Bei einem dreijährigen Mädchen fiel seit zwei Monaten eine weiße Pupille auf, seit dem Vortag kamen Rötung und Schmerz im rechten Auge hinzu. In der Augenuntersuchung zeigten sich eine Leukokorie (Abb. 1a), eine Iris-Neovaskularisation sowie eine weiße, knotige Masse in der hinteren Kammer. Das linke Auge war normal. Die Sonografie erbrachte Tumorverkalkungen und eine Glaskörperbeteiligung im betroffenen Auge. Die Diagnose eines Retinoblastoms wurde gestellt.

Abb. 1
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Peeler CE, Gonzalez E. N Engl J Med. 2022;386:2412

: Retinoblastom bei einem dreijährigen Mädchen

Eine Magnetresonanztomografie des Kopfes ergab eine retinale und choroidale Invasion ohne extraokulare Erweiterung (Abb. 1b). Angesichts der klinischen Hochrisikomerkmale wurde das Auge am nächsten Tag enukleiert. Die histopathologische Untersuchung bestätigte die Diagnose. Gentests zeigten keine Keimbahnmutation im Tumorsuppressorgen RB1, weswegen der Tumor einer somatischen, nicht vererbbaren Mutation zugeschrieben wurde. Nach der Enukleation erfolgte eine Chemotherapie. Bei nachfolgenden Untersuchungen gab es keine Hinweise auf ein Rezidiv.

Peeler CE, Gonzalez E. Retinoblastoma. N Engl J Med. 2022;386(25):2412

Kommentar

Eine Leukokorie erfordert dringend die Untersuchung durch einen Augenarzt, um lebensbedrohliche Ursachen schnell zu identifizieren. Bei frühzeitiger Erkennung kann das Retinoblastom mit einer fokalen Therapie behandelt werden, die das Sehvermögen und das Auge retten kann. Wenn sich die Diagnose jedoch verzögert, sind häufig eine Enukleation und systemische Chemotherapie erforderlich, um Metastasen zu verhindern.

Hier kann auch das Smartphone helfen: Die frei verfügbare Foto-Screening-App "CRADLE White Eye Detector" durchsucht systematisch die Fotos auf dem Mobiltelefon nach auffälligen Fundusreflexen und einer Leukokorie, etwa infolge eines Retinoblastoms. Die Bilderkennung basiert auf "deep learning" mittels neuronaler Netzwerke anhand von Trainingsbildern. Derartige Foto-Screening-Apps haben das Potenzial zu einem lebensrettenden Hilfsmittel [Diener R et al. Ophthalmologe 2021;118(9):893-9].

Zugleich bergen solche auf Bilderkennung durch künstliche Intelligenz basierende "Screeningmethoden" jedoch auch erhebliches Missbrauchspotenzial. Auf große Bilddatenbanken sozialer Medien angewandt, könnte es zur Verletzung von Persönlichkeitsrechten kommen. Es wäre deshalb zumindest datenschutzrechtlich besser, diese Anwendungen grundsätzlich in der Hand von Fachärzten oder spezialisierten Zentren zu belassen.