Systeme zur automatischen Insulindosierung haben die Therapie des Typ-1-Diabetes maßgeblich verändert. Ein Paradigmenwechsel wurde durch die Forschung an immunintervenierenden Medikamenten eingeläutet.

Rund 35 % der Kinder weisen zum Zeitpunkt der Typ-1-Diabetesmanifestation eine diabetische Ketoazidose auf. Diese Betroffenen laufen Gefahr, längerfristig signifikant höhere HbA1c-Werte, eine niedrigere kognitive Funktion und einen niedrigeren IQ aufzuweisen. Und: Tritt ein Typ-1-Diabetes vor dem 10. Lebensjahr auf, so verlieren Patientinnen 17,7 und Patienten 14,2 Lebensjahre. Prof. Dr. Olga Kordonouri, Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult, Hannover, gab Grund zur Hoffnung: Fortschritte in den Sensor- und Pumpentechnologie trieben die Behandlung des Typ-1-Diabetes voran. „Für mich ist die Entwicklung der Glukosesensoren der Durchbruch und der Beginn einer neuen Ära in der Diabetestherapie“. Mittlerweile sind die ersten Closed-Loop-Systeme verfügbar, die bereits weiterentwickelt werden.

Die Möglichkeit, die Gewebsglukose zu beurteilen, führte dazu, dass nicht nur der HbA1c ein therapeutisches Ziel ist, sondern auch die Zeit im Zielbereich (Time in Range, TIR). Der Zielbereich läge dabei zwischen 70 mg/dl und 180 mg/dl und die TIR sollte > 7 % betragen.

Engere Therapieziele definieren

Systeme zur automatischen Insulindosierung bestehen aus Glukosesensor, Insulinpumpe, und Rechen-Algorithmus, erläuterte Kordonouri. In den entsprechenden Zulassungsstudien wurde durch die Nutzung der Systeme der HbA1c verbessert und mit allen wurde die 70 %-Grenze der TIR, wenn auch teilweise knapp, erzielt. Mit AID-Systemen könnten also engere Therapieziele und gleichzeitig eine bessere Lebensqualität erreicht werden, hob Kordonouri hervor.

Neue Technologien werden in der pädiatrischen Diabetologie schneller umgesetzt als in der Erwachsenenmedizin, so die Referentin weiter. Sie präsentierte eigene Daten: Mittlerweile nutzen 95 % der Betroffenen ein Sensorsystem.

Verzögerung durch Antikörper

Neben neuen Entwicklungen in der Insulintherapie wurde auch die Immunintervention beim Typ-1-Diabetes vorangetrieben. Der Durchbruch gelang mit dem Anti-CD3-Antikörper Teplizumab. In einer placebokontrollierten Phase-II-Studie wurden Patientinnen und Patienten mit der Substanz behandelt. Eingeschlossen waren Personen im Stadium der Autoimmunität mit Dysgklykämie. Sie alle hatten Verwandte mit Typ-1-Diabetes. 72 % der Teilnehmenden waren 18 Jahre oder jünger [1]. Mit der Therapie (einmalig über 14 Tage) verzögerte sich die Diabetesmanifestation um durchschnittlich drei Jahre, so die Referentin. Teplizumab wurde daraufhin als erste Immuntherapie zur Verzögerung des Typ-1-Diabetes im Stadium 2 in den USA zugelassen. Kordonouri sagte dazu: „Die Beantragung bei der EMA läuft“.

Die Substanz wurde darüber hinaus im Stadium 3 des Typ-1-Diabetes geprüft. In die PROTECT-Studie wurden 300 Kinder und Jugendliche eingeschlossen und 2:1 zu Teplizumab oder Placebo randomisiert. Sie erhielten zwei 12-tägige Infusionszyklen im Abstand von sechs Monaten. Die Rekrutierung ist abgeschlossen, die Ergebnisse werden noch im Jahr 2023 erwartet.

Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Hamburg, 20.-23. September 2023