"Wenn wir mit Lockerungen und Impfstrategien so weitermachen wie bisher, dann erwarten wir eine massive Überlastung der Intensivkapazitäten", prognostizierte Prof. Leif Erik Sander, Charité, Berlin. Er empfiehlt, neben Kontaktbeschränkungen und Impfen auch über den sinnvollen Einsatz monoklonaler Antikörper nachzudenken.

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Um eine Immunität der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 herzustellen, sind bereits vier Impfstoffe zugelassen: Die mRNA-Impfstoffe Tozinameran (BNT162b2) von Biontech/Pfizer und mRNA-1273 von Moderna sowie die Vektorimpfstoffe AdV26 von Johnson&Johnson und AZD1222 von AstraZeneca. Der Proteinimpfstoff NVX-CoV2373 des US-amerikanischen Herstellers Novovax und der russische Vektorimpfstoff Sputnik V (Gam-COVID-Vac) befinden sich im Rolling Review der EMA (Stand März 2021). Alle Impfungen zielen darauf ab, den Körper gegen das Spike-Protein zu immunisieren.

Real-World-Daten: hohe Effektivität der Impfstoffe

Die Zulassungsstudien belegen für alle vier Impfstoffe eine gute Wirksamkeit. Mittlerweile stehen auch Real-World-Daten zur Verfügung. So habe sich in Versorgungsdaten aus Israel eine ganz exzellente Wirksamkeit für Tozinameran herausgestellt, fasste Sander zusammen: Nach nur einer Impfdosis waren bereits schwere Erkrankungen um 80 % und das Risiko für Tod um 84 % reduziert, 7 Tage nach der zweiten Impfung bestand ein Schutz von 98 % gegen symptomatische Infektionen [1]. Auch aus Schottland gibt es Positives: Anhand der nationalen Datenbank "Early Pandemic Evaluation and Enhanced Surveillance of COVID-19" (EAVE II) sind Real-World-Daten bei über 80-Jährigen erhoben worden [2]. Schon nach einer Dosis verhinderte Tozinameran nach 28-34 Tagen 85 % der Krankenhauseinweisungen, AZD1222 sogar 94 %. "Auch der Impfstoff von AstraZeneca ist ein extrem effektiver Impfstoff", folgerte er. Für die höchste Wirksamkeit müsste der Abstand zwischen den beiden Impfungen mindestens 12 Wochen betragen. Nach dieser Zeit zeigte sich in aggregierten Daten aus unterschiedlichen Studien eine Wirksamkeit von 82,4 % [3].

Für die extrem seltene Nebenwirkung der Sinusvenenthrombosen beim AstraZeneca-Impfstoff, bei denen es sich wahrscheinlich um ein HIT-II-like-Syndrom handele, werde es einen Warnhinweis geben. Möglicherweise sei das Syndrom sogar durch eine intravenöse Immunglobulingabe behandelbar, sagte Sander.

Molekulare Antikörper in der Frühphase wirksam

Da in Deutschland die Impfungen langsamer als nötig vorankommen, bedarf es zusätzlich wirksamer Medikamente. So sind die molekularen, neutralisierenden Antikörper gegen das Spike-Protein, Bamlanivimab und die Kombination aus Casirivimab plus Imdevimab (REGN-COV2), in den USA bereits zugelassen. "Damit haben wir noch ein Ass im Ärmel", freute sich Sander. Allerdings können die Antikörper nur in der Frühphase der Erkrankung die Viruslast und die Hospitalisierungsrate senken, wenn der Patient noch keine Antikörper gebildet hat und die Viruslast sehr hoch ist. "In Deutschland stehen die Antikörper für Heilversuche vor allem den Universitätskliniken zur Verfügung, das ist ein Dilemma, denn wir sehen Patienten erst, wenn sie schon zu weit fortgeschritten in ihrer Erkrankungsphase sind", erklärte Sander. Er forderte dazu auf, dieses Problem anzugehen, denn diese Antikörper seien ein sehr sinnvoller Ansatz.

Quelle: Hot Topic "COVID-19-Infektion - Immunreaktionen - Allergien", 11. Allergologie-Update-Seminar, 20.3.2021