Ein 70-jähriger Nieraucher stellt sich in der pneumologischen Ambulanz vor zur Abklärung bei Lungenfibrose. Er berichtet eine schleichend zunehmende Belastungsdyspnoe seit 3 Jahren, einen Gewichtsverlust von 10 kg in den letzten 6 Monaten sowie Nachtschweiß und Leistungsminderung. Die Lungenfunktion zeigt eine leichte Restriktion (TLC 6,93 l/ 86 % Soll; FVC 3,31 l/66 % Soll) und eine mittelgradige Diffusionsstörung (DLCO 44 % Soll). Im CT zeigt sich eine fortgeschrittene Lungenfibrose.

Die Lungenfibrose des Patienten weist die computertomografischen Charakteristika einer "gewöhnlichen interstitiellen Pneumonie" (usual interstitial pneumonia; UIP) auf mit subpleuralen Retikulationen mit einem apiko-basalen Gradienten, Traktionsbronchiektasen und ausgeprägten Honigwaben als Ausdruck der fortgeschrittenen Fibrosierung. Zeichen einer entzündlichen Exazerbation wie Milchglastrübungen oder Konsolidierungen liegen nicht vor.

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© W. Gesierich, F. Popp, M. Welcker

CT-Thorax mit Nachweis einer fortgeschrittenen Lungenfibrose mit UIP-Muster: axiale Schichten apikal (a), medial (b) und basal (c) sowie sagittale Darstellung (d).

Die Labordiagnostik zeigt eine leichte Anämie und moderate Entzündungszeichen. In der Autoimmunserologie finden sich ein leicht erhöhter ANA-Titer sowie erhöhte Rheumafaktoren und CCP-Antikörper (▶Tab. 1). Eine arthritische Symptomatik besteht jedoch nicht. Das ENA-Profil (RNP-Sm-Ak, Sm-Ak, Scl-70-Ak, Jo-1-Ak, SSA[Ro60]-Ak, SSA[Ro52]-Ak) und das ANCA-Profil inklusive der Myeloperoxidase-Antikörper bleiben negativ.

T1 Relevante Labordiagnostik

Vorgeschichte

In der Anamnese findet sich die Diagnose einer mikroskopischen Polyangiitis (MPA). Diese war vor 8 Jahren im Rahmen eines subakuten Krankheitsbildes mit pulmonalen Infiltraten und Nachweis von p-ANCA mit Myeloperoxidase-Spezifität gestellt worden. Eine Nierenbeteiligung bestand nicht. Damals hatte man eine Induktionstherapie mit Steroiden und Azathioprin eingeleitet. Im Sinne einer Erhaltungstherapie wurde Azathioprin in den folgenden Jahren weitergeführt. Vor 3 Jahren trat eine Episode von akuten Beschwerden im Bereich der Fingergelenke auf, die eine passagere Steroidtherapie erforderte. Zu diesem Zeitpunkt zeigten sich noch schwach positive ANCA (p-ANCA 1:40; MPO-ANCA 35,4 IU/ml). Vor 2 Jahren wurde die immunsuppressive Therapie dann bei Remission der Vaskulitis abgesetzt.

Interdisziplinäre Fallkonferenz und erste Therapie

Die Befunde des Patienten werden im ILD-Board interdisziplinär zwischen Radiologie und Pneumologie besprochen. Bei typischem UIP-Muster ohne Zeichen aktiver Entzündung im CT und negativen p-ANCA und MPO-ANCA wird keine Aktivität der vorbekannten Vaskulitis wahrgenommen. Für eine bronchoskopische Diagnostik mit bronchoalveolärer Lavage und transbronchialer Kryobiopsie wird keine Notwendigkeit gesehen. Da eine Lungenfibrose in der Vorgeschichte nicht bekannt ist, wird aufgrund des aktuell bereits fortgeschrittenen Befundes eine progressive pulmonale Fibrose (PPF) angenommen und eine antifibrotische Therapie mit Nintedanib 2 × 150 mg/Tag eingeleitet.

In einer kurzfristigen Kontrolle nach einem Monat berichtet der Patient eine Besserung des Hustenreizes. Ein Krankheitsgefühl mit Nachtschweiß, Gewichtsverlust und Leistungsminderung besteht aber fort. Die Lungenfunktion ist erwartungsgemäß unverändert (▶Abb. 2). Nintedanib wird nebenwirkungsfrei toleriert.

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© W. Gesierich, F. Popp, M. Welcker

Medikamentöse Therapie und Verlauf der Lungenfunktion.

Kooperation mit der Rheumatologie

Bei unklarer und über eine Lungenfibrose hinausgehender Symptomatik wird der Patient nun dem vorbehandelnden Rheumatologen vorgestellt. Dieser diagnostiziert aufgrund des klinischen Bildes und der labordiagnostischen Entzündungszeichen mit erhöhtem CRP ein Rezidiv der Vaskulitis und leitet eine Re-Induktion mit Rituximab (2 × 1.000 mg q14d) und systemischen Steroiden ein. Nintedanib wird fortgeführt.

5 Monate später stellt sich der Patient wieder in der Pneumologie vor mit nun durchgreifender klinischer Besserung, Normalisierung der Lungenvolumina und Besserung der Diffusionsstörung (▶Abb. 2).

Aufgrund des guten Therapieeffektes und des Risikos einer B-Zell-Depletion im Rahmen der Corona-Pandemie wird von Seiten der Rheumatologie vorerst auf eine Rituximab-Erhaltungstherapie verzichtet.

Nach weiteren 4 Monaten zeigt sich ein anhaltend positiver klinischer Effekt, wenngleich die Volumina und die Diffusionskapazität wieder leicht rückläufig sind (▶Abb. 2). Ein HR-CT des Thorax zeigt zu diesem Zeitpunkt unverändert das Bild einer fortgeschrittenen Fibrose mit UIP-Muster. Die Steroide werden nun ausgeschlichen.

Die weitere Rituximab-Therapie wird vom Rheumatologen symptomorientiert gesteuert, erst nach weiteren 10 Monaten erfolgt die Gabe von 750 mg Rituximab im Sinne einer Erhaltungstherapie.

Lungenfibrose als Manifestation der MPA

In einer monozentrischen Kohorte von 144 Patienten mit MPA war die Lungenfibrose die fünfthäufigste klinische Manifestation der Erkrankung nach der Niereninsuffizienz (GFR ≤ 50 ml/min), der Hypertension, der peripheren Neuropathie und der Proteinurie (> 0,5 g/d). Eine Fibrose fand sich bei 11,8 % der Patienten bereits bei Erkrankungsbeginn und bei 15,3 % im gesamten Erkrankungsverlauf. Gut die Hälfte dieser Patienten zeigte im CT ein UIP-Muster [1]. Die Patienten mit Lungenfibrose hatten im Vergleich zur Gesamtkohorte ein signifikant höheres Rezidiv-Risiko (Hazard Ratio 1,94; 95%-KI 0,93-4,06; p = 0,08) und Mortalitätsrisiko (Hazard Ratio 4,04; 95%-KI 1,21-13,45; p = 0,02), was auf die besondere klinische Relevanz dieser Erkrankungsmanifestation hinweist [1].

2022 wurden neue Klassifikationskriterien für die ANCA-assoziierten Vaskulitiden entwickelt. Demnach wird das Vorhandensein einer fibrosierenden interstitiellen Lungenerkrankung - natürlich im klinischen Kontext einer Kleingefäß-Vaskulitis - als starker Hinweis auf eine MPA gewertet, während die typische Lungenmanifestation für die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) in Rundherden, Konsolidierungen und Kavitationen gesehen wird [2, 3].

Therapiestandards bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden

Die aktuellen Leitlinien zum Management der AAV empfehlen bei schwerer, organbedrohender Erkrankung zur Remissions-Induktion eine kombinierte Immunsuppression mit Rituximab und systemischen Steroiden [4]. Rituximab wird dem früheren Standard einer Cyclophsophymid-Therapie aufgrund moderater Evidenz für eine Überlegenheit und wegen der geringeren Toxizität vorgezogen. Dies gilt insbesondere für die Situation eines Krankheitsrezidivs. Für die begleitende Steroidtherapie wird ein beschleunigtes Dosisreduktionsschema vorgeschlagen, das in der PEXIVAS-Studie einem Standard-Dosisschema nicht unterlegen, aber mit einer geringeren Rate an schweren Infektionen assoziiert war (Hazard Ratio 0,69; 95%-KI 0,52-0,93) [5].

Für die Remissionsinduktion wird aufgrund der Daten des MAINRITSAN-Studienprogramms mittlerweile ebenfalls Rituximab bevorzugt [4, 6, 7, 8]. Unklar ist das optimale Dosisintervall. MAINRITSAN-2 verglich eine regelmäßige Gabe von 500 mg alle 6 Monate mit einer On-demand-Strategie, bei der Rituximab erst nach Wiederkehr oder Anstieg von ANCA oder B-Zellen wiederholt wird. Die Studie zeigte, dass nicht alle Rezidive durch einen entsprechenden Markeranstieg angekündigt wurden. Dementsprechend zeigte sich ein Trend zu einer geringeren Rezidivrate bei regelmäßiger Rituximab-Gabe. Im Rahmen der Corona-Pandemie ist andererseits ein vorsichtiger Umgang mit Rituximab wünschenswert, da unter der B-Zell-Depletion prolongierte und persistierende Covid-19-Erkrankungen auftreten können.

In MAINRITSAN-3 wurde eine längerfristige Rituximab-Erhaltungstherapie mit einem Therapiestopp nach 2 Jahren verglichen. Hier zeigte sich ein eindeutiger Vorteil für die verlängerte Therapie.

Progressive pulmonale Fibrose (PPF)

Eine antifibrotische Therapie mit Nintedanib ist bei der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) gut etabliert. Im INBUILD-Trial wurde das Therapieprinzip übertragen auf Non-IPF-Krankheitsbilder, die trotz unterschiedlicher Pathophysiologie in eine der IPF vergleichbare progressive Fibrose übergehen. Nintedanib konnte auch in dieser Situation die Progression der Fibrose in etwa halbieren [9]. Unter den in INBUILD untersuchten Krankheitsbildern waren auch autoimmun verursachte interstitielle Lungenerkrankungen. Voraussetzung für einen Einsatz von Nintedanib ist ein klinischer, funktioneller und radiologischer Progress der Fibrose trotz optimaler Therapie der Grunderkrankung.