Hintergrund

Die Pflegevisite (PV) wird in Deutschland seit über 2 Jahrzehnten thematisiert. Bereits 1978 wurde eine Form der PV auf Intensivstationen erwähnt (Panka 2013, S. 39). In den darauffolgenden Jahren folgten dann verschiedene Ansätze und Ausführungen in der Praxis. Diese differenzieren sich z. T. zwischen Krankenhäusern, die in Deutschland der Gesetzgebung im Sozialgesetzbuch V (SGB V), und ambulanten sowie stationären Einrichtungen der Langzeitpflege, die dem Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) unterliegen. Die PV ist in ambulanten und stationären Einrichtungen des SGB XI ein bekanntes und vielseitig genutztes Instrument der Qualitätskontrolle in der Pflege. Anhand von z. B. in unterschiedlichen Intervallen geführten Gesprächen zwischen Bewohnerschaft und Führungskräften soll auf diesem Weg u. a. evaluiert werden, ob die Pflege zufriedenstellend durchgeführt wird (Flach 2012). Außerdem kann im Rahmen der PV z. B. überprüft und sichergestellt werden, ob Expertenstandards in der Praxis umgesetzt werden (Blumenberg und Büscher 2017). In Krankenhäusern, welche dem SGB V unterliegen, findet die PV eine deutlich geringere Anwendung. So fanden Görres et al. (2002) heraus, dass in Deutschland bei nur 31 % der befragten Krankenhäuser in 5 Bundesländern eine PV implementiert war. Als Ursache für die geringere Verbreitung wurde u. a. der hohe zeitliche Aufwand genannt (Görres et al. 2002).

Es gibt verschiedene Begriffsdefinitionen und Einsatzmöglichkeiten für eine PV im Krankenhaus. Heering und Heering (1994) erstellten z. B. die Definition: „Pflegevisite ist ein regelmäßiger Besuch bei und ein Gespräch mit der Klientin über ihren Pflegeprozess“. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hingegen bezeichnet die PV u. a. als ein „… flexibles Instrument zur Überprüfung der Umsetzung des Pflegeprozesses sowie der Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität …“ (Panka et al. 2010, S. 2). Somit können die Ziele einer PV, je nach Einsatz und Umsetzung in der Praxis, sehr unterschiedlich sein.

Auf einer Intensivstation hat die Umsetzung der PV noch einmal einen anderen Rahmen. Viele der erkrankten Personen sind, wenn z. T. auch nur vorübergehend, nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, verbal oder nonverbal an einer PV teilzunehmen. Dennoch bietet die PV sehr viele Vorteile. Beispielhaft sind dazu die Patientenorientierung bzw. Patientenzentrierung und Qualitätssicherung in der Pflege zu nennen. Pflegende können gleichermaßen von einer kollegial-beratenden Unterstützung profitieren (Kaltwasser et al. 2015; Krüger und Ramos y Soto 2018).

International wird die PV auf der Intensivstation ebenfalls beschrieben. Während der PV werden Themen wie beispielsweise die Positionierung von Patienten, psychologische Unterstützung von Angehörigen sowie Kommunikation identifiziert und gemeinsame Lösungen erarbeitet (Aitken et al. 2011; Jennings und Mitchell 2017). Zusätzlich werden auch die Förderung einer evidenzbasierten Pflegepraxis, des Lernens und der interdisziplinären Zusammenarbeit genannt (Jennings und Mitchell 2017; Mahanes et al. 2013; Tobiano et al. 2019). Gleichermaßen konnten u. a. durch die PV die aktuelle Arbeitslast von Pflegenden sowie Kommunikationsfehler identifiziert werden, welche die Dokumentation nicht immer abbildet (Daud-Gallotti et al. 2012).

Die internationale Situation von Pflegenden auf der Intensivstation ist jedoch nicht mit der in Deutschland vergleichbar. So beschrieben z. B. Aitken et al. (2011), dass rund die Hälfte der Pflegenden auf der Intensivstation in einem australischen Krankenhaus einen Bachelorabschluss als höchste Qualifikation hat. An den deutschen Universitätskliniken hingegen betrug im Jahr 2018 die Anzahl an hochschulisch ausgebildeten Pflegenden im Mittel insgesamt lediglich 3,16 % und 2,11 % in der aktiven Patientenversorgung (Bergjan et al. 2021).

Speziell für die Intensivpflege gibt es im deutschsprachigen Raum bisher keine Evaluationsstudie aus Sicht der Pflegenden nach Einführung einer PV.

Ziel der Arbeit

Primäres Ziel dieser Evaluationsstudie war zu untersuchen, ob es durch kollegial-beratende PV auf einer Intensivstation aus Sicht der Pflegenden zu einer Förderung der Patientenzentrierung kommt, und ob es einen Unterschied zwischen Pflegenden gibt, die an mindestens einer Visite praktisch teilgenommen haben, und solchen, die nicht teilgenommen haben. Sekundäre Ziele waren die Ermittlung von Optimierungspotenzialen bei der Durchführung der PV sowie weiterer Rahmenbedingungen und einer abschließenden Bewertung. Die Untersuchung fand im Rahmen des Bachelorstudiums Pflegewissenschaft an der Hochschule Osnabrück statt. Der Begriff Patientenzentrierung wird in dieser Arbeit anstelle von Patientenorientierung eingesetzt, um zu verdeutlichen, dass die Patienten im Zentrum stehen und individuell wahrgenommen werden.

Methode

Design

Es kam eine Evaluationsstudie mit einem nichtexperimentellen Forschungsdesign zum Einsatz. Die Berichterstattung erfolgt unter Berücksichtigung der Empfehlungen des STROBE-Statements (von Elm et al. 2008).

Setting

Die Untersuchung wurde im Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) als spezialisierte Einrichtung für Herz-, Kreislauf- und Diabeteserkrankungen auf einer thorax- und kardiovaskularchirurgischen Intensivstation mit 23 Betten durchgeführt. Über insgesamt 3 Monate wurden auf der Pilotstation einmal wöchentlich PV in der kollegial-beratenden Form durchgeführt. Der Ablauf fand in den 3 Schritten Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung statt. Pro Patient waren 45 min Zeit eingeplant. Diese teilten sich in 30 min reine Visitenzeit und 15 min Kurzevaluation in Form eines Gespräches auf.

Die zu visitierenden Patienten wurden durch das Visitationsteam, welches aus 3 Pflegenden mit abgeschlossener Weiterbildung Intensivpflege und Anästhesie sowie einer Berufserfahrung >10 Jahren bestand, nach folgenden Kriterien ausgewählt:

  • ein mindestens 3‑tägiger Aufenthalt in der Abteilung,

  • keine geplante Verlegung in weiterbehandelnde Abteilungen,

  • die erkrankte Person befindet sich nicht im Sterbeprozess.

Jeweils 2 Visitenteammitglieder führten die PV praktisch durch. Eine Person hatte dabei die Funktion der Teamleitung oder stv. Stationsleitung, eine weitere war Praxisanleitung.

Zu Beginn der PV erfolgte zunächst die zusammenfassende Vorstellung der Patienten durch die betreuende Pflegefachperson. Anschließend wurden zentrale und vordergründige Pflegeprobleme und Lösungsvorschläge benannt. Danach fand seitens der visitierenden Personen bei Bedarf eine Beratung der zuständigen Pflegefachperson und des Patienten statt. Eine der visitierenden Personen dokumentierte den Visitationsinhalt händisch in einem eigens erstellten Pflegevisitenprotokoll, während die andere Person primär den Dialog mit der Pflegefachperson und, sofern möglich, dem Patienten führte. Abschließend erfolgte eine Zusammenfassung des Besprochenen. Zum Schluss gab es ein gegenseitiges Feedback zum Visitenverlauf von der an der Visite teilnehmenden Pflegefachperson und dem Visitationsteam. Die dokumentierten Inhalte der PV wurden in die Patientenakte geheftet.

Stichprobe

Es wurden alle zum Zeitpunkt der Befragung beschäftigten Pflegenden (n = 69) auf der Pilotstation eingeschlossen. Diese hatten mindestens eine grundständig abgeschlossene 3‑jährige Ausbildung in der Pflege, unterschiedliche lange Berufserfahrung, z. T. spezifische pflegerische Weiterbildungen und waren sowohl in Teilzeit als auch in Vollzeit beschäftigt.

Studiengröße

Die Untersuchung wurde deskriptiv geplant. Es erfolgte keine Fallzahlberechnung oder Randomisierung.

Datenerhebung/Messmethode

Es wurde ein standardisierter schriftlicher Fragebogen erstellt, der sowohl offene als auch geschlossene Fragen und 6‑stufige Likert-Skalen enthielt (Zusatzmaterial online: Fragebogen zur Pflegevisite).

Für den Entwicklungsprozess wurde ein tabellarischer 3‑teiliger Aufbau gewählt, um Kategorie, Indikator und die spezifische Frage übersichtlich darzustellen (Mayer 2015, S. 192, 193). Zur Prüfung des entwickelten Fragebogens erfolgte ein standardisierter Pretest mit 6 Personen, welche die Zielgruppe abbildeten. Aufgrund der Ergebnisse des Pretests wurden formale sowie sprachliche Änderungen am Fragebogen vorgenommen. Überdies unterstützte eine Professorin für Pflegewissenschaft bei der Entwicklung.

Die Datenerhebung startete mit einer Rücklaufzeit von 14 Tagen zum Ende der Pilotierungsphase im September 2017. Der Fragebogen ist dazu postalisch an alle 69 Pflegenden der Pilotstation verteilt worden. Alle Pflegenden wurden über die freiwillige Teilnahme an der Befragung umfassend informiert. Zur Steigerung des Rücklaufs wurden alle Betroffenen per E‑Mail, über das digitale Dokumentationssystem und einen Aushang am Informationsbrett informiert. Zur anonymen Sammlung der Fragebögen stand eine beschriftete und verschlossene Box im Aufenthaltsraum der Abteilung bereit.

Statistische Methoden

Die Datenverarbeitung erfolgte mit dem Programm Microsoft Excel 2016. Dabei wurden die Fragen 3 bis 9 differenziert in 2 Gruppen ausgewertet. Zum einen die Ergebnisse der Pflegenden, die an mindestens einer PV teilgenommen haben (Gruppe T). Dem stehen die Ergebnisse derjenigen, die bisher noch an keiner PV teilnahmen (Gruppe NT), gegenüber.

Die Auswertung erfolgte deskriptiv. Sofern möglich, wurden als Lage- und Streuungsmaße der Mittelwert (MW) und die Standardabweichung (SD) ermittelt.

Ethische Überlegungen

Eine Stellungnahme der Ethikkommission wurde nicht eingeholt, da die Datenerhebung keine soziodemografischen Angaben beinhaltete. Überdies wurde die Zielgruppe nicht als vulnerabel eingeschätzt. Die Teilnahme war freiwillig und anonym.

Ergebnisse

Im Projektzeitraum wurden insgesamt 75 PV durchgeführt. Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug 63,8 % (n = 44).

Bis auf eine Person (2,3 %) wussten alle an der Befragung teilnehmenden Pflegenden (97,7 %, n = 43), dass die PV durchgeführt wird. Die Informationsverbreitung erfolgte hauptsächlich über die Stationsbesprechung (Tab. 1).

Tab. 1 Informationsverbreiterung zum Projekt Pflegevisite

Ein Großteil der Befragten (Gruppe T, 68,2 %, n = 30) nahm schon einmal an der PV teil, 31,8 % (Gruppe NT, n = 14) nahmen bisher nicht teil.

Auswirkungen der Pflegevisite

Zum Thema Patientenzentrierung durch die PV fiel die Einschätzung der Pflegenden in beiden Gruppen unterschiedlich ausgeprägt, aber zusammenfassend nahezu identisch aus (Abb. 1). Gruppe T bewerte die These „Die Pflegevisite trägt dazu bei, dass der Patient […] bewusster in den Fokus der Pflege gerückt wird“ auf einer Likert-Skala von 1 (stimme voll zu) bis 6 (stimme überhaupt nicht zu) insgesamt mit 86,7 % (n = 26), mit den Stufen 1 bis 3. Gruppe NT votierte zu 85,7 % (n = 12) mit denselben Stufen.

Abb. 1
figure 1

Auswirkungen der Pflegevisite auf die Patientenzentrierung. T Teilnahme an einer Pflegevisite, NT keine Teilnahme an einer Pflegevisite

Zu der Aussage „Mir hat die Pflegevisite geholfen, pflegerische Maßnahmen bewusster an die Bedürfnisse der Patienten anzupassen“ stand eine 6‑stufige Likert-Skala (1 = stimme voll zu; 6 = stimme gar nicht zu) zur Auswahl (Tab. 2).

Tab. 2 Auswirkungen der Pflegevisite auf die Anpassung von pflegerischen Maßnahmen an die Bedürfnisse der Patienten

Gruppe T (83,3 %, n = 25) und Gruppe NT (42,9 %, n = 6) stimmten hier mit den Stufen 1 bis 3 in unterschiedlichen Ausprägungen zu.

Die Pflegenden beider Gruppen stimmten der Aussage „Die Pflegevisite bewirkt eine positive Veränderung der Pflegequalität […]“ auf einer 6‑stufigen Likert-Skala (1 = stimme voll zu; 6 = stimme überhaupt nicht zu) unterschiedlich zu (Tab. 3).

Tab. 3 Auswirkungen der Pflegevisite auf die Pflegequalität

Die verbesserte Pflegequalität wurde ebenfalls differenziert interpretiert (Tab. 4). Dabei waren Mehrfachnennungen möglich. Pflegende beider Gruppen (T = 76,7 %, n = 23; NT = 50,0 %, n = 7) sahen die patientenzentrierte Pflege primär als verbesserte Pflegequalität an. Als sonstige Antworten in der Gruppe T wurden u. a. die Eigenreflexion, die Orientierung am Pflegeprozess und ein besserer Informationsfluss genannt. Eine Person der Gruppe NT gab hierzu an, dass es bisher keinen Unterschied gab.

Tab. 4 Interpretation zum Begriff Pflegequalität

Rahmenbedingungen zur Durchführung der Pflegevisite

Die Teilnehmenden gaben mehrheitlich (T: 76,7 %, n = 23; NT: 71,4 %, n = 10) an, dass sie die PV einmal in der Woche durchführen würden (Tab. 5). Es gab in beiden Gruppen jedoch auch Ansätze, dass die PV häufiger als einmal in der Woche erfolgen sollte.

Tab. 5 Durchführungshäufigkeit der Pflegevisite

Die meisten Pflegenden (86,7 %, n = 26) der Gruppe T würden Patienten zur PV auswählen, die länger als 3 Tage auf der Intensivstation liegen (Mehrfachantworten waren möglich). Ein ähnliches Ergebnis (92,9 %, n = 13) generierte die Gruppe NT. In beiden Gruppen gab jeweils eine Person (T: 3,3 %; NT: 7,1 %) an, dass alle Patienten miteingeschlossen werden sollten. 20,0 % (n = 6) der Pflegenden in Gruppe T hätten noch weitere Faktoren, wie z. B. einen bestehenden Pflegegrad, die palliative Versorgung oder eine deutlich längere Liegedauer von Patienten berücksichtigt.

Als Zeitrahmen für eine PV würde insgesamt rund die Hälfte aller Befragten (47,7 %, n = 21) mehrheitlich 30 min einplanen. Weitere Möglichkeiten waren heterogen verteilt (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Zeitrahmen für eine Pflegevisite. T Teilnahme an einer Pflegevisite, NT keine Teilnahme an einer Pflegevisite

Pflegende der Gruppe T gaben zu 46,7 % (n = 14) im Vergleich zu der Gruppe NT (57,4 %, n = 8) an, dass sie 2 Personen zur PV einsetzen würden. Die weitere Einschätzung war heterogen verteilt (Tab. 6).

Tab. 6 Anzahl der zusätzlich teilnehmenden Personen für eine Pflegevisite

Für Pflegende der Gruppe NT endete an dieser Stelle die Befragung.

Beratung und Begleitung

Die Befragten antworteten auf die Frage, ob die visitierenden Personen ein spezifisches stationsinternes Schulungsangebot oder spezielle Hinweise zum innerbetrieblichen Fortbildungsprogramm nach der PV gegeben haben, zu 43,3 % (n = 21) mit ja und 46,7 % (n = 14) mit nein. 10 % (n = 3) gaben keine Antwort.

Die meisten Pflegenden (70,0 %, n = 21) gaben an, von ihrer vorgesetzten Person ein spezifisches Feedback nach der PV erhalten zu haben. 23,3 % (n = 7) verneinten dies, und 2 Personen (6,7 %) beantworteten diese Frage nicht. Diejenigen, die ein Feedback erhielten, wählten ebenso (100,0 %, n = 21) aus, dass ihnen dieses für ihr weiteres pflegerisches Handeln geholfen hat.

Über die Hälfte der Pflegenden (53,3 %, n = 16) erklärten, dass ihnen die Vorstellung der Patienten im Rahmen der PV geholfen hat, die eigenen Übergaben zu optimieren. 40,0 % (n = 12) verneinten dies und zwei Personen (6,7 %) gaben darauf keine Antwort.

Auf einer Likert-Skala von 1 (voll zufrieden) bis 6 (überhaupt nicht zufrieden) wurde zur Bewertung der PV als MW eine 2,1 (SD = 1,1; n = 28) angegeben (Tab. 7).

Tab. 7 Bewertung der Pflegevisite

Weiterführende Freitextantworten verwiesen darauf, dass die Dokumentation der Ergebnisse nach Möglichkeit digitalisiert werden sollte und der Fokus der Visite nicht zu medizinisch sein darf.

Diskussion

Primäres Ziel dieser Evaluationsstudie war zu untersuchen, ob es durch kollegial-beratende PV auf einer Intensivstation aus Sicht der Pflegenden zu einer Förderung der Patientenzentrierung kommt, und ob es einen Unterschied zwischen Pflegenden gibt, die an mindestens einer Visite praktisch teilgenommen haben (Gruppe T), und solchen, die nicht teilgenommen haben (Gruppe NT). Der Rücklauf betrug 63,8 % (n = 44). Pflegende in der Gruppe T (86,7 %, n = 26) und NT (85,7 %, n = 12) bestätigten eine Förderung der Patientenzentrierung durch die PV. 83,3 % (n = 25) der Gruppe T sowie 42,9 % (n = 6) in NT gaben an, dass pflegerische Maßnahmen optimierter an die Bedürfnisse der Patienten angepasst werden konnten. Insgesamt wurde die PV positiv bewertet.

Während die PV in ambulanten Einrichtungen des SGB XI oft ohne Struktur eingeführt wurde (Habermann et al. 2007, S. 27), waren die meisten Pflegenden innerhalb dieser Studie über das Projekt PV informiert. Die Pflegenden haben davon mehrheitlich im Rahmen der „Kick-off“-Veranstaltung erfahren. Das bestärkt die Wichtigkeit dieser Maßnahme. Weniger als die Hälfte der Pflegenden erhielten über E‑Mails Informationen zum Projekt. Diese sollten zukünftig zur Informationsweitergabe vermehrt eingesetzt werden. Das direkte Gespräch, auch in Form von Mitarbeitendengesprächen, ist, losgelöst davon, gleichermaßen ein sehr wichtiger Weg der Interaktion und Informationsweitergabe an und unter Mitarbeitenden (Pinnow 2012, S. 264). Das zeigen auch die Ergebnisse dieser Studie. Rund ein Drittel der Befragten gab an, die Informationen zum Projekt durch Pflegende erhalten zu haben. Hier wurde jedoch nicht differenziert, ob es sich dabei auch um vorgesetzte Personen handelte.

Als ein wichtiges Ziel der PV wird vielseitig die Patientenzentrierung genannt (Görres et al. 2002; Reinhardt 2015, S. 572). Pflegende der Gruppe T bewerteten dies mehrheitlich ähnlich. Das kann als ein erster Hinweis interpretiert werden, dass die PV in der kollegial-beratenden Form die Patientenzentrierung fördert. Eine leichte Abweichung gab es in der Gruppe NT. Dies kann damit zusammenhängen, dass die Befragten lediglich die aus der PV resultierenden Ergebnisse in der Praxis umsetzten. Dazu standen dann die dokumentierten Inhalte der Pflegevisite in der Patientenakte zur Verfügung. Damit ist möglicherweise gleichermaßen die heterogene Ausprägung bei der Fragestellung, ob Pflegende durch die PV auch die Maßnahmen bewusster an die Bedürfnisse der Patienten anpassen, zu erklären. Pflegende der Gruppe T stimmten der zugrunde gelegte These mehrheitlich zu.

Die PV kann auch zur Überprüfung der pflegerischen Leistungen und somit der Pflegequalität eingesetzt werden (Görres et al. 2002; Krüger und Rohden 2019; Notz et al. 2015). Rund die Hälfte aller Teilnehmenden Pflegenden dieser Evaluationsstudie stimmte zu, dass durch die PV eine Verbesserung der Pflegequalität erreicht wird. Die Interpretation zum Begriff Pflegequalität war in dieser Untersuchung unterschiedlich. Insgesamt wurde mehrheitlich die patientenzentrierte Pflege angegeben. Für Pflegende der Gruppe NT war hier v. a. auch die Pflegedokumentation entscheidend. Die digitale Pflegedokumentation, welche seit 2005 im HDZ NRW eingesetzt wird, gibt oft jedoch nicht das wieder, was Pflegende an den erkrankten Personen leisten (Lauterbach 2009). Während der PV wurde auch eine Dokumentationsanalyse durchgeführt, die möglicherweise ebenso eine Auswirkung auf das Ergebnis hatte.

Mehrheitlich wurde in beiden Gruppen angegeben, dass die PV wöchentlich durchgeführt werden sollte. Görres et al. (2002) stellten fest, dass die PV am zweithäufigsten einmal wöchentlich realisiert wird und bei rund 30 % täglich stattfindet. Panka (2013, S. 32) kam ebenso zu dem Ergebnis, dass die PV im Krankenhaus täglich bis einmal wöchentlich angewendet wird. Nur sehr wenige Pflegende in dieser Studie würden die PV täglich durchführen. Möglicherweise ist dies auch auf den Schwerpunkt der kollegial-beratenden Form und die damit notwendigen zeitlichen Ressourcen zurückzuführen.

Beide Gruppen würden mehrheitlich, dieselbe Patientenauswahl zur PV treffen. Der gewünschte Einschluss von erkrankten Personen mit palliativen Therapieziel, welche im Rahmen dieser Studie ausgeschlossen wurden, zeigt deutlich die Wichtigkeit des beratenden Ansatzes in der PV. Dieser wird von Stolecki und Ullrich (2015, S. 83) bereits in der kollegialen Form der PV beschrieben und auch im Bereich der Hospizversorgung dargestellt (Rünker 2019).

Der gewählte Zeitrahmen für die PV ist praktikabel und mit den in der Literatur beschriebenen Zeiten von 30–60 min im Krankenhaus vergleichbar (Panka 2013, S. 118–121). Diese Zeiten spiegeln sich auch in internationalen Publikationen (Aitken et al. 2011; Jennings und Mitchell 2017).

Die Frage nach der Anzahl der Personen, die an einer PV teilnehmen sollten, ist bereits vielseitig betrachtet worden. Stolecki und Ullrich (2015, S. 82–83) beschreiben, dass bei der Durchführung einer kollegialen Visitenform primär zwei Personen anwesend sind, die sich z. B. aus einem leitenden und einem pädagogisch ausgebildeten Pflegenden zusammensetzen. In dieser Evaluationsstudie wurde die Empfehlung aus Sicht der teilnehmenden Pflegenden als sinnvoll angesehen. Es gibt aber auch einen Teil der Befragten, der sich eine PV mit weniger Personen vorstellen kann. Das ist ein wichtiges Ergebnis, um zukunftsorientiert auf mögliche Personalengpässe zu reagieren und die PV ggf. mit nur einer Person durchzuführen, aber nicht ausfallen zu lassen.

Die positiven Auswirkungen der PV auf die Fort- und Weiterbildung von Mitarbeitenden wurde vielfach beschrieben (Friese 2013; Pfohl-Steilen 2008). Die Ergebnisse stellen sich hier als ausgewogen dar. Dies könnte möglicherweise auf das vorliegende Einarbeitungskonzept auf den Intensivstationen und die umfassenden Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten im HDZ NRW (Schmidt et al. 2017) zurückzuführen sein.

Im Rahmen der persönlichen Entwicklung möchten viele Pflegende ein Feedback zu ihrer Arbeit erhalten (Pinnow 2012, S. 275–276), welches gleichermaßen positive Auswirkungen auf die Mitarbeitendenmotivation haben kann (Hößl et al. 2010, S. 56). Das ist v. a. die Aufgabe des Pflegemanagements und gehört mit zur Personalführung (Seemann und Fischer 2017). Dabei kann die PV unterstützen (Hellmann und Rößlein 2012, S. 16; Sträßner 2008). 70 % aller teilnehmenden Pflegenden bejahten, dass sie eine Rückmeldung von ihrer vorgesetzten Person zur PV erhalten haben und ihnen diese für ihr pflegerisches Handeln geholfen hat. Das bekräftigt noch einmal die Wichtigkeit des Feedbacks.

Stolecki und Ullrich (2015, S. 83) beschreiben, dass die PV eine positive Auswirkung auf die Präsentationsfähigkeiten von Pflegenden hat. Rund die Hälfte der Pflegenden bestätigte diese Annahme.

Görres et al. (2002) fanden heraus, dass die PV innerhalb der Berufsgruppe, aber auch bei den Patienten Zuspruch erhielt. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die PV in dieser Evaluationsstudie durch die teilnehmenden Pflegenden positiv bewertet wurde. Zusätzlich gab es den Hinweis, dass das Pflegevisitenprotokoll digitalisiert werden soll. Dies böte auch den Vorteil einer einfacheren Auswertung der Ergebnisse (Kußmaul 2011, S. 36–37). Obwohl die Intensivpflege sehr eng mit medizinischen Belangen in Verbindung steht (Notz et al. 2015) kritisierten nur wenige Pflegende in dieser Studie eine zu medizinische Ausrichtung der PV.

Limitation

Für den Rücklauf der Fragebögen wurden lediglich 14 Tage veranschlagt. Ein verlängerter Befragungszeitraum hätte hier die Chance auf einen besseren Rücklauf gegeben. Überdies wurde der erstellte Fragebogen nicht umfassend wissenschaftlich geprüft, und die teilnehmende Kohorte betraf die Mitarbeitenden von nur einer Station. Die Zahlen der Personen in den Gruppen T und NT waren außerdem unterschiedlich groß.

Stärken

In dieser Evaluationsstudie wurden im deutschsprachigen Raum die ersten Ergebnisse nach Einführung der PV in der kollegial-beratenden Form auf der Intensivstation aus Sicht der Pflegenden generiert. Der Rücklauf ist mit über 60 % positiv zu bewerten (Perkhofer et al. 2016, S. 176).

Übertragbarkeit

Die Übertragbarkeit der Ergebnisse dieser Studie auf andere Einrichtungen im Gesundheitswesen muss kritisch diskutiert werden, da die Untersuchung auf einer Intensivstation mit dem Schwerpunkt Thorax- und Kardiovaskularchirurgie stattfand.

Schlussfolgerung

Die Pflegevisite in der kollegial-beratenden Form wurde von den teilnehmenden Pflegenden in dieser Studie positiv bewertet. Überdies stellt die Pflegevisite ein hilfreiches und praxisnahes Instrument dar, um die Patientenzentrierung sowie die weitere Versorgung zu optimieren.