Eine junge Patientin leidet seit Wochen an Atemnot, unternimmt kaum noch etwas mit Freundinnen und verliert an Gewicht. Bei der Untersuchung fallen Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel auf - ein Befund, der auf eine schwerwiegende Erkrankung hinweist.

Ein elfjähriges Mädchen wurde mit Fieber, Husten und Luftnot aus einem peripheren Krankenhaus zu uns verlegt. Ein SARS-CoV-2-Test war negativ. Die Mutter berichtete, dass ihre Tochter seit dem Sommer zunehmend dyspnoisch sei und immer weniger mit Freundinnen spielen wollte. Bei persistierendem Husten erfolgten wiederholt Vorstellungen bei verschiedenen Ärzten, die symptomorientiert therapierten. Es bestanden ein Gewichtsverlust von 2-3 kg über fünf Monate sowie Nachtschweiß und Fieber in den letzten Wochen.

Befund bei Aufnahme

Es fanden sich eine ausgeprägte Sprechdyspnoe, eine Orthopnoe sowie Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel (Abb. 1a). Die zervikalen Lymphknoten waren geschwollen und das Mädchen wies eine ausgeprägte sternale Kapillarektasie sowie eine Stauung der Halsvenen auf. Rechtsseitig waren keine Thoraxexkursionen sichtbar, ein Atemgeräusch war nur minimal im Oberfeld auskultierbar, bei erhaltenem vesikulären Atemgeräusch linksseitig. Die Sauerstoffsättigung im Sitzen war dauerhaft unter 90 % bei Raumluft. Laborchemisch fielen eine Leuko- und Thrombozytose, eine Anämie sowie erhöhte Werte für CRP, LDH und eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) auf. Im peripheren Blut ergab sich kein Hinweis auf blastäre Zellelemente. Radiologisch zeigten sich eine nahezu vollständige Verschattung der rechten Lunge, ein vom oberen vorderen Mediastinum ausgehender Tumor mit Verdrängung der Mediastinalstrukturen und ein septierter Pleuraerguss (Abb. 1b).

Abb. 1
figure 1

© Dr. K. Vollert

: Klinischer und radiologischer Befund bei Aufnahme: a) Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel; b) vollständige Verschattung der rechten Lunge im Röntgen-Thorax

Verlauf

Bevor eine erweiterte Diagnostik möglich war, musste der klinische Zustand des Mädchens stabilisiert werden. Dies gelang durch die Gabe von Sauerstoff, hochdosiertem Prednisolon (60 mg/m2/d) und der Transfusion eines Erythrozytenkonzentrats. Anschließend konnte die Diagnostik durch eine PET-CT ergänzt werden. Diese zeigte multiple supradiaphragmale Lymphknotenmanifestationen, eine zentral nekrotische, randständig stoffwechselaktive Raumforderung, intrapulmonale Herde und eine Aktivierung des Knochenmarks (Abb. 2). Bei klinisch und radiologisch deutlicher Befundbesserung erfolgte fünf Tage nach Aufnahme die Biopsie eines zervikalen Lymphknotens. Hier ergab sich in der intraoperativen Schnellschnittdiagnostik eine granulomatöse Entzündung ohne Nachweis maligner Zellen. Das Gewebe wurde auf säurefeste Bakterien untersucht und ein Tuberkulintest durchgeführt.

Abb. 2
figure 2

© Prof. Dr. K. Lappa

: PET-CT: a) Multiple supradiaphragmale Lymphknotenmanifestationen; b) große, zentral nekrotische und randständig stoffwechselaktive Raumforderung intrapulmonal

Diagnose und Therapie

Erst nach histopathologischer Aufarbeitung des Präparats wurde die Diagnose einer granulomatös zerfallenden Variante eines klassischen Hodgkin-Lymphoms gestellt. Die Patientin wurde stadiengerecht (IVB E) im Treatment-Level 3 des EuroNet-PHL-C2-Protokolls behandelt. Die klinische Symptomatik zeigte sich hierunter rasch rückläufig und es bestand kein Sauerstoffbedarf mehr. Nach dreimonatiger Therapie gingen die Trommelschlegelfinger bereits zurück, die Uhrglasnägel waren schrittweise regredient. Das protokollgemäße Early Response Assessment (ERA) zeigte einen deutlichen Befundrückgang. Im Anschluss an die Polychemotherapie erfolgte eine Bestrahlung. Diese wurde gut vertragen, das Mädchen befindet sich aktuell in der Tumornachsorge.

Diskussion

Trommelschlegelfinger sind durch eine bauchige Vergrößerung der distalen Phalangen charakterisiert und gehen oft mit Uhrglasnägeln einher. Sie sind ein unspezifisches Symptom chronischer Erkrankungen der Lunge oder des Herzens und deuten auf einen länger bestehenden Sauerstoffmangel im Gewebe hin (Tab. 1). Die Kapillardichte ist in ihnen erhöht, der genaue Pathomechanismus, der zu ihrer Entstehung führt, ist aber weitgehend ungeklärt. Periphere Megakaryozyten schütten bei Hypoxie vermehrt den platelet-derived growth factor (PDGF) und den vascular endothelial growth factor (VEGF) aus, was zu einer erhöhten Vaskularisierung und Permeabilität im Bindegewebe führt [1, 2]. Auch Signalproteine wie TNF-α, Prostaglandine, Bradykinin, Interleukin-6 und der epidermal growth factor (EGF) werden mit der Entstehung von Trommelschlegelfingern in Verbindung gebracht.

Tab. 1 : Trommelschlegelfinger: Ausdruck vieler chronischer Erkrankungen [3]

Beim Erwachsenen ist mit fast 90 % der Fälle eine maligne Neoplasie - vor allem das Bronchialkarzinom - die häufigste pulmonale Ursache von Trommelschlegelfingern. Andere häufige Grunderkrankungen sind Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt, Lungenfibrose oder das Lungenemphysem. Aber auch bei anderen malignen Erkrankungen (z. B. Hodgkin-Lymphom), Infekten (z. B. Tuberkulose) und Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts (z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankung) können Trommelschlegelfinger auftreten [2]. Neben einer ausführlichen Anamnese sollten eine körperliche und laborchemische Untersuchung sowie eine Bildgebung erfolgen. Die übrige Diagnostik richtet sich nach den erhobenen Befunden.

Bei unserer Patientin erstreckte sich die Anamnese über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten, in denen von zunehmender Leistungsminderung und Husten berichtet wurde. In den Wochen vor der Diagnose traten außerdem Nachtschweiß und Fieber auf. Zahlreiche Kinder- und Hausarztbesuche in diesem Zeitraum führten zu verschiedenen symptomorientierten Therapieansätzen (Antibiotika, Antiasthmatika und Expektoranzien). Es bleibt offen, inwiefern die Infektsaison und COVID-19-Pandemie die Diagnose verzögert und damit die Behandlung in einem niedrigeren Stadium verhindert haben. Zwar haben die Betroffenen aufgrund einer deutlich intensiveren Therapie selbst im Stadium IV eine gute Prognose, sie ist jedoch mit einem deutlich höheren Risiko für Nebenwirkungen und Spätfolgen verbunden [4, 5].