Hintergrund

Viele ältere und alte Menschen haben aufgrund der mit dem Alterungsprozess zu erwartenden physiologischen und funktionellen Veränderungen ein erhöhtes Sturzrisiko (Runge und Hunter 2006). So zählen Beeinträchtigungen der sensomotorischen Funktionen oder der Balancefähigkeit ebenso zu Sturzrisikofaktoren wie Sturzerfahrungen von betroffneen Personen (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege 2013). Die in der Literatur genannten Faktoren wie kognitive Beeinträchtigungen, Gang- und Gleichgewichtsstörungen, Schwäche, Schwindel und Verwirrung (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege 2006) spielen ebenso eine Rolle für die Inzidenz von Sturzereignissen wie Kontinenzprobleme, Sehbeeinträchtigungen sowie Sturzangst und eine Sturzvorgeschichte. Weiterhin wird u. a. nach Schmid et al. ein schlechter Ernährungszustand mit einem erhöhten Sturzrisiko assoziiert (Schmid et al. 2002). Die European Society for Clinical Nutrition and Metabolism bezeichnet den Ernährungszustand älterer Personen als wichtigen Regulator von Gesundheit und Wohlbefinden (Volkert et al. 2018).

Internationale Studien zeigen, dass Pflegeheimbewohner*innen mit durchschnittlich 1,7 Stürzen/Jahr häufiger stürzen als Bewohner*innen mit durchschnittlich 0,6 Stürzen/Jahr, die in Wohngemeinschaften leben (Rubenstein et al. 1994). Eine Publikation aus dem Jahre 2013 von Burland et al. (2013) zeigt eine adjustierte Sturzrate von 1,54-2,24/Pflegeheimbewohner*in und Jahr. Im Jahr 2004 publizierten Kerse et al. eine mittlere Sturzrate von 2,3 Stürzen/Jahr und Bewohner in stationären Settings (Kerse et al. 2004). Stürze stellen in Deutschland nicht nur die häufigste Unfallursache dar; das Risiko zu stürzen steigt auch mit zunehmendem Alter an (Varnaccia und Rommel 2013). So stürzen jährlich fast ein Drittel der 65-Jährigen bis 79-Jährigen sowie die Hälfte der 80-Jährigen und Älteren (Saß et al. 2009). In der vorliegenden Studie lassen sich Sturzereignisse, gemäß der Internationalen Klassifikation für die Pflegepraxis (ICNP®), als ein „[…] Fallen des Körpers von einem höheren zu einem niedrigeren Niveau durch ein gestörtes Gleichgewicht des Körpers in verschiedenen Positionen zu halten“ definieren (International Council of Nursing 2003). Aufgrund der Vielzahl von Risiken werden ältere Menschen mit bekannten Mobilitätseinschränkungen oder Sturzrisiken in Deutschland häufig mit Gehhilfsmitteln zur Mobilitätsunterstützung versorgt. Hierzu zählen auf Basis des Hilfsmittelverzeichnisses des GKV Spitzenverbandes (Gesetzliche Krankenkassen Spitzenverband) Gehstöcke, Unterarmgehstützen, Gehböcke und Rollatoren, die in verschiedenen Sprzifikationen bekannt sind (GKV Spitzenverband 2019). Die Versorgung mit Mobilitätshilfsmitteln soll dazu beitragen, Risikofaktoren in der Mobilität älterer und hochaltriger Menschen zu minimieren sowie Sturzereignisse zu verhindern (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege 2013).

Im Mittelpunkt dieser Publikation stehen daher die Fragestellungen:

  • Wie hoch ist die Sturzinzidenz in deutschen Pflegewohnheimen?

  • Existieren Prädiktoren für Stürze bei Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen, und welche sind dies?

  • Mit welchen Hilfsmitteln sind die Pflegeheimbewohner*innen am häufigsten versorgt?

Methodik

Studiendesign und Setting

Es wurden multizentrische Querschnittserhebungen in den Jahren 2014, 2015 und 2016 mit Bewohnern/Bewohnerinnen (≥65 Jahren) deutscher Pflegewohnheime durchgeführt. Das positive Ethikvotum der Ärztekammer Berlin (Eth-837-262/00) lag zu Beginn der Querschnittsstudie vor.

Datenerhebung

In Vorbereitung auf die Datenerhebung mittels Fragebogen wurden Pflegefachkräfte auf Grundlage standardisierter schriftlicher und digitaler Schulungsunterlagen, u. a. eines Schulungsleitfadens, von Multiplikatoren zur Datenerhebung befähigt. Multiplikatoren waren in der Regel die Pflegedienstleitungen oder Qualitätsbeauftragten der Pflegewohnheime, die eine grundständige Ausbildung zur examinierten Pflegefachkraft absolviert hatten. Die Datenerhebung erfolgte ausschließlich nach informierter Zustimmung der/des Pflegeheimbewohnerin/Pflegeheimbewohners oder deren/dessen gesetzlichen Betreuer*in. Die in den Pflegewohnheimen arbeitenden Pflegefachkräfte erhoben auf Basis standardisierter schriftlicher Erhebungsbogen neben soziodemografischen Daten und pflegerelevanten Daten auch Diagnosen, Body-Mass-Index (BMI) sowie Daten zu Mobilität, Versorgung mit Mobilitätshilfsmitteln und Sturzhäufigkeit. Das Mobilitätsvermögen wurde mittels standardisierten und validierten Assessments, Elderly Mobility Scale (EMS) und Fullerton Advanced Balance Scale (FAB), erhoben (Rose et al. 2006).

Die Ermittlung soziodemografischer und pflegerelevanter Daten erfolgte neben Befragung der Pflegeheimbewohner*innen ergänzend aus der Bewohnerdokumentation. Die ausgefüllten Erhebungsbogen wurden postalisch an das durchführende Institut gesendet und dort eingelesen, überprüft und ausgewertet. Im Rahmen des Surveys wurde auf eine Fallzahlkalkulation verzichtet.

Untersuchungsgegenstand

Eingeschlossen in die Analyse wurden Pflegeheimbewohner*innen im 3. und 4. Lebensalter, also die 65- bis 84-Jährigen und die ≥85-Jährigen. Die Alterseinteilung erfolgte gemäß Böhm et al. (2009). Demnach befinden sich Menschen im Alter von 65 bis 84 Jahren im Altersabschnitt 3. Lebensalter bzw. gelten als die jungen Alten. Menschen ab 85 Jahren wurde der Begriff der alten zugeordnet, diese befinden sich im 4. Lebensalter. Als abhängige Variable wurde die Anzahl der Sturzereignisse innerhalb des Pflegewohnheims der letzten 14 Tage vor Erhebung – sowohl per Frage an die/den Pflegeheimbewohner*in als auch aus der Bewohnerdokumentation – erfasst. Die vorgegebene Definition des Sturzereignisses wird in der internationalen Pflegepraxis verwendet und wurde über den Schulungsleitfaden für ein gemeinsames Verständnis vorgegeben. Weiterhin wurde das Mobilitätsvermögen mit den beiden Mobiltätsassessments EMS und FAB erfasst. Das angewendete Mobilitätsassessment EMS wurde von Smith et al. (1994) in den 1990er-Jahren entwickelt, ist als Standardinstrument anerkannt und ist mit den, in der Pflege etablierten, Assessments Barthel-Index und Functional Independence Measure validiert (Nolan et al. 2008). Die EMS misst das Mobilitätsvermögen älterer gebrechlicher Menschen anhand 7 Items, die auf komplexe Bewegungsabläufe fokussieren. Mit der EMS werden u. a. die Fertigkeiten/Fähigkeiten Transfer, Stand und Gehen erfasst und mit einem Gesamtscore von max. 20 Punkten abgebildet.

Die FAB ist ein 10-Punkte-Testwerkzeug und bewertet verschiedene Dimensionen der Balancefähigkeit und wurde explizit für ältere Erwachsene entwickelt. Die Leistung jedes Probanden (wie z. B. bei dem Item „stehend nach vorn beugen“) wird anhand einer 5‑Punkte-Ordinalskala (0–4) mit einer maximalen Punktzahl von 40 Punkten bewertet. Die 5‑Punkte-Ordninalskala erstreckt sich von 0 Punkten (der Betreffende kann die Aufgabe nicht erledigen) bis 4 Punkten (der Betreffende löst die Aufgabe ohne Probleme).

Weiterhin wird der BMI als unabhängige Variable auf Sturzereignisse untersucht. Obwohl der BMI als ausschließlich angewendetes Kriterium zur Bewertung einer Mangelernährung nicht ausreicht, wurde der BMI 20 kg/m2 als kritisch für Menschen unter 70 Jahren bzw. 22 kg/m2 über 70 Jahre gemäß dem Consensus Statement 2015 der European Society of Clinical Nutrition and Metabolism definiert (Cederholm et al. 2015).

Der Begriff Prädiktor beschreibt in der vorliegenden Querschnittsstudie das Maß der Assoziativität.

Datenanalyse

Die statistische Analyse erfolgte mittels SPSS Statistics 25.0. Im Rahmen der deskriptiven Analyse wurden für alle kategorialen Daten Häufigkeiten berechnet, für alle intervallskalierten Daten nach Testung auf Normalverteilung der Median oder Mittelwert sowie Standardabweichungen berechnet. Für Sturzhäufigkeiten wurde für die jeweiligen Studienjahre 2014, 2015 und 2016 zusätzlich das Konfidenzintervall mittels Bootstrap bestimmt. Für den multivariaten Zusammenhang zwischen Sturz, als abhängige Variable, und verschiedenen unabhängigen Variablen wurde ein „classification and regression tree“ (CRT) nach Breimann et al. (1984) berechnet. Es wurden folgende unabhängige Variablen in die Berechnung eingegeben: Alter, BMI, Geschlecht, Erkrankungen (Diabetes mellitus, psychische Erkrankungen, Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems, Erkrankung des Bewegungsapparates, onkologische Erkrankungen und Demenz), Mobilitätshilfsmittel (Rollator und Rollstuhl) und folgende Items der EMS: vom Sitzen in den Stand, stehen, Gang, aus dem Liegen ins Sitzen, aus dem Sitzen ins Liegen sowie Zeit für Gehstrecke von 6 m und stehend nach vorn beugen. Die Validierung erfolgte mittels Kreuzvalidierung. Die „variable importance“ wurde unter der Zuhilfenahme von „random forest“ berechnet. Die einzelnen Bäume basieren auf „bootstrap samplings“. Die Variablen jedes Splittings werden hinsichtlich des Ausmaßes der Prädiktabilität über alle Bäume errechnet.

Fehlende Daten wurden aus bi- und multivariaten Analysen ausgeschlossen.

Ergebnisse

In den Jahren 2014–2016 wurden im Rahmen der Erhebung n = 2427 Probanden ab einem Alter von 65 Jahren untersucht. Bei nichtvorliegender Normalverteilung des Alters lag der Median bei 85 Jahren. Der Frauenanteil betrug 73,8 %. Innerhalb der Gesamtkohorte befanden sich 1114 Teilnehmer*innen im 3. Lebensalter und 1313 im 4. Lebensalter.

Bei den Pflegeheimbewohner*innen lagen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Demenz und Erkrankungen des Bewegungsapparates als häufigste Komorbiditäten vor (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Prävalenz der Komorbiditäten in Pflegeheimen der Jahre 2014–2016 in Prozent und Häufigkeit; eigene Darstellung

Die 2427 Pflegeheimbewohner*innen waren mit 2088 Mobilitätshilfsmitteln versorgt. Es lag teilweise eine Mehrfachversorgung vor. Nur ein kleiner Anteil von 14 % (n = 339) der Pflegeheimbewohner*innen war nicht mit einem Mobilitätshilfsmittel versorgt. Die Verteilung nach Art der Hilfsmittel stellt sich in Abb. 2 dar.

Abb. 2
figure 2

Versorgung mit Mobilitätshilfsmitteln in Pflegewohnheimen der Jahre 2014–2016 in Prozent und Häufigkeit; eigene Darstellung

Deutlich wird, dass die Mobilitätshilfsmittel in Pflegewohnheimen, bezogen auf die Art des Hilfsmittels, ungleich verteilt sind. Ein Großteil der Pflegeheimbewohner*innen ist mit einem Rollator (42,6 %) und/oder mit einem Rollstuhl (45,2 %) versorgt. Es wurden 1033 Rollatoren und 1098 Rollstühle erfasst.

Im Erhebungszeitraum stürzten, von 2387 gültigen Fällen, 132 Pflegeheimbewohner*innen. Das ist eine Sturzinzidenz von 5,5 %. Innerhalb der Gruppe der jungen Alten (65 bis 84 Jahre) stürzten 5,1 % und innerhalb der Gruppe alten (ab 85 Jahre) stürzten 5,9 % mindestens einmal. Die Anzahl der Stürze innerhalb von 14 Tagen vor dem Erhebungszeitpunkt ist, nach Altersgruppe und Kalenderjahren differenziert, in Abb. 3 dargestellt (siehe).

Abb. 3
figure 3

Sturzereignisse nach Altersgruppe und Kalenderjahr in Prozent und Häufigkeit; eigene Darstellung

Die Berechnung des CRT (Breimann et al. 1984) zeigt die unabhängigen Variablen vom Sitzen in den Stand sowie Gehen und stehend nach vorn strecken (Items der EMS) und BMI als Prädiktoren bei einer max. Baumtiefe von 5 Ebenen. Aus 19 unabhängigen Variablen wurden 12 mit einer normalisierten Wichtigkeit errechnet. Diese liegt bei den 4 stärksten unabhängigen Variablen zwischen 22,7 % für den BMI und 100 % beim Aufstehen vom Sitzen in den Stand (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

„Classification and regression tree“; abhängige Variable Sturzereignis und unabhängige Variablen, Prädiktoren Mobilität und Body-Mass-Index; eigene Darstellung

Für die Variable Sturzereignis zeigt sich die unabhängige Variable der EMS vom Sitzen in den Stand als stärkster Prädiktor. Hier stürzten unter der Ausprägung „benötigt Hilfe einer Person; unabhängig in mehr als 3s“ 7,3 % der Pflegeheimbewohner*innen. Für den zweitstärksten Prädiktor – den BMI – errechnet der CRT einen „Cut-off“-Wert von 21,5 kg/m2. Von den Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen, die zum Erhebungszeitpunkt einen BMI ≤21,5kg/m2 aufwiesen, stürzte jede/jeder Zehnte (10,2 %). Noch häufiger, mit einem Anteil von 22,4 %, stürzten Pflegeheimbewohner*innen, wenn zu den Mobilitätslimitationen beim Aufstehen und zu dem geringen BMI ein Unterstützungsbedarf beim Erreichen von Gegenständen im Stand hinzukommt. Unter den 1155 Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen, die einen BMI ab 21,5 kg/m2 aufwiesen und eine Gehstrecke von 6 m in bis zu 30 s bewältigten, zeigen sich Sturzereignisse in Höhe von 6,8 %. Die Variable vom Sitzen in den Stand zeigt sich bei diesen Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen erneut sturzprädiktiv. Liegt hier ein Unterstützungsbedarf durch eine Person vor, und können diese Pflegeheimbewohner*innen dann ohne Unterstützung stehen, steigt der Anteil der gestürzten Pflegeheimbewohner*innen auf 11,2 %.

Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Schlaganfall, Demenz, onkologische Erkrankungen sowie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Bewegungsapparates konnten als Prädiktoren für Sturzereignisse nicht identifiziert werden. Ebenfalls konnten das Alter sowie die Mobilitätshilfsmittel Rollator und Rollstuhl als Prädiktoren für Sturzereignisse nicht identifiziert werden.

Diskussion

Die vorliegende Studie untersuchte den Zusammenhang der Sturzhäufigkeit in deutschen Pflegewohnheimen und Sturzprädiktoren sowie die Versorgung mit Mobilitätshilfsmitteln von Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen. Damit leistet diese Untersuchung einen Beitrag zur Beleuchtung von Sturzereignissen in deutschen Pflegewohnheimen. Die ermittelte Sturzinzidenz von 5,5 % bettet sich in, die in den Vorjahren erhobenen, Sturzinzidenzen deutscher Pflegewohnheime ein. So lag diese im Jahr 2011, bei einer deutschlandweiten Prävalenzerhebung mit ähnlicher Methodik, in Pflegewohnheimen bei 6 % (Kottner und Dassen 2011). Bei Studien mit gleicher Methodik in den Jahren 2006 und 2010 lag die Sturzinzidenz bei 3,9 und 4,9 % und liegt damit für die vorliegende Studie der Jahre 2014–2016 nur unwesentlich höher (Lahmann et al. 2001).

Ähnlich wie die Sturzinzidenz lässt sich auch die Versorgung mit Mobilitätshilfsmittel in vergleichbare Studien einordnen. Mit einem Vorkommen von 42,6 % Rollatoren und 45,2 % Rollstühlen sind die Pflegeheimbewohner*innen in der vorliegenden Erhebung für Pflegewohnheime üblich versorgt (Lahmann et al. mit 44,9 % eingesetzten Mobilitätshilfsmittel in Pflegewohnheimen der Jahre 2006 bis 2013).

Die Ergebnisse zu Prädiktoren von Sturzereignissen, wie das Aufstehen aus dem Sitzen in den Stand und ein BMI ≤21,5 kg/m2 lassen sich in die Metaanalyse von Deandrea et al. (2010) einordnen. In dieser stürzen Pflegeheimbewohner*innen mit niedrigem BMI im Vergleich zu Bewohnern mit mittlerem bzw. hohem BMI 1,2-fach häufiger. Ebenso zeigen Deandrea et al. einen Zusammenhang zwischen limitierter „physical activity“ und Sturzereignissen auf.

Der rechnerisch als stärkster Prädiktor identifizierte komplexe Bewegungsablauf Aufstehen (vom Sitzen in den Stand) lässt sich in das systematische Literaturreview zu Sturzrisikofaktoren in stationärem Wohnen für ältere Menschen (ab 65 Jahren) von Sousa et al. einfügen (Sousa et al. 2016).

Die identifizierten Prädiktoren zeigen 2 vulnerable Gruppen von Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen. Beide Gruppen haben gemeinsam, dass Pflegeheimbewohner*innen mehr als 3 s zum Aufstehen aus dem Sitzen benötigen. Bei der ersten vulnerablen Gruppe handelt es sich um Pflegeheimbewohner*innen, die sehr schlank oder auch mangelernährt sind und beim Greifen nach vorn eine limitierte Reichweite aufweisen. Die Pflegeheimbewohner*innen, die eine zweite vulnerable Gruppe bilden, weisen zum einen einen BMI ab 21,5 kg/m2 auf und können zum anderen eine Gehstrecke von 6 m bewältigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sturzinzidenz zum einen eindeutig mit Einschränkungen der drei komplexen Bewegungsabläufe aufstehen aus dem Sitzen in den Stand, im Stehen nach vorn beugen und unabhängig gehen sowie mit dem BMI assoziiert sind.

Die pflegerische Praxis zielt in der Regel darauf ab, durch die Bestimmung des Sturzrisikos und den spezifischen Einsatz sturzpräventiver Maßnahmen Einfluss auf das Auftreten oder zumindest die Anzahl von Sturzereignissen zu nehmen. Der Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege konstatiert, nach Literaturanalyse und Diskussion in der Expertengruppe, dass „[…] die bisher entwickelten Assessmentinstrumente zur Bewertung des Sturzrisikos keine Ergebnisse liefern, anhand derer sturzgefährdete Patienten und Bewohner zweifelsfrei identifiziert werden können“ (Böhm et al. 2009).

Hier zeigen sich Chancen für Pflegefachkräfte, das Sturzrisiko von Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen belastbarer zu ermitteln.

Limitationen

Da die Pflegekräfte und Pflegeheimbewohner*innen freiwillig an der Querschnittserhebung teilgenommen haben, kann ein doppelter Selektionsbias nicht ausgeschlossen werden. Möglich ist, dass sich bevorzugt Leitungskräfte von Pflegewohnheimen mit Interesse an Forschung oder einem überdurchschnittlichen Interesse an Qualitätsentwicklung beteiligten.

Obwohl demografische Ähnlichkeiten mit der Gesamtpopulation existieren, kann eine grundsätzliche Übertragbarkeit auf diese – u. a. aufgrund der freiwilligen Teilnahme – nicht bestätigt werden.

Das in der Studie eingesetzte Assessment EMS wurde bisher in der Literatur auf die Interrater-Reliabilität zwischen Physiotherapeuten untersucht. Untersuchungen zur Interrater-Reliabilität zwischen Pflegefachkräften liegen nicht vor.

Ein „overfitting“ ist mit 19 unabhängigen Variablen nicht auszuschließen. Die Variablen „Sturzanamnese“ und „Polypharmazie“ wurden aufgrund unvollständiger Daten nicht in den CRT einbezogen.

Fazit

Unter Betrachtung der vorliegenden Analyse scheinen bisher angewendete Assessments bzw. pflegefachliche Einschätzungen, Sturzrisiken von Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen nur unzureichend abzubilden.

Nach dieser Untersuchung scheinen Pflegekräfte die Mobilitätstests „stand up test“ und „forward reach test“ sowie den BMI zu benötigen, um zu einer belastbareren Einschätzung des Sturzrisikos von Pflegeheimbewohnern/Pflegeheimbewohnerinnen zu gelangen.

Mit dem Einsatz der, in der Physiotherapie seit Langem etablierten, „stand up test“ und „forward reach test“ sowie dem ermittelten BMI könnte sich, nach aktueller Erkenntnis, mit geringem Aufwand ein großer Nutzen für Pflegeheimbewohner*innen erzielen lassen.

Unabdingbar ist es, den identifizierten Testansatz bezüglich Sensitivität und Spezifität zu prüfen und in einer „Randomized Controlled Trial“ (RCT) zu überprüfen. Bei positivem Ergebnis gilt es, einen Test bestehend aus Stand up test, Forward reach test und Ermittlung des BMI mittelfristig in die Ausbildung von Pflegekräften und in die Praxis zu überführen.

Es gilt in weiteren Erhebungen zu untersuchen, ob die Versorgung mit den Mobilitätshilfsmitteln Rollator und Rollstuhl Sturzrisikofaktoren suffizient begegnen kann.