In ein internationales Register werden konsekutiv alle Patienten mit gesicherter tiefer Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie aufgenommen. Darunter befinden sich 3.947 Patienten mit den vier häufigsten Karzinomen (938 Mamma-, 629 Prostata-, 1.189 Kolorektal- und 1.191 Bronchialkarzinome). Etwa 50 % der Patienten hatten eine Lungenembolie, bei 11–43 % war das Malignom erst innerhalb der letzten drei Monate diagnostiziert worden, bei 55 % waren Metastasen bereits nachweisbar.

Zu Beginn der Antikoagulation über im Mittel 139 Tage standen 50 % unter einer Chemo- und 15 % unter einer Radiotherapie. Die Antikoagulation erfolgte nach den Präferenzen in den einzelnen Kliniken, am häufigsten mit niedermolekularem Heparin und Vitamin-A-Antagonisten, teils auch mit Rivaroxaban.

Das Verhältnis von erwünschten und unerwünschten Wirkungen der Antikoagulation war bei den einzelnen Malignomen sehr unterschiedlich (Tab. 1). So traten Thromboembolierezidive beim Lungenkarzinom mit fünffacher, schwere Blutungen bei den drei anderen Karzinomen mit etwa dreifacher Häufigkeit auf als beim Mammakarzinom. Die Zahl neuer Thromboembolien und schwerer Blutungen waren bei Mamma- und kolorektalem Karzinomen gleich. Beim Prostatakarzinom überwogen die schweren Blutungen, beim Lungenkarzinom die Thromboembolierezidive.

Tab. 1 Thromboembolierezidive und schwere Blutungen unter Antikoagulationbei Krebspatienten (pro 100 Patientenjahre)

Kommentar

Akute venöse Thromboembolien bei Patienten mit bösartigen Erkrankungen sind häufig. Die Leitlinien empfehlen eine Antikoagulation für mindestens drei Monate, unabhängig von Lokalisation und Art des Tumors, seiner Ausbreitung und der spezifischen Tumortherapie. Das Thromboembolierisiko wird aber von diesen Eigenschaften beeinflusst, doch fehlen entsprechende Therapiestudien.

Die vorliegende, umfangreiche Beobachtungsstudie mit konventioneller, aber nicht standardisierter Antikoagulation zeigt deutlich, dass das Thromboembolie- und Blutungsrisiko bei den vier häufigsten Karzinomen unterschiedlich ist. Diese Ergebnisse könnten dazu beitragen, die Therapie nach Tumorlokalisation zu individualisieren und zu verbessern. Ansatzpunkt sind die hohen Raten von Thromboembolien bei Lungenkarzinomen und von Blutungen bei Prostatakarzinomen.

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Prof. Dr. med. Heinrich Holzgreve