Die Angaben in der Literatur über die Folgen insbesondere einer geringgradigen intraventrikulären Blutung bei Frühgeborenen auf die neurologische Langzeitentwicklung sind widersprüchlich. Eine Studie im Fachjournal Pediatrics kommt nun zu einem eindeutigen Ergebnis.

Auf Basis einer Sekundäranalyse der nationalen französischen prospektiven und bevölkerungsbasierten Kohorte EPIPAGE-2, bei der die Kinder im Jahr 2011 rekrutiert wurden, erfolgte im Alter von fünf Jahren eine standardisierte Untersuchung. Einbezogen wurden ausschließlich Frühgeborene, die vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren und auf einer Neugeborenen-Intensivstation aufgenommen wurden. Die Exposition war eine intraventrikuläre Hämorrhagie (IVH), definiert nach der Papile-Klassifikation. Betrachtet wurden die Sterblichkeit, die Todesursachen und die Ergebnisse der neurologischen Entwicklung im Alter von fünf Jahren. Von den 3.468 eingeschlossenen Kindern hatten 578 (16,7 %) eine IVH Grad 1, 424 (12,2 %) eine IVH Grad 2 und 114 (3,3 %) eine IVH Grad 3; 144 (4,1 %) erlitten eine intraparenchymale Blutung (IPH, Abb. 1). Das mittlere Gestationsalter in den vier Gruppen betrug: 28,7 (IVH Grad I), 27,8 (Grad II) 27,4 (Grad III) und 26,6 (Grad IV) Schwangerschaftswochen (SSW). Bei Kindern ohne IVH lag das mittlere Gestationsalter bei 29,4 SSW. Die Sterblichkeitsrate betrug 29,7 % bei Kindern mit IVH Grad 3 und 74,4 % bei Kindern mit IPH. Im Vergleich zu keiner IVH war eine niedriggradige IVH (Grad 1 und 2) nicht mit messbaren neurologischen Entwicklungsstörungen im Alter von fünf Jahren verbunden. Eine hochgradige IVH korrelierte hingegen eng mit mittelschweren und schweren neurologischen Entwicklungsstörungen, einem reduzierten Gesamt-IQ und einer Zerebralparese.

Abb. 1
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© Dr. med. Thomas Hoppen

: Multiple Hirnblutungen (rote Sterne; Koronarschnitt), Schädelsonografie am dritten Lebenstag bei einem Frühgeborenen von 24 Schwangerschaftswochen mit perinataler Asphyxie

Treluyer L et al. Intraventricular Hemorrhage in very preterm children: Mortality and neurodevelopment at age 5. Pediatrics. 2023;15(4):e2022059138

Kommentar

Diese Studie liefert solide Daten über das Überleben und die neurologischen Entwicklungsergebnisse von Frühgeborenen mit IVH/IPH im Alter von fünf Jahren. Das wichtigste Ergebnis dieser Studie ist das Fehlen einer erkennbaren neurologischen Entwicklungsstörung im Alter von fünf Jahren im Zusammenhang mit einer geringgradigen IVH - also bei Grad I und II nach Papile. Kein Kind mit niedriggradiger IVH starb an einer Verletzung des zentralen Nervensystems. Grundsätzlich sind das gute Botschaften für das Behandlungsteam, wenn Eltern über die Folgen einer geringgradigen intraventrikulären Blutung für die neurologische Entwicklung ihres Kindes informiert werden müssen. Einige Einschränkungen der Studie sind: fehlende Datenrate von 39,5 %, subjektive Einschätzung der Hirnblutung lediglich durch die Untersuchenden in der jeweiligen Klinik ohne verblindete Kontrolle, keine Zuordnung der Blutung, ob ein- oder beidseitig beziehungsweise deren Lokalisation. Wir sollten über die Aussagen dieser Studie, in der nur eine definierte Zeitspanne betrachtet wird, jedoch nicht vergessen, dass Frühgeburtlichkeit ein Kapitel im Leben der Patientinnen und Patienten darstellt, das nie vollkommen abgeschlossen ist.