Frühgeborene < 1.500 g profitieren einer nationalen Umfrage zufolge deutlich von einer Ernährung mit Muttermilch. Auch die Gabe von Ammenmilch war der Formulanahrung überlegen. Ein weiteres Argument dafür, den Aufbau von Muttermilchbanken zu unterstützen.

Die ersten Lebenstage von Frühgeborenen < 1.500 g Geburtsgewicht haben einen entscheidenden Einfluss auf ihre weitere Entwicklung (Abb. 1). In dieser Phase bilden die Mütter meist nur wenig Kolostrum und Muttermilch. Deswegen erfolgt vielerorts der frühe enterale Nahrungsaufbau noch immer mit Formulanahrung, obwohl Muttermilch deutlich mehr Vorteile hat.

Abb. 1
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© Dr. Thomas Hoppen

: Zwillingsfrühgeborene unter nicht invasiver Atemunterstützung im Inkubator - Muttermilch wird per Magensonde in kleinen Portionen appliziert

Eine Online-Erhebung ging nun der Frage nach, wie die 163 Level-1-Zentren in Deutschland im Jahr 2020 den Nahrungsaufbau und den Einsatz von Probiotika bei Frühgeborenen handhabten. Von 110 (67,5 %) teilnehmenden Zentren mit insgesamt 6.680 Fällen gaben gut 22 % an, ausschließlich Mutter- oder Spendermilch zu verwenden. Knapp 78 % erklärten, (zusätzlich oder ausschließlich) mit Formulanahrung zu beginnen. Dabei fiel auch in dieser Umfrage auf, dass die Inzidenz einer nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) in der reinen Muttermilchgruppe geringer lag als unter Formulanahrung (p = 0,08).

In über 50 % der Fälle startete die enterale Ernährung innerhalb der ersten vier Lebensstunden, bei einer medianen Steigerung von circa 20 ml/kg KG/Tag. Probiotika wurden von 82,5 % der Kliniken bei Frühgeborenen < 1.500 g verwendet. Sie kamen ab einer Milchmenge von 26,3 ml/kg KG/Tag zum Einsatz, meist also innerhalb der ersten drei Lebenstage. Oft wurden die Probiotika bis zu einem Gestationsalter von 32 Wochen appliziert, allerdings variierten die Angaben zur Applikationsdauer erheblich; teilweise wurden sie der Nahrung bis zur Entlassung aus der stationären Behandlung zugesetzt. 76 % aller Zentren prüften routinemäßig vor der nächsten Mahlzeit die Magenreste, 19 % davon gaben die Magenreste generell zurück, die Übrigen haben sie verworfen, weil sie blutig oder grün waren.

Lange M et al. Management of enteral feeding and application of probiotics in very low birth weight infants - A national survey in German NICUs. Z Geburtsh Neonatol. 2023;227(1):51-7

Kommentar

Diese Umfrage zeigt einige interessante Fakten aus "unseren" Kliniken, die die Bedeutung der Muttermilch für Frühgeborene < 1.500 g unterstreichen. Die aktuelle Entwicklung ist sicherlich weiter "im Fluss". Die Applikation von Muttermilch ist mit einer verbesserten Neurokognition, einer geringeren Rate an Retinopathien und bronchopulmonaler Dysplasie sowie mit weniger Blutstrominfektionen und gastrointestinalen Erkrankungen wie der NEC assoziiert. Auch die Verwendung von Ammenmilch scheint der Formulaernährung überlegen zu sein. Somit sollte der Aufbau von Muttermilchbanken in Deutschland - wie von unterschiedlichen Stellen gefordert - mehr Unterstützung finden.

Überraschenderweise finden Probiotika dieser Umfrage zufolge, trotz überzeugender Daten, noch immer nicht in allen deutschen Zentren bei kleinen Frühgeborenen Verwendung.