Am 1.10.2017 entfiel die Zuckermarktordnung für Rübenzucker und praktisch zeitgleich lief die Quotenregelung für Isoglukose aus, deren Anteil auf dem EU-Binnenmarkt bisher auf 5 % begrenzt war. Das Resultat ist abzusehen: keine Schranken mehr für die billigen Zuckersirup-Importe mit der Sammelbezeichnung „Isoglukose“.

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In Rübenzucker sind gleiche Anteile Glukose und Fruktose.

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Der Sirup aus meist 55 % Fruktose und 44 % Glukose wird zwar als nicht schädlicher als Industriezucker eingeschätzt, sofern sich die Verzehrmengen nicht erhöhen; die Produktion soll sich in den nächsten 10 Jahren aber mehr als verdreifachen. Sollte Isoglukose den Zucker nicht nur vom Markt verdrängen, sondern in Lebensmitteln noch stärker zum Einsatz kommen, steigt der Zucker- und Kalorienverzehr noch mehr und so Übergewicht und Adipositas, Diabetes Typ 2 und kardiovaskuläre Krankheiten. Eine erhöhte Fruktosezufuhr würde langfristig das Risiko für Fettleber oder Typ-2-Diabetes steigern. diabetesDE — Deutsche Diabetes-Hilfe (DDH) und die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) plädieren daher für eine zügige Optimierung und Implementierung der nationalen Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fett und fordern ein wissenschaftliches Beratergremium.

Billige Isoglukose wird wohl vermehrt eingesetzt

„Es ist zu erwarten, dass die Industrie die billige Isoglukose in Europa vermehrt einsetzt. Die Bundesregierung muss darauf hinwirken, dass die Lebensmittel nicht süßer werden und der Zuckerkonsum nicht weiter zunimmt — er übersteigt heute schon die Empfehlung für die maximale Aufnahme um das Doppelte und ist mitverantwortlich für Diabetes Typ 2 und Adipositas!“, warnt Prof. Hans-Georg Joost vom Vorstand von diabetesDE/DDH. „Dazu muss die begonnene nationale Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung konsequent weiter verfolgt und optimiert werden, v.a. im Hinblick auf zeitgebundene Zielgrößen, die von der Lebensmittelwirtschaft verpflichtend umzusetzen sein sollten; noch effizienter wäre eine Zucker-Fett-Steuer“, fordert der Diabetologe. „Am Beispiel Zucker und Isoglukose können wir sehen, dass sich die Agrar- und Ernährungspolitik direkt auf die Ernährung der EU-Bürger auswirkt und damit auch Einfluss auf die Entstehung chronischer Krankheiten hat. ... Das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung hat nicht nur eine Verantwortung gegenüber derWirtschaft, sondern auch für Verbraucherschutz in Deutschland“, so Prof. Matthias Blüher, Präsident der DAG. Für die Fortsetzung der nationalen Reduktionsstrategie zur Reduzierung von Zucker, Salz und Fett in Lebensmitteln plädieren Blüher und Joost an die neue Bundesregierung, einen wissenschaftlichen Expertenbeirat zu gründen. Auch fordert die DAG die Implementierung eines nationalen Adipositasplans.

Was ist Isoglukose?

Der billige Zuckersirup Isoglukose wird verarbeiteten Lebensmitteln wie Limonaden, Gebäck oder Soßen gerne zum Süßen zugesetzt. Auf Zutatenlisten steht er auch als Fruktose-Glukose-Sirup. Hergestellt wird er aus Mais, Weizen- oder Kartoffeln. In den USA macht Isoglukose (High fructose corn syrup = HFCS) fast 50 % der Zucker aus. Bisher war der Anteil der Isoglukose in der EU auf 5 % des Zuckermarktes begrenzt [1].

Isoglukose besteht meist zu 55 % aus Fruktose und 44 % aus Glukose, in Saccharose (Haushaltszucker) liegen beide Zuckerarten im gleichen Mengenverhältnis vor. Dieser Unterschied wird als ernährungsphysiologisch nicht relevant eingeschätzt [1]. Auf Basis der Ähnlichkeit in der Zusammensetzung mit Saccharose (Rübenzucker) und anderen fruktosehaltigen Zuckern wie Honig oder Invertzucker, dem gleichen Energiegehalt sowie der gleichen Verstoffwechslung kommt ein aktuelles Gutachten des Max-Rubner-Instituts zu dem Schluss, dass „Isoglukose ... der Gesundheit des Menschen nicht mehr [schadet] als andere Zucker“, sofern die aufgenommenen Mengen gleich sind [1]. Experten des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) des EU-Parlaments schätzen aber, dass sich die Isoglukoseproduktion von 2016 bis 2025 mehr als verdreifachen wird und erwarten eine erhöhte Aufnahme von Isoglukose [2].

Nach WHO-Empfehlung sollte der Verzehr von zugesetztem Zucker, inkl. Sirup und Honig 50 g/Tag (= max. 10 % der Gesamtenergieaufnahme) nicht überschreiten; dies wird mit der Evidenzlage zum Zusammenhang zwischen Aufnahme freier Zucker (=zugesetzter Zucker) und einer Erhöhung des Körpergewichts begründet [3]. Auch andere sehen eine kausale Beziehung zwischen Zuckerkonsum, Übergewicht/Adipositas, Diabetes-Typ-2- und kardiovaskulärem Risiko als gesichert [4]. Die DGE hat kürzlich ihre „10 Regeln der DGE“ für ausgewogene Ernährung geändert: „Mit Zucker gesüßte Lebensmittel und Getränke sind nicht empfehlenswert“. Hier heißt es nicht länger „Achten Sie auf Zucker ...“, sondern: „Zucker ...einsparen“ [5].

Kontakt: diabetesDE– Deutsche Diabetes-Hilfe: Nicole Mattig-Fabian (Geschäftsführung) mattig-fabian@diabetesde.org