Entzündungsprozesse in den Gefäßwänden spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Atherosklerose. Auf der Suche nach einem therapeutischen Ansatzpunkt zeigte vor zwei Jahren der spezifische Interleukin-1β-Antikörper Canakinumab in der CANTOS-Studie [1] einen moderaten, aber signifikanten Effekt auf den Entzündungsmarker CRP sowie auf klinische Kompli-kationen bei Postinfarkt-Patienten. Reduziert wurde primär das Risiko für nicht tödliche Herzinfarkte — zum Preis von einigen tödlichen Infektionen. Niedrig dosiertem Methotrexat blieb hingegen in der CIRT-Studie [2] der Erfolg verwehrt. Diese Therapie hatte weder die CRP-Werten noch klinische Ereignissen signifikant reduzieren können.

Colchicin bei Gicht, Perikarditis und KHK?

Das Herbstzeitlosen-Alkaloid und Gicht-Therapeutikum Colchicin hatte sich vor einigen Jahren in der Therapie der Perikarditis bewährt [3]. Auch bei stabiler KHK deutete der Mitosehemmstoff in der LoDoCo-Studie therapeutisches Potenzial im Sinne einer Risikosenkung für kardiovaskuläre Komplikationen an. Doch die Studie war relativ klein (532 Teilnehmer) und nicht placebokontrolliert [4].

COLCOT-Studie mit 4.745 Infarktpatienten

Beim Kongress der American Heart Association (AHA) 2019 wurden nun die Ergebnisse der COLCOT-Studie [5] präsentiert. Die Autoren um Prof. Jean-Claude Tardif vom Montreal Heart Institute hatten die Wirksamkeit von Colchicin (0,5 mg/d) in einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie bei 4.745 KHK-Patienten untersucht, wobei die Behandlung zusätzlich zur üblichen Standardtherapie innerhalb der ersten 30 Tage (median 13,5 Tage) nach einem Herzinfarkt begonnen wurde. 93 % der Patienten hatten eine perkutane Koronarintervention (PCI) erhalten, 98 % bzw. 99 % der Patienten nahmen zwei Thrombozytenhemmer und Statine ein.

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Colchicin — nach Einsatz bei Perikarditis nun auch ein KHK-Therapeutikum?

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Ischämische Ereignisse reduziert

Primärer Endpunkt war die Kombination aus Tod kardiovaskulärer Ursache, Wiederbelebung nach Herzstillstand, Herzinfarkt, Schlaganfall und Angina pectoris, die eine Revaskularisation erforderte. Nach median 22,6 Monaten hatten 131 Patienten der Colchicin-Gruppe (5,5 %) eine dieser Komplikationen erlitten, sowie 170 Patienten (7,1 %) in der Kontrollgruppe. „Bei Postinfarktpatienten reduzierte Colchicin das relative Risiko für eine erste kardiovaskuläre Komplikation um 23 %, bei Betrachtung auch der Folgekomplikationen betrug die Risikoreduktion sogar 34 %“, berichtete Tardif. Deutliche Unterschiede zeigten sich vor allem bei den Endpunkten Angina pectoris mit Revaskularisation (25 vs. 50 Patienten) und Schlaganfall (5 vs. 19 Patienten).

Patienten der Colchicin-Gruppe gaben häufiger gastrointestinale Nebenwirkungen wie Nausea (1,8 vs. 1,0 %) an. Sie hatten zudem ein leicht erhöhtes Risiko für Pneumonien (0,9 vs. 0,4 %), nicht jedoch für tödliche Infektionen.

Guter Schutz vor dem Schlaganfall?

In einem begleitenden Editorial [6] verweist Dr. Kristin Newby, Durham, auf die Drop-out-Rate von 19 % in beiden Gruppen sowie auf die „lost-to-follow up“-Rate von 2,5 % der Patienten. Dadurch seien die berichteten Effekte mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.

Für bemerkenswert hält Newby jedoch die deutliche Prävention von Schlaganfällen durch Colchcin, die sich bereits in einer Metaanalyse von vier randomisierten Studien mit Colchicin angedeutet hatte. Dem sollte in der künftigen Forschung weiter nachgegangen werden.