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Prof. Dr. med. Tobias Welte Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Strasse 1 30625 Hannover welte.tobias@mh-hannover.de

2018 gab es weltweit eine der stärksten Influenza-Epidemien der letzten Jahrzehnte, auch in Deutschland. In der Hochphase ab Mitte Februar wurden nach Angaben des Robert Koch Instituts (RKI) 60.000 bestätigte Erkrankungen registriert [1]. Wenn man davon ausgeht, dass auf einen bestätigten Fall 5 nicht bestätigte Fälle kommen, waren das mehr als 300.000 pro Woche. Ab Mitte März nahm die Zahl langsam ab, aber bis Ende April gab es noch Erkrankungen. Insgesamt dürften 2018 mehr als 2 Mio. Menschen Influenza gehabt haben. Der Anteil derer, die ins Krankenhaus mussten oder gar starben, war hoch. Das RKI berichtet von 1.615 direkt an Influenza Gestorbenen, auch hier dürften es mehr sein, weil die Influenza nur bei einem Teil der Patienten bestätigt wurde und weil indirekte Todesfälle nicht in der Statistik auftauchen. Eine 2018 publizierte amerikanische Studie zeigt, dass das Myokardinfarktrisiko bei Influenza in der ersten Krankheitswoche auf das Sechsfache steigt [2]. Wesentlicher Grund dürfte eine typische Aktivierung von Makrophagen sein, was in den Koronararterien zur Inflammation und zum Aufbrechen von Koronarplaques führt. Die bei Influenza besonders starke Inflammation verstärkt die Thrombozytenaktivität und so die Thrombenanlagerung in den Koronarien. Auch bei uns in Hannover geht die Zahl der Katheteruntersuchungen während der Influenzazeit deutlich nach oben — die Sterblichkeit auch.

Zum Teil schwere Grippe-Kardiomyopathien

Eine Besonderheit 2018 war, dass 80 % der Infektionen durch Influenza B ausgelöst wurden. Jahre mit B-Dominanz sind selten, zuletzt 2005. Influenza B befällt, anders als A, nicht nur das respiratorische System, sondern es kann Kardiomyozyten invadieren und zu schweren Kardiomyopathien führen. Diese sind oft nicht reversibel, die meisten Patienten sterben. Entgegen der landläufigen Meinung erkrankten dabei nicht nur Ältere, v. a. mit chronischen Vorerkrankungen, im Gegenteil waren viele vorher völlig gesund. Und: Unglücklicherweise war der dominante Influenza-B-Stamm Typ Yamagata nicht Teil des für 2017/18 empfohlenen Impfstoffs. Das war im Prinzip schon im Oktober 2017 bekannt. Das RKI empfahl schließlich die Impfung mit einem quadrivalenten Impfstoff, der B-Yamagata enthält, dieser war aber nur unzureichend lieferbar und wurde von den Krankenkassen nicht finanziert. Erst Ende April 2018 entschied der GBA, den quadrivalenten Impfstoff erstattungsfähig zu machen, sodass er für die Saison 2018/19 verfügbar wurde.

Man muss ehrlicherweise zugeben, dass auch bei Verfügbarkeit eines Influenza-B-Yamagata abdeckenden Impfstoffes die Erkrankungszahlen 2018 hoch gewesen wären. Dies, weil sich in Deutschland < 40 % derer, für die die Impfung empfohlen wird, wirklich impfen lassen. Die Gründe dafür sind weitgehend irrational und reichen von der Angst vor Impfkomplikationen, dem Gefühl, „man würde durch die Impfung krank“ bis hin zur Behauptung, es sei besser für die Immunabwehr, eine Krankheit zu durchleben. Die Rate an Impfkomplikationen (1 schwere auf 3 Mio. Impfungen) ist angesichts der Mortalität durch Influenza vernachlässigbar. Das Gefühl, nach dem Impfen krank zu sein, wird durch die Antikörperbildung erzeugt, was sich wie ein leichter Infekt anfühlen kann. Natürlich schützt die Influenzaimpfung nur vor Influenza, vor sonst nichts. Und leider liegt die Impfeffektivität je nach dominantem Virenstamm nur bei 60—70 %, es gibt Versager. In einer aktuellen US-Studie nahmen influenzabedingte Tode bei Patienten mit chronischer Herzkrankheit aber stark ab [3].

Die schwere Epidemie 2018 hatte einen positiven Nebeneffekt: 2018/19 ließen sich mehr Menschen impfen als je zuvor. So viele, dass der Impfstoff zur Neige ging, weil niemand mit dem Andrang gerechnet hatte. Der dominante Influenzastamm in 2019, A Michigan, wird vom aktuellen Impfstoff abgedeckt, die präventive Wirkung ist also hoch. Wer geimpft ist, kann sich freuen.

Wir leben in Zeiten, in denen Meinungen über soziale Medien gemacht und rasend verbreitet werden. Oft entbehren Meldungen jeglicher Wahrheit. Beim Thema „Impfen“ ist das ausgeprägt. Viele haben mehr Angst vor seltenen Nebeneffekten der Impfung als vor der Krankheit! Wir sind aufgerufen, umfassend über die positiven Effekte der Impfung zu informieren, aber auch die Ängste der Menschen ernst zu nehmen und anzusprechen. Die beste Krankheit bleibt die, die man nicht hat, Influenza ist ein gutes Beispiel. Aber man ist nur geschützt, wenn man sich impfen lässt.

„Vorsorge ist besser als Heilung“ (Heraklit von Ephesus, 470 v. Chr.). Darüber sollte jeder einmal kurz nachdenken.