Niederländische Forscher behandelten 192 Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom mit einer Radiochemotherapie. 21 Patienten, bei denen anschließend klinisch keine Tumorreste mehr nachweisbar waren (cCR-Patienten), wurden der Wait-and-See-Gruppe zugeteilt. Während der Nachbeobachtung erfolgten alle drei bis sechs Monate Kontrollen mittels MRT, Endoskopie und CT. Als Kontrollgruppe dienten Patienten, bei denen nach der Radiochemotherapie überwiegend wegen Verdachts auf einen Resttumor eine Standardoperation (totale mesorektale Resektion) durchgeführt worden war. Anschließend war bei diesen Patienten histologisch kein Resttumorgewebe mehr nachweisbar (pathologisches komplettes Ansprechen, pCR).

Zehn der 21 Patienten der cCR-Gruppe hatten distale Tumoren, die eine abdominoperineale Resektion und eine permanente Kolostomie erfordert hätten. Durch das Wait and See konnte dies den Patienten erspart bleiben. Bei immerhin 35 % der pCR-Gruppe brachte die Operation größere Komplikationen mit sich und bei deutlich mehr Patienten als in der cCR-Gruppe war die Darmfunktion nach der Operation in verschiedener Weise beeinträchtigt (MSKCC Bowel-Function-Score). Auch der Wexner-Inkontinenz-Score ließ Unterschiede zwischen der cCR- und der pCR-Gruppe erkennen: 0,8 vs. 3,5 (Abb.). Die mittlere Defäkationsfrequenz lag bei 1,8/d vs. 2,8/d.

In der Langzeitbeobachtung von 25±19 Monaten entwickelte ein Patient der cCR-Gruppe nach 22 Monaten ein lokales Rezidiv ohne Lymphknotenbeteiligung. Der Tumor, der im rektalem Ultraschall detektiert worden war, wurde operiert. Die kumulative Wahrscheinlichkeit für ein krankheitsfreies 2-Jahres-Überleben lag in dieser Gruppe bei 89 %, für das 2-Jahres-Gesamtüberleben bei 100 %.

Abb.
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Rektumkarzinom-Patienten mit kompletter Remission nach Wait-and-See-Strategie berichteten von einer besseren Darmfunktion als Patienten mit pathologischer Komplettremission (pCR) nach mesorektaler Exzision

Aus der Vergleichsgruppe starben zwei Patienten, einer nach einem Jahr infolge operationsbedingter Komplikationen, der zweite nach fünf Jahren aufgrund einer Metastasierung. Bei keinem der 20 Patienten trat innerhalb von 35±23 Monaten der Nachbeobachtungszeit ein lokales Rezidiv auf. Die kumulative Wahrscheinlichkeit des krankheitsfreien 2-Jahres-Überlebens lag bei 93 %, für das Gesamtüberleben bei 91 %.

Fazit: Eine Wait-and-See-Strategie nach strengen Selektionskriterien, unter moderner Bildgebungskontrolle und einem professionellen Follow-up ist praktikabel und sicher. Weder beim krankheitsfreien noch beim Gesamtüberleben nach zwei Jahren zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Patienten der Wait-and-See- und den Operierten der Vergleichsgruppe. Vorteile zeigten sich in der cCR-Gruppe hinsichtlich des funktionellen Ergebnisses.