergestellt werden (Wabro et al. 2010). Doch wie findet der Pflegepersonaleinsatz statt und inwieweit ist dieser angemessen?

Österreich verfügt – im Vergleich zu anderen Ländern, wie z. B. Deutschland oder der Schweiz (Aiken et al. 2012), wo diese Fragestellung im Interesse der Patient*innensicherheit bereits exploriert wurde – bislang über eine limitierte Datengrundlage über den Einsatz von Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in Krankenhäusern und dessen Angemessenheit. Erste Entwicklungen zur Etablierung einer Datengrundlage zum Einsatz vom Pflegepersonal in Krankenhäusern werden bereits von der Statistik Austria verfolgt. Auch die verfügbaren Berichte der internationalen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum österreichischen Gesundheitswesen liefern wichtige Informationen hierzu (OECD 2021a). Erfasst werden beispielweise Daten zur Anzahl von Krankenanstalten und verfügbaren Betten, zur Anzahl stationärer Aufenthalte oder zur Anzahl von im akutstationären Bereich tätigen Pflegepersonen. Bestehende Berichte, wie z. B. der OECD Health Statistics (2021b), geben Hinweise auf eine Pflegepersonalknappheit im akutstationären Bereich in Österreich und bieten einen Vergleich zu anderen europäischen Ländern (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Verhältnis zwischen Pflegepersonalstellen in Krankenhäusern und Krankenhausbetten (Einheit: Vollzeitäquivalent [VZÄ] pro Krankenhausbett). (Quelle: OECD Health Statistics 2021b; eigene Darstellung)

So ist in der Datenbank der OECD Health Statistics ersichtlich (2021a), dass es im Jahr 2019 in Österreich eine Kapazität von ca. 0,82 Pflegepersonalstellen/Krankenhausbett gab (Nurse-to-Bed Ratio in Vollzeitäquivalent [VZÄ]). Seit dem Jahr 2000 waren kaum Entwicklungen in diesen Zahlen zu bemerken (Nurse-to-Bed Ratio (2000) = 0,75). Im Vergleich zu Ländern mit niedrigeren bzw. vergleichbaren Gesamtgesundheitsausgaben, wie z. B. Irland (1,6 Pflegepersonen [VZÄ]/Krankenhausbett, Gesundheitsausgaben = 7,2 % vom Bruttoinlandsprodukt [BIP]), oder Norwegen (2,3 Pflegepersonen [VZÄ]/Krankenhausbett, Gesundheitsausgaben = 11,3 % vom BIP) (Gesundheitsausgaben in Österreich = 11,5 % vom BIP, OECD 2021c), stellt sich die Anzahl von in österreichischen Krankenhäusern tätigen Pflegepersonen (in VZÄ) pro Krankenhausbett als gering dar.

Bestehende Auswertungen beziehen sich dabei allerdings auf Krankenhausbetten in allen klinischen Bereichen und geben wenig Einblick in die aktuelle Situation auf Allgemeinstationen. Auch die Auswertung von Pflegepersonalstellen pro Krankenhausbett ist für die Einschätzung der derzeitigen Auslastung von Pflegepersonen limitiert, da unklar ist, wie viele diese Personen tatsächlich in der direkten Patient*innenversorgung tätig sind, bzw. für wie viele Patient*innen einzelne Pflegepersonen Verantwortung übernehmen (Simon und Mehmecke 2017). Konkrete Daten aus diesem Bereich sind deshalb für die Einschätzung des Einsatzes vom Pflegepersonal dringend notwendig.

Patient-to-Nurse Ratio: ein Maß für die Auslastung vom Pflegepersonal

Das Maß Patient-to-Nurse Ratio (PtN) bezieht sich auf die Anzahl der Patient*innen, welche eine Pflegeperson in ihrem Dienst durchschnittlich versorgt. Hierdurch werden Rückschlüsse auf die quantitative Auslastung von Pflegepersonalressourcen im Krankenhaus möglich (Aiken et al. 2012; Simon und Mehmecke 2017). Die Interpretation der vorhandenen Personalressourcen und deren Einsatz im Rahmen der Qualitätssicherung ist somit aussagekräftiger als bei anderen Maßen, wie z. B. bei der Nurse-to-Bed RatioFootnote 5 (Staflinger 2019) – auch wenn das Maß PtN keine konkreten Angaben über die qualitative Intensität oder Komplexität der zu versorgenden Patient*innen selbst beinhaltet (Simon und Mehmecke 2017).

Die PtN wird u. a. durch die Erhebung der gesamten Anzahl der verfügbaren Pflegepersonen und der zu versorgenden Patient*innen auf einer Station ermittelt. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis dieser zwei Parameter und wird entweder für spezifische Tageszeiten, pro Dienstformen (z. B. Tag‑, Spät- oder Nachtdienst) oder pro Tag kalkuliert (Aiken et al. 2012; Simon und Mehmecke 2017; Staflinger 2019). Unterschiedliche Empfehlungen zur Berechnung von PtN – z. B. nach Krankenhaus und Stationscharakteristika sowie Qualifikation der Pflegepersonen – sind aus gesundheitspolitischen Orientierungen sowie aus der Forschung bekannt (Welton et al. 2006; Aiken et al. 2012; McHugh et al. 2021).

Im Rahmen der RN4CAST-StudieFootnote 6 wurde in Europa eine erste Datengrundlage zur PtN geschaffen und ein Ländervergleich verfolgt (Aiken et al. 2012) (Tab. 1). Die Ergebnisse zeigten damals eine hohe Variation innerhalb der meisten Länder auf (i.e. Krankenhäusern innerhalb eines Landes zeigten sehr unterschiedliche PtN-Werte). Erhebliche Unterschiede zeigten sich im Vergleich zwischen den jeweiligen europäischen Ländern. Der deutschsprachige Raum wies hier eine große Heterogenität auf: während in Deutschland eine PtN von durchschnittlich 11 Patient*innen/Pflegeperson ermittelt wurde, zeigte die Schweiz eine PtN von durchschnittlich 5 Patient*innen/Pflegeperson auf. Österreich hat sich an dem Projekt nicht beteiligt.

Tab. 1 PtN in ausgewählten europäischen Ländern bei der RN4CAST Studie, Durchschnitt aller Schichten (2012). (Quelle: Aiken et al. 2012; eigene Darstellung)

Die Relevanz einer regelmäßigen Erhebung und Interpretation der PtN-Werte als Grundlage der Gesundheitsversorgungsplanung und der Einschätzung der Qualität akutstationärer Pflege verdeutlich sich, wenn man die dazu bestehende Studienlage näher betrachtet. Es zeigt sich eine robuste, internationale Evidenz bezüglich signifikanter Zusammenhänge zwischen einer niedrigeren PtN und einer niedrigeren, risikoadjustierten Patient*innensterblichkeit im Krankenhaus (Aiken et al. 2018; ICN 2018). Zuletzt wurde in einer australischen Studie erneut dargestellt, dass die Anzahl der stationären Wiederaufnahmen und die stationäre Aufenthaltsdauer mit dem Einsatz von mehr Pflegepersonal pro Patient*innen deutlich reduziert werden können (McHugh et al. 2021).

Einige Länder ziehen daraus bereits eine klare Konsequenz und verwenden die PtN als Orientierungsrahmen zur Planung von Personaleinsatz und zur Einschätzung von Personalangemessenheit (ICN 2018). So wird beispielsweise im Bundesstaat Kalifornien (Vereinigte Staaten von Amerika) eine Ratio von 1:5 Pflegepersonen/Patient*innen (PtN = 5) für Allgemeinstationen mit operativen und/oder konservativen Schwerpunkten definiert. In Kanada variiert dieser Wert zwischen 1:3 und 1:4 Pflegepersonen/Patient*innen (PtN = 3–4; Sharma und Rani 2020). Im Rahmen der Personaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) wurde in Deutschland die maximale Anzahl von Patient*innen pro PflegepersonFootnote 7 beschränkt und gesetzlich verankert (BGBl. I S. 2357 2020): Für die konservativen und operativen Allgemeinstationen beträgt die PtN jeweils am Tagdienst 7 bis 10 Patient*innen/Pflegepersonen und am Nachtdienst 15 bis 22. Diese Vorgaben beziehen sich allerdings auf PtN aus der Perspektive der verfügbaren Personalressourcen auf einer Station – und geben deshalb noch keine Ankunft über den tatsächlichen arbeitsorganisatorischen Einsatz bzw. über die individuelle quantitative Auslastung der in diesem Setting tätigen Pflegepersonen an.

Internationale Erfahrungen zeigen mittelfristige finanzielle Vorteile für Krankenhausträger und für das Gesundheitssystem i. Allg., eine verbesserte Pflegepersonalausstattung und – am wichtigsten – bessere klinische Ergebnisse für Patient*innen (ICN 2018; Rosenberg 2021). Die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, basierend auf umfassenden und konsistenten Datensätzen, für das Aufzeigen möglicher Zusammenhänge zwischen der Personalbesetzung, der impliziten Rationierung und der Pflegequalität wird in systematischen Reviews dennoch stark betont (Olley et al. 2019).

Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung und Missed Nursing Care

Wie bereits angeführt: Es sind nicht nur finanzielle Vorteile mit einer niedrigeren PtN verbunden. Denn, wenn die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung durch eine adäquate Anzahl (und u. a. Qualifikation) an Pflegepersonal sichergestellt ist, treten Komplikationen in der Versorgung von Patien*innen weniger häufig auf (Griffiths et al. 2018; ICN 2018). Das Zusammenspiel von vorhandenen Personalressourcen und Patient*innen-Outcomes wird u. a. durch implizite Rationierung bzw. das Phänomen von MNC erklärt (Kalisch et al. 2009).

Kalisch (2006) definiert MNC als jegliche Pflegetätigkeit, bezogen auf die erforderliche Patient*innenversorgung, die entweder zur Gänze oder teilweise weggelassen bzw. mit einer nachteiligen Verzögerung durchgeführt wird. In der Literatur zu MNC begründet, zeigt sich, dass die fehlende Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung einer der wichtigsten Faktoren für MNC darstellt (Griffiths et al. 2018). Dies passiert v. a., wenn weniger Pflegepersonen im Team zur Verfügung stehen und sie deshalb die Verantwortung für eine höhere Anzahl von Patient*innen übernehmen müssen. Um diese Ressourcenknappheit zu managen, müssen sie oftmals nicht nur Prioritäten setzen, sondern auch erforderliche pflegerische Interventionen unterlassen (Kalisch et al. 2009; Griffiths et al. 2018).

Die inadäquate Pflegepersonalbesetzung wird somit als wesentlicher Auslöser von MNC betrachtet. Ihr Einfluss auf MNC soll nun auch anhand der vorliegenden Studie konkret für österreichische Krankenhäuser gezeigt werden.

Zielsetzung

Ziel dieses Artikels ist es, eine erste Datengrundlage zum Einsatz von Pflegepersonalressourcen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern mittels PtN vorzustellen. Auf Basis dieser Grundlage wird die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung aus Sicht von Pflegepersonen dargelegt und ihr Einfluss auf Missed Nursing Care diskutiert. Folgende Forschungsfragen wurden, aus diesen Zielen abgeleitet, formuliert:

  1. 1.

    Für wie viele Patient*innen sind Pflegepersonen auf Allgemeinstation in österreichischen Krankenhäusern durchschnittlich pro Dienst verantwortlich (PtN)?

  2. 2.

    Unterscheidet sich die PtN auf Allgemeinstation in österreichischen Krankenhäusern nach Dienstzeiten, Krankenhauscharakteristika, Stationsschwerpunkt oder nach Berufsgruppe in der Pflege?

  3. 3.

    Wie schätzen Pflegepersonen die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung auf Allgemeinstation in österreichischen Krankenhäusern ein?

  4. 4.

    Welcher Einfluss hat PtN und die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung auf MNC? Unterscheidet sich der Einfluss von PtN und von der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung (unabhängige Variablen) auf MNC (abhängige Variable) je nach Dienstzeiten, Krankenhauscharakteristika, Stationsschwerpunkt oder nach Berufsgruppe in der Pflege (Kontrollvariablen)?

Methode

Studiendesign

Die MISSCARE-Austria-Studie ist eine quantitative deskriptiv-komparative Querschnittstudie mittels online-Befragung. Hier werden PtN und Angemessenheit der Personalbesetzung aus Sicht von Pflegepersonen deskriptiv dargestellt (deskriptive Studie) und nach Dienstzeiten, Krankenhauscharakteristika, Stationsschwerpunkt oder nach Berufsgruppe in der Pflege analysiert (komparative Studie). Des Weiteren werden Einflüsse auf MNC anhand der oben genannten Variablen exploriert und getestet (komparative Studie).

Setting

Setting der Studie waren konservative und/oder operative Allgemeinstationen für Erwachsenen in österreichischen Krankenhäusern. Die Rekrutierung für die Studie begann im April 2021. Die Studie fand zwischen Mai und Juli 2021 statt.

Zielgruppe und Rekrutierung

Grundgesamtheit der Studie umfasst alle Pflegepersonen, die auf konservativen und/oder operativen Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern zum Zeitpunkt der Erhebung tätig waren. Einschlusskriterien waren (1) eine Eintragung im Gesundheitsberuferegister als professionell Pflegende und (2) eine derzeitige berufliche Tätigkeit (3) in der direkten Patient*innenversorgung (4) auf einer konservativen oder operativen Allgemeinstation für Erwachsenen in einem österreichischen Krankenhaus. Kontrolliert wurden diese mittels Filterfragen. Die Rekrutierung erfolgte österreichweit über Pflegeausbildungsstätten und social media mittels Schneeballverfahren. Ein Votum der Ethikkommission der Universität Wien liegt vor (00684/2021). Alle Studienteilnehmer*innen gaben vor der Teilnahme ihre informierte Einwilligung. Die Datenerhebung erfolgte in anonymisierter Form.

Variablen

Interessenvariablen unserer Studie waren die durchschnittliche PtN (in durchschnittliche Anzahl von Patient*innen pro Pflegeperson pro Dienst, über die verschiedenen Dienstzeiten hinaus), die PtN nach Dienstzeiten (in durchschnittliche Anzahl von Patient*innen pro Pflegeperson, in Tag- und Nachtdienst aufgeteilt), Krankenhauscharakteristika (Lokalisation, Typ und Größe), der Stationsschwerpunkt (konservativ und/oder operativ), die Berufsgruppe in der Pflege (i.e. PA, PFA oder DGKP), die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung und MNC. In unserer Studie bezieht sich PtN auf die durchschnittliche, individuelle, quantitative Auslastung der befragten Personen auf ihrer Station und wurde durch folgende Frage erhoben: Für wie viele Patient*innen sind Sie durchschnittlich pro Dienst verantwortlich? (Bestehende Patient*innen plus Aufnahmen und Entlassungen). Zusätzlich konnten Befragte eine Angabe zur ihren durchschnittlichen PtN bei Tag- und bei Nachtdiensten machen sowie ihre durchschnittliche Anzahl an Patient*innenaufnahmen und Entlassungen an WerktagenFootnote 8 angeben. Die Krankenhauslokalisation wurde entsprechend Blackman et al. (2018) in ländlich und städtisch definiert. Krankenhaustyp wurde entsprechend dem österreichischen Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (BGBl. Nr. 1/1957 2021) in öffentlich, gemeinnützig und privat operationalisiert. Für die Definition von Antwortkategorien für die Variable Krankenhausgröße wurde Bezug auf die Arbeit von Gessl (2011) zur optimalen Größe von Krankenhäusern in Österreich genommen. Der Stationsschwerpunkt und die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung wurden entsprechend Kalisch und Williams (2009) erhoben. Zur Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung wurde die Frage gestellt: Wie oft in den vergangenen 3 Monaten war Ihrer Meinung nach die Personalbesetzung auf Ihrer Station angemessen? (Antwortkategorien: 1 „immer“, 2 „oft“, 3 „selten“ und 4 „nie“). Auf Basis einer Itembatterie zur Häufigkeit von Weglassen einzelner Pflegeinterventionen wurde MNC gemessen (i.e. die Sektion A; 30 Items gemessen in einer 6‑stufigen Endpunkteskala von 1 :„sehr selten“ bis 6 :„sehr oft“) (s. Artikel 1 unserer Publikationsreihe oder Anhang, Tab. 5).

Datenerhebung und Analyse

Als Instrument für die Datenerhebung wurde die österreichische Version des Revised MISSCARE Survey (Cartaxo et al. in Vorbereitung) herangezogen. Alle beschriebenen Variablen wurden mit diesem Fragebogen erhoben. Ein quantitativer Pretest des Instruments zeigte eine hohe Akzeptanz (durchschnittlich 1,3 fehlende Antworten/Befragte (SD = 6,3) und eine Ausfüllzeit von ca. 13 min) und eine gute interne Konsistenz (ω zwischen 0,954 und 0,806) (Cartaxo et al. in Vorbereitung). Eine explorative Faktorenanalyse mittels Hauptachsenanalyse und Quartimax-Rotation ergab eine 3‑faktorielle Lösung, die den in Dabney et al. (2019) beschriebenen Ergebnissen ähnelt. Eine gemeinsame Prüfung des Instruments mit der Erstentwicklerin und mehrfache kognitive Tests bestärken die funktionale Äquivalenz des Instruments gegenüber dem Original (Cartaxo et al. in Vorbereitung).

Die Datenanalyse erfolgte mittels Berechnung von Mittelwert (M) und Standardabweichung (SD), gefolgt von schließender Statistik mittels Korrelationskoeffizienten sowie nichtparametrischen Gruppenunterschieden (bei der abhängigen Variable PtN) und einem univariaten mehrfaktoriellen Varianzanalysemodell (ANOVA) (bei der abhängigen Variable MNC).

ANOVA-Modelle ermöglichen den Vergleich von Mittelwerten einer abhängigen Variable zwischen Gruppen einer oder mehrerer unabhängiger Variablen (Backhaus et al. 2018). Diese Vorgehensweise dient der Aufdeckung möglicher Einflüsse von PtN und der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung auf MNC. Zudem können spezifische Unterschiede in den beobachteten Einflüssen nach Stations- und Krankenhauscharakteristika sowie nach verschiedenen Berufsgruppen in der Pflege untersucht bzw. kontrolliert werden.

In Vorbereitung auf die Modellberechnung wurde MNC als abhängige Variable aufbereitet. Hierfür wurde die ursprüngliche Itembatterie der Sektion A in einem Mittelwertindex MNC zusammengefasst, bestehend aus dem Mittelwert aller eingegebenen Werte in der Sektion A (Anhang, Tab. 5). Krankenhauscharakteristika, Stationsschwerpunkt, Berufsgruppe in der Pflege, Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung und PtN wurden als unabhängige Variablen (i.e. Faktoren) definiert. Interaktionen zwischen unabhängigen Variablen wurden geprüft. Die statistische Signifikanz wurde auf α = 0,05 gelegt. Fehlende Werte wurden paarweise (beschreibende Statistik) und listenweise (schließende Statistik) ausgeschlossen.

Ergebnisse

Insgesamt haben sich 1006 Pflegepersonen an der MISSCARE-Austria-Studie beteiligt und die Einschlusskriterien erfüllt. Die Stichprobe kann hinsichtlich der Verteilung der Merkmale Arbeitszeitverhältnis, Geschlecht und Funktion (i.e. DGKP, PFA und PA) entsprechend den Daten des Gesundheitsberuferegisters für die Grundgesamtheit als repräsentativ betrachtet werden (BMSGPK 2021; Statistik Austria 2021; Holzweber et al. 2021). Nach Überprüfung ihrer Funktion auf der Station konnten 846 Personen in die Datenanalyse einbezogen werden. 88,6 % der Befragten waren Frauen (n = 746), und 56,5 % waren jünger als 35 Jahre (n = 375). Diese Personen gaben eine Information über relevante Krankenhaus- und Stationscharakteristika an (Tab. 2). Hier ist ersichtlich, dass die Befragten auf Stationen mit durchschnittlich 29 Betten (SD = 12,0) tätig waren. Im Durchschnitt wurden hier täglich ca. 30 Patient*innen (SD = 13,1) versorgt. Die befragten Pflegepersonen berichten über eine durchschnittliche Häufigkeit von MNC über alle Typen von Pflegetätigkeiten hinaus (Mittelwertindex MNC: M = 2,9; SD = 1,0; Median = 3) (Anhang, Abb. 6).

Tab. 2 Krankenhaus- und Stationscharakteristika

Die berechnete PtN beträgt im Durchschnitt 18,4 Patient*innen/Pflegeperson (SD = 10,1; Median = 17,5; nicht normalverteilt), wobei ein deutlicher statistisch signifikanter Unterschied zwischen Tag- (M = 15,3; SD = 10,0; Median = 14) und Nachtdienst (M = 21,6; SD = 11,0; Median = 20) beobachtbar ist. In der letzteren Dienstzeit waren Pflegepersonen für durchschnittlich 6 Patient*innen mehr verantwortlich (Wilcoxon-Test bei verbundenen Stichproben: z = 17,195; p < 0,001). An Werktagen waren sie jeweils durchschnittlich für 7 (SD = 5,9) bzw. 6 (SD = 4,1) Patient*innenaufnahmen und -entlassungen zuständig (Tab. 3). Eine detaillierte Gegenüberstellung von PtN nach Krankenhaus und Stationscharakteristika sowie nach Pflegeberufsgruppe wurde berechnet (Anhang, Tab. 6).

Tab. 3 Stationsgröße, Patient*innenanzahl auf der Station und PtN

PtN nach Krankenhauscharakteristika

Werden Krankenhauscharakteristika wie Lokalisation, Typ und Größe betrachtet, lässt sich Folgendes feststellen (Abb. 2a–c): In städtischen (M = 14,5; SD = 7,4), öffentlichen und größeren Krankenhäusern (jeweils M = 15,0; SD = 8,2) berichten die Befragten über einen niedrigeren PtN-Wert am Tagdienst.

Abb. 2
figure 2

Durchschnittliche PtN, differenziert nach Krankenhauscharakteristika

Unterschiede im durchschnittlichen PtN-Wert nach Krankenhauslokalisation und -größe stellen sich als statisch signifikant dar (jeweils mit z = −4,035; p < 0,001 und H [2] = 6,143; p = 0,046). Ein Unterschied zwischen Krankenhäusern mit bis zu 300 Betten und mit mehr als 500 Betten ließ sich durch paarweise Vergleiche feststellen. Die Unterschiede bezüglich des durchschnittlichen PtN-Wertes je nach Krankenhaustyp weisen jedoch keine statistische Signifikanz auf (H [2] = 4,579; p = 0,101).

PtN nach Stationsschwerpunkt

Im Vergleich zwischen operativen, konservativen und Stationen mit beiden Schwerpunkten lässt sich feststellen, dass Pflegepersonen auf operativen Stationen durchschnittlich die meisten Patient*innen versorgen (M = 19,3; SD = 12,5) (Abb. 3). Ein Unterschied zwischen Stationen mit konservativen (M = 17,9; SD = 9,6) und Stationen mit beiden Schwerpunkten (M = 18,4; SD = 7,2) stellt sich als gering dar. Diese Unterschiede sind nicht statistisch signifikant (H [2] = 5,468; p = 0,065). Demnach unterscheiden sich die PtN-Werte, bezüglich des Stationsschwerpunkts, mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % nicht.

Abb. 3
figure 3

PtN nach Schwerpunkt der Station

Unterschiede zwischen Tag- und Nachtdienst bleiben konsistent mit den in den vorhergegangenen Unterkapitel beschriebenen Daten: Circa 5 bis 7 Patient*innen mehr müssen Pflegepersonen im Nachtdienst durchschnittlich versorgen, je nach Schwerpunkt ihrer Station.

PtN nach Berufsgruppe in der Pflege

DGKP weisen in unserer Studie als Berufsgruppe den niedrigsten durchschnittlichen PtN-Wert auf (M = 18,2; SD = 10,3) (Abb. 4). Zwischen PA und PFA erscheint der Unterschied in der Anzahl der versorgten Patient*innen pro Dienst nicht bedeutend. Ergebnisse eines Kruskal-Wallis-Tests zur Prüfung dieser Interpretation zeigen sich statistisch signifikant (H [2] = 10,596; p = 0,005). Die PtN unterscheiden sich mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % nach Berufsgruppe in der Pflege: DGKP sind die Berufsgruppe, welche für eine niedrigere Patient*innenanzahl Verantwortung trägt.

Abb. 4
figure 4

PtN nach Funktion auf der Station

Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung

Wenn nach der Häufigkeit der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung auf den Stationen gefragt wird, berichten 67,8 % (n = 572), dass die Pflegepersonalbesetzung in den letzten 3 Monaten selten oder nie angemessen war. Lediglich 3,6 % (n = 30) der Befragten meldeten zurück, dass auf ihrer Station die Pflegepersonalbesetzung immer angemessen war (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung

Die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung hängt sowohl mit dem durchschnittlichen PtN-Wert (ρ = 0,205; p < 0,001; n = 837) als auch mit dem berechneten Mittelwertindex MNC (r = 0,449; p < 0,001; n = 842) zusammen. Diese Beziehung ist statistisch hochsignifikant. Pflegepersonen, die für weniger Patient*innen Verantwortung tragen, berichten über eine bessere Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung. Im Rückschluss hängt eine schlechte Einschätzung der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung unseren Daten nach mit einer höheren durchschnittlichen Häufigkeit an weggelassenen Pflegetätigkeiten – MNC (i.e. mit einem höheren Mittelwertindex MNC) – zusammen.

Einfluss auf Missed Nursing Care

Im Vorfeld der Datenmodellierung wurde die metrische Variable PtN, entsprechend der beobachteten Verteilung der Daten, in 4 Kategorien unterteilt: 1 „bis 10 Patient*innen/Dienst“, 2 „11 bis 20 Patient*innen/Dienst“, 3 „21 bis 30 Patient*innen/Dienst“ und 4 „> 30 Patient*innen/Dienst“. Der Mittelwertindex MNC wurde danach allen unabhängigen Variablen deskriptiv gegenübergestellt (Anhang, Tab. 7).

Folglich wurden die notwendigen Voraussetzungen für die Durchführung einer univariaten multifaktoriellen ANOVA geprüft. Die metrische Variable Mittelwertindex MNC hat sich in unserer Studie als annähernd normalverteilt dargestellt (Anhang, Abb. 7). Zudem zeigte sich die Prüfung auf Varianzhomogenität von Mittelwertindex MNC über die Gruppen der unabhängigen Variablen als nicht signifikant (Levene-Test[288, 521] = 1,046; p = 0,327). Alle Gruppen umfassten mehr als 30 Beobachtungseinheiten (ausgenommen die Gruppe der Pflegepersonen in privaten Krankenhäusern). Die Voraussetzungen für die ANOVA waren somit großteils erfüllt.

Das Haupteffektenmodell zeigt sich statistisch signifikant (F = 15,580; p < 0,001). Sein gesamter Erklärungsbeitrag ist moderatFootnote 9 (ca. 24 % der gesamten Varianz in MNC wird durch das Modell erklärt [korrigiertes R2]; Cohen 1988), und die Variablen Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung (Personal) und PtN (in Klassen) spielen eine wichtige Rolle für die Erklärung von MNC (mit jeweils p < 0,001 und p = 0,009). Die nach Cohen (1992) umgerechneten partiellen Eta-QuadrateFootnote 10 ergeben einen starken Effekt auf den Mittelwertindex MNC für die Variable Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung (ηp2 = 0,185; f = 0,48) (Tab. 4). Hochberg-GT2-Post-hoc-TestsFootnote 11 zeigen hier, dass Unterschiede im Mittelwertindex MNC zwischen allen Untergruppen der Variable Angemessenheit Personal statistisch signifikant sind – jedoch nicht zwischen den Personen, die ihre Antworten bezüglich einer angemessenen Personalbesetzung den Aussagen „immer“ oder „oft“ zuordnen (p = 0,213). Post-hoc-Tests, bezogen auf die Variable PtN (in Klassen), zeigten ebenfalls, dass der durchschnittlich Wert des Mittelwertindex MNC ab einer PtN höher als „10 Patient*innen/Dienst“ eindeutig höher ist.Footnote 12

Tab. 4 Unterschiede in Mittelwertindex MNC nach Krankenhaus- und Stationscharakteristika sowie Pflegepersonalressourcen

Bei der Prüfung auf Interaktionseffekte wurden im Rahmen der Datenmodellierung keine statistisch signifikanten Interaktionen gefunden. Das Modell zeigt auf, dass der Schwerpunkt der Station, die Lokalisation, der Typ und die Größe des Krankenhauses bzw. deren Interaktion mit PtN in unserer Stichprobe keine ausreichende Rolle in der Erklärung von MNC spielen. Insbesondere die Abwesenheit von einer Interaktion zwischen der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung und PtN (p = 0,995) verdeutlicht, dass diese durch PtN nicht ausreichend moderiert wird: Der Einfluss von der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung auf MNC ändert sich beim Vorhandensein unterschiedlicher PtN-Werte nicht.

Diskussion

Im Rahmen unserer Erhebung konnte ein Einfluss der PtN und der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung auf das Phänomen der MNC nachgewiesen werden. Wie in der Problemstellung dargelegt, bestärken diese Ergebnisse die bestehenden Erkenntnisse darüber, dass ein unzureichender Pflegepersonaleinsatz mit einem höheren Grad an unterlassener Patient*innenversorgung einhergeht (Aiken et al. 2012, 2018; Griffiths et al. 2018; McHugh et al. 2021). In Versorgungsteams, die nicht über eine ausreichende Anzahl an Pflegepersonal verfügen, führt dies zu Situationen, in denen Aspekte der Patient*innenversorgung weggelassen werden, um das Arbeitsaufkommen zu bewältigen. Konkrete Auswirkungen auf personal- und patient*innenbezogene Outcomes im Bereich von Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern sind derzeit unbekannt.

In dieser Studie wurden erstmalig Daten zum Pflegepersonaleinsatz auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern mittels der Patient-to-Nurse Ratio aus der Perspektive von Pflegepersonen erfasst. Der in diesem Rahmen ermittelte Mittelwert zur PtN liegt, mit 18 zugeteilten Patient*innen/Pflegeperson (i.e. DGKP, PFA und PA miteinbegriffen und ohne Berücksichtigung der Dienstzeiten), in einem deutlich hohen Bereich.

Insbesondere im internationalen Vergleich, z. B. mit Ländern, wie Deutschland (PtN [Patient*innen /alle Pflegeberufe] = 10,5), erlangt diese Aussage eine hohe Relevanz. Länder, wie Norwegen, Irland oder die Schweiz, schnitten in der RN4CAST-Studie 2012 am besten ab und reihen sich mit den international niedrigsten PtN-Werten von jeweils von 3,3 und 5 weit entfernt von den in unserer Untersuchung beobachteten Werten ein (Aiken et al. 2012). Dieser Vergleich ist jedoch als kritisch zu betrachten. Die erfassten europäischen Länder unterscheiden sich stark in der Struktur und Finanzierung ihrer Gesundheitssysteme, aber auch in der Qualifikation und in Skill- und Grade-Mix der Pflegeteams in der akuten Versorgung. Obwohl sich die Werte unserer Erhebung mit den Werten der RN4CAST-Studie – bedingt durch Unterschiede in Studiendesign und Berechnungsmethoden sowie durch den großen Zeitabstand zwischen den Datenerhebungen der Studien – nicht in einen direkten Vergleich setzten lassenFootnote 13, sind die aufgezeigten Differenzen im Kontext der bestehenden internationalen Datenlage (Abb. 1; OECD 2021b) als konsistent zu interpretieren: Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern sind im Durchschnitt für eine auffallend hohe Anzahl an Patient*innen verantwortlich.

Die Unterschiede in der Pflegepersonalbesetzung zwischen Tag- und Nachtdienst ließen sich in unserer Studie flächendeckend beobachten, unabhängig von Krankenhauscharakteristika und von der Pflegeberufsgruppe. Diese Unterschiede sind in Anbetracht der bereits umfänglich beforschten, negativen personal- und patient*innen-bezogenen Outcomes in Assoziation mit Nachtdiensten, wie z. B. erhöhter Fatigue und erhöhter Fehleranfälligkeit beim Medikationsmanagement, zu reflektieren (Di Muzio et al. 2019). Die Relevanz der Pflegepersonalkapazität während des Nachtdienstes ist deutlich: Pflegepersonen stellen oftmals die einzige Berufsgruppe dar, die auf Allgemeinstationen im Krankenhaus auch während des Nachtdienstes durchgehend anwesend ist. In diesem Kontext übernehmen sie Verantwortung für wesentliche Tätigkeiten, wie Medikamenten- und Symptommanagement, Risikomonitoring und Risikoprophylaxe, als auch ungeplante Tätigkeiten autonom (Saiani et al. 2010) – und benötigen eben deshalb, analog zur Tagdienststruktur, eine angemessene Anzahl an Pflegepersonal und einen geeigneten Qualifikationsmix innerhalb der Teambesetzung.

Unabhängig von den Dienstzeiten weisen in unserer Studie die Ergebnisse zur Einschätzung der Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung aus der Perspektive von Pflegepersonen auf eine prekäre Personalsituation hin: Mehr als zwei Drittel der Befragten betonen, dass die Besetzung auf ihrer Station in den letzten 3 Monaten nie oder nur selten angemessen war. Systematische Reviews zu MNC zeigen konsistent auf, dass eine angemessene Pflegepersonalbesetzung (unter Berücksichtigung einer sowohl qualitativen als auch quantitativen Personalausstattung) eine grundlegende Voraussetzung für die Vermeidung von negativen Patient*innen-Outcomes darstellt (Griffiths et al. 2018). In diesem Sinne gilt es, diese Ergebnisse hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Sicherheit der Patient*innenversorgung in nachfolgenden Untersuchungen zu explorieren.

Der Handlungsbedarf, im Hinblick auf eine Verbesserung der PtN-Werte und Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern, wird durch diese Untersuchung verdeutlicht. International wurde das Verhältnis zwischen PtN und strukturellen und finanziellen Ressourcen bereits aufgezeigt: Die PtN in der akuten Versorgung stellte sich als umgekehrt proportional zum Bruttoinlandsprodukt eines Landes dar (Mezgebu et al. 2021). Angesichts unserer Ergebnisse und dieses Zusammenhangs ist die weitere Exploration dieser Situation in Österreich – als Land mit einer der höchsten Krankenhausbettendichte (OECD 2021a) und eine der höchsten Gesundheitsausgaben (in Prozent der BIP) in Europa (OECD 2021c) – anzustreben.

Die Anzahl der verfügbaren Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern scheint sich, wenn auch nur langsam, zu verbessern (OECD 2021b). Von den Zahlen in vielen anderen europäischen Ländern ist sie dabei jedoch noch weit entfernt. Auch wenn die Argumentation der knappen Verfügbarkeit von Pflegepersonen im Arbeitsmarkt eine immediate Argumentationslinie hierfür anbietet (Famira-Mühlberger und Firgo 2019), weist die Persistenz dieser Situation auf eine deutliche Notwendigkeit für eine andere strategische Planung zur Situation der professionellen Pflege hin.

Hier bleibt es äußerst relevant, dass Pflegewissenschaftler*innen und Manager*innen einen konzeptuellen Rahmen entwickeln, der in der Lage ist, (1) einerseits eindeutige Empfehlungen für eine angemessene quantitative und qualitative Pflegepersonalbesetzung anhand empirischer Evidenz zu untermauern (u. a. unter Berücksichtigung der Kompetenzen im Pflegeteam sowie der Komplexität und Spezialisierungsanforderungen der Patient*innensituationen), und (2) andererseits die Umsetzung dieser Empfehlungen in der Praxis bzw. das Monitoring der Pflege-Arbeitskapazität und Pflege-Qualität anhand Kennzahlen zu orientieren.

Fazit und Ausblick

Die erste Erhebung zu Missed Nursing Care auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern hat gezeigt, dass Pflegepersonen auf Allgemeinstation in österreichischen Krankenhäusern im internationalen Vergleich eine hohe Anzahl an Patient*innen versorgen und die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung großteils als unzureichend einschätzen. Beide Aspekte wirken sich auf MNC aus. Die Verwendung von PtN als explizite Zahl zur Einschätzung von Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung in Österreich kann vor diesem Hintergrund eine hilfreiche Grundlage und Orientierung bieten. Es gilt zu überlegen, ob die Erhebung von PtN, unter Berücksichtigung der Arbeitsaufteilung und aus Sicht der einzelnen Pflegepersonen, auch einen Mehrwert für die bestehende Diskussion zur Pflegepersonalauslastung und Bedarfsberechnung mit sich bringen kann.

Aus diesen Kennzahlen ergibt sich nun der Bedarf, diese in den Kontext von Daten zu den Outcomes und Auswirkungen von MNC auf der Personalebene zu setzen. Denn es sind nicht nur die Anzahl und die Angemessenheit der verfügbaren Pflegepersonen für die Prävention von MNC von Relevanz – vielmehr geht es auch um die Anzahl von Pflegepersonen, die mit ihrem Beruf zufrieden sind und diesen weiterhin ausüben bzw. in diesem Praxisbereich bleiben möchten. Einen Einblick in die Arbeitszufriedenheit und in die Absicht, den Pflegeberuf verlassen zu wollen, aus Perspektive von Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern als mögliche Konsequenzen von MNC erhalten Sie deshalb im nächsten Artikel unserer Publikationsreihe MISSCARE-Austria.