Die Entwicklungen in der Medizin führen dazu, dass die Lebenserwartung in Industrieländern stark ansteigt. Aktuell beträgt sie in Deutschland bei neugeborenen Mädchen 83,4 Jahre, bei Jungen 78,6 Jahre [1]. Auch die medizinische Versorgung bei uns verändert sich. Besonders im Krankenhaussektor steht ein notwendiger Strukturwandel bevor. Politisch wird der Abbau von Überkapazitäten gefordert, resultierend aus der reduzierten Patientenverweildauer, zudem Zentralisierung und Spezialisierung [2]. Stellt man die Notwendigkeit der stationären Behandlung immer mehr infrage, führt das aber zur vermehrten "Ambulantisierung" und es werden wohl weitere Krankenhäuser geschlossen werden.

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Es gilt im Dschungel wie in der Krankenhauslandschaft: Was einmal weg ist, kommt so schnell nicht wieder. Daher ist proaktives Mitgestalten beim Medizin-Strukturwandel wichtig.

Eine vor 2 Jahren veröffentlichte Analyse der Bertelsmann-Stiftung ergab einen künftigen stationären Bedarf von einem Drittel der heute verfügbaren Klinikstandorte bzw. Betten. Die dann verbliebenen Standorte würden über höhere Bettenzahlen und Behandlungskapazitäten dennoch eine gleichbleibende Versorgungsqualität gewährleisten [3]. Somit erscheint der politische Wille kalkulatorisch aufzugehen. Dies wird durch Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses über Mindestmengen, u. a. in der Thoraxchirurgie, gestützt [4]. Dadurch sind Operationen beim Lungenkarzinom spätestens in 2 Jahren nur noch an wenigen Orten möglich. Legt man den Jahresbericht der von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Lungenkrebszentren zugrunde, wären dies knapp 60 Standorte in Deutschland [5].

Wo bleiben Erreichbarkeit und lokale Bedürfnisse?

Es wird also zu massiven Veränderungen kommen. Es wäre aber von der Politik zu fordern, dass nach klar definierten Vorgaben flächendeckende Strukturen aufgebaut werden, die auch die Erreichbarkeit und lokale Versorgungsnotwendigkeiten berücksichtigen. Die Autoren des Bertelsmann-Gutachtens haben sich etwa mit der Region 5 in Nordrein-Westfalen beschäftigt, ein sehr dicht besiedelter Raum. Ob die dort entwickelnden Modelle auf Flächenländer zu übertragen sind, ist fraglich.

Leider führen die Vorgaben der Politik zu Mindestmengen, Pflegeuntergrenzen, Notfallversorgung etc. aber dazu, dass nicht unbedingt strukturelle und versorgungsrelevante Entscheidungen das Überleben eines Krankenhauses sichern. Derzeit profitieren Häuser, die sich bestmöglich im Vorgabendschungel durchkämpfen und auf gewinnbringende Behandlungen spezialisieren können. Lokale Versorger, die nicht nur Patienten mit in Bezug auf DRGs (Diagnosis-Related Groups) "interessanten" Erkrankungen behandeln können, sondern auch ältere, multimorbide Menschen mit oft unspezifischen Beschwerden betreuen müssen, könnten auf der Strecke bleiben. Somit findet die Reduktion von Klinikbetten nicht geplant und strukturiert, sondern wirtschaftlich getrieben statt. Wo bleibt die Versorgungsrelevanz?

Wir müssen uns alle darum kümmern, die anstehenden Veränderungen bestmöglich im Sinne unserer Patienten zu bewältigen. Sicher ist die OP-Mindestmenge in chirurgischen Fächern relevant. Wie dies beim klassischen internistischen Patienten abzubilden ist, muss aber noch erarbeitet werden. Des Weiteren sind die Sektorengrenzen zwischen ambulant und stationär zu diskutieren. Erklärtes Ziel des DRG-Systems ist, die stationären Fälle zu reduzieren und sie in Spezialambulanzen zu überführen. Dies kann aber nur in finanzierten Strukturen, intersektoral und im Konsens etabliert werden. Hier sind lokale Netzwerke zwischen Haus- und Fachärzten sowie Krankenhausambulanzen nötig. Wir sollten Vorgaben für Strukturänderungen gemeinsam entwickeln, da proaktives Handeln sinnvoller ist als reaktives Klagen.

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Prof. Dr. med. Felix J. F. Herth, Dsc., FCCP, FERS

Medizinischer Geschäftsführer,

Chefarzt der Abteilung Innere Medizin,

Pneumologie, Thoraxklinik , Universität

Heidelberg, Röntgenstr. 1, 69126 Heidelberg

felix.herth@med.uni-heidelberg.de