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Fragestellung: Welche diagnostische Wertigkeit hat eine Kombination aus computerbasierter Fissurenanalyse im hochauflösenden Computertomografie (HRCT) und bronchoskopischer Messung der Kollateralventilation zur Vorhersage einer Volumenreduktion nach Therapie mit Endobronchialventilen (EBV)?

Hintergrund: Das Fehlen von Kollateralventilation zwischen Ziel- und Nachbarlappen ist eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg einer EBV-Therapie. In der klinischen Routine stehen 2 diagnostische Optionen zur Verfügung; die Vollständigkeit der interlobären Fissuren im HRCT gilt als Surrogatparameter für die Abwesenheit von Kollateralventilation. Mit einem bronchoskopisch geführten Ballonkatheter („Chartis-Messung“) kann die Kollateralventilation direkt gemessen werden. Der optimale Einsatz dieser 2 Methoden im Evaluationsprozess ist noch unklar.

Patienten und Methoden: CT-Daten von vier prospektiven Studien (217 Patienten) wurden gepoolt und mit semiautomatischer Software analysiert. Die Vollständigeit der interlobären Fissuren wurde in einem prozentualen Score („fissure completeness score“/ FCS) erfasst und mit einer Volumenreduktion > 350 ml im Ziellappen als Goldstandard verglichen. In einer ROC-Analyse wurden optimale Grenzwerte für vollständige Fissuren (Responder) und unvollständige Fissuren (Non-Responder) ermittelt. Eine Subgruppe mit teilweise vollständigen Fissuren wurde identifiziert, in der die Fissurenanalyse eine geringe Treffsicherheit zeigte. In dieser Gruppe wurde der komplementäre Nutzen der Chartis-Messung bestimmt.

Ergebnisse: Als optimaler Grenzwert für eine vollständige Fissur ergab sich ein FCS >95%, für eine unvollständige Fissur ein FCS <80%. Eine teilweise vollständige Fissur ist damit durch einen FCS zwischen 80% und 95% gekennzeichnet. Der positive Vorhersagewert (PPV) für vollständige Fissuren lag bei 88,1%, der negative Vorhersagewert (NPV) bei 92,9%, die Treffsicherheit bei 89,2%. In der Gruppe mit teilweise vollständigen Fissuren zeigte die Chartis-Messung ein PPV von 82,3%, ein NPV von 84,6% und eine Treffsicherheit von 83,3%.

Schlussfolgerung: Die Kombination von Fissurenanalyse und Chartis-Messung bei unklaren Fissurenbefunden erlaubt eine optimale Patientenauswahl für eine Therapie mit EBV und reduziert gleichzeitig die Zahl der erforderlichen Bronchoskopien und damit die Belastung der Patienten.

Kommentar von Dr. med. Wolfgang Gesierich

Erfahrung und Spezialsoftware erforderlich

Aus den Ergebnissen dieser Arbeit ergibt sich ein Algorithmus für die Beurteilung der Kollateralventilation: Vorrang erhält die Fissurenanalyse. Patienten mit vollständigen Fissuren im Zielllappen (FCS > 95%) können direkt einer Ventilimplantation zugeführt werden, jene mit unvollständigen Fissuren (FCS < 80%) können von einer Ventiltherapie ausgeschlossen werden. Nur in der Gruppe mit unvollständigen Fissuren (FCS 80–95 %) ist die Chartis-Messung nötig. Anzumerken ist die retrospektive Natur der Studie: Optimalerweise würde man sich eine prospektive Evaluation der Testcharakteristika eines neuen diagnostischen Verfahrens wünschen. Aufgrund der vorliegenden Evidenz [1, 2] scheint es aber ethisch nicht mehr vertretbar, bei belegter Kollateralventilation Ventile zu implantieren. Eine prospektive Validierung wird es also wahrscheinlich nicht geben. Der neue Algorithmus sollte daher rasch Eingang in die klinische Routine finden und auch in zukünftigen Studien zu den EBV in der Patientenauswahl herangezogen werden. Die Fallstricke der beiden Methoden sind dabei zu bedenken. Eine visuelle Fissurenanalyse erfordert Erfahrung und ist stark untersucherabhängig [3]. In dieser Studie wurde sie durch eine computerbasierte Analyse unterstützt. Wo Erfahrung und entsprechende Software nicht vorliegen, sollte die Delegation der Analyse an ein Referenzzentrum erwogen werden. Auch die Chartis-Messung bietet technische Hürden und z. T. Probleme in der Interpretation der gewonnenen Fluss- und Druckkurven [4, 5, 6]. Mit einer Lernkurve ist zu rechnen. Dennoch ist die Studie ein Meilenstein und bringt Klarheit in einen wichtigen Evaluationsschritt von Emphysempatienten für die endoskopische Therapie.

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Dr. med. Wolfgang Gesierich