Ein routinemäßiges Screening auf Entzündungsparameter eignet sich nicht, um die Überverordnung von Antibiotika einzudämmen. Sinnvoller ist eine Vorselektion der Patientinnen und Patienten.

"Pädiater zählen nach den HNO-Ärzten zu den häufigsten Verordnern von Antibiotika", berichtete PD Dr. Jennifer Neubert, niedergelassene Pädiaterin in Neuss. 85 % der Verschreibungen erfolgen ambulant - am häufigsten wegen Atemwegsinfektionen, bei denen es oft schwierig ist, zwischen bakteriellen und viralen Infektionen zu unterscheiden. In einer Umfrage nannten 82 % der Befragten aus der Kinder- und Jugendmedizin "diagnostische Unsicherheit" als häufigsten Grund für die Verordnung, gefolgt von "Angst vor schwerwiegenden Komplikationen" (71 %) sowie dem "hohen Erwartungsdruck der Eltern" (57 %) [1].

Kann eine vermehrte Infektionsdiagnostik bei der Entscheidung einer Antibiotikaverordnung weiterhelfen? Ein generelles Screening auf CRP ist jedenfalls nicht sinnvoll, wie Studien zeigten. Die Intervention einer CRP-Bestimmung auf Basis klinischer Risikoeinschätzung verglichen mit CRP für alle konnte weder die Rate an schweren bakteriellen Infektionen verringern noch den Antibiotikaverbrauch reduzieren [2, 3].

Auch ein Streptokokkenschnelltest bei akuter Tonsillitis - der häufigsten Indikation für Antibiotika - erscheint nicht sinnvoll, um klinisch sicher zwischen viral, bakteriell oder nicht infektiös zu unterscheiden. Bei einem geringen klinischen Risiko sollte auf den Test verzichtet werden, weil zum einen die Zahl asymptomatischer Träger altersabhängig ist und saisonal zwischen 12 und 20 % schwankt; zum anderen bedeutet eine Spezifität von 95 % eine falsch-positive Rate von 5 % [4]. Hilfreich ist Neubert zufolge eine Vorselektion. So sprechen ein plötzlicher Beginn, Alter von 5-15 Jahren, Fieber, scharlachartiges Exanthem, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen, tonsillopharyngeale Entzündung und Exsudat, Petechien am Gaumen, anteriore zervikale Lymphknotenschwellung und mehrmalige Streptokokkeninfektionen in der Anamnese eher für eine bakterielle Genese. Auch andere Parameter wie der ASL-Titer, Antihyaluronidase oder Anti-DNaseB liefern keine validen Informationen in der Diagnostik und sollten nicht bestimmt werden, so Neubert.

Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Düsseldorf, 8./9. September 2022