Allein die titelgebende Frage klingt absurd — nichtsdestotrotz: Daten mehrerer epidemiologischer Studien deuten darauf hin, dass blinde Frauen seltener an Brustkrebs erkranken [Übersicht in Sánchez-Barceló EJ et al. Endocr Relat Cancer. 2003;10(2):153-9]. Koinzidenz? Zufall? Statistisches Artefakt? Eine alternative Erklärung bietet die sogenannte Melatonin-Hypothese: Demnach führt eine in der industrialisierten Welt vor allem nachts gestiegene Lichtexposition zur Störung zirkadianer Rhythmen. Dabei soll dem Epiphysenhormon Melatonin eine Schlüsselrolle zukommen. Dessen dunkelheitsabhängige Sekretion sinkt nämlich durch nächtliche Beleuchtung — ein Effekt, der bei Blinden freilich ausbleibt. Ein reduzierter Melatonin-Spiegel wiederum könnte für die Brustkrebsentstehung relevant sein, weil Melatonin wahrscheinlich in Östrogen-abhängige Signalwege eingreift und so die Zellprolifieration hemmt. Dazu passt, dass sich in einer Analyse ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Krebs ohne Östrogen-Beteiligung (z. B. Lungenkrebs) und nächtlicher Lichtexposition nicht zeigen ließ [Kloog I et al. Chronobiol Int. 2008;25(1):65-81]. Obschon die Datenlage zur Melatonin-Hypothese insgesamt eher dünn ist, wäre sie ein weiterer Anreiz, der nächtlichen Lichtverschmutzung vorzubeugen. Und darüber würden sich sicher nicht nur Astronomen, Umweltschützer und Schlaflose freuen.