Hintergrund und Problemstellung

Die Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (DGV) dokumentierte im Jahr 2020, dass 73 % aller Brandverletzungen bei Kindern und Jugendlichen (im Folgenden: Kinder) auftraten. Vor allem Kinder im Kleinkindalter (bis 3 Jahre) und Jugendliche sind besonders betroffen (Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin e. V. (DGV) 2021).

Eine Verbrennung wird definiert als eine „thermische Verletzungen durch Temperaturen, welche die Regulationsfähigkeit der Haut überfordern und zu Gewebeschädigungen führen“ (Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie 2015, S. 5). Solche Schädigungen werden durch heiße Flüssigkeiten (Verbrühung), Dämpfe oder Gase, heiße Stoffe oder Kontaktflächen, Flammeneinwirkung und Explosionen, starke Sonneneinstrahlung, elektrischen Strom, Reibung oder chemische Noxen verursacht. Thermische Verletzungen werden nach ihrer Ausdehnung und ihrer Tiefe klassifiziert. Der Prozentsatz (%) der verbrannten Körperoberfläche (VKOF) stellt die Ausdehnung der Verletzung dar, und mit 4 Graden kann die Tiefenausdehnung eingeschätzt werden (Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie 2015).

Für Kinder sowie deren Eltern bzw. Bezugspersonen (im Folgenden: Eltern) stellt eine Brandverletzung ein traumatisches Erlebnis dar (McGarry et al. 2015; Egberts et al. 2019), das nicht selten eine multiprofessionelle Versorgung in einem Brandverletztenzentrum erfordert (Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie 2015). Je nach Schweregrad der Verbrennung dauert es von der Erstversorgung im Krankenahaus bis zur vollständigen Abheilung unterschiedlich lang. Die betroffenen Kinder müssen starke Schmerzen und medizinische und pflegerische Eingriffe (z. B. Operationen, Verbandwechsel etc.) aushalten sowie einen Umgang mit den Verletzungen erlernen (Delgado Pardo et al. 2008). Eltern, die den Unfall beobachtet und/oder evtl. verursacht haben, sind durch starke Emotionen wie Angst, Traurigkeit, Hilflosigkeit sowie Scham und Schuldgefühle belastet und müssen gleichzeitig eine emotionale Unterstützung für ihr Kind sein (Delgado Pardo et al. 2008; McGarry et al. 2015; Kornhaber et al. 2018). Psychische Auswirkungen sind sowohl bei Eltern als auch bei Kindern bekannt. Demnach kann eine Brandverletzung eine Bandbreite unterschiedlicher Reaktionen hervorrufen. Dazu zählen Angstzustände, Depressionen und die posttraumatische Belastungsstörung (Delgado Pardo et al. 2008; Phillips und Rumsey 2008; McGarry et al. 2014; Egberts et al. 2018). Kinder mit einem erhöhten Anteil an Verletzungen der Körperoberfläche, der Hände und des Gesichtes haben im Nachhinein sogar eine verringerte Lebensqualität (Spronk et al. 2018). Schwerwiegende thermische Verletzungen stellen die Kinder vor enorme physiologische und psychologische Herausforderungen. Der medizinische Fortschritt und die Weiterentwicklung von Behandlungsmöglichkeiten haben dazu geführt, dass die Mortalität von Brandverletzungen deutlich gesunken ist (Kraft et al. 2012). Daraus ergibt sich jedoch meistens bei schwerwiegenden Verbrennungstraumata eine langwierige Behandlung, die den Charakter einer chronischen Erkrankung einnimmt. Mit der Schwere der Verbrennung wachsen auch das Ausmaß der Behandlung und die daraus resultierenden Edukationsbedarfe. Es gibt zwar etablierte Initiativen (z. B. Paulinchen e. V.), welche Familien mit brandverletzten Kindern beraten und begleiten, jedoch setzen diese Edukationsangebote erst im poststationären Setting an (Paulinchen e. V. 2021). Die Edukation und die Spättherapie v. a. bei schwerwiegenden thermischen Verletzungen beginnen jedoch bereits mit der Aufnahme ins Krankenhaus.

Unter Edukation werden vielfältige, gezielte psychologische und pädagogische Maßnahmen verstanden, welche die Selbstpflegefähigkeit und Selbstpflegekompetenz der Patientinnen und Patienten stärken (Schewior-Popp et al. 2017). Der in diesem Scoping Review verwendete Begriff bezieht sich v. a. auf die verschiedenen Funktionen, die Edukation einnehmen kann (Zegelin et al. 2009; Schaeffer 2012). Für die Edukationsbedarfe wurden folgende Kategorien aus der Literatur durch das Studienteam extrahiert:

  • informieren,

  • fördern,

  • Hilfe planen,

  • unterstützen,

  • rückmelden,

  • vernetzen und vermitteln,

  • entlasten.

Für eine adäquate Versorgung setzt es ein Verständnis vom Fachpersonal für die Bedarfe an geeigneten Unterstützungsmaßnahmen von Betroffenen im akutstationären Setting voraus.

Forschungsfrage

Vor dem Hintergrund der Problemstellung ergibt sich daraus folgende Fragestellung:

Welche Edukationsbedarfe bestehen für Kinder mit Brandverletzungen und deren Eltern in der stationären Behandlung?

Methode

Ein Scoping Review eignet sich besonders gut, um Themen zu einem bestimmten Forschungsfeld breit und divers abzubilden. Das übergeordnete Ziel des Scoping Review besteht darin, in der Zusammenarbeit mit den Betroffenen und dem Fachpersonal in einem akutstationären Setting ein Edukationsangebot zu entwickeln. Aus diesem Grund kann der Scoping Review als ein erster Schritt zur Implementierung einer komplexen Intervention nach dem Medical Research Council (MRC) Framework verstanden werden (Shahsavari et al. 2020). Er gibt einen ersten Überblick über das vorhandene Forschungsfeld und die adressierten Edukationsbedarfe, ohne die Berücksichtigung methodischer Qualität der Studien.

Der Scoping Review orientiert sich an der methodischen Anleitung nach Arksey und O’Malley (2005), welche in 6 Schritte gegliedert wird: (1) Identifizierung der Forschungsfrage(n); (2) Identifizierung relevanter Studien; (3) Studienauswahl; (4) Darstellung der Daten; (5) Zusammenstellung, Zusammenfassung und Berichterstattung der Ergebnisse; (6) Beratung (optional).

Suchstrategie

Für die Beantwortung der Fragestellung wurde im Rahmen eine Suche in der Datenbank MEDLINE via PubMed im Juli und August 2020 durchgeführt (J.M. und M.Z.). Zusätzlich wurden die Referenzlisten der durch die Suche identifizierten Studien nach weiteren Referenzen sowie Fachjournale (z. B. Burns) durchsucht (J.M.). Graue Literatur ist nicht berücksichtig worden. Dem folgenden Absatz kann die Syntax der Suchstrategie entnommen werden.

Syntax der Suchstrategie MEDLINE via PubMed

((information need*)) OR (psychoeducation need*)) OR (education need*)) OR (parents need*)) OR (information prefer*)) OR (psychoeducation prefer*)) OR (education prefer*)) OR (parents prefer*)) OR (information request)) OR (psychoeducation request)) OR (education request)) OR (parents request)) OR (information wish)) OR (psychoeducation wish)) OR (education wish)) OR (parents wish)) OR (information demand)) OR (psychoeducation demand)) OR (education demand)) OR (information expect*)) OR (psychoeducation expect)) OR (education expect)) OR (decision need)) OR (decision support needs)) OR (decision making need)) OR (decision-making need)) OR (decision prefer)) OR (decision support prefer)) OR (parents perspective)) OR (parents concerns)) OR (parents attitude)) OR (parents opinion)) OR (parents interest)) OR (need assessment)) OR (treat prefer)) AND ((pediatric acute burn) OR (pediatric burns)) OR (pediatric burn injury)) OR (pediatric burn injuries)) OR (burn-injured children)) OR (pediatric burn patients)) OR (children with scalds)) OR (burn injury)) OR (burn injuries)) OR (childhood burns)) OR (patients with burns)) OR (burned children)) OR (pediatric burn care)) OR (burns[MeSH Terms])))

Ein- und Ausschlusskriterien

Die Ein- und Ausschlusskriterien der Literaturrecherche können der Tab. 1 entnommen werden. Es wurde keine Eingrenzung des Studiendesigns vorgenommen.

Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien Suchstrategie MEDLINE via PubMed

Um die Edukationsbedarfe von Kindern mit Brandverletzungen und deren Eltern zu identifizieren, wurden Studien mit einem hermeneutisch-interpretativen Studiendesign bevorzugt, welche die Erfahrungen, Wünsche, Bedarfe in der Versorgung während des Krankenhausaufenthaltes darstellen. Da vor allem die Bedarfe im stationären Setting von Interesse waren, wurden Studien, welche die Prävention von Brandverletzungen und Erste-Hilfe Maßnahmen adressieren, sowie Studien, die sich alleinig auf das außerklinische Setting beziehen, ausgeschlossen.

Datenextraktion und Synthese

Die Merkmale der Studien wurden von einer Autorin (J.M.) in einer Datentabelle zusammengefasst, analysiert und zur Qualitätssicherung von M.Z. überprüft. Die Inhalte der final eingeschlossenen Artikel wurden anhand der 7 Funktionen der Edukation thematisch zusammengefasst (Schaeffer 2012).

Ergebnisse

Recherche und Studienauswahl

Die Literaturrecherche in MEDLINE via PubMed wurde unabhängig durchgeführt (J.M. und M.Z.). Die Auswahl der Studien wurde durch die Sichtung des Titels, des Abstract und des Volltextes vorgenommen. Jegliche Widersprüchlichkeiten im Auswahlprozess, die zwischen der Autorin und dem Autor entstanden sind, wurden durch eine Konsensfindung in einer gemeinsamen Diskussion gelöst.

Die Recherche in MEDLINE via PubMed ergab insgesamt 3560 Treffer. Zusätzlich wurden 16 Studien aus relevanten Fachjournalen oder Referenzlisten identifiziert (n = 3576). Eine doppelte Veröffentlichung ist exkludiert worden. Nach einem Titel- und Abstract-Screening wurden 3482 Titel ausgeschlossen. Daraus ergaben sich 93 potenziell relevante Volltexte. Nach Prüfung der Volltexte auf Eignung wurden schließlich 21 Publikationen eingeschlossen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Flowchart: MEDLINE-Recherche

Merkmale der eingeschlossenen Studien

Die Studiencharakteristika mit ihren wesentlichen Merkmalen sind in Tab. 2. dargestellt. Die 21 Publikationen wurden in folgenden Ländern durchgeführt: Australien (McGarry et al. 2014, 2015), Neuseeland (Smith et al. 2011), Marokko (El Hamaoui et al. 2006), Indien (Ravindran et al. 2013), Großbritannien (Phillips und Rumsey 2008; Morley et al. 2017; Andrews et al. 2018; Kornhaber et al. 2018; Coy et al. 2019), Niederlande (Bakker et al. 2013; Egberts et al. 2018, 2019; Suurmond et al. 2020), Spanien (Delgado Pardo et al. 2008), Brasilien (Pan et al. 2018), USA (Smith et al. 2004; Stoddard et al. 2017), Schweden (Willebrand und Sveen 2016; Willebrand et al. 2018) und Norwegen (Lernevall et al. 2020). Alle Publikationen waren in englischer Sprache verfasst. Es wurden 10 qualitative (Smith et al. 2004; Ravindran et al. 2013; McGarry et al. 2014, 2015; Morley et al. 2017; Andrews et al. 2018; Coy et al. 2019; Egberts et al. 2018, 2019; Suurmond et al. 2020), 7 quantitative Studien (El Hamaoui et al. 2006; Delgado Pardo et al. 2008; Phillips und Rumsey 2008; Smith et al. 2011; Willebrand und Sveen 2016; Stoddard et al. 2017; Willebrand et al. 2018) und 4 Übersichtsarbeiten eingeschlossen (Bakker et al. 2013; Kornhaber et al. 2018; Pan et al. 2018; Lernevall et al. 2020). Die qualitativen Studien fokussierten sich hauptsächlich auf die Erfahrungen von Eltern, Kindern und/oder Pflegefachpersonen. Die quantitativen Studien untersuchten mit diagnostischen Verfahren und Assessmentinstrumenten v. a. die emotionalen und psychischen Auswirkungen auf Kinder mit Brandverletzungen und deren Eltern (El Hamaoui et al. 2006; Delgado Pardo et al. 2008; Phillips und Rumsey 2008; Stoddard et al. 2017; Willebrand et al. 2018). Von den 4 Übersichtsarbeiten (Bakker et al. 2013; Kornhaber et al. 2018; Pan et al. 2018; Lernevall et al. 2020) inkludierten 3 Übersichtsarbeiten unterschiedliche Studiendesigns (Bakker et al. 2013; Pan et al. 2018; Lernevall et al. 2020) und eine ausschließlich qualitative Studie (Kornhaber et al. 2018).

Tab. 2 Studiencharakteristika und Kurzdarstellung der Hauptergebnisse

Merkmale der Studienpopulation

Von den qualitativen Studien adressierten zwei Studien die Kinder (McGarry et al. 2014; Egberts et al. 2018), fünf die Eltern (Ravindran et al. 2013; McGarry et al. 2015; Morley et al. 2017; Andrews et al. 2018; Egberts et al. 2019), eine Studie die Pflegefachpersonen (Suurmond et al. 2012), und drei Studien hatten eine gemischte Studienpopulation (Smith et al. 2004; Kornhaber et al. 2018; Coy et al. 2019). Eine Übersichtsarbeit schloss die Eltern (Lernevall et al. 2020) und zwei Übersichtsarbeiten schlossen sowohl Kinder als auch Eltern ein (Bakker et al. 2013; Pan et al. 2018). Die meisten quantitativen Studien wurden mit Eltern durchgeführt (El Hamaoui et al. 2006; Phillips und Rumsey 2008; Willebrand und Sveen 2016; Willebrand et al. 2018), zwei mit Kindern (Delgado Pardo et al. 2008; Stoddard et al. 2017) und eine mit einer gemischten Studienpopulation (Smith et al. 2011). In den Studien reichte die Altersspanne der Kinder von 0 bis 18 Jahren.

Identifizierte Themen im Rahmen der stationären Versorgung

Aus den 21 Studien lassen sich unterschiedliche Bedarfe und Wünsche zur Unterstützung und Edukation von Kindern mit Brandverletzungen und deren Eltern skizzieren. Die Abb. 2 zeigt eine inhaltliche Zusammenfassung der Themen im zeitlichen Verlauf der Behandlung. Es zeigt sich, dass in den Studien am häufigsten die Funktionen „entlasten“ und „unterstützen“ thematisiert werden. Die Funktion „rückmelden“ wurde selten benannt. Des Weiteren wurden mit Ausnahme einer Studie, in allen Studien mindestens zwei und mehr Funktionen beschreiben.

Abb. 2
figure 2

Inhaltliche Zusammenfassung der Studien im zeitlichen Verlauf der Behandlung

Informations- und Aufklärungsbedarf

Der Informations- und Aufklärungsbedarf wurde in sieben Studien zusammengefasst und gilt für Betroffene als zentrales Element der Versorgung (Smith et al. 2004, 2011; McGarry et al. 2015; Morley et al. 2017; Willebrand et al. 2018; Coy et al. 2019; Lernevall et al. 2020). In drei Studien wurde von den Eltern berichtet, dass die Informationsweitergabe sensibel und zum richtigen Zeitpunkt erfolgen sowie vollständig sein sollte (McGarry et al. 2015; Coy et al. 2019; Lernevall et al. 2020). In sechs Studien gaben die Kinder und Eltern an, dass sie sich Information und Aufklärung zu folgenden Themen wünschen: Stationsroutine/Erwartungen, physische und psychische Beeinträchtigung des Kindes, Wundmanagement, Fortschritt/Heilung, Bewegung, emotionale Verarbeitung und Kommunikationsstrategien und Entlassung (Smith et al. 2004, 2011; McGarry et al. 2015; Morley et al. 2017; Willebrand et al. 2018; Coy et al. 2019).

Bedarf an emotionaler und psychosozialer Entlastung und Unterstützung

Fast alle Studien berichteten darüber, dass eine Brandverletzung enorme Auswirkungen auf die psychische und emotionale Verfassung des Kindes und dessen Eltern hat (Smith et al. 2004, 2011; El Hamaoui et al. 2006; Delgado Pardo et al. 2008; Phillips und Rumsey 2008; Bakker et al. 2013; Ravindran et al. 2013; McGarry et al. 2014, 2015; Morley et al. 2017; Stoddard et al. 2017; Andrews et al. 2018; Kornhaber et al. 2018; Pan et al. 2018; Coy et al. 2019; Egberts et al. 2018, 2019; Lernevall et al. 2020).

Eine quantitative Studie untersuchte mit Assessmentinstrumenten die emotionale Reaktion und das Verhalten des Kindes auf den Unfall sowie Folgeschäden (Delgado Pardo et al. 2008).

Bei Kindern kam es zu einem erhöhten Bindungsverhalten und Heimweh. Außerdem wurde vermehrtes Weinen beobachtet (Delgado Pardo et al. 2008).

Stoddard et al. (2017) haben mit diagnostischen Verfahren den prozentualen Anteil posttraumatischer Belastungsstörungen von Kindern erfassen können (Stoddard et al. 2017). Zwar erfüllte nur ein geringer prozentualer Anteil alle Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung, jedoch zeigte sich bei über einem Drittel mindestens ein Symptom (Stoddard et al. 2017).

Die Übersichtsarbeit von Bakker et al. (2013) zeigte ebenfalls, dass viele der Kinder unter Ängsten und traumatischem Stress, Depressionen, Stimmungsschwankungen sowie internalisierenden und externalisierenden Problemen leiden (Bakker et al. 2013). Drei qualitative Studien und zwei Übersichtsarbeiten adressierten die emotionalen Erfahrungen von Kindern (Smith et al. 2004; Bakker et al. 2013; McGarry et al. 2014; Kornhaber et al. 2018; Egberts et al. 2018). Alle Studien zeigten, dass eine Brandverletzung für Kinder eine enorme emotionale Belastung darstellt, sie Angst haben und traumatischen Stress erleben.

Schmerzhafte medizinische Eingriffe (Operationen, Verbandwechsel etc.) nehmen einen Großteil der Versorgung von brandverletzten Kindern ein. Vier Studien berichteten, dass die Eingriffe immer wieder eine Retraumatisierung hervorrufen können und bei schlechter Vorbereitung, Durchführung und Nachbesprechung die emotionalen und psychischen Auswirkungen einer Brandverletzung verstärken (McGarry et al. 2014, 2015; Kornhaber et al. 2018; Coy et al. 2019).

El Hamaoui et al. (2006) haben in einer quantitativen Erhebung anhand der 4. Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV) die Prävalenz von Depressionen bei Müttern mit einem brandverletzten Kind erfasst (El Hamaoui et al. 2006).

Die emotionalen Reaktionen von Eltern auf die Brandverletzung und die Versorgung ihrer Kinder wurden v. a. in qualitativen Studien durch Interviews und Befragungen sowie in drei Übersichtsarbeiten erfasst (Bakker et al. 2013; Ravindran et al. 2013; McGarry et al. 2015; Morley et al. 2017; Andrews et al. 2018; Kornhaber et al. 2018; Coy et al. 2019; Egberts et al. 2019; Lernevall et al. 2020).

Die meisten Studien berichteten darüber, dass Eltern mit ihren Kindern emotional und psychisch mitleiden, sie Schuldgefühle und Scham entwickeln (Ravindran et al. 2013; McGarry et al. 2015; Morley et al. 2017; Kornhaber et al. 2018; Lernevall et al. 2020). In fünf Studien wird über die Angst der Eltern um ihr Kind und von traumatischem Stress berichtet (Bakker et al. 2013; McGarry et al. 2015; Andrews et al. 2018; Egberts et al. 2019; Lernevall et al. 2020).

Aus den Untersuchungen ergibt sich ein Bedarf an emotionaler Entlastung/Unterstützung durch das Fachpersonal (Pflegefachpersonen, Ärztinnen und Ärzte). Je nach Ausprägung der Auswirkungen entsteht zusätzlich ein Bedarf an psychotherapeutischer Unterstützung.

In zwei Studien gaben Eltern an, dass sie einen Mangel an emotionaler Unterstützung durch das Fachpersonal erfahren haben (Ravindran et al. 2013; Coy et al. 2019). Der Bedarf an emotionaler und psychosozialer Unterstützung der Eltern sollte zu jedem Zeitpunkt durch ein empathisches und verständnisvolles Auftreten des Personals, ohne jegliche Schuldzuweisung, gedeckt werden. Zusätzlich besteht ein Bedarf an Unterstützung und emotionaler Entlastung durch andere Familienmitglieder und Freunde (Willebrand und Sveen 2016).

In drei Studien wünschten sich Kinder und Eltern eine aufrichtige, ehrliche und empathische Haltung durch das Fachpersonal. Alle sollen Verständnis, ohne eine Schuldzuweisung, gegenüber den Eltern zeigen (Smith et al. 2004; Ravindran et al. 2013; Kornhaber et al. 2018).

Bedarfe an Partizipation, Autonomie und eigene Entscheidungen treffen

In fünf Studien wünschten sich Eltern, mehr in den Behandlungsprozess einbezogen zu werden (Smith et al. 2011; Morley et al. 2017; Willebrand et al. 2018; Coy et al. 2019; Lernevall et al. 2020). Vier Studien bezogen sich explizit auf den Verbandwechsel (Smith et al. 2011; Morley et al. 2017; Coy et al. 2019; Lernevall et al. 2020). Morley et al. (2017) stellten v. a. die Erfahrungen von Müttern in den Fokus. Die Anwesenheit bei den Verbandwechseln und die Beurteilung des Heilungsprozesses der Wunden sind für Mütter wichtig (Morley et al. 2017). Willebrand et al. (2018) merkten an, dass die Integration von Eltern in den Behandlungsprozess noch ungenügend ist und sie bessere Möglichkeiten dahingehend erhalten sollten (Willebrand et al. 2018).

Der Wunsch nach Autonomie und Partizipation wurde in einer Studie von einem brandverletzten Jugendlichen berichtet (Smith et al. 2004). Der Bedarf, eigene Entscheidungen zu treffen, lässt sich v. a. über einen direkten Kommunikationsweg zwischen den Betroffenen und dem Behandlungsteam realisieren (Smith et al. 2004).

Bedarf an Unterstützung

Der Bedarf an Unterstützung durch das Fachpersonal, Familienmitglieder oder andere Vertrauenspersonen wurde in 7 Studien berichtet (Smith et al. 2004, 2011; Bakker et al. 2013; Ravindran et al. 2013; Willebrand et al. 2018; Egberts et al. 2018; Lernevall et al. 2020). Kinder sahen ihre Eltern und das Behandlungsteam als hilfreiche Unterstützung an (Smith et al. 2004; Egberts et al. 2018). Eltern sahen sich als Unterstützung für ihre Kinder (Smith et al. 2011), das Fachpersonal (Ravindran et al. 2013; Willebrand et al. 2018; Lernevall et al. 2020) sowie die Familie als Unterstützung für sich (Bakker et al. 2013). Pflegefachpersonen sahen Eltern als Unterstützung für die Kinder an (Smith et al. 2011).

In sieben Studien wurde die Angst vor den Reaktionen aus der Gesellschaft thematisiert sowie der Bedarf an Vorbereitung auf solche Situationen (Smith et al. 2004; Ravindran et al. 2013; McGarry et al. 2014, 2015; Andrews et al. 2018; Egberts et al. 2018, 2019).

Bedarf an Rückmeldung

Der Bedarf an Rückmeldung bzw. die Kommunikation über Fort- und Rückschritte der Wundheilung durch das Fachpersonal wurde in zwei Studien berichtet. Eltern möchten den Prozess der Heilung mitverfolgen und die Erwartungen bezüglich der Heilung transparent mitgeteilt bekommen. Eltern wünschten sich z. B. ein Fototagebuch auf der Station, strukturierte Nachbesprechungen, Sitzungen oder Gruppentherapien, die einen Austausch mit dem Behandlungsteam oder anderen Eltern ermöglichen (Smith et al. 2011; Coy et al. 2019). Kinder und Jugendlichen fanden es hilfreich, sich die Wunden anzusehen. Einerseits, um das Körpergefühl und -bild wiederherzustellen, sich daran zu gewöhnen, und andererseits, um Fortschritte zu sehen (Smith et al. 2004; Egberts et al. 2018).

Entlassungs- und Case-Management sowie ambulante Versorgung

In sieben Studien wurde über die Entlassung als Herausforderung für die Familie berichtet (Smith et al. 2004; Bakker et al. 2013; McGarry et al. 2014, 2015; Andrews et al. 2018; Pan et al. 2018; Willebrand et al. 2018). Zwei Studien adressierten das Thema Schulintegration (Bakker et al. 2013; Pan et al. 2018). Bakker et al. (2013) fanden heraus, dass Kinder mit moderaten Brandverletzungen (14 % VKOF) im Durchschnitt 38 Tage in der Schule verpassen und ungefähr zehn Tage nach Entlassung wieder in die Schule zurückgehen (Bakker et al. 2013). Pan et al. (2018) zeigten, dass diese Situation erheblichen Stress bei Eltern und Kind auslösen kann (Pan et al. 2018). Smith et al. (2004), Bakker et al. (2013), und Pan et al. (2018) vermuten, dass eine Vorbereitungsphase im stationären Setting zur erfolgreicheren Schulintegration führen kann (Smith et al. 2004; Bakker et al. 2013; Pan et al. 2018).

In vier Studien wurden die emotionalen Reaktionen der Kinder und Eltern auf die Entlassung und die damit verbundenen Bedarfe adressiert (Smith et al. 2004; McGarry et al. 2014, 2015; Andrews et al. 2018). Dabei standen Betroffene im Zwiespalt zwischen dem Wunsch nach Normalität und Routine und der Unsicherheit, die Versorgung im häuslichen Umfeld zu bewältigen (McGarry et al. 2015; Andrews et al. 2018). In dieser Phase wurde den Eltern bewusst, dass die Versorgung einen enormen Aufwand bedeutet. Waren die Eltern bis jetzt in einem geschützten Umfeld, in dem jederzeit Fachpersonal ansprechbar war, so bricht diese Komponente weg (Andrews et al. 2018). Eltern mussten dann die Aufgaben übernehmen, fühlten sich schnell überfordert und hatten das Gefühl eines Kontrollverlustes (Andrews et al. 2018). Die Angst und Sorge um das Kind spielten nunmehr die primäre Rolle, sodass Eltern ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellten (Andrews et al. 2018).

Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass sich Eltern eine Vorbereitung auf die Entlassung wünschen (McGarry et al. 2014, 2015; Andrews et al. 2018). In beiden qualitativen Studien, die explizit Kinder nach ihren Erfahrungen befragt haben, wurden keine Inhalte zur Entlassung generiert (McGarry et al. 2014; Egberts et al. 2018).

Nur Smith et al. (2004) erwähnen Inhalte, die im Rahmen des Entlassungskonzeptes angesprochen werden können. Hierzu zählen Erwartungen bezüglich Wundversorgung, Aktivitäten zu Hause, Druckkleidung, Akzeptanz in der Gemeinschaft, Schulintegration, Peer-Beziehungen, Partizipation und die emotionale Bewältigung, die, falls erforderlich, eine ambulante psychotherapeutische Behandlung für Eltern und/oder Kind beinhaltet. Eltern wünschten sich eine Anbindung an das Krankenhaus (Willebrand et al. 2018).

Andrews et al. (2018) untersuchten u. a., welche Unterstützungsmöglichkeiten sich Eltern wünschen, um die Versorgung des Kindes zu Hause aufrechtzuerhalten. Folgende Themen waren im Rahmen dieser Studie für Eltern wichtig: Informationen und Aufklärung zur Vereinbarkeit von Arbeit/Schule und Behandlung, Strategien zur Routineentwicklung/zum Einbezug des Kindes, Hilfestellungen/Kontakte, Umgang mit den Emotionen des Kindes (Andrews et al. 2018).

Drei Studien benannten unterschiedliche Maßnahmen, die für die ambulante Versorgung brandverletzter Kinder und deren Eltern ergriffen werden können (Smith et al. 2004; El Hamaoui et al. 2006; Lernevall et al. 2020). Hierzu zählten Burn Camps für das Kind, Schulintegrationsprogramme, Selbsthilfegruppen oder Einzel- und Gruppentherapien, die durch eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten begleitet werden (Smith et al. 2004). Lernevall et al. (2020), und El Hamaoui et al. (2006) berichteten über den Mehrwert von Gruppenangeboten für Eltern sowohl auf der Station als auch nach der Entlassung (El Hamaoui et al. 2006; Lernevall et al. 2020).

Diskussion

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Studien mit unterschiedlichen Designs zur Verfügung stehen. Die Mehrheit der Untersuchungen entspringt der qualitativen Forschung. Die quantitativen Studien sind v. a. deskriptive Beobachtungsstudien, die konkrete Themen (z. B. Depression, subjektive Versorgungsqualität, Verbandwechsel) in den Fokus nehmen.

Aufgrund der bleibenden und sichtbaren physischen sowie psychischen Wunden (z. B. Narbenbildung, Stigmatisierung, Isolation) ist es wichtig, das Thema Brandverletzungen bei Kindern näher zu beleuchten und vermehrt Grundlagenforschung zu betreiben, um die Versorgung der Betroffenen zu verbessern. Jugendliche scheinen stärker von emotionalen und psychischen Auswirkungen durch das Trauma betroffen zu sein (Delgado Pardo et al. 2008). Zu dieser Thematik lassen sich jedoch kaum Studien auffinden. Besonders Edukationsangebote zur Körperbildwahrnehmung, Krankheitsbewältigung und zur Schulintegration sind wichtig, um diese spezielle Zielgruppe bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu unterstützen.

Bei den eingeschlossenen Studien zeigt sich, dass die Altersspanne sehr heterogen ist. Es war nicht möglich, eine Differenzierung des Edukationsbedarfes hinsichtlich des Alters vorzunehmen. Aufgrund der elterlichen Abhängigkeit von Kleinkindern und des zunehmenden Unabhängigkeitsdrangs von Jugendlichen muss jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Edukationsbedarfe hinsichtlich des Alters unterscheiden. Dies trifft ebenso auf den Schweregrad der Verbrennung zu, der in den Studien nicht berücksichtigt bzw. differenziert wurde. Abschließend gehen die Autorinnen und Autoren davon aus, dass sich die benannten Edukationsbedarfe in allen Altersklassen der Kinder wiederfinden und unterschiedlich gewichtet werden sowie der Schweregrad der Brandverletzung das Ausmaß des Edukationsbedarfes bestimmt.

Aufgrund des individuellen Zeit- und Ressourcenrahmens des Studienteams erfolgte die Recherche nur in einer Datenbank; graue Literatur wurde vernachlässigt. Trotz aller Sorgfalt kann somit die Vollständigkeit nicht garantiert und eine punktuelle Skizzierung nicht ausgeschlossen werden.

Da die Methodik nicht vorsieht, eine Beurteilung bzw. Bewertung der eingeschlossenen Studien vorzunehmen, können Empfehlungen für die Praxis nur limitiert graduiert werden.

Schlussfolgerung und Implikationen für die Praxis

Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder mit einer Brandverletzung und deren Eltern herausfordernde Situationen während und nach der stationären Behandlung erleben. Im Verlauf der Behandlung einer Brandverletzung entsteht bei den betroffenen Kindern und insbesondere deren Eltern ein Grundbedürfnis nach Information und Aufklärung, welches v. a. zur Vorbereitung auf das häusliche Umfeld stärker wird und auch nach der akutstationären Behandlung bestehen bleibt.

Zur Bewältigung der Krise braucht es neben der entlastenden und fördernden Unterstützung durch die Familienmitglieder auch das Fachpersonal. Dieses ermöglicht v. a. durch Kommunikation und Information zum Wundheilungsverlauf und zur Prognose der Verletzung eine partizipative Entscheidungsfindung. Zur Deckung der Bedarfe sowie zur Förderung der Gesundheitskompetenz empfiehlt es sich, insbesondere an Brandverletztenzentren, auf den Stationen Pflegefachexpertinnen und Pflegefachexperten für Brandverletzungen einzusetzen sowie stationsunabhängige Beratungsstrukturen zu etablieren. Die strukturelle Integration von Patienteninformationszentren ist eine gute Möglichkeit, damit Eltern selbstständig Informationen einholen können und hier speziell ausgebildete Pflegefachpersonen Sprechstunden bzw. in Zusammenarbeit mit Psychologinnen und Psychologen Selbsthilfegruppen für Kinder mit Brandverletzungen anbieten.