Hintergrund+Fragestellung: Die Zahl der älteren Patienten, die im klinischen Setting beatmet werden, stieg zwischen 2001 und 2011 um rund 30 % an. Gleichzeitig wurden viermal so viele Patienten mit Demenz in den Krankenhäusern behandelt. Entgegen dieser Entwicklungen ist der Effekt der Intensivtherapie in dieser Gruppe nicht ganz klar.

Daher nahmen sich die Autoren der Prüfung der Outcome-Effekte von beatmeten Patienten mit Demenz an.

Patienten und Methoden: In der retrospektiven Kohortenstudie wurden die Patienten erfasst, die an einer Demenz litten und invasiv maschinell beatmet wurden. Mithilfe einer multivariablen logistischen Regressionsanalyse wurde ein Modell erstellt, in welchem die Demenz das maßgebende Kriterium und die Mortalität der Outcome-Parameter waren.

Ergebnisse: Von den in die Studie aufgenommenen 13.816.586 Teilnehmern wurden 2.204.506 (16 %) mit der Diagnose Demenz identifiziert. Die Gruppe der Demenzpatienten wurde signifikant seltener einer Beatmung zugeführt (5,7 % versus 6,5 %), die Patienten in der Demenzgruppe waren signifikant älter (80 versus 76 Jahre) und hatten einen höheren Komorbiditätsscore (4,4 versus 4,1).

Im vorliegenden Modell führte die bestehende Demenz zu einem besseren Überleben (OR = 0,79), kürzerer Krankenhausverweildauer (12,5 vs. 13,1) und niedrigeren Krankenhausbehandlungskosten bei den Überlebenden (37.213 $ vs. 44.557 $).

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Erstaunlich: Kritisch Kranke mit Demenz hatten eine kürzere Klinikverweildauer, obwohl sie anfälliger für Delire sind.

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Schlussfolgerung: Die Autoren schlussfolgern, dass alte kritisch kranke Patienten mit Demenz, die beatmet werden müssen, ein besseres klinisches Outcome haben als die ohne Demenz und versuchen dies mit dem Aspekt der Vorselektionierung zu erklären.

Kommentar von Univ.- Prof. Dr. med. Hans Jürgen Heppner

Schützt etwa Demenz vor der Beatmungssterblichkeit?

Wie so häufig ist die Interpretation immer abhängig vom Blickwinkel der Betrachtung. So beschreiben schon 2010 Sligl et al. eher das Gegenteil, nämlich dass alte intensivpflichtige Patienten ein schlechteres Outcome haben, lassen aber hier die Komorbiditäten und die Begleitumstände eher unberücksichtigt [1]. Erstaunlicherweise haben die Patienten mit einer Demenz eine kürzere Krankenhausverweildauer, obwohl diese Gruppe, wie die Autoren selbst schreiben, viel anfälliger für ein Delir mit allen Komplikationen sind [2]. Auch die Autoren haben ihre Schwierigkeiten das „Paradoxon“ zu erklären.

Vielleicht lässt es sich damit begründen, dass die Demenzpatienten für eine Beatmung überlegter ausgewählt wurden, also eine Vorselektion stattfand, was bei anderen nicht der Fall war und so vielleicht die Prognose bei manchen Schwerstkranken vor der Behandlung schlicht und einfach nicht berücksichtigt wurde.

Letztlich bleibt dennoch offen, wie der einzelne Entscheidungsprozess geführt wurde, was anhand der vorhandenen retrospektiven Daten nicht möglich ist. Auch wurde als Endpunkt das Überleben und nicht die eigentlich sinnvollen Funktionalitätsparameter für geriatrische Patienten gewählt. Auf jeden Fall ermuntert diese Studie, das eigene kritisch kranke Patientengut nach neuen Gesichtspunkten zu hinterfragen.

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Univ.- Prof. Dr. med. Hans Jürgen Heppner