Das Lungenkarzinom gilt als Beispielerkrankung für die enormen Fortschritte in der Onkologie. 2002 sah man das nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) noch als eine homogene Erkrankung mit schlechter Prognose: relativ unabhängig von der Wahl der Chemotherapeutika lag das Therapieansprechen im Stadium IV bei 19 %, das mediane Überleben bei 7,9 Monaten und das 1- und 2-Jahresüberleben bei jeweils 33 und 11 % [1].

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Mittlerweile hat sich unser Wissen zum NSCLC enorm ausdifferenziert, das Erkrankungsbild ist heterogen geworden und patientenindividuell zu betrachten. Neben den histologischen Subtypen ist vor allem die molekulare Analyse der onkogenen Treibermutationen für die Prognose der Patienten hochrelevant. Bis zu 20 % (bei Nichtrauchern sogar bis zu 50 %) weisen therapierbare Mutationen auf, zielgerichtete Therapeutika können die Überlebenszeit von 2002 heute im Einzelfall vervielfachen, Langzeitremissionen sind möglich geworden.

Immuntherapie vor Chemotherapie

Fortschritte in der Tumorimmunologie haben die Immuntherapie hervorgebracht, die bereits als neuer Standard für Patienten im Stadium IV ohne Treibermutation angesehen werden darf. In der Anfangsphase dieser Therapieform stellte sich die Frage, wann die Hinzugabe einer Immuntherapie zu einer Chemotherapie sinnvoll ist. Hier hat sich die Situation gewendet: mittlerweile ist vielmehr zu entscheiden, wann zu einer Immuntherapie (eventuell sogar in der Kombination aus 2 Immuntherapeutika) noch eine Chemotherapie addiert werden soll!

Populationsbasierte Analysen aus den USA zeigen in den Jahren zwischen 2008 und 2016 einen Rückgang der Inzidenz des NSCLC um 3,1 %. Deutlich stärker, nämlich um 6,3 %, ist im selben Zeitraum die Mortalität der Erkrankung gesunken [2]. Dies gilt als Ausdruck dessen, dass der rasante Fortschritt in der Therapie auch bei den Patienten ankommt. Zielgerichtete Therapie und Immuntherapie werden in den kommenden Jahren rasch auch im adjuvanten und neoadjuvanten Setting Einzug halten und auch hier die Situation revolutionieren.

Die Entwicklung in der thorakalen Onkologie verläuft so rasch, dass Leitlinien längst nicht mehr mithalten können und bei Veröffentlichung bereits veraltet sind. Das ist eine besondere Herausforderung für die Fortbildung der Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich tätig sind!

Bronchoskopische Diagnostik und Therapie gefragt

Die genannten Fortschritte stellen auch immer größere Anforderungen an die bronchoskopische Diagnostik. Sie muss den stark gestiegenen Gewebebedarf der Pathologie mit adäquaten Proben befriedigen und gleichzeitig eine umfassende Abklärung der thorakalen Situation inklusive des mediastinalen Stagings liefern. Gleichzeitig ist die interventionelle Bronchoskopie neben Chirurgie, Strahlentherapie und medikamentöser Tumortherapie die vierte Säule der multimodalen Therapie bei Lungenkarzinomen und macht nicht selten buchstäblich den Weg frei für alles Weitere.

In der aktuellen Ausgabe der Pneumonews werfen wir unseren Blick auf diese Aspekte der thorakalen Onkologie, ein Gebiet unseres Faches, in dem in den letzten Jahren eine so beeindruckende Prognoseverbesserung stattgefunden hat, wie wohl kaum in einem anderen Bereich der Pneumologie.

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Dr. med. Wolfgang Gesierich

Asklepios Fachkliniken München-Gauting

Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie

Robert-Koch-Allee 2

82131 Gauting

w.gesierich@asklepios.com