Fragestellung: Welcher Anteil von Schwangeren wird von einem an die COVID-19-Pandemie angepassten Screening auf Gestationsdiabetes (GDM) nicht erfasst?

Hintergrund: Seit Beginn der COVID-19-Pandemie wurden im internationalen Rahmen zeitlich begrenzte Modifikationen für den diagnostischen Test auf GDM empfohlen, um die Aufenthaltszeit in Ambulanzen bzw. Arztpraxen, in denen Abstandhalten ("social distancing") nur bedingt umsetzbar ist, zu vermindern. So haben die Australasian Diabetes in Pregnancy Society (ADIPS) und das Royal Australian College of Obstetrics and Gynecology vorgeschlagen, dass für die Diagnose "GDM" ein HbA1c ≥5,9 % und/oder eine Nüchternblutglukose (NBG) ≥5,1 mmol/l ausreichen, während eine NBG <4,7 mmol/l einen GDM ausschließt und ein Wert zwischen 4,7 und 5,0 mmol/l einen 2-h oGTT erfordert. Wäh-rend die HbA1c-Bestimmung ein validierter Screeningtest für Diabetes in der Allgemeinpopulation ist, gibt es kaum Daten für die Verwendung als Screening auf GDM bei Schwangeren [1].

Patientinnen und Methoden: Das Studienkollektiv der retrospektiven Analyse bilden alle Schwangeren, bei denen zwischen 1/2019 und 2/2020 in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Ipswich Hospital (Perinatalzentrum Level 2), Queensland, Australien im ersten oder zweiten Trimenon ein GDM diagnostiziert und therapiert wurde. Aus den elektronischen Patientenakten wurden demografische Daten, Ergebnisse des oGTT, HbA1c-Werte und das Schwangerschafts-Outcome erfasst. Ausschlusskriterien waren ein präexistenter Diabetes und unvollständige Daten.

Die Patientinnen wurden entsprechend ihrer NBG-Werte (<4,7; 4,7-5,0; ≥5,1 mmol/l) und basierend auf ihrer Therapie (Diät, Metformin (=MF), Insulin und MF+Insulin) in Gruppen geteilt. Die Differenzen zwischen den Gruppen wurden mittels logistischer Regressionsanalyse verglichen.

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Auf den oralen Glukosetoleranztest als Goldstandard beim Screening auf Gestationsdiabetes kann auch in Coronazeiten nicht verzichtet werden.

Ergebnisse: Insgesamt erfüllten n=237 Schwangere die Einschlusskriterien. Das mittlere maternale Alter betrug 31,15 Jahre (SD=Standardabweichung 5,69), der mittlere Body-Mass-Index 35,1 kg/m2 (SD 6,98). 51 Frauen (21,5 %) hatten anamnestisch bereits einen GDM, 70 (29,5 %) waren Nulliparae. 89 Schwangere (37,6%) mussten durch Sectio caesarea entbunden werden, 167 (70,5 %) waren kaukasischer Ethnizität.

Nur bei 26 Schwangeren war der GDM im 1. Trimenon diagnostiziert worden, die restlichen erhielten kein oder hatten ein normales Frühscreening. Von diesen hatten 10 eine NBG ≥5,1 mmol/l (38,5 %), 8 hatten eine NBG zwischen 4,7 und 5,0 mmol/l (30,8 %) und ebenfalls 8 eine NBG <4,7 mmol/l (30,8 %). Nur 5 Schwangere, bei denen auch eine NBG ≥5,1 mmol/l gemessen wurde, hatten ein HbA1c ≥5,9% im 2. Trimenon. Keine Schwangere hatte einen HbA1c c ≥5,9 % im 1. Trimenon.

Hinsichtlich der NBG hatten 127 Patientinnen (55,5 %) eine NBG ≥5,1 mmol/l. 44 (19,2 %) hatten eine NBG zwischen 4,7 und 5,0 mmol/l und hätten entsprechend der an COVID-19 angepassten Guideline einen oGTT erhalten müssen. Bei 60 Schwangeren (25,3 %) wäre dieser Guideline zufolge kein GDM diagnostiziert worden. Von diesen waren 4 auf MF+Insulin (6,7 %) und 17 auf MF (28,3 %) eingestellt, bei 39 (65 %) war eine Diät ausreichend.

Tab. 1 zeigt den Vergleich der 3 NBG-Gruppen: Eine signifikant höhere NBG zeigte sich bei Schwangeren mit höherem BMI und HbA1c im 2. Trimenon sowie höheren 1- und 2-h-Werten im oGTT.

T1 Charakteristika der Schwangeren in den NBG-Gruppen [nach Originalie]

Im Vergleich der 4 Therapie-Gruppen (Diät, MF, Insulin, MF+Insulin) zeigten sich signifikante Unterschiede im BMI (34,5 vs. 34,2 vs. 38,5 vs. 36,9 kg/m2; p=0,023) und HbA1c (4,93 vs. 5,08 vs. 5,18 vs. 5,24 %; p=0,001) sowie NBG (4,86 vs. 5,09 vs. 5,59 vs. 5,43 mmol/l; p <0,001) im 2. Trimenon. In der logistischen Regressionsanalyse wurden die medikamentösen Therapiegruppen gegen die Diät verglichen. Der stärkste Prädiktor für einen Wechsel von Diät zu Medikation war die NBG im 2. Trimenon (OR 3,58, 95%-KI 1,86-6,93; p =0,001), gefolgt vom Alter (OR 1,06, 95%-KI 1,004-1,124; p=0,036).

Schlussfolgerungen: HbA1c und NBG sind unzulängliche Screening-Tests für GDM. Daher sollte auch in der COVID-19-Pandemie dem 75-g-oGTT der Vorrang in der Diagnostik von Risiko-Patientinnen eingeräumt werden. Eine erhöhte NBG ist ein signifikanter Prädiktor für medikamentöse Therapie und könnte zukünftig genutzt werden, um eine individualisierte Therapie zu ermöglichen.