In die vorliegende Arbeit sind Daten der beiden Studien MESA (Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis) und CARDIA (Coronary Artery Risk Development in Young Adults) eingeflossen. In diesen Studien wurde die kardiovaskuläre Prognose von Teilnehmern mit und ohne eine antihypertensive Behandlung verglichen. Die Patienten wurden in drei Blutdruckbereiche eingeordnet: < 120 / < 80 mmHg, 120 – 139 mmHg oder 80 – 89 mmHg (Diabetiker: 120 – 129 / ≤ 80 mmHg) und ≥ 140 mmHg oder ≥ 90 mmHg (Diabetiker: systolisch ≥ 130 mmHg oder diastolisch ≥ 80 mmHg).

In der MESA-Studie hatten die bei Studienbeginn über 50-jährigen Teilnehmer mit einem Blutdruck < 120 / < 80 mmHg unter antihypertensiver Behandlung einen höheren linksventrikulären Massenindex, häufiger eine glomeruläre Filtrationsrate < 60 ml/min/1,73 m2, häufiger einen Koronarkalk-Score > 100 sowie eine doppelt so hohe Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen über 9,5 Jahre im Vergleich zu Teilnehmern im gleichen Blutdruckbereich ohne antihypertensive Behandlung (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Oben: Prävalenz eines Koronarkalk-Scores (CAC) > 100; unten: Prävalenz einer glomerulären Filtrationsrate (eGFR) < 60 ml/min/1,73 m2; jeweils mit bzw. ohne antihypertensive Therapie.

© Nach Liu K et al. J Am Heart Assoc. 2015;4(9):pii: e002275

In der CARDIA-Studie hatten nach 25 Jahren Teilnehmer mit einem Blutdruck < 120 / < 80 mmHg unter antihypertensiver Behandlung zuvor längere Zeit einen höheren Blutdruck sowie ein höheres Risiko von Endorganschäden und subklinischer Atherosklerose im Vergleich zu Teilnehmern im selben Blutdruckbereich ohne antihypertensive Behandlung.

Kommentar

Diese Ergebnisse lassen nicht etwa Zweifel am Nutzen einer antihypertensiven Behandlung aufkommen. Sie zeigen aber, dass Hypertoniker, auch wenn sie antihypertensiv behandelt werden, sich dadurch nicht wieder völlig auf ein kardiovaskuläres Risiko reduzieren lassen, das bei normotensiven Menschen vorliegt. Die CARDIA-Studie lässt vermuten, dass für diesen Unterschied u. a. auch der Zeitraum eine Rolle spielt, bis das Behandlungsziel erreicht war.

Die Schlussfolgerung für die Praxis lautet daher, dass eine möglichst frühzeitige Behandlung von Hypertonikern hilfreich sein könnte, um das kardiovaskuläre Risiko nach der Blutdruckeinstellung effektiv zu senken. Die Zeit, in der diese Patienten erhöhte Blutdruckwerte haben, bleibt offenbar lange im Gedächtnis ihrer Gefäße haften.

figure 2

Prof. Dr. med. Walter Zidek