Das Gesundheitswesen steht vor der Aufgabe, Antworten auf die Herausforderungen der Klimakatastrophe zu finden und ins Handeln zu kommen. Dabei geht es um zweierlei: Einerseits die Anpassung der Arbeit an klimabedingte Gesundheitsgefahren, andererseits um die Reduktion des ökologischen Fußabdrucks des Gesundheitswesens selbst. Im Folgenden werden die konkreten Anknüpfungspunkte in der Versorgung von Lungenkranken sowie das Konzept von Planetary Health vorgestellt.

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Eine Medizin-Kultur, die die Verantwortung für menschliche und planetare Gesundheit übernimmt, ist im Kern erst Medizin.

Es ist ein grundsätzliches Problem aller Klimafolgenforschung: Die Folgen der Klimakatastrophe sind zunächst alltäglich. Häufig bemerken wir an Einzelereignissen das Ausmaß der Katastrophe leider nicht. So auch in der Gesundheitsversorgung.

Die Katastrophe schreitet voran - und wir bemerken sie nicht

Wenn beispielsweise ein 50-jähriger Patient mit Erkältungssymptomen im Frühjahr in unsere Sprechstunde kommt, wäre es vor Jahren die Ausnahme gewesen, von einer Allergie auszugehen. Heute ist es für Pneumologinnen und Pneumologen sachgerechter, trotz des Alters des Patienten ein allergologisches Screening durchzuführen. Denn 34 % der Bevölkerung sind inzwischen gegen Pflanzenpollen sensibilisiert, und die Anzahl der an Asthma Erkrankten ist in Deutschland zwischen 2007 und 2017 um 10-20 % gestiegen: Es besteht Einigkeit darüber, dass in diesem harmlosen Tatbestand eine Auswirkung der Klimakatastrophe vorliegt [1]. Durch die Erderwärmung ist die Pollenmenge in der Luft aufgrund von längeren Blühzeiten und stärkerer Pollenproduktion der allergenen Pflanzen gestiegen, auch die Pollenaggressivität hat zugenommen [2]. Zusätzlich wird die Lage durch das Auftreten von Neophyten mit neuen allergenen Pollen sowie durch die Luftverschmutzung verschärft [3]. Für den Einzelnen verläuft dieser Wandel unbemerkt und schleichend. Nur epidemiologische Studien können diese Veränderung für uns sichtbar machen.

Wie groß ist die Bedrohung für die Gesundheit?

"There's no life on a dead planet" - dieser Slogan, der vor 4 Jahren erstmals auf Protestplakaten von Fridays-for-Future-Aktivisten zu sehen war, versinnbildlicht das Problem. Der "schleichende" Klimawandel ist erdgeschichtlich kein Wandel, sondern eine seit 500 Millionen Jahren so nie dagewesene eruptive Entwicklung. Jetzt läuft uns die Zeit davon: Nur noch wenige Jahre liegen vor uns, um eine irreversible Destabilisierung der Erdsysteme aufzuhalten, die untrennbar mit der Auflösung unserer Gesellschaftsstrukturen verbunden wäre [4]. Und der Klimawandel schreitet schneller voran als erwartet: Aktuelle Studien der World Meteorological Organisation zeigen, dass eine 50:50-Chance besteht, dass die globale Jahresdurchschnittstemperatur für mindestens eines der nächsten 5 Jahre vorübergehend 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau liegt [5]. Für das Gesundheitssystem droht damit bereits in den kommenden Jahren eine enorme Belastung. Seit 2015 fasst der Lancet das täglich wachsende medizinisch relevante Wissen im Lancet Countdown mit einer Kommission aus Wissenschaftlerinnen und Ärzten zusammen [6]. Die Faktenlage wird mit jedem Jahr erdrückender. Die Worte von Antonio Guterres, dem UN-Generalsekretär auf dem COP27 in Sharm el-Sheikh im November 2022 unterstreichen unsere verzwickte und verzweifelte Situation: "…wir fahren mit Vollgas auf die Klimahölle zu." Wenn wir jetzt nicht sämtliche von der Wissenschaft vorgeschlagenen Maßnahmen zum Klimaschutz umsetzen, wird die Menschheit sehr viel Leid, eben "Höllenpein", erleiden. Und wir werden die Ärzte und Ärztinnen sein, die diesem menschlichen Leid begegnen werden.

Klinische Folgen für die Pneumologie

Hitzewellen: Die mit der Erderwärmung einhergehende periodische Hitzeexposition bringt relevante Veränderungen für unsere Patienten und Patientinnen mit sich; denn Betroffene mit vorbestehenden, chronischen Lungenkrankheiten reagieren besonders stark auf Hitzefolgen. Noch fehlt in den meisten deutschen Städten ein Hitzewarnsystem und praktische Umsetzungen für die Bevölkerung. Krankenhäuser und Praxen sind auf diese Perioden nicht eingestellt. Lokal angepasste Hitzeaktionspläne fehlen weitgehend, obwohl deren Bedeutung nachweislich einen großen Stellenwert hat [7]. Gesundheitseinrichtungen sollten gerade für Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten Innenraumkühlungen vornehmen. Die Zeitdauer der Exazerbationen wie auch die Krankenhausbehandlungsdauer verkürzen sich hierdurch nachweislich [8].

Luft-Schadstoffakkumulation: Neben der Hitze ist es die Luftschadstoffakkumulation in Ballungsräumen, die sich negativ auf das Patientenwohl auswirkt. Besonders gilt dies für Feinstaub (PM2,5), Abgase, Holzverbrennung, Ammoniakverbindungen aus der Landwirtschaft (Düngung und Tierhaltung) die im Respirationstrakt oxidativen Stress und schleimhauttoxische bzw. proinflammative Effekte nach sich ziehen [9]. Für Lungenspezialistinnen und Hausärzte sollte deswegen regional und in Anknüpfung an meteorologische Risikophasen ein Beratungs- und Anpassungsprozedere eingeführt werden [10]. Für diese Anpassungsstrategien braucht es dringend leicht zu implementierende Priorisierungen für Praktiker [11]. Die Luftverschmutzung, die vor allem durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern, Verkehr und Industrie entsteht, führt in Europa zu etwa 400.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr und zahlreichen Erkrankungen [12, 13]. In aktuellen Berechnungen [14] sind die monetarisierten Kosten der vorzeitigen Sterblichkeit aufgrund von Luftverschmutzung auf 2,7 % des Weltbruttosozialprodukts (GWP), was 2,3 Billionen US-Dollar entspricht, bemessen. Der Zusammenhang von Luftverschmutzung und Lungenkrebs ist vermutlich bislang zu wenig berücksichtigt worden, obwohl das Wissen hierzu vorliegt [12]. Die Zusammenhänge für die Thoraxonkologie, die Intensivmedizin und die Immunologie sind inzwischen auch für den deutschsprachigen Raum aufgearbeitet [15].

Infektiologie: Eine der pneumologisch besonders relevanten Gesundheitsgefahren im Aufgabenspektrum der Pneumologie betrifft die Infektiologie. Die Entstehung von Pandemien durch Zoonosen wie die COVID-19-Pandemie durch die Übertragung von Viren von Tieren auf Menschen müssen wir zukünftig weiter und verstärkt erwarten, da der Klimawandel zu einer Häufung von Zoonosen um den Faktor 4.000 führt [16]. Ob HIV, SARS 1, SARS-CoV-2, Dengue-Fieber oder Malaria: Studien des Weltbiodiversitätsrates der UNO (IPBES) belegen den Zusammenhang von Klimaveränderung, Störung der Biodiversität und Infektionskrankheiten. So erscheint es angezeigt, tropenmedizinische Expertise in unsere Fortbildungsprogramme zu integrieren, um pulmonalen Manifestationen von hierzulande bislang ungewohnten Erkrankungen zukünftig fachlich kompetent begegnen zu können. Das im vollen Gange befindliche Artensterben bringt noch unabsehbare Störungen der Biodiversität mit sich, und es werden insbesondere im Zusammenhang mit den Hitzeperioden viele bislang in unseren Breiten nicht bekannte Erkrankungen Einzug in die Praxen und Krankenhäuser halten [5]. Vor diesem Hintergrund sollte ganz besonders ein äußerst kritischer Gebrauch von Immunsuppressiva, Antibiotika, Antimykotika und Antipyretika unsere fachliche Expertise auszeichnen. Denn die Folgen der Zerstörung der Biodiversität durch einen unkritischen Gebrauch dieser Substanzen werden bislang in unserem Handeln zu wenig berücksichtigt [18].

Naturkatastrophen: Mit steigender Temperatur wird ein gehäuftes Auftreten von Extremwetterereignissen wie Flutkatastrophen in den nächsten Jahren immer wahrscheinlicher: Sowohl hierzulande - siehe Ahrtal 2021 - als auch global haben wir uns längst an die Katastrophennachrichten gewöhnt. Ob im Sommer 2022 ein Drittel der Fläche von Pakistan unter Wasser steht oder in Neuseeland an einem einzigen Tag so viel Regen fällt wie normalerweise über den gesamten Sommer verteilt, unsere Reaktion ist häufig die gleiche: Wir vergessen innerhalb kurzer Zeit all diese Hiobsbotschaften - unsere Psyche versucht sich mit Verdrängung zu schützen. Längst wissen wir, dass diese Naturkatastrophen nicht nur akut die körperliche Gesundheit vieler Menschen bedrohen. Bei Betroffenen und bei vulnerablen Bevölkerungsgruppen können diese Ereignisse auch zu langfristigen Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit wie beispielsweise posttraumatischen Belastungsstörungen führen [19]. Besonders Menschen, die aufgrund von Klimakatastrophen zur Flucht gezwungen sind, leiden unter diesen Symptomen.

Zusammenfassend können wir feststellen, dass pneumologische Krankheitsbilder häufiger auftreten werden und ein schwerer Verlauf zu erwarten ist. Alles spricht dafür, dass das Arbeiten in Zeiten der fortschreitenden Klimakatastrophe gut informierte und besonnene Pneumologinnen und Pneumologen dringend benötigt. Je mehr es uns in den kommenden 5-10 Jahren gelingt, die Abmilderung der Klimakatastrophe mit voranzutreiben, umso weniger gravierend werden die nachfolgenden Generationen unsere Versäumnisse erleben müssen. Hier liegt der vielleicht wichtigste Wegweiser für unser gegenwärtiges Handeln. Die Auswirkungen von klimaunfreundlichem Arbeiten waren nie so folgenschwer wie in der gegenwärtigen Dekade.

Medizin als Wegweiser für Klimaschutz?

Das Gesundheitswesen muss sich in seinen Algorithmen auf die Auswirkungen der Klimakatastrophe einstellen. Gleichzeitig ist es aber selbst Mitverursacher der Katastrophe, denn es ist für einen bedeutenden Anteil der Emissionen verantwortlich: Etwa 5,2 % der gesamten Treibhausgasemissionen werden in Deutschland vom Gesundheitssektor selbst verursacht. Insbesondere die Bereiche Gebäude (Energie, Wärme), Verkehr (Mitarbeiter, Patienten, Besucher), Ernährung und die Lieferketten (Medikamente, Verbrauchsmaterialien) sind hierbei ausschlaggebend [15].

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Zum ärztlichen Beitrag für Klima- und Gesundheitsschutz gehört es auch, Über- und Fehlversorgung zu vermeiden: Das reduziert den CO2-Fußabdruck medizinisch-technischer Leistungen sowie die Medikamentenrückstände in der Biosphäre.

Dabei wird das zentrale Dilemma des Gesundheitswesens deutlich, das seine Grundlage auf die Verbrennung fossiler Energien gestellt hat: Mit den zur Verfügung stehenden Therapien helfen wir dem Menschen, der vor uns sitzt, gefährden aber langfristig damit sowohl seine als auch die Gesundheit von allen zukünftigen Generationen. Nur ein transformiertes, nachhaltiges, klimafreundliches, und zugleich resilientes Gesundheitswesen kann diesem Dilemma entgehen und damit auch im Einklang mit dem hippokratischen Leitspruch [21] stehen: "Primun nihil nocere".

Was können wir tun?

Planetary Health. Die vielen positiven Auswirkungen von Klimaschutz auf die Gesundheit können unter dem Begriff "Planetary Health" zusammengefasst werden [22, 23]: Das Konzept der planetaren Gesundheit schafft Handlungsspielräume für die menschliche Gesundheit in Rücksichtnahme auf die Bio- wie die Soziosphäre des Planeten [5, 24, 25, 26].

Die individuellen Gesundheitsvorteile, die durch Umsetzung dieser Handlungsmaximen entstehen, wirken präventiv und krankheitsvorbeugend. Im Umkehrschluss werden weniger Behandlungen nötig sein, die wiederum die Umwelt belasten würden. Forscherinnen und Forscher von Lancet Planetary Health fanden beispielsweise über eine modellbasierte Studie heraus, dass durch Umsetzung einer Planetary Health Diet bis zu 5 Mio. Todesfälle, die in Bezug zu Ernährung stehen, vermieden werden könnten [27].

Planetary Health - die Gesundheit des Planeten - wird nicht nur auf seine biologischen Subsysteme bezogen, sondern erweitert den Blick auf die Kultur menschlichen Verhaltens. In diesem Verständnis inkludiert die Bewegung die Ansätze der One-Health-Bewegung und erweitert sie um den Aspekt des kulturellen und politischen Zusammenlebens.

Gewohnheiten aufgeben. Eine Medizin-Kultur, die die Verantwortung für menschliche und planetare Gesundheit übernimmt, ist im Kern erst Medizin. Die Chance von Medizinerinnen und Medizinern besteht jetzt darin, diesen Ansatz aufzugreifen und tiefgreifende Transformationsprozesse dort zu fördern und zu unterstützen, wo sie aufkeimen, und sie dort anzustoßen, wo sie noch auf sich warten lassen. Vertraut man den Erkenntnissen von Geels und Schot [28] oder anderen Transformationswissenschaftlern [24, 29, 30], können wir Gesundheitsvertreter klimafreundliches Arbeiten in unserem beruflichen Alltag (als sogenannte "Nische") verfolgen und darin das Potenzial zu Veränderungen in der Gesellschaft relevant stärken.

Die Medizin kann sich ihrer leitenden Funktion bewusst werden, Pneumologinnen und Pneumologen könnten hierbei sogar eine führende Rolle einnehmen; das Portalorgan Lunge bietet pathophysiologisch und therapeutisch eine exzellente Basis hierzu [12].

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC; [31]) verweist auf bildungs- und gemeindeorientierte Ansätze, die mit der Einhaltung der 1,5-˚C-Begrenzung in Einklang stehen. In allen Sektoren betont das IPCC die Notwendigkeit umfassender Verhaltensänderungen. Laut dem neuesten IPCC-Bericht können diese Verhaltensänderungen 40-70 % der globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 reduzieren.

Die großen Hebel in der Hand der ärztlichen Beratung

Ernährung. Die Reduktion der überproportionalen fleischhaltigen Ernährung und die Umstellung auf eine nachhaltige ökologische Landwirtschaft kann 25-30 % des CO2-Fußabdruckes vermindern [27] sowie die individuelle Gesundheit derart fördern, dass deutlich weniger Behandlungen notwendig sind.

Bewegung. Die Umstellung auf mehr Bewegung und nichtmotorisierte Fortbewegung kann einen großen doppelt wirksamen Hebel für Klimaschutz und zugleich Gesundheitsschutz auslösen - und ist damit in jedem Lebensalter zentral für Therapie und Prävention der wichtigsten Volksleiden wie Herz-Kreislauf-Krankheiten, Übergewicht, Diabetes, Rheuma und Krebserkrankungen [33, 34].

Adaptationsstrategien sind Mitigationsstrategien (Abmilderungsstrategien). Viele Hebel für klimafreundliches Arbeiten konzentrieren sich auf Anpassungen (Adaptationen) an die kontinuierliche Veränderung des Klimas in den nächsten Jahren. Zentrale Anpassungsmaßnahmen sind häufig auch Maßnahmen zur Abmilderung der Krise, wie beispielsweise der Umbau von Praxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Kühlung, nachhaltige Wärmeversorgung, biologische Baustoffe (z. B. Holz) vermindern Krankheitsfolgen der Klimakrise und können bei Nutzung regenerativer Energieträger durch relevante Verminderung der CO2-Emission zur Abmilderung der Klimakatastrophe beitragen [12, 13]. Ärzte können bei Bauherren für diese Zusammenhänge einstehen. Gemeint sind beispielsweise effektive Wärmedämmung, Solaranlagen auf dem Dach, resiliente Landschaften mit regionaler Windenergie, die Umstellung auf Elektromobilität oder auf moderne Heizsysteme, die auf Kraft-Wärme-Kopplung basieren.

Nimmt das Gesundheitswesen die Verantwortung an?

Das Potenzial unserer medizinischen klimafreundlichen Arbeit besteht im Verstärken von positiven vulnerablen Kippunkten. Maßnahmen zur klimafreundlichen Gesundheitsversorgung haben insgesamt weit größere Auswirkungen als es Einzelmaßnahmen zunächst erwarten lassen [36]. Ein klimafreundliches Gesundheitssystem wird in Deutschland nicht allein durch Gesetze erreicht werden. Selbst wenn die Politik die Zeichen der Zeit begreifen würde, braucht es Gesundheitsvertreterinnen und -vertreter, die bereit sind, das Narrativ der eigenen Arbeit im Kontext von Planetary Health zu ergreifen, auch wenn ökonomische Zwänge und das geltende Finanzierungssystem (SGB 5) noch dagegen sprechen. Nichts zu tun, wäre die Schlechteste aller Möglichkeiten. Deswegen im Folgenden einige konkrete Lösungsvorschläge.

Dosieraerosole / Inhalative Therapie

Dosieraerosole enthalten Treibgase. Diese verursachen einen 10- bis 40-fach höheren CO2-Fußabdruck im Vergleich zu Pulverinhalatoren. Gegenwärtig enthalten die Dosieraerosole meistens Norfluran (Tetraflourethan, HFA-134a), einige Dosieraerosole enthalten Apafluran (Heptaflourpropan, HFA 227ea) [37, 38].

Das Treibhauspotenzial (Global Warming Potential: GWP) von Substanzen wird relativ zu CO2 bemessen. Bei Norfluran beläuft sich das Treibhauspotenzial auf 1.430 CO2-Äquivalente, bei Apafluran auf 3.220 CO2-Äquivalente.

In mehr als 80 % der genutzten Dosieraerosole wären Pulverinhalatoren ohne Nachteil für die Patienten einsetzbar, und eine Umstellung ist auch für Kostenträger und Praxen ohne Mehrkosten möglich [37]. Damit steht Pneumologen und verordnenden Ärztinnen eine relevante klimaschützende Handhabe zur Verfügung. Obwohl inzwischen eine S1-Leitlinie zur klimabewussten Verordnung von Inhalationssystemen erstellt wurde [39], ist noch keine breite Umstellung etabliert. Bedenkt man die Tatsache, dass 600 Millionen Tagesdosierungen Dosieraerosole pro Jahr in Deutschland verordnet werden [38], lassen sich sowohl der Handlungsbedarf als auch das große Einsparpotenzial für klimafreundliches Arbeiten abschätzen. Für das englische Gesundheitssystem liegen bereits Daten vor: Hier wird eine CO2-Last von 800.000 Tonnen/Jahr angegeben, die bis 2035 vollständig reduziert werden soll [35]. Das CO2-Einspar-Potenzial in Deutschland im Zusammenhang mit der Umstellung von Inhalationssystemen beträgt Schätzungen zufolge 115-480 kg CO2 pro Patient und Jahr. Anders ausgedrückt: Das Verschreibungsverhalten von Pneumologinnen und Pneumologen kann die Umwelt mit 46.600 Tonnen CO2 pro Jahr entlasten [42, 43].

Überversorgung und Fehlversorgung

Die Strukturen des deutschen Gesundheitssystems liefern Anreize zu medizinischer Leistung, die einer kritischen Indikationsprüfung nicht immer standhalten würden. Diesen Anreizen sind alle Leistungserbringer ausgesetzt. Im Ergebnis führt dies im europäischen Vergleich zu einer bis zu dreimal häufigeren Leistungserbringung von umweltbelastenden medizinischen Leistungen wie etwa Koronarangiografien, Leistenbruchoperationen und Hüftendoprothetik [41]. Ärztinnen und Ärzte sind diesen Fehlanreizen besonders ausgesetzt, was allerdings bislang allein unter ökonomischen Gesichtspunkten analysiert wurde [42]. Dass als Folge die Klimakatastrophe angefeuert wird, kommt bislang in den öffentlichen Untersuchungen zu dieser Frage nicht vor [43]. Wirksam und medizinisch verantwortungsvoll für die Abmilderung der Klimakatastrophe wird es sein, durch Unterlassung von Über- und Fehlversorgung den CO2-Fußabdruck von medizinisch-technischen Leistungen zu vermindern. Ebenfalls wichtig ist es, Medikamentenrückstände zu minimieren, da diese das biologische Gleichgewicht der Erde stören. Das Gefahrenbewusstsein, dass Kipppunkte der irreversiblen Zerstörung der Biodiversität durch Medikamentenrückstände in der Biosphäre mit verursacht werden, spiegelt sich allerdings nicht im Verordnungsverhalten von Ärzten und Ärztinnen wider. Die Auswirkungen sind bekannt [18] - allerdings nicht im Alltag handlungsleitend. Pneumologinnen und Pneumologen können hier Vorreiter sein für eine kritische Indikationsstellung von Polypharmatherapie und einen wesentlichen Beitrag leisten im Bereich der nicht leitliniengerechten antimikrobiellen Therapie sowie der fehlenden Schulungsmöglichkeiten für den Gebrauch inhalativer Medikamente. Die Empfehlung zur Stärkung von Selbstregulationstraining (Lungensport) sowie die konsequente Beratung zum Rauchstopp sind wesentliche Einflussfaktoren, die Ärzte mit hohem Wirkungsgrad auf die Abmilderung der Klimakrise umsetzen können [44].

Ärztliche Weiterbildung und Patientenedukation

Die entsprechenden Weiterbildungen für Ärztinnen und Ärzte sind noch nicht in der gebotenen Vielfalt zu finden. Jede Einrichtung sollte sich über Hitzeaktionspläne informieren, und Ärzte sollten an regionalen Konzepten im Quartierumfeld von ihren Einrichtungen mitarbeiten [45, 46].

In Zeiten drastischer Veränderungen der Klimakatastrophe wäre es sinnvoll, die Bevölkerung mit besonderem Edukationsprogrammen auszustatten, um vermeidbare Folgen der Veränderung abzumildern. Ähnlich wie Schulungsprogramme zur Anwendung von Inhalationstherapien (NASA/COBRA) könnte der Umgang mit den zu erwartenden Veränderungen mithilfe systematischer Schulung in Praxen aufgebaut werden. Dies würde der fachlichen Expertise von Pneumologinnen und Pneumologen entsprechen und könnte schnellstmöglich in Fortbildungsprogrammen für Patienten und Schulungen für Experten auf Fachkongressen der pneumologischen Fachgesellschaften aufgenommen werden.

Die eigene Praxis oder Lungenabteilung umgestalten

Mehr als 5 % der deutschen Treibhausgasemissionen entstehen im Gesundheitswesen. Dabei gibt es viele Faktoren, mit denen Sie Ihr Arbeitsumfeld klimafreundlicher gestalten können: Beziehen Sie Ihren Strom und Ihre Wärmeversorgung schon aus erneuerbaren Energien? Schaffen Sie und Ihre Mitarbeiter es, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen? Gibt es in Ihrer Einrichtung die Möglichkeit, sich in der Mittagspause gesund und klimafreundlich zu ernähren, orientiert an der planetaren Ernährung? Diese und viele weitere Tipps finden sie auch im Rahmenwerk für Klimagerechte Gesundheitseinrichtungen [47].

Netzwerke stärken und mitarbeiten

Es ist sinnvoll und wirksam, sich regional und international tätigen Organisationen anzuschließen, die Gesundheit und Klimaschutz vereinen wollen. Neben einigen aktiven Krankenhaus-Fachgesellschaften und Ärztekammern ist die deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG, https://www.klimawandel-gesundheit.de) die in Deutschland führende Organisation für Gesundheitsvertreter. International ist die Organisation Health Care Without Harm (HCWH, https://noharm-europe.org) aktiv dabei, ein klimafreundliches Gesundheitssystem zu stärken und den ökologischen Fußabdruck des Gesundheitswesens zu senken. 2009 veröffentlichte die WHO in Zusammenarbeit mit der Organisation Health Care Without Harm das Rahmenwerk "Healthy Hospitals, Healthy Planet, Healthy People", in dem Schritte auf dem Weg in Richtung klimafreundliches Gesundheitswesen gefordert werden [48]. Seit 2022 gibt es die Taskforce Klimawandel und Gesundheit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (https://www.pneumologie.de/dgp/taskforces). Dort können Pneumologinnen und Pneumologen Aktivitäten für ein klimafreundliches Arbeiten im Fachgebiet der Pneumologie koordinieren und umsetzen.

Fazit für die Praxis

Praxen, Krankenhäusern sowie Ärztinnen und Ärzten in allen Gesundheitseinrichtungen kommt mit dem Fortschreiten der Klimakatastrophe eine neue Verantwortungsrolle zu. Wir haben heute noch die Wahl und können unsere Verantwortung annehmen - oder so weiter machen wie bisher. Spätere Generationen werden unser Handeln beurteilen: Wir sind die letzte Generation, die diese Wahl noch hatte.