Ältere Personen und solche mit Begleitkrankungen erkranken häufiger an COVID-19. Eine Gewichtszunahme erhöht das Risiko für eine Lungenkrankheit. Besteht jedoch eine Adipositas, ist der Verlauf einer Lungenkrankheit milder (Adipositas-Paradoxon). Ändert COVID-19 diese Sicht?

Gibt man in die Datenbank PubMed die Suchbegriffe "obesity and covid-19" ein, erhält man 122 Treffer. Die erste Studie, die die Schwere der Erkrankung in Abhängigkeit vom Körpergewicht untersuchte, wurde in Shenzhen in China durchgeführt. 383 Patienten wurden im Januar und Februar 2020 stationär aufgenommen und hinsichtlich COVID-19 und Lungenproblemen untersucht (PCR-Diagnostik, Röntgen-Thorax, Symptome, Sauerstoffsättigung, klinische und laborchemische Parameter).

53 % der Patienten waren normalgewichtig, 32 % übergewichtig und 11 % adipös. Insgesamt entwickelten 24 % der Patienten eine schwere COVID-19-Erkrankung (SARS-Cov-2); bei Normalgewichtigen waren es 19 %, bei Übergewichtigen 29 %, bei Adipösen 39 %, jedoch bei keinem Patienten mit Untergewicht. Übergewichtige und Adipöse hatten häufiger Husten und Fieber. Das Risiko für das Fortschreiten der Erkrankung zu einer schweren Lungenkrankheit war bei Überwichtigen und Adipösen 1,8-fach bzw. 3,4-fach höher als bei Normalgewichtigen, wenn man bei der Berechnung hinsichtlich Begleitkrankheiten adjustierte. Besonders betroffen waren adipöse Männer mit einem 7,4-fach erhöhten Risiko.

Quingxian C et al. Obesity and COVID-19 severity in a designated hospital in Shenzhen, China. Diabetes Care. 2020;43:1392-8

Kommentar

Die exakten Ursachen und Mechanismen, weshalb ein zunehmendes Körpergewicht die Häufigkeit und die Schwere einer COVID-19-Erkrankung erhöht, sind nur ansatzweise bekannt.

Adipöse Personen haben vor allem durch die erhöhte Muskelmasse einen gesteigerten Sauerstoffbedarf (Tab. 1). Die Dehnbarkeit der Lunge insbesondere durch die verminderte Beweglichkeit des Zwerchfells (akkumuliertes intraabdominales Fett) ist beeinträchtigt, daher ist das Lungenvolumen reduziert. Vor allem in den basalen Lungenabschnitten wirkt sich eine Hypoventilation ungünstig aus und beschleunigt ein entzündliches Geschehen.

Tab. 1: Faktoren, die die Entwicklung einer schweren Lungenkrankheit bei Adipositas begünstigen

Die bei Adipösen fast immer anzutreffenden Begleitkrankheiten begünstigen die Krankheitsentstehung und den Übergang von einem leichten bronchialen Infekt zu einer massiven Pneumonie. Andere Untersuchungen zeigten, dass Adipöse längere Krankenhausaufenthalte und ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko haben.

Auffallend war, dass insbesondere Männer häufig eine Progredienz der Erkrankung aufweisen. Einen Geschlechtsunterschied bei Adipösen ohne COVID-19-Erkrankung konnte man bisher nicht feststellen.