Bei einem neugeborenen Mädchen fielen nach einer unkomplizierten Geburt asymmetrische Gesäßfalten auf. Neurologisch und urologisch waren keine Besonderheiten festzustellen.

Bei der Ultraschalluntersuchung der Wirbelsäule fand sich eine Zyste in Höhe des Lendenwirbelkörpers (LWK) 3 mit einer Größe von 12 × 5 × 5 mm (Abb. 1). Der Conus medullaris endete bei LWK 2. In der anschließenden MRT und bei der Kontrolle sechs Monate später war weiterhin die zystische Masse und ein Fibrolipom des Filum terminale sichtbar (Abb. 2a, b).

Abb. 1
figure 1

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: Sagittaler Ultraschall der LWS im Alter von einem Tag. Der Konus endet bei L 2. Man beachte die längliche echofreie Zyste (1) an der konofilaren Verbindungsstelle dorsal zum Conus medullaris

Abb. 2
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: (a) Intraoperative Aufnahme durch das Mikroskop. Nach Eröffnung der Dura dehnt sich die Zyste weiter aus und ragt wie ein Pilz in das Operationsfeld hinein. (b) Die Zyste ist eröffnet und kommuniziert mit dem zentralen Kanal des Conus (Pfeil). Das dicke lipomatöse Filum ist zu sehen (Stern).

Aufgrund der zystischen Raumforderung und des lipomatösen dicken Filums wurde eine Laminektomie von LWK 1 bis LWK 3 durchgeführt. Die intraoperative Ultraschalluntersuchung bestätigte den präoperativen Befund einer Zyste. Das Rückenmark zeigte keine periodische Bewegung bei der Atmung und des Herzzyklus, was die Fixierung an das Rückenmark bestätigte.

Bei der Eröffnung der Dura dehnte sich die Zyste weiter in Form eines „Pilzes“ aus (Abb. 2a). Sie enthielt klaren Liquor infolge einer Verbindung zum zentralen Kanal des Konus (Abb. 2b). Die histologische Untersuchung ergab sowohl Anteile von axonalem als auch von Glia-Gewebe.

Postoperativ sowie im Alter von vier Jahren hatte die Patientin einen neurologischen Normalbefund, eine unauffälige Blasenfunktion und ein altersentsprechendes Gangbild.

Menezes AH et al. Ventriculus terminalis cyst in an infant. J Med Case Rep. 2023; 17(1):22

Kommentar

Bei einer Sonografie der neonatalen Lendenwirbelsäule aufgrund von äußerlichen Auffälligkeiten wie Asymmetrien, Haarbüscheln oder anderen Veränderungen (beispielsweise Hämangiome oder „Hautkrater“) geht es meist um spinale Dysraphien. Diese können sich zu einem „Tethered-Cord-Syndrom“ entwickeln, die bei neurologischen Problemen wie einer Blasenentleerungsstörung oder Fußfehlstellung möglicherweise zu irreversiblen Defiziten führen.

Es werden sonografisch gelegentlich zystische Strukturen, sogenannte Filarzysten, entdeckt, die sich in der Mittellinie unterhalb des Konus befinden [1]. Die meisten bilden sich im Verlauf von allein zurück. Daher werden neonatale Filarzysten, die zufällig in einer Ultraschalluntersuchung gefunden werden, als Normalvariante betrachtet.

Laut Seo et al. [2] waren bei 50 Filarzysten im Neugeborenenalter im Verlauf zwanzig (40 %) regredient, knapp dreißig (56 %) persistierten und nur zwei (4 %) mussten wegen zunehmender Größe operiert werden. Bei diesen beiden Fällen lag gleichzeitig ein Fibrolipom vor und es gab, wie im geschilderten Fall, eine Verbindung der Zyste zum Zentralkanal des Rückenmarks.

Die zufällige Beobachtung einer Erweiterung des Zentralkanals im Conus medullaris bei Ultraschall- oder MRT-Untersuchungen der Lendenwirbelsäule in den ersten fünf Lebensjahren ist nicht selten und wird als Ventriculus terminalis bezeichnet.

Retrospektiv fanden sich bei 418 Wirbelsäulen-MRT bei Patientinnen und Patienten im Alter von fünf Tagen bis zwanzig Jahren fokale Veränderungen bei elf von 180 (6 %) Kindern unter fünf Jahren, aber nicht bei solchen älter als fünf Jahre [3]. Daher kann ein solcher asymptomatischer Ventriculus terminalis als normales Entwicklungsphänomen betrachtet werden. Fälle mit Symptomen im Erwachsenenalter wie Rückenschmerzen, Ischiasbeschwerden, Blasenfunktionsstörungen und/oder Paresen der unteren Extremitäten tauchen in der Literatur unter der Bezeichnung terminale Ventrikelzyste auf [4].

Zusammenfassend sind Ventriculi terminales und Filarzysten meist passager und sollten sich von allein zurückbilden. Persistenz oder Zunahme von solch zystischen Strukturen oder anderen Anomalien des Rückenmarks rechtfertigen weitere Verlaufskontrollen und gegebenenfalls sollte eine chirurgische Versorgung vor Entstehung eines „Tethered-Cord-Syndroms“ erfolgen.