Wie überall in Deutschland verändern sich auch in unserer kinder- und jugendärztlichen Gemeinschaftspraxis die Arbeitsumstände durch COVID-19 massiv. Was gestern noch galt, kann morgen schon wieder ganz anders sein. Dieser Artikel soll eine Übersicht darüber geben, wie unsere Praxis bis jetzt mit den Herausforderungen durch hohe Teambelastung, den besorgten Eltern und der wirtschaftlichen Unsicherheit umgegangen ist.

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© Mareen Fischinger / Westend61 / mauritius images (Symbolbild mit Fotomodellen)

Während ich Anfang Januar an diesem Artikel arbeite, hat das dritte Jahre der Coronapandemie begonnen und ich befinde mich nach einer Infektion mit der Omikron-Linie in Isolation (Box 1). Vieles von dem, was wir in den letzten zwei Jahren über das SARS-CoV-2-Virus gelernt haben, und die Anpassungen, die wir in unserer Praxis vorgenommen haben, scheinen für Omikron nicht mehr zu gelten. Unsere Hauptsorge ist im Moment: Wie schaffen wir es, durch die fünfte Infektionswelle zu kommen und dabei auf maximale Sicherheit für unsere Mitarbeiter und Patienten zu achten? Wie halten wir die Grundversorgung für unsere Patienten aufrecht und betreuen dabei auch die akut erkrankten Kinder? Wie treiben wir die COVID-19-Impfungen weiter voran?

Anpassungen im Team

Die täglichen Herausforderungen durch COVID-19 für unsere medizinischen Fachangestellten (MFA) sind vielfältig, lange anhaltend, sich ständig wandelnd und damit sehr belastend. Wichtiger Bestandteil des Infektionsschutzes ist das Tragen des medizinischen Mund-Nasen-Schutzes bei uns, bei unseren Patienten (wann immer möglich) und auch bei den Eltern. Es gibt praktisch keine Diskussionen mehr mit Eltern über das korrekte Tragen der Maske, für die Kinder war es sowieso schon immer unproblematisch. Die anfangs noch vorkommenden Atteste, die Eltern von der Maskenpflicht befreien sollten, spielen mittlerweile überhaupt keine Rolle mehr.

Regeln zur Kontaktbegrenzung helfen uns, das persönliche Infektionsrisiko, aber auch das unserer Patienten mit ihren Eltern zu reduzieren. Außer zu den Vorsorgeuntersuchungen U2 und U3 ist immer nur ein Elternteil pro Patient erwünscht. Ausnahmen sind immer mal nötig und dann natürlich auch möglich, etwa für Dolmetscher oder bei Aufklärungen vor zum Beispiel spezifischer Immuntherapie. Zur Reduktion von direktem Kontakt mit unseren Patienten oder den Eltern haben wir Plexiglasscheiben für die Anmeldung organisiert. Zusätzliche Lesegeräte in den Untersuchungszimmern für die Versicherungskarten sorgen ebenfalls für eine Kontaktreduktion der Mitarbeiterinnen an unserem Patientenempfang.

Um Kontakte innerhalb des Teams zu reduzieren, beginnen und beenden unsere Mitarbeiterinnen ihre Schichten und Pausen etwas versetzt. Gerade in der ersten Infektionswelle Anfang 2020 und auch jetzt während der aktuellen Welle mit der Omikron-Linie versuchen wir, in festen Arzt/MFA-Teams zu arbeiten. Pausen sollten möglichst allein im Raum verbracht werden. Isoliert in der Pause zu sein, ohne soziale Kontakte zu den Kolleginnen, ist eine sehr starke Einschränkung für unsere Mitarbeiterinnen und bleibt auf Zeiten mit sehr hohem Infektionsgeschehen beschränkt.

Homeoffice ist auch in einer Kinderarztpraxis möglich. Einem Teil unseres MFA-Teams ermöglichen wir, wann immer möglich, von zu Hause mittels einer mobilen Lösung unseres Softwareanbieters zu arbeiten. Dies stellte sich auch schon mehrfach als ideale Lösung während Schul-Lockdown oder Quarantänefällen dar.

Ein weiterer Schutz für unsere Mitarbeiterinnen ist die Impfung gegen COVID-19. Ein ganz wesentlicher Punkt, unsere Praxis am SARS-CoV-2-Impfprogramm zu beteiligen, war, dass dies uns ermöglichte, unsere Angestellten und ihre Familie, die ja durch die Arbeit unserer Angestellten besonders gefährdet waren, einfach und unkompliziert zu impfen.

Leider versäumte die Politik, die erhebliche Belastung und Mehrarbeit der MFA in Deutschland zu würdigen, indem der verdiente Corona-Bonus für die Pflegeberufe wohl für die Berufsgruppe der MFA nicht kommen wird [1]. Jedoch kann jeder Arbeitergeber seinen Angestellten bis zum 31. März 2022 eine steuerfreie Coronaprämie von bis zu 1.500 € auszahlen. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber die Leistung seiner Mitarbeiter steuergünstig durch Tankgutscheine oder Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel honorieren. Hier lohnt ein Gespräch mit dem Steuerberater.

Die Praxis umorganisieren

Zusätzlich dazu haben wir die Kapazität unseres Wartezimmers um zwei Drittel reduziert. Sitzplatznummern, die am Empfang ausgeteilt werden, erleichtern es den Patienten, den richtigen Sitzplatz zu finden, und uns, den Überblick über das Wartezimmer zu behalten. Sollte die Kapazität nicht ausreichen, bitten wir die Eltern, im Auto zu warten. Per Handy bestellen wir sie dann wieder in die Praxis.

Spielzeug, Bücher und Zeitschriften sind lange schon verschwunden, nur selten dienen unsere Arbeitsutensilien als Spielzeugersatz. Zunehmend bringen die Kinder einfach ihre eigenen Sachen in einem kleinen Rucksack mit. Gummibärchen wurden gegen Sticker und Kindertatoos ausgetauscht und werden auch nicht vermisst.

Schon immer problematisch war und ist das Vorstellen von kranken Kindern ohne Terminvereinbarung, vor allem zu Zeiten, in denen nur gesunde Kinder in der Praxis sind. Falls es der Zustand des Kindes erlaubt, wird mit den Eltern eine Verabredung zu einem späteren Zeitpunkt vereinbart. SARS-CoV-2-inkubierte oder an COVID-19 erkrankte Kinder werden zum Ende der Sprechstunde einbestellt und warten im Auto der Eltern, bis wir den Patienten per Handy abrufen und dann in die Praxis schleusen.

Das Lüften ist ein weiterer wichtiger Punkt zum Infektionsschutz. Damit kein Kind aus dem Fenster fällt, achten wir darauf, dass die Fenster wieder geschlossen sind, bevor die Patienten das Zimmer betreten. Ist das Zimmer nach dem Lüften doch mal zu kalt, hilft meist ein kleiner Spruch mit Augenzwinkern (geht ja auch mit Maske): "Du weißt doch: kaltes Zimmer oder Corona ..." Da wir die Lüftungsmöglichkeiten unserer Patientenzimmer als sehr gut betrachten, haben wir uns gegen die Anschaffung von Luftfiltern entschieden.

Ein neuer Arbeitsalltag

Durch die COVID-19-Pandemie hat sich der Arbeitsalltag eines niedergelassen Kinder- und Jugendarztes, zumindest in meinen Augen, wesentlich verändert. Eine neue Herausforderung besteht plötzlich in der Beschaffung von für den Praxisablauf elementaren Alltagsgegenständen, und gemeint ist damit natürlich nicht nur Toilettenpapier. Für ein Team von 16 Mitarbeitern sind wir mit 30 chirurgischen und zehn FFP2-Masken in die erste Infektionswelle gestartet. Mehrfach war das Desinfektionsmittel knapp.

Dank der Ehepartnerinnen, Mütter, Großmütter, Tanten und Schwestern unserer Teammitglieder, die uns mit selbstgenähten Masken halfen, gelang es uns, die Zeit zu überbrücken, bis uns die KV Rheinland-Pfalz bei der Beschaffung von Masken und Desinfektionsmitteln unterstützen konnte. Mittlerweile ist die Beschaffung nicht mehr problematisch; ärgerlich ist nur, wie die Einkaufspreise für Masken und Antigenschnelltests - je nach politischer Entscheidung für oder gegen neue Infektionsschutzmaßnahmen - variieren.

Kontaktbeschränkungen und Lockdowns führten und führen wiederholt zu drastischen Rückgängen von akut-kranken Kindern, mit folglich deutlich reduzierter Scheinzahl und damit auch wirtschaftlichen Folgen [2].

Zur Kompensation der fehlenden "infektkranken Kinder", etablierten wir ein Recall-Verfahren für anstehende Impfungen und die Vorsorgeuntersuchungen U10, U11, J1 und J2 (die U4 bis U9 sind in Rheinland-Pfalz verpflichtend und werden über das Land koordiniert). Dies lässt sich übrigens sehr gut über einen Mitarbeiter im Homeoffice organisieren. Das Recall-Verfahren erfordert eine zusätzliche Einwilligung der Eltern.

Wir erhöhten unsere Aufmerksamkeit für Impflücken, gerade bei den älteren Kindern und Jugendlichen, aber auch bei den Eltern unserer Patienten, denen wir zum Beispiel im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen ihrer Kinder die Überprüfung ihres eigenen Impfstatus angeboten haben. In Rheinland-Pfalz ist es Kinderärzten erlaubt, auch Erwachsene zu impfen, im Zweifel lohnt sich eine Rückversicherung bei der KV. Bei den Eltern finden sich häufig unvollständige Impfungen gegen Mumps-Masern-Röteln (MMR) oder fehlende Auffrischimpfungen gegen Diphterie-Pertussis-Tetanus-Polio oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Zudem klären wir über die - noch nicht von der STIKO empfohlenen - Impfungen gegen Meningokokken der Serogruppen B und ACWY auf und impfen natürlich auf Wunsch die Eltern gleich mit. Außerdem bietet es sich bei bestehender Indikation an, Kinder und Eltern gleichzeitig gegen Influenza zu impfen. Einer von vielen positiven Effekten der COVID-19-Impfung besteht darin, einen gewissen Ausgleich der Einbußen durch fehlende "infektkranke Kinder" zu schaffen.

Alle Arztpraxen in Rheinland-Pfalz können sich bei der KV als Corona-Teststelle registrieren lassen, um kostenlose Bürgertests anzubieten. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass die Familien unserer Mitarbeiter und natürlich unsere Patienten unproblematisch und ohne in der Schlange zu stehen, ebenfalls von dem Testangeboten profitieren können.

Was ändert sich in der ambulanten Versorgung?

Kontaktbeschränkungen, Lockdowns, Homeschooling und die dadurch entstehenden Belastungen der Kinder und Eltern führen zu einer massiv veränderten ambulanten pädiatrischen Versorgung unserer Patienten. Änderungen in den Kontaktbeschränkungen spiegeln sich rasch im Infektionsgeschehen unserer Patienten wider. Bei Lockerungen nehmen die Patientenzahlen in unserer Praxis nach sieben bis zehn Tagen wieder deutlich zu, und andersherum.

Angina tonsillaris, Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Gastroenteritiden und Infektionen durch Influenza- und Respiratory-Syncytial-Virus spielten in unserer Praxis nach Beginn der Pandemie praktisch keine Rolle mehr, um dann aber saisonal (bei sehr wenig allgemeinen Einschränkungen) im Spätsommer und Frühherbst 2021 früher und dafür heftiger als sonst zurückzukehren. Mittlerweile sind diese Infektionskrankheiten durch die erneut verschärften Kontaktbeschränkungen und die Maskenpflicht in den Schulen wieder auf ein niedrigeres Niveau gesunken.

An COVID-19 erkrankte Kinder spielten bisher im Arbeitsalltag unserer Praxis eher eine geringe Rolle. So führten wir während der dritte Infektionswelle mit der Delta-Linie von Januar bis April 2021 250 SARS-CoV-2-PCR-Untersuchungen durch und erhielten nur fünf positive Fälle, die sich alle bei den Erwachsenen im häuslichen Umfeld angesteckt hatten. Seit Anfang Januar 2022 scheint sich dies deutlich zu ändern. Die Anzahl an positiven PCR-Untersuchungen war jeweils nach den Sommer- und Herbstferien am höchsten. Seit Beginn der Pandemie beobachteten wir bisher fünf Fälle des Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) im Alter von drei Monaten bis elf Jahren.

Psychische Probleme und Gewalt in der Familie

Der neunjährige J. würgte seine Mutter am Hals, bis sie Hämatome bekam. Der Grund: Er sollte mit Fernsehen aufhören und Hausaufgaben machen. Die 14-jährige M. plante, sich mit den Abgasen des Familienautos umzubringen, glücklicherweise offenbarte sie sich doch ihrer Mutter. Die 17-jährige A. stellte sich in einem kritischen Zustand in der Praxis vor, sie hatte sich seit dem ersten Lockdown in eine lebensbedrohliche Situation gehungert. Nachdem sie, Wochen zuvor, vom Ordnungsamt mit Drogen erwischt worden war, stellte sich die 15-jährige C. in unserer Praxis vor - sie stünde unter Hausarrest und fühle sich durch den Vater anhaltend körperlich bedroht. Vier dramatische Fälle, die sich innerhalb weniger Tage nach Ende des zweiten Lockdowns in unserer Praxis zutrugen.

Seit Beginn der COVID-19-Pandemie, vor allem zu Zeiten von Homeschooling und Lockdown, sehen auch wir in unserer Praxis eine deutliche Zunahme von Kindern und Jugendlichen in psychiatrischen Ausnahmesituationen, aber auch eine Zunahme von psychiatrischen Krankheitsbildern. Das Thema häusliche Gewalt ist unter der Pandemie verstärkt in den Fokus unserer Praxis gerückt und wird auch während der Beratung bei den Vorsorgeuntersuchungen besprochen. Hilfe finden Betroffene unter hilfetelefon.de oder nummergegenkummer.de. In den pandemiebedingt veränderten Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen finden sich vielfältige Gründe für die Zunahme von Entwicklungsstörungen, wie bei Sprache oder Feinmotorik, der Fehlentwicklung des Körpergewichts oder Fehlsichtigkeit. Auch dies sollte verstärkt im Auge behalten werden.

Eine zeit- und nervenraubende Beschäftigung stellt das Ausstellen von zum Teil unsinnigen medizinischen Attesten für unsere Patienten dar. Auch das fortwährende Erläutern-müssen, warum dieses oder jenes Attest nicht ausgestellt werden kann, ist natürlich nicht weniger zeitraubend (Abb. 1). Atteste zur Schul- oder Maskenbefreiung werden nur nach eingehender individueller Prüfung mit Eltern/Kind-Gespräch ausgestellt und sehr restriktiv gehandhabt. Die meisten Anfragen lassen sich schon telefonisch durch unsere MFA klären. Dabei ist ein einheitliches und aktualisiertes Vorgehen wichtig. Bei Konflikten mit oder Beharren durch die Eltern der Kinder kann eine Vorstellung beim pädiatrischen Pneumologen oder beim HNO-ärztlichen Kollegen sinnvoll sein.

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: Typische Gesprächssplitter von Eltern in chronologischer Reihenfolge

Atteste zum Krank- oder Gesundschreiben der Kinder sind ebenfalls zeitraubend und meist weder nötig noch sinnvoll. Auch hier versuchen wir schon vorab telefonisch viel zu klären, um mehr Zeit für unsere kranken Patienten zu haben. Übrigens gibt es auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts eine Liste der Infektionskrankheiten, bei denen tatsächlich ein ärztliches Attest zur Wiederzulassung in Gemeinschaftseinrichtungen erforderlich ist.

Impfungen gegen COVID-19

Seit April 2021 beteiligen wir uns entsprechend der aktuellen STIKO-Empfehlungen an den Impfungen gegen COVID-19. Für das Team bedeutet dies eine deutliche Mehrbelastung durch Terminorganisation und Impfungen außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten. Wir haben uns dazu entschieden, mit Terminvergabe zu impfen, weil dadurch eine effizientere Planung des Impfstoffbedarfs, bessere Kontrolle über den Infektionsschutz in der Praxis und mehr Komfort für die zu impfenden Personen gewährleistet wird. Allerdings bedeutet dies, dass praktisch eine MFA nur mit der Planung der Impftermine beschäftigt ist (geht sehr gut über Homeoffice).

Die Impfaufklärung erfolgt bei uns persönlich und individuell. Fragen zur Impfung gerade in der Altersgruppe der Fünf- bis Elfjährigen spielen im Praxisalltag eine große Rolle. Hierbei ist es hilfreich, Informationen auf der Praxis-Homepage zu präsentieren. Viele Elternfragen können auch häufig schon am Telefon geklärt werden.

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© lithiumcloud / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Wegen Corona keine Spieleecke mehr im Wartezimmer? Viele Kinder bringen ihre Spielsachen einfach selber mit.

Die Organisation und die Abläufe zur Impfung gegen SARS-CoV-2 stellen zwar einen deutlichen Mehraufwand für jeden Praxismitarbeiter dar, andererseits gibt es auch positive Effekte für das Team: Wenn sich das Team zum Beispiel selbst feiert, weil wieder einmal ein Impftag beendet wurde, ohne dass eine Impfdosis weggeworfen wurde, oder die eigene Großmutter gemütlich zum Impfen in die Praxis kommen kann, ohne im Impfzentrum anstehen zu müssen. Für unsere Mitarbeiterinnen ist es aber auch wichtig, einen Teil zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie leisten zu können. Bisher gab es noch keine nennenswerten Störungen durch "Querdenker" oder Impfgegner. Lediglich einige pseudojuristische Schreiben eines Vereins, der damit drohte, alle Ärzte zu verklagen, die sich an den Coronaimpfungen für Kinder beteiligen, landeten bei uns im Briefkasten. Es fiel uns nicht sehr schwer, diese Schreiben zu ignorieren.