Wenn Kinder und Jugendliche unter Dyspnoe leiden, gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede, die zudem altersabhängig sind. Nach Angaben von Prof. Dr. Jürgen Seidenberg vom Universitätsklinikum Oldenburg leiden Jungen etwa bis zum Alter von 12 Jahren häufiger als Mädchen unter Atemlosigkeit. Später egalisiere sich das und dann kehre sich dieses Verhältnis um. Jungen haben im Kleinkindalter kleinere Atemwege als Mädchen, weshalb obstruktive Episoden vergleichsweise häufiger vorkommen. Später, ab der Adoleszenz, haben Frauen allein aus anatomischen Gründen eine im Durchschnitt geringere Vitalkapazität oder Einsekundenkapazität.

Aus der KiGGS-Studie (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) geht hervor, dass Asthma bei Jungen vor der Pubertät deutlich häufiger vorkommt als bei Mädchen. Die Prävalenzen nähern sich in der Pubertät mit jeweils etwa 7 % im Alter von 11 Jahren an, wie eine niederländische Untersuchung bestätigt. Im Alter von etwa 16 Jahren liegt die Prävalenz bei Mädchen bei 6,2 %, bei Jungen bei etwa 4,3 %. Dies ist sowohl auf eine erhöhte Inzidenz als auch verminderte Remissionsraten bei Mädchen im Vergleich zu Jungen zurückzuführen. Prävalenz und Inzidenz bei Jungen nehmen ab. Sucht man nach Risikofaktoren, scheinen sich die Adipositas sowie die intrauterine Passivrauchbelastung bei den Mädchen negativer auszuwirken als bei Jungen [1]. Bekannt ist, dass Kinder, die auf dem Land aufwachsen, deutlich seltener Asthma und Atopien haben als Stadtkinder. Auch hierbei lasse sich ein deutlicher Geschlechtsunterschied zugunsten der Mädchen beobachten, erklärte Seidenberg. Gute Erklärungen für diese Geschlechterunterschiede gebe es bislang nicht.

figure 1

Entwickeln sich die Atemwege von Jungs und Mädchen weiter, verschiebt sich die Prävalenz von Asthma zwischen den Geschlechtern.

© spa/Springer Medizin Verlag

Psychisch, organisch oder beides?

Dysfunktionelle respiratorische Symptome lassen sich nach ätiologischen Gesichtspunkten Diagnosen zuordnen. Grob unterscheiden lässt sich rein psychogene Atemnot, etwa bei Panikattacken, von psychogen ausgelöster Atemnot mit organischen Folgen wie der Vocal Cord Dysfunction. Schließlich gibt es organische Erkrankungen wie Asthma bronchiale, deren Attacken unter Umständen psychogen getriggert werden.

Seidenberg erläuterte dies an verschiedenen Beispielen. Zu den Stereotypien oder ticartigen Störungen gehört der habituelle Husten, der fast ausschließlich bei Jungen beobachtet wird: ein lauter und störender, röhrender Husten „wie eine kanadische Wildgans“, so Seidenberg, der in Gegenwart von Eltern oder Lehrern zunehme, im Schlaf dagegen fast nie auftrete. Der Patient erscheint dabei wenig beeinträchtigt. Typisch ist die mit dem Husten verbundene „Hand an den Hals“-Bewegung. Auf Medikamente sprechen die Patienten nicht an. Die allein psychogene Genese sei nicht immer von vornherein klar und bedürfe einer vertieften Anamnese, erklärte der Kinderpneumologe. Gegenüber Eltern sollte versichert werden, dass es sich um nichts Schlimmes handelt, zugleich müssen Negativaussagen („Hat nichts“) vermieden werden. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen sind oft erfolgreich.

Weniger bekannt sind Störungen des Atemmusters die vor allem bei Mädchen vorkommende Hyperventilation mit schneller, flacher Atmung oder die Seufzer-Dyspnoe mit einzelnen tiefen Atemzügen. Eine funktionelle Atemstörungen mit strukturellem Korrelat ist die Vocal Cord Dysfunction. Diese kommt gehäuft bei Asthma-Patienten mit hyperreagiblen Atemwegen vor, gelegentlich besteht nur ein Globusgefühl oder Heiserkeit. Antiasthmatika bessern die Beschwerden nicht. „Etwa 30 % der Kinder sind psychiatrisch auffällig.“ Ausgeprägter Ehrgeiz, intrafamiliäre Konflikte oder sexueller Missbrauch können hinter der Symptomatik stecken. Ausgeschlossen werden sollten ein gastroösophagealer Reflux oder chronische Sinusitis. Nötig ist unter Umständen ein logopädisches Stimm- und Atemtraining sowie Psychotherapie.