Auch wenn eine SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern meist harmlos verläuft, entwickeln einige Patienten ein Post-COVID-Syndrom. Dieses Krankheitsbild ist von einer außergewöhnlichen Erschöpfung und Belastungsintoleranz geprägt und stellt eine große Herausforderung für Patienten, Behandler sowie die Versorgungsstrukturen dar.

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Die Folgen einer COVID-19-Erkrankung können Patienten lange begleiten, auch wenn die Infektion selbst schon abgeklungen ist. Inzwischen wurde in Zusammenarbeit mehrerer Fachgesellschaften eine eigene S1-Leitlinie zu Post-COVID/Long-COVID veröffentlicht [1]. An der TU München beschäftigt sich die Kinderhämatoonkologin Professor Uta Behrends bereits lange mit dem Krankheitsbild Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) sowie Epstein-Barr-Virus(EBV)-assoziierten Erkrankungen und betrachtet die Entwicklungen während der Pandemie mit Sorge: "Wir haben im Rahmen von Studien am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung Folgen vom Pfeiffer'schen Drüsenfieber gesehen, die durchaus dem ähnelten, was wir jetzt bei Long-COVID sehen." Gemäß der S1-Leitlinie spricht man von Long-COVID bei Beschwerden, die vier Wochen nach der Infektion auftreten oder bestehen, bei einer Persistenz der Symptome von mehr als 12 Wochen - sofern diese nicht anders zu erklären sind - spricht man vom Post-COVID-Syndrom (ICD-10 Schlüsselnummer U.09.9) [1, 2].

Nach Schätzungen der WHO könnten Langzeitfolgen bei 10-20 % der Patienten auftreten, bei Kindern schätzt Behrends vorsichtig, dass circa 1-2 % nach acht Wochen noch Symptome zeigen. Die Datenlage dazu sei aber "noch sehr unbefriedigend."

Das Post-COVID-Syndrom sei eine komplexe funktionelle Erkrankung, die die Alltagsfunktion erheblich beeinträchtige und Teilhabemöglichkeiten der Patienten sowie ihre Lebensqualität dramatisch einschränke. Besonders häufig sei die Fatigue, "bei Kindern oft mit Kopfschmerzen gepaart", wie Behrends erklärte. Erschwerend komme vielfach noch eine Stigmatisierung durch die Umwelt hinzu, weswegen Behrends dafür plädierte, in Zusammenhang mit Fatigue nicht einfach von "Müdigkeit" zu sprechen, sondern von einem "Erschöpfungssyndrom."

Verdopplung der Fälle erwartet

Schwer von einem Post-COVID-Syndrom betroffene Patienten zeigen oftmals das klinische Bild einer ME/CFS. Neben der Fatigue mit Funktionsverlust ist die Erkrankung geprägt von einer starken Belastungsintoleranz (postexertionelle Malaise, PEM), die sich in einer dramatischen Zustandsverschlechterung bereits nach geringer Alltagsbelastung äußert. Wie Behrends erklärte, kann das bedeuten, dass betroffene Kinder eine Stunde an der Schule teilnehmen und es ihnen dann "am Abend oder nächsten Tag für Tage, Wochen oder sogar Monate richtig schlecht geht." Die PEM sei eine große Herausforderung in der Versorgung und erfordere viel therapeutisches Geschick. "Was wir bei der klassischen Fatigue kennen, zum Beispiel im Rahmen onkologischer Erkrankungen, nämlich die Patienten zur Aktivität zu animieren, kann bei der PEM nach hinten losgehen, weil die Symptome sich verschlechtern", so Behrends. Auch könne eine PEM zur Folge haben, dass nicht jede Art Differenzialdiagnostik durchgeführt werden kann, weil jede Behandlung und selbst der Gang in die Klinik den Zustand des Patienten massiv verschlimmern könnte.

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Geschätzt wird, dass ca. 1-2 % der Kinder acht Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion noch Symptome zeigen.

Die Pathophysiologie der ME/CFS ist nicht genau geklärt, doch gibt es einige Theorien. Vermutet wird, dass Infektionen in Kombination mit Risikofaktoren wie Stress oder prädisponierenden genetischen Faktoren Störungen des Immunsystems bewirken. Dies wiederum könne zu Stoffwechselstörungen und Störungen des Nerven- und Gefäßsystems führen - und umgekehrt. All das resultiert letztlich in Organdysfunktionen und Gewebeschäden. Den Zusammenhang zwischen Infektionen und dem Auftreten von ME/CFS kennt man auch von anderen Erregern: Auch nach dem SARS-CoV-1-Ausbruch in den Jahren 2002/2003 nahm die Zahl der ME/CFS-Betroffenen zu. Experten rechnen nun mit einer Verdopplung der ME/CFS-Fälle weltweit als Folge der SARS-CoV-2-Pandemie, so Behrends. Doch die Ähnlichkeiten zwischen Long-COVID und ME/CFS lässt sich auch als Chance begreifen, denn das Wissen zu ME/CFS liefere Möglichkeiten für die Erforschung und angemessene Versorgung von Long-COVID-Patienten - und umgekehrt.

Symposium "Hot Topic SARS-CoV-2-Infektion von A bis Z", DGKJ-Kongress, 6.-9. Oktober 2021; Berlin