Das diesjährige Allergo Update bot wieder einen allergologischen Rundumschlag, bei dem auch viele spannende Themen aus der Pneumologie präsentiert wurden. Eine Auswahl der Studien mit besonderem Augenmerk auf ableitbare Konsequenzen für den klinischen Alltag lesen Sie hier.

In der frühen Kindheit treten Atemwegsinfektionen sehr häufig auf. Eine Assoziation mit dem späteren Auftreten von chronischen Atemwegserkrankungen wird vielfach diskutiert - bislang allerdings ohne konklusive Daten aus der Allgemeinbevölkerung, erklärte Prof. Antje Schuster, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, zum derzeitigen State of the Art. Nun zeigten zwei 2022 publizierte Studien, dass bei Kindern das Risiko für Asthma und Lungenfunktionsstörungen nach Infektionen der unteren Atemwege (LRTI) im frühen Alter erhöht ist.

Frühkindliche Atemwegsinfektionen: Häufiger Asthma im Schulalter

Laut einer Metaanalyse unter Einschluss der Daten von 150.000 Kindern aus 38 europäischen Geburtskohorten zeigten Kinder, die im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren eine LRTI hatten, im Schulalter eine schlechtere Lungenfunktion sowie ein erhöhtes Risiko für Asthma [1]. Dieses Ergebnis war unabhängig davon, ob ein infektassoziiertes frühkindliches "Giemen" dokumentiert war oder nicht.

Eine zweite Metanalyse aus neun Kohortenstudien deckte bei Kindern im Schulalter ein erhöhtes Asthma-Risiko gegenüber gesunden Kontrollen auf, wenn sie im Alter unter 2 Jahren wegen Bronchiolitis aufgrund von RSV (Respiratory syncytial virus) oder Rhinoviren (RV) hospitalisiert worden waren. Beim Vergleich beider Verursacher zeigte sich, dass RSV-Bronchiolitiden zwar relevant waren (OR = 7,21) und somit beachtet werden müssen, aber das Risiko für Asthma wurde durch RV noch stärker erhöht [2]. Als mögliche Mechanismen nannte Schuster einen negativen Einfluss dieser Infektionen auf die normale Lungenentwicklung bzw. das Lungenwachstum und infektionsinduzierte Immunmechanismen über T-Zell-Antworten.

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Aktuellen Daten zufolge sind Pollen zumindest einer der Trigger der bronchialen Hyperreaktivität.

Mit Biologika ans schwere Asthma nach dem A-B-C-D-Prinzip

Beim Management von schwerem unkontrolliertem Asthma hat der Einsatz von Biologika die Möglichkeiten erweitert und ist neben der individuellen inhalativen Therapie und der modernen Allergen-Immuntherapie die dritte Säule einer maßgeschneiderten Asthmatherapie im 21. Jahrhundert, erklärte Prof. Roland Buhl, Universitätsklinikum Mainz. Dabei sei es wichtig, das richtige Biologikum für den richtigen Patienten auszuwählen. In einer aktuellen Arbeit empfiehlt er, die Entscheidung auf Basis des "A-B-C-D-Prinzips" zu treffen: Dabei stehe "A" für Anamnese: (Alter Allergie, Erkrankungsbeginn), "B" für Biomarker (Eosinophilie im Blut, FeNO, allergenspezifisches IgE), "C" für Comorbiditäten, Kosten und Begleiterkrankungen und "D" für Dosierungsintervall, Applikation sowie andere Spezifika [3].

Als weitere Entscheidungshilfe zum Einsatz von Biologika bei schwerem Asthma stellte Buhl die aktualisierte S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma (in der Konsultationsfassung) vor. Dabei werden die nach Anamnese, Biomarkern, Comorbiditäten sowie Dosierungsintervallen ausgewählten Biologika weiter unterteilt nach dem jeweiligen Wirkprinzip, z. B. Anti-IgE (Omalizumab s.c.), Anti-IL-5-(R) (Mepolizumab s.c., Reslizumab i.v., Benralizumab s.c.), Anti-IL-4/13 (Dupilumab s.c.) sowie Anti-TSLP (Tezepelumab s.c.), ergänzt durch die jeweilige Zulassung, Prädiktoren des Ansprechens sowie Zulassung für Komorbiditäten [4].

Dass Biologika bei schwerem eosinophilem Asthma die jährliche Exazerbationsrate deutlich reduzieren und zum großen Teil mehr als halbieren, stellten sie in einer 2020 erschienenen Arbeit unter Beweis: Am besten schnitten dabei Tezepelumab und Dupilumab ab mit -56 %, gefolgt von Reslizumab (-54 %), Mepolizumab (-51 %), Benralizumab (-47 %) und Omalizumab (-44 %) [5]. Für Tezepelumab beispielsweise wurde außerdem bereits 2021 gezeigt, dass es die bronchiale Hyperreagibilität reduziert [6], und in DESTINATION bewies das Biologikum seine Langzeitwirksamkeit bei schwerem Asthma: Hier wurden Exazerbationen bis zu 104 Wochen nach den Studien NAVIGATOR (-58 %) und SOURCE (-39 %) reduziert [7]. In CASCADE reduzierte Tezepelumab denn auch Mucus-Plugging: Waren die Mucus-Scores laut Buhl eingangs positiv mit Entzündungsmarkern und negativ mit der Lungenfunktion korreliert, so ging eine Reduktion der Mucus-Scores durch Tezepelumab auch mit einer Verbesserung der Lungenfunktion einher [8].

Bronchiale Hyperreaktivität als Antwort auf Pollenexposition?

Auch wenn Expositionen und Sensibilisierungen gegen zugleich mehrere Pollenarten häufig sind, gibt es kaum Daten über den Einfluss der natürlichen Pollenexposition auf Entzündungen der Atemwege in der Allgemeinbevölkerung, erklärte Prof. Karl-Christian Bergmann, Charité - Universitätsmedizin Berlin. Unbekannt sei bislang auch, welchen kombinierten Effekt eine Sensibilisierung und/oder die Exposition mit einer oder mehreren Pollenarten (Polysensibilisierung) auf das exhalierte Stickoxid (FeNO) als Indikator einer bronchialen Entzündung haben.

Dieser Frage ging eine italienische Arbeitsgruppe anhand der Daten von 1.070 Erwachsenen aus der "Gene Environment Interactions in Respiratory Diseases multicase-control-Study" in der Allgemeinbevölkerung von Verona nach. Die Methode umfasste eine klinische Untersuchung (Anamnese, Spirometrie, Prick-Test und FeNO-Messung) sowie eine Messung der Pollenexposition in der Woche vor der Lungenfunktionsmessung (Exposition überstieg den "Cut-off" des Italian Aerobiological Monitoring Network). Laut Auswertung waren 15,5 % der Studienteilnehmer gegen eine bzw. 29,6 % gegen mehrere Pollenarten sensibilisiert. Das FeNO stieg in der Saison bei nicht sensibilisierten Personen auf 14,8 ppb (10,0-22,3), bei monosensibilisierten auf 16,7 ppb (10,1-25,0) und bei polysensibilisierten auf 20,4 ppb (12,3-40,6). Außerhalb der Saison betrug das FeNO bei monosensibilisierten 15,4 ppb (9,9-21) und bei polysensibilisierten Personen (≥ 3 Pollenarten) 17,5 ppb (11,2-30,5) [9].

Mit dieser Studie konnte erstmals auf Bevölkerungsebene ein enger Zusammenhang zwischen Sensibilisierung, Exposition und dem Einfluss auf die bronchiale Hyperreaktivität gezeigt werden. Während der Saison ist FeNO bei Nichtsensibilisierten nicht erhöht, steigt aber bei Sensibilisierten in der Saison deutlich - bei Polysensibilisierten noch einmal stärker -, wenn "ihre" Pollenspezies fliegt. Da die FeNO-Werte die Stärke der Atemwegsentzündung repräsentieren und offenbar in direkter Beziehung zur Pollenexposition bei Mono- und Polysensibilisierung stehen, sind Pollen zumindest einer der Trigger der bronchialen Hyperreaktivität. Diese Erkenntnisse müssten in die Bewertung von Lungenfunktionsdaten in der Pollensaison einfließen, lautete das Fazit von Bergmann.

Hot Topic: Klimawandel und Allergien

Der Klimawandel beeinträchtigt unsere Gesundheit in vielfacher Hinsicht, so Prof. Claudia Traidl-Hoffmann, Umweltmedizinerin am Uiversitätsklinikum Augsburg. Hitzeperioden, Waldbrände, Wetterextreme, Überschwemmungen und Dürren einerseits und die Biodervisitätskrise mit Veränderung der Vektorökologie, Luftschadstoffe sowie Allergenzunahme andererseits seien zusammen verantwortlich für eine Zunahme von Atemwegs- und kardiovaskulären Erkrankungen - aber auch von Allergien, Asthma sowie Neurodermitis.

Der Klimawandel bringt längere Pollenflugzeiten mit sich, es fliegen mehr Pollen, sie werden aggressiver und es kommen neue Pollen hinzu, erläuterte die Expertin. Inzwischen finde sich im Pollenflugkalender fast kein Tag im Jahr mehr ohne Pollenflug. Studien zeigen beispielsweise, dass Pollen die angeborene Abwehr gegen Atemwegsviren schwächen [10] und dass höhere Pollenkonzentrationen in der Luft mit erhöhten SARS-CoV-2-Infektionsraten korrelieren, wie aus 31 Ländern auf der ganzen Welt nachgewiesen wurde [11].

Weiter hängen höhere SARS-CoV-2-Infektionszahlen unabhängig von der Testhäufigkeit mit mehr luftgetragenen Pollen zusammen [12]. Und ganz aktuell wurde beobachtet, dass Birkenpollenextrakt die Replikation des humanen Cytomegalievirus in von Monozyten abgeleiteten dendritischen Zellen verstärkt [13]. Diese Erkenntnisse müssten bei der Städteplanung berücksichtigt werden, fordert Traidl-Hoffmann. Gefragt sei eine höhere Biodiversität in Städten. Auch müssten Städte klimaresilient geplant und hoch-allergene Bäume langfristig durch niedrig-allergene Bäume ersetzt werden.

Nachgewiesen ist laut Traidl-Hoffmann zudem, dass atopische Erkrankungen durch die globale Veränderung getrieben werden. So werde die Epithelbarriere der Haut, der Lunge und des Darms durch Klimawandel und Verlust der Artenvielfalt, veränderte Ernährungspräferenzen, Veränderungen des Mikrobioms und Dysbiosen sowie umweltschädliche Stoffe zerstört.

In ihrem Fazit für Klinik und Praxis empfahl Traidl-Hoffmann neben einer spezifischen Immuntherapie zur Prävention des atopischen Marsches eine Vorbereitung auf höhere Pollenkonzentrationen, Anpassung der Outdoor-Aktivitäten, Verstärkung der Polleninformationsdienste, eine präventive, d. h. pflanzenbasierte, diversere Ernährung - und nicht zuletzt mehr aktive Fortbewegung. Weiter plädierte sie für eine nachhaltige Praxisgestaltung, die Förderung erneuerbarer Energien und eine Optimierung der Abfallwirtschaft.

13. Allergologie-Update-Seminar, 3./4. März 2023, Frankfurt/Livestream