Seltene Erkrankungen haben einen deutlichen pädiatrischen Schwerpunkt. Im folgenden Artikel möchten wir die Zusammenarbeit von Pädiatern und Zentren für seltene Erkrankungen näher erläutern und wertvolle Hinweise für den klinischen Alltag geben. Es wird zuerst ein Überblick über die allgemeine Struktur von Zentren für seltene Erkrankungen (ZSE) präsentiert und anschließend beispielhaft die Arbeitsweise des ZSE Bonn geschildert.

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© Zentrum für seltene Erkrankungen, Bonn

Der Diagnose auf der Spur: Das Team des Zentrums für seltene Erkrankungen Bonn

Nur etwa 12 % der bekannten seltenen Erkrankungen treten erstmalig nach dem 18. Lebensjahr auf, wohingegen etwa 70 % typischerweise in der Kindheit beginnen [1]. Wie unter anderem dem Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen (NAMSE) zu entnehmen ist [2], gilt eine Erkrankung in der Europäischen Union (EU) als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen davon betroffen sind. Dies resultiert in einer sehr heterogenen Gruppe von aktuell etwa 8.000 seltenen Erkrankungen [3]. Aufgrund dieser Heterogenität ist es dem einzelnen behandelnden Kinderarzt selbstverständlich nicht möglich, eine umfassende Expertise für das gesamte Spektrum anbieten zu können. Außerdem wird deutlich, dass aufgrund der hohen Anzahl individueller Erkrankungen viele Menschen von seltenen Erkrankungen betroffen sind - derzeit geschätzt 30 Millionen in der EU und vier Millionen in Deutschland [4, 5]. Seltene Erkrankungen stellen die behandelnden Ärzte vor besondere Herausforderungen. Einerseits wird die Diagnosestellung durch die geringere Bekanntheit der Erkrankungen deutlich erschwert. Andererseits gestaltet sich bei bereits gestellter Diagnose die Therapie oft schwierig, da die Studienlage in vielen Fällen durch die geringe Inzidenz und Prävalenz einer Erkrankung schlecht, und die individuelle Erfahrung der behandelnden Ärzte begrenzt ist.

Im Umgang mit diesen Schwierigkeiten können die Patienten sowie die behandelnden Ärzte erheblich vom Kontakt zu einem Zentrum für seltene Erkrankungen (ZSE) profitieren. Dieser Artikel soll Ihnen einen Überblick über die Arbeit an einem ZSE geben und praxisnah vermitteln, wie die Zusammenarbeit mit einem solchen Zentrum optimal gestaltet werden kann, um Ihnen und Ihren Patienten sowie deren Eltern den Weg zu Diagnose und Therapie zu erleichtern.

Was ist ein Zentrum für seltene Erkrankungen?

ZSE bündeln die fachliche Kompetenz zu seltenen Erkrankungen. Deutschlandweit gibt es aktuell 31 Zentren für seltene Erkrankungen, an die sich Betroffene oder deren Eltern, Menschen ohne Diagnose mit Verdacht auf eine seltene Erkrankung sowie die Behandler wenden können (Abb. 1). Die Anforderungen an ein ZSE werden durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses definiert [7]. Die konkreten Arbeitsabläufe sind in den jeweiligen Zentren individuell verschieden, jedoch sollen an jedem Zentrum interdisziplinäre Diagnostik, Therapie und Forschung im Sinne der Zentrumsanforderungen Hand in Hand gehen. Außerdem sollen sich alle ZSE in Deutschland an den Empfehlungen des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Seltenen Erkrankungen des NAMSE orientieren, die die Struktur eines ZSE mit A-, B- und C-Zentrum vorgeben [8].

Abb. 1
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Hoffmann GF et al. Monatsschr Kinderheilkd 2020 [6]

: Übersicht über die ZSE in Deutschland

A-Zentrum

Die A-Zentren bilden als krankheitsübergreifende Referenzzentren eine allgemeine Anlaufstelle und stellen somit häufig den ersten Schritt auf dem Weg zu Diagnose und Therapie dar. Insbesondere Patienten ohne Diagnose und ihre Behandler werden hier zur Koordinierung einer zielführenden Diagnostik beraten. In den meisten ZSE gibt es ärztliche und/oder nicht ärztliche Lotsen, die als direkte Ansprechpartner für die Patienten fungieren. A-Zentren stellen die zentrale Organisationseinheit eines ZSE dar; sie kooperieren mit mehreren angegliederten B-Zentren und koordinieren die multidisziplinäre Versorgung von Menschen mit der Diagnose oder einem Verdacht einer seltenen Erkrankung. Weiterhin betreiben die A-Zentren Forschung und spielen eine wichtige Rolle in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von medizinischem Fachpersonal.

B-Zentrum

Als B-Zentren werden die an das jeweilige A-Zentrum angegliederte Fachzentren bezeichnet, die sich mit definierten Krankheiten und/oder Krankheitsgruppen befassen und in diesem Bereich eine hohe Expertise aufweisen. Sie spielen zum einen eine wichtige Rolle bei der durch die A-Zentren koordinierte Diagnostik, zum anderen liegt ihre Aufgabe in der weiteren Behandlung von Menschen mit seltenen Erkrankungen nach gestellter Diagnose. Sie bieten sowohl ambulante als auch stationäre Versorgungsmöglichkeiten an.

C-Zentrum

C-Zentren sind Kooperationszentren für bestimmte Krankheiten und/oder Krankheitsgruppen. Sie übernehmen die ambulante spezifische Versorgung von Patienten mit gesicherter Diagnose oder deutlicher Verdachtsdiagnose im Rahmen von Schwerpunktpraxen, medizinischen Versorgungszentren oder Krankenhäusern.

Vorüberlegungen zur Kontaktaufnahme

Ist es sinnvoll, meinen Patienten an einem ZSE vorzustellen?

Grundsätzlich gilt: Sowohl bei einer Diagnose als auch bei einem Verdacht auf eine seltene Erkrankung ist die Vorstellung in einem ZSE sinnvoll. Dabei muss kein Verdacht auf eine konkrete seltene Erkrankung vorliegen; oft handelt es sich um einen generellen Verdacht auf eine unerkannte Erkrankung, der sich beispielsweise aus Symptomen ergibt, die sich auch nach ausführlicher Diagnostik nicht zweifelsfrei einem somatischen, psychischen oder psychosomatischen Krankheitsbild zuordnen lassen (Kasten 1 - Ein Fall für den Schönheitschirurgen?). Außerdem sollte insbesondere bei einer auffälligen Familienanamnese (z. B. weitere Betroffene mit ähnlicher Symptomatik ohne passende Diagnose) ein ZSE hinzugezogen werden. Bei bereits gestellter Diagnose kann über ein ZSE der Kontakt zu einem spezialisierten B- oder C-Zentrum und zu Patientenorganisationen oder Selbsthilfegruppen hergestellt werden [9].

Merke: Bei begründetem Verdacht auf das Vorliegen einer seltenen Erkrankung ist die Vorstellung in einem A-Zentrum eines ZSE sinnvoll. Bei bereits gestellter Diagnose einer seltenen Erkrankung kann ebenfalls das A-Zentrum eines ZSE hinzugezogen werden. So kann im Weiteren leicht der Kontakt zu den Experten der B- und C-Zentren sowie zu Patientenorganisationen hergestellt werden.

Wie nehme ich Kontakt zu einem ZSE auf?

Jedes ZSE hat ein eigenes Prozedere zur Kontaktaufnahme. Um sich einen Überblick zu verschaffen, empfiehlt es sich, vorher Informationen über die Homepage der entsprechenden Zentren einzuholen. Hierbei ist es sinnvoll, auch die individuellen Schwerpunkte der verschiedenen Zentren zu beachten. Häufig ist es den Patienten möglich, über Telefonsprechstunden oder Kontaktformulare auf der Homepage selbst mit den Zentren in Kontakt zu treten. Weiterhin können Sie als behandelnder Kinderarzt natürlich auch ein Zentrum Ihrer Wahl kontaktieren, um Ihre Patienten vorzustellen. Auch hier empfiehlt sich die Kontaktaufnahme über den Internetauftritt der individuellen Zentren oder - sofern vorhanden - direkt über die am ZSE tätigen ärztlichen Kollegen. Die Webseite www.se-atlas.de gibt eine gute Übersicht über die Zentren in Deutschland. Aufgrund eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses sind die ZSE dazu verpflichtet, sich dort mit ihrer spezifischen Expertise zu registrieren [9, 10].

Welche Informationen und Unterlagen sind bei einer Anmeldung an einem ZSE sinnvoll?

Die Patienten sind in besonderer Weise auf die Mithilfe der Kinder- und Hausärzte angewiesen, um sich an einem ZSE vorstellen zu können. Meist gibt es bereits umfangreiche Vorbefunde. Entsprechend ist es für die Mitarbeiter der ZSE wichtig, die bereits erhobenen Vorbefunde möglichst vollständig in ihre Analyse einbeziehen zu können. Hierzu ist eine Epikrise des behandelnden Kinderarztes hilfreich, mit der sich die Kollegen im ZSE einen Überblick über den "unklaren Fall" verschaffen können. Diese sollte neben einer strukturierten Krankengeschichte auch eine Begründung enthalten, warum Sie die Vorstellung in einem ZSE befürworten. Bei letztendlicher Aufnahme in den Prozess des ZSE wird außerdem oft eine Überweisung benötigt. Darüber hinaus ist es hilfreich, den jungen Patienten sowie ihren Eltern den weiteren Ablauf der Zusammenarbeit mit einem ZSE im Vorhinein zu erklären.

Das Prozedere im ZSE Bonn

Der Ablauf soll im Folgenden konkret am Beispiel des ZSE Bonn (ZSEB) beschrieben werden. Die geschilderten Schritte werden in Abb. 2 dargestellt. Ein Patient durchläuft mit seiner Patientenakte im ZSEB die folgenden Stationen:

Abb. 2
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© Zentrum für seltene Erkrankungen, Bonn

: Prozedere am ZSE Bonn

  1. 1.

    Initial erfolgt eine Anfrage des Patienten oder des behandelnden Arztes an das ZSEB, die zunächst durch einen Arzt begutachtet wird. Dieser entscheidet, ob der Fall weiter im A-Zentrum bearbeitet oder der Patient unmittelbar an ein B-Zentrum oder eine andere Versorgungsstruktur verwiesen wird.

  2. 2.

    Bei begründetem Verdacht auf eine seltene Erkrankung wird der Patient eingeladen, einen Anamnesebogen auszufüllen, der neben Angaben zu körperlichen Symptomen und Medikamenten, einer Familien- und Reiseanamnese und dem konkreten Anliegen des Patienten auch das psychische Befinden erfragt. Weiterhin werden alle verfügbaren Arztberichte, eine Epikrise des Kinderarztes und eine entsprechende Überweisung erbeten.

  3. 3.

    Wenn sich bei der folgenden sorgfältigen Durchsicht dieser Unterlagen der Verdacht auf eine seltene Erkrankung erhärtet, wird die Akte zur weitergehenden Aufarbeitung freigegeben. Anschließend beginnt der Bearbeitungsprozess, bei dem die 14 studentischen Hilfskräfte höherer klinischer Semester des ZSEB eine umfassende Kasuistik erstellen, die neben einer ausführlichen Anamnese die gesamten vorliegenden Befunde ordnet und zusammenfasst.

  4. 4.

    Bei einem Ambulanztermin kommt es zum ersten persönlichen Kontakt des Patienten mit seiner Familie und einem Facharzt des ZSE in Begleitung eines Studenten. Hierbei erhält die Familie die Möglichkeit, ausführlich über die Krankengeschichte und den bisherigen Verlauf zu berichten. Danach werden gezielt Fragen gestellt, die auf erste Verdachtsdiagnosen auf Basis der erstellten Kasuistik abzielen und offene Fragen klären sollen. Anschließend folgt eine symptombezogene körperliche Untersuchung. Phänotypische Besonderheiten werden im Zuge der Untersuchung für die anschließende interdisziplinäre Fallkonferenz mit Fotos dokumentiert.

  5. 5.

    In der regelmäßig stattfindenden Fallkonferenz wird der Fall vor einem interdisziplinären Team aus verschiedenen Fachdisziplinen präsentiert und mit den auftretenden Beschwerden, dem Verlauf und den ärztlichen Befunden aus bereits durchgeführten Untersuchungen sowie den Ergebnissen des Ambulanztermins diskutiert.

  6. 6.

    Die interdisziplinäre Fallkonferenz kann zu zwei Ergebnissen führen:

a. Stellt das multidisziplinäre Team eine Diagnose oder eine naheliegende Verdachtsdiagnose, erhält der Patient das Ergebnis der Fallkonferenz mit Erläuterungen sowie einer Empfehlung zum weiteren Vorgehen sowohl persönlich als auch schriftlich im Abschlussbrief. Typischerweise werden ein passendes, spezialisiertes B-Zentrum oder eine andere Versorgungsstruktur empfohlen, an der die weitere Behandlung und gegebenenfalls Spezialdiagnostik erfolgen kann. Seit 2020 kontaktiert das ZSEB zudem jeweils drei, sechs und zwölf Monaten nach Fertigstellung und Versand des Abschlussbriefes die Patienten erneut, um sich nach deren Befinden und dem Erfolg der empfohlenen Maßnahmen zu erkundigen.

b. Fehlen für die Diagnose noch obligate Untersuchungen oder ergeben sich mehrere mögliche Verdachtsdiagnosen, erhält der Patient statt des Abschlussbriefes einen Zwischenbericht. Hier werden mögliche Verdachtsdiagnosen genannt und Empfehlungen zum weiteren diagnostischen Vorgehen gegeben. Sobald die neuen Befunde vorliegen, können diese zur Reevaluation im ZSEB eingereicht werden. Die neuen Informationen werden anschließend zusammengefasst und in einer zweiten interdisziplinären Fallkonferenz diskutiert. Im Anschluss erhalten die Patienten einen Abschlussbrief, in dem die Ergebnisse der Fallkonferenz erläutert werden.

Nach einer Rückmeldung: Wie geht es weiter?

ZSE dienen in erster Linie als Steuerungseinheit, um die komplexe Diagnostik von seltenen Erkrankungen zu koordinieren. Diese Steuerungsfunktion ist mit dem Verfassen des Abschlussbriefes beendet. Die weitere Behandlung und Diagnostik ist durch andere Versorgungsstrukturen geregelt. Nach der Aufarbeitung der Patientenakte mit anschließender Besprechung in der interdisziplinären Fallkonferenz endet daher die Behandlung des Patienten durch ein A-Zentrum. Gegebenenfalls erfolgt die weitere Behandlung an einem B-Zentrum oder an anderen spezialisierten Behandlungszentren, die vom A-Zentrum empfohlen wurden; dies liegt jedoch außerhalb des Verantwortungsbereichs des A-Zentrums und wird vom Kinder- oder Hausarzt koordiniert.

Merke: Die A-Zentren erfüllen eine wichtige Lotsenfunktion auf dem Weg zur Diagnose einer seltenen Erkrankung. Sie sollen vorrangig bei der Kontaktaufnahme der Patienten zu passenden weiteren Versorgungsstrukturen unterstützen. Nach der Anbindung an ein B-Zentrum/anderweitiges Behandlungszentrum endet die Beratung durch die A-Zentren.

Mit der Diagnose einer seltenen Erkrankung ist eine Etappe erreicht, aber natürlich ergeben sich daraus für die Patienten und ihre Familien meist viele Fragen und Unsicherheiten - zumal häufig nur wenige Informationen öffentlich zugänglich und verständlich sind. Angebote in "leichter Sprache" gibt es praktisch nie. Vor diesem Hintergrund haben sich viele Selbsthilfegruppen im Bereich der seltenen Erkrankungen gegründet. Diese bieten - zumeist ehrenamtlich - Sorgentelefone und Ansprechpartner für Betroffene an und schließen mit ihrer Beratungsleistung Lücken im System. Oft werden Betroffene im Verlauf selbst Experten für ihre Erkrankung und fördern so ihr Selbstmanagement [11]. Gleichzeitig können Selbsthilfegruppen die Öffentlichkeit für das Thema seltene Erkrankungen sensibilisieren, und so Forschung, Erkennung und Therapie bestimmter Erkrankungen gefördert werden.

So ergibt sich mit der Diagnose einer seltenen Erkrankung nicht nur eine Anbindung an ein Versorgungszentrum, sondern oft auch ein Kontakt an eine bestehende oder sogar die Neugründung einer Selbsthilfegruppe. Am ZSE Bonn und bei den am Projekt ZSE-Duo beteiligten Zentren werden Patienten und ihre Familien außerdem mit einer psychosomatischen Beratung beim Umgang mit Unsicherheiten und Belastungen unterstützt.

Merke: Eine weitere wichtige Aufgabe der ZSE ist die Vermittlung an Selbsthilfegruppen, die nach der Diagnosestellung einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Menschen mit seltenen Erkrankungen leisten können. Hier sei auch auf die Webseite der Allianz chronischer seltener Erkrankungen (Achse) e. V. unter www.achse-online.de/de/ verwiesen, die als Dachorganisation Kontaktadressen der meisten Selbsthilfeangebote für seltene Erkrankungen zur Verfügung stellt.

Worauf können sich meine Patienten bei einer Bearbeitungszusage einstellen?

Für Sie als behandelnden Kinderarzt ist es wichtig, den Patienten und ihren Familien zu erläutern, dass die Abläufe bei einer Bearbeitungszusage durch ein ZSE deutlich von den ihnen bekannten abweichen können. Gerade bei diesen Zentren kann die Aufarbeitung der Patientengeschichte viel Zeit in Anspruch nehmen und so eine längere Bearbeitungsdauer entstehen. Dies erklärt sich durch die oft langjährige und kurvenreiche Krankengeschichte. Patienten, die sich an ein ZSE wenden, blicken meist auf eine regelrechte Ärzte-Odyssee zurück. In der Regel werden viele Unterlagen eingereicht, die mitunter sogar das Fassungsvermögen eines herkömmlichen Aktenordners überschreiten (Abb. 3). Diese lange Bearbeitungsdauer stellt für Menschen ohne Diagnose und deren Ärzte eine große Herausforderung dar. Der Aufwand wird oft unterschätzt, und das Verstreichen einiger Wochen nach dem Einreichen der Unterlagen ohne eine Antwort führt schnell zu Frustration. Es empfiehlt sich also, die Familien darauf vorzubereiten, dass es eventuell eine Weile dauern kann, bis eine Antwort von einem ZSE erfolgt.

Abb. 3
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© Zentrum für seltene Erkrankungen, Bonn

: Beispiel einer umfassenden Patientenakte

Die Aufarbeitung der Akten ist eine Schreibtischarbeit, und zu einem persönlichen Kontakt mit dem Patienten kommt es nur im Rahmen eines Ambulanztermins. Dies unterscheidet die Arbeit der ZSE grundsätzlich von anderen Ambulanzen, bei denen sich durch langjährige intensive Betreuung der Patienten ein regelmäßiger persönlicher Kontakt zwischen Kinderärzten und Patienten ergibt. Dennoch ist die gründliche Aufarbeitung der komplexen Fälle vor dem persönlichen Kontakt sinnvoll, um den Mitarbeitern des ZSE einen fundierten Überblick über die bereits erfolgte Diagnostik zu gewähren, Dopplungen in der Diagnostik zu vermeiden und den Gesprächstermin gezielt zur Klärung wegweisender Fragestellungen nutzen zu können.

Häufig fordern Patienten, aber auch Ärzte, Empfehlungen zu Medikamentendosierungen und anstehenden Routineuntersuchungen durch die Zentren. Jedoch sind die ZSE in Deutschland derzeit ausschließlich ambulante Einrichtungen mit dem Schwerpunkt auf Diagnostik und Lenkung der Patienten. Die Zentren übernehmen in der aktuellen Versorgungsstruktur eine beratende Funktion im Hinblick auf eine mögliche seltene Erkrankung. Natürlich bleibt die definitive ärztliche Behandlung in der Zuständigkeit der niedergelassenen beziehungsweise stationär tätigen Ärzte.

Merke: Die Bearbeitungsdauer und die Abläufe bei einer Bearbeitungszusage durch ein ZSE unterscheiden sich gegebenenfalls von üblichen Herangehensweisen. Behandelnde Kinderärzte sollten ihre Patienten und die Familien darauf vorbereiten.