Das Down-Syndrom ist die häufigste genetische Besonderheit, die mit geistiger Beeinträchtigung assoziiert auftritt und durch eine Vielzahl weiterer klinischer Befunde gekennzeichnet ist. Nachfolgend wird der derzeitige Kenntnisstand reflektiert.

Weltweit tritt das Down-Syndrom (DS) bei etwa 1 von 800 Geburten auf. In Deutschland leben schätzungsweise 50.000 Menschen mit Trisomie 21, in den USA über 200.000. Die Erstbeschreibung des Syndroms im Jahr 1866 geht auf den englischen Arzt John Langdon Down zurück [1]. Mehr als 90 Jahre später wurde die chromosomale Ursache beschrieben [2] und die Erkrankung als Down-Syndrom bezeichnet [3].

Charakteristisch für DS sind beträchtliche phänotypische Unterschiede zwischen den einzelnen Patienten. So ist die intellektuelle Beeinträchtigung meist moderat, kann aber auch sehr variieren, während soziale Intelligenz, Empathie und soziale Integrationsfähigkeit oft sehr hoch sind. Diese Übersicht beruht zum Teil auf einem Review von Professor Marilyn J. Bull, Direktorin des Down-Syndrom-Programms an der Division of Developmental Pediatrics am Riley Hospital for Children, Indiana University Health, Indianapolis [4].

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Kinder mit Down-Syndrom verfügen meist über hohe soziale Intelligenz und Integrationsfähigkeit.

Genetik

Die Ursache des DS ist eine dritte Kopie des Chromosoms 21, die Trisomie 21. Die 200-300 Gene auf Chromosom 21 sowie epigenetische Faktoren wurden als Mitverursacher der klinischen Merkmale des Syndroms identifiziert. Polymorphismen, etwa des Down-Syndrom-Zelladhäsionsmoleküls (DSCAM) oder des Amyloid-Vorläuferprotein-Gens, tragen zur Variation der klinischen Manifestationen bei.

Die Trisomie 21 entsteht entweder durch Non-Disjunction während der Meiose, die zum Vorliegen von 47 Chromosomen führt, oder durch Translokation eines zusätzlichen Chromosoms 21 auf ein anderes Chromosom. Die klinischen Merkmale unterscheiden sich zwischen den beiden Ursachen der Trisomie 21 nicht. Auch Mosaike sowie die partielle Trisomie 21 können auftreten, sind aber gewöhnlich mit weniger klinischen Merkmalen der DS assoziiert [4, 5].

Pränataldiagnostik

Die genetische Analyse des Karyotyps nach Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie detektiert DS mit einer Genauigkeit von 99 % und ist für eine definitive Diagnose erforderlich. Kliniker sollten sich darüber im Klaren sein, dass Informationen, die vor der Geburt oder zum Zeitpunkt der Entbindung über eine vermutete DS-Diagnose ausgetauscht werden, einen tiefgreifenden Einfluss auf die Eltern haben und ihre Entscheidungsfindung bezüglich der Fortsetzung der Schwangerschaft oder zusätzlicher pränataler diagnostischer Untersuchungen unterstützen könnte.

Die Informationen müssen einfühlsam, so bald wie möglich, in einem passenden Rahmen und möglichst in Anwesenheit unterstützender Familienmitglieder oder Freunde vermittelt werden. Die Eltern sollten genaue und aktuelle Informationen erhalten, einschließlich eines Überblicks über das DS und die Option von Unterstützungsgruppen. Die Überlebenschancen und die Gesundheit einiger Mütter und Kinder können durch eine Entbindung in einem auf die Betreuung von Müttern und Feten spezialisierten Zentrum verbessert werden [4].

Die Entwicklung des zellfreien pränatalen Screenings und die parallele Sequenzierung der zellfreien DNA (cfDNA) aus dem mütterlichen Plasma haben die pränatale Diagnose von DS verändert. Diese Art des nicht invasiven pränatalen Screenings hat den Einsatz invasiver Tests (d. h. Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie) reduziert, auch wenn es regionale und kulturelle Unterschiede in den Raten des nicht invasiven Screenings gibt. Die hohe Spezifität der cfDNA für den Nachweis von DS (99,7 %) ist wertvoll, wenn ein Elternteil Träger einer Translokation ist oder für eine Frau mit erhöhtem Risiko für einen betroffenen Fetus.

Die Eltern sollten zum Zeitpunkt der pränatalen Diagnose der DS informiert werden, dass eine Beurteilung des Fetus auf potenziell behandelbare Herz- und Magen-Darm-Fehler möglich ist. Sie entscheiden sich mit größerer Wahrscheinlichkeit für die Durchführung diagnostischer Tests (cfDNA), wenn die pränatale Ultraschalluntersuchung angeborene Anomalien aufgezeigt hat [4, 5].

Postnatale Diagnostik

Die körperliche Untersuchung ist die erste genaue diagnostische Beurteilung. Ein erfahrener Kliniker wird den Körperhabitus und die physiognomischen Merkmale erkennen, die oft mit einer Muskelhypotonie einhergehen und die Diagnose eines DS nahelegen. Typisch für das Krankheitsbild sind vor allem auch ein flacher Nasenrücken, eine Nackenfalte, eine Klinodaktylie des kleinen Fingers, die Vierfingerfurche sowie (lateral) hochgezogene Lidspalten.

Genetische Untersuchung

Bei postnatalem Verdacht auf DS ist ein Karyogramm der geeignetste Gentest und für eine genetische Beratung unerlässlich. Wenn die Bestätigung der Diagnose für Entscheidungen über die klinische Behandlung dringend erforderlich ist, kann das Ergebnis der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) von Chromosom 21 in der Regel innerhalb eines Tages vorliegen. Auf die Diagnose der Trisomie 21 mittels FISH folgt ein Karyogramm, um zu bestimmen, ob die Ursache der Trisomie eine Translokation oder eine Non-Disjunction ist. Für Eltern, die bereits ein Kind mit DS haben, hängt das Risiko, ein weiteres Kind mit diesem Syndrom zu bekommen, vom mütterlichen Alter, vom Karyotyp und der Art der Translokation - sofern vorhanden - ab [4, 5].

Assoziierte Befunde und Interventionen

Viele Krankheiten treten bei Personen mit DS häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung und beeinträchtigen Gesundheit, Entwicklung und Funktion. Einige dieser Erkrankungen erfordern eine sofortige Intervention bei der Geburt, während andere einer lebenslangen Überwachung bedürfen (Tab. 1) [4, 5, 6, 7, 8]. Eine Vielzahl von AWMF-Leitlinien liegt zu diesen Krankheitsbildern vor [9, 10].

Tab. 1: Inzidenz assoziierter Befunde bei Down-Syndrom (mod. n. [4])

Kardiale Komplikationen

Ein verbessertes Management angeborener Herzerkrankungen (Abb. 1) hat dazu beigetragen, die Lebenserwartung von Patienten mit DS von 30 Jahren im Jahr 1973 auf 60 Jahre im Jahr 2002 zu erhöhen. Pulmonal-arterielle Hypertonie, mit oder ohne angeborene Herzerkrankung, tritt bei 1,2-5,2 % der Personen mit DS auf.

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© Dr. Thomas Hoppen

: Echokardiografie bei einem weiblichen Neugeborenen mit DS früh postnatal mit Nachweis eines perimembranösen Ventrikel-Septum-Defekts

Auch wenn Säuglinge anfänglich nicht von diesen Komplikationen betroffen sind, können sie in der Kindheit oder auch später noch symptomatisch werden. Die Überwachung der pulmonal-arteriellen Hypertonie während der gesamten Kindheit ist deshalb wichtig, zumal diese Erkrankung wiederum mit anderen bei Patienten mit DS häufigen Erkrankungen einhergeht, einschließlich der obstruktiven Atemwegserkrankung (obstruktive Schlafapnoe), dem gastro-ösophagealen Reflux und der Adipositas.

Atemwegs-, Lungen-, Augen- und Hörstörungen

Das Atemwegsmanagement stellt bei Patienten mit DS eine Herausforderung dar, aufgrund kleinerer Atemwege, einer Mikrognathie, relativer Makroglossie, durch komplette Trachealringe verursachte Trachealstenose, Hypotonie und aufgrund obstruktiver Atemwegserkrankung (Abb. 2). Infolgedessen sind Atemwegserkrankungen häufige Krankheits- und Todesursachen bei Kindern und Erwachsenen mit DS. In mehreren Fallserien und Kohortenstudien wurde ein erhöhtes Risiko eines lebensbedrohlichen Krankheitsverlaufs von COVID-19 bei DS-Patienten beobachtet [11].

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© Prof. Dr. Klaus Schunk

: Röntgenbild des Thorax (a.p.-Projektion) eines Dreijährigen mit DS mit rezidivierenden pulmonalen Infekten und obstruktiven Bronchitiden nach zuvor inhalativ und medikamentös behandelter pulmonaler Hypertonie und PDA-Verschluss (Clip)

Soziale Integration und Habilitation sind wichtig, um auf den intellektuellen Fähigkeiten eines Kindes mit DS aufzubauen und den Grad der Unabhängigkeit zu beurteilen, den ein Kind oder Erwachsener erreichen kann. Diese Ergebnisse hängen von der Optimierung von Sprache und Kommunikation ab. Hörschäden, die im Laufe der Zeit schwanken können, sind bei DS häufig (Tab. 1), die Sprachentwicklung wiederum hängt von einem guten Hörvermögen ab. Ein normales oder fast normales Hörvermögen kann durch otolaryngologische und audiologische Interventionen erreicht werden. Ophthalmologische Probleme treten bei Kindern mit DS in 85 % der Fälle auf.

Wachstum und Gewicht

Gewichtszunahme und Wachstum geben Hinweise auf den allgemeinen Gesundheitszustand von Patienten mit DS. Syndromspezifische Diagramme für Gewicht, Größe und Kopfumfang können zur Verlaufsüberwachung verwendet werden. Eine Adipositas, die bei 25 % der Kinder und mindestens 50 % der Erwachsenen mit DS auftritt, erschwert schon bestehende Probleme zusätzlich, darunter obstruktive Schlafapnoe, Diabetes und kardiopulmonale Erkrankungen. Die Überwachung der Gewichtszunahme ermöglicht eine frühzeitige Erkennung und Intervention, um gesunde Ess- und Bewegungsmuster zu fördern.

Hämatologische und onkologische Erkrankungen

Hämatologische Anomalien kommen bei Patienten mit DS häufig vor und äußern sich als vorübergehende abnorme Myelopoese (früher als "vorübergehende myeloproliferative Störung" bezeichnet) im Säuglingsalter, Eisenmangel in der Kindheit sowie eine erhöhte Inzidenz von Leukämie.

Die transiente abnorme Myelopoese, eine Form der myeloischen Präleukämie, tritt bei bis zu 10 % der Neugeborenen mit DS auf und ist auf Mutationen im GATA1-Gen zurückzuführen. Die Erkrankung, die vorwiegend bei Neugeborenen und fast immer vor dem Alter von 5 Jahren auftritt, klingt in der Regel spontan ab, doch wird eine Früherkennung und Überwachung durch pädiatrische Hämatologen empfohlen, da das Leukämierisiko bei Patienten mit transienter abnormaler Myelopoese 20-30 % beträgt.

Bei 2-3 % aller DS-Patienten entwickelt sich eine Leukämie unabhängig von der transienten abnormalen Myelopoese, insbesondere eine akute myeloische Leukämie (FAB-M7-AML), die auf aktuelle Therapien sehr gut anspricht, sowie eine akute lymphoblastische Leukämie, die bei Kindern mit DS unwesentlich schlechtere Behandlungsergebnisse erzielt als bei Kindern ohne DS. Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass das DS einen allgemeinen Schutz vor der Entwicklung solider Tumoren bieten könnte. Allerdings tritt Hodenkrebs bei Personen mit DS häufiger auf als in altersgleichen Populationen.

Eisenmangel kommt bei Personen mit DS ebenso häufig vor wie in der Allgemeinbevölkerung, aber die damit einhergehende Mikrozytose kann durch eine bereits vorliegende Makrozytose und ein erhöhtes mittleres Korpuskularvolumen maskiert werden, was bei 45-66 % der Kinder mit DS festgestellt wurde. Es wird empfohlen, bei Kindern mit DS unter anderem auf Ferritin und Transferrinsättigung zu testen, um die Notwendigkeit einer Behandlung des Eisenmangels zu beurteilen und seine potenziellen Auswirkungen auf die kognitive und motorische Entwicklung sowie auf den Schlaf zu minimieren.

Autoimmune Erkrankungen

Autoimmunerkrankungen - einschließlich der Hashimoto-Thyreoiditis, Typ-1-Diabetes, Alopezie, Zöliakie, juvenile idiopathische Arthritis und Vitiligo - treten bei Personen mit DS im Vergleich zu altersgleichen Kohorten unverhältnismäßig häufig auf. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung solcher Erkrankungen kann Komplikationen über die gesamte Lebensspanne hinweg minimieren.

In Staaten, in denen das Neugeborenen-Schilddrüsenscreening nur den Thyroxinspiegel im Blut erfasst, sollte bei Säuglingen mit DS auch der Thyreotropinspiegel gemessen werden, um eine Hypothyreose zu erkennen. Personen mit DS sollten bei der Geburt, in der frühen Kindheit, jährlich während des ganzen Lebens und immer dann auf Schilddrüsenstörungen getestet werden, wenn suggestive Symptome wie trockene Haut, Obstipation, Veränderung der Wachstumskurve und unerklärliche Gewichtszunahme auftreten. Die Inzidenz von Schilddrüsenanomalien, einschließlich persistierender Hypothyreose und der Hashimoto-Krankheit, liegt bei Personen mit DS im Alter von 45 Jahren bei etwa 50 %.

Zöliakie tritt bei Personen mit DS ebenfalls häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Eine Vielzahl von gastrointestinalen Symptomen und Verhaltensänderungen wurden der Zöliakie zugeschrieben, eine Behandlung ist bei asymptomatischen Personen zwecks Tumorprävention durchaus indiziert.

Erkrankungen des Bewegungsapparats

Skelettsyndrome kommen beim DS häufig vor und umfassen Hüft- und Patelladislokation sowie ein Pes planovalgus. Die atlanto-axiale Instabilität ist eine besonders gefährliche Komplikation des DS, da sie zu einer zervikalen Markraumkompression führen kann. Die Erkrankung lässt sich nicht zuverlässig früh erkennen und bildgebende Studien korrelieren nicht gut mit dem Risiko einer Myelopathie. Die Früherkennung hängt besonders von der neurologischen Untersuchung und dem Erkennen von Gangänderungen, neuen Schwierigkeiten bei der Benutzung der Hände, Blasen- und Darmstörungen sowie einer Verringerung der Gesamtaktivität ab. Eine Evaluierung und chirurgische Intervention durch einen Neurochirurgen oder Orthopäden, der in der Behandlung der atlanto-axialen Instabilität erfahren ist, wird empfohlen.

Auch degenerative Erkrankungen der Halswirbelsäule, einschließlich Spondylose und zervikale spondylotische Myelopathie, können sich entwickeln; diese treten bei Erwachsenen mit DS typischerweise früher auf als bei Erwachsenen ohne DS.

Entwicklungsstörungen

Bekannt sind bei DS neurologische Entwicklungsprobleme, einschließlich eines eingeschränkten sozialen Bewusstseins, verminderte motorische Koordination sowie ein erhöhtes Vorkommen von Autismus-Spektrum-Störungen, psychiatrischen Problemen und später im Leben Demenz. Das genaue Vorkommen dieser Erkrankungen ist in der DS-Population schwierig zu bestimmen. Auf individueller Basis sollte die Bewertung alternativer Ursachen der intellektuellen Verschlechterung unter anderem Schilddrüsenfunktionsstörungen, gestörte Atmung im Schlaf, Zöliakie, Depressionen, Psychosen und Aggressionen umfassen. Die Häufigkeit von Autismus bei Personen mit DS schwankt in verschiedenen Studien von 7-16 % - auch wegen unterschiedlicher Kriterien für die Diagnose. Der Therapiebeginn von Kindern mit DS, die Symptome von Autismus aufweisen, verzögert sich oft.

Krampfanfälle treten bei Personen mit DS öfter auf (Inzidenz 8 %) als in der Allgemeinbevölkerung. In der frühen Kindheit sind Spasmen mit einer Inzidenz von 2-5 % häufig. Das Alter, in dem kindliche Spasmen zum ersten Mal auftreten, die Zeit bis zum Beginn der Behandlung sowie die Zeit bis zum Ansprechen auf die Behandlung sind bei Kindern mit und ohne DS ähnlich, aber bei Kindern mit DS ist die Wahrscheinlichkeit späterer epileptischer Anfälle geringer. Elementare, partiell komplexe und tonisch-klonische Anfälle treten bei älteren Personen mit DS häufiger auf als bei älteren Personen in der Allgemeinbevölkerung. Die Ursache für die erhöhte Anfallshäufigkeit bei Personen mit DS ist bislang nicht gut verstanden.

Ungewöhnliche und seltene Störungen

Eine ungewöhnliche neurologische Entwicklungsstörung bei Personen mit DS ist die "desintegrative Störung". Sie manifestiert sich als autismusähnliche Regression und Demenz, die in einem höheren Alter als bei Autismus sonst üblich auftritt (mittleres Alter bei Ausbruch 11-14 Jahre). Patienten leiden an Katatonie, Depressionen, Wahnvorstellungen, Stereotypen, verminderter Eigenpflege, Flüsterattacken und verminderten schulischen Fähigkeiten. Die Behandlung umfasst unterstützende Pflege, Medikation mit Benzodiazepinen, gegebenenfalls auch spezifische Interventionen und Immuntherapie.

Die Moyamoya-Krankheit ist eine seltene vaskuläre Anomalie mit einer erhöhten Inzidenz bei Patienten mit DS. Sie ist auf eine Stenose der supraclinoidalen Anteile der Arteria carotis interna zurückzuführen. Kinder weisen eine alternierende Hemiplegie oder ein fixiertes, einseitiges, schlaganfallartiges Defizit auf, während Erwachsene häufiger eine Hirnblutung entwickeln. Eine interventionelle oder operative zerebrale Revaskularisation erfolgt in spezialisierten Zentren.

Interventionen und Verhaltensmanagement

Geistige Beeinträchtigung und damit zusammenhängende Probleme erfordern Interventionen, um für Personen mit DS ein sinnvolles und glückliches Leben zu gewährleisten. Die Einbeziehung der Familie und die Zusammenarbeit mit den Betreuern tragen wesentlich zum Ergebnis bei.

Geeignet sind frühzeitige Interventionen, die auf den Stärken von Säuglingen und Kleinkindern aufbauen - etwa durch Frühförderstellen, DS-Ambulanzen/Sprechstunden, Sprachfrühförderprogramme wie "Gebärdenunterstützte Kommunikation" und "Frühes Lesen". Die Kinder sollten in ein individualisiertes Bildungsprogramm in einer möglichst wenig restriktiven Umgebung eingeschult werden. Etliche Studien und Hinweise belegen, dass sich Kinder mit DS in inklusiver Betreuung besonders gut entwickeln. Die sich anschließende Bewältigung des Übergangs von diesen Programmen ins Erwachsenenalter gilt als wesentlich für ein zufriedenstellendes Leben mit DS.

Das Verhaltensmanagement ist teilweise eine Herausforderung für die Eltern oder Betreuer. Zu beachten ist aber, dass Menschen mit DS auch bereits im Kindesalter meist über ein hohes Maß an sozialer Intelligenz, Empathie und sozialem Einfühlungsvermögen verfügen. Vereinzelt können Kleinkinder mit besseren rezeptiven als expressiven Kommunikationsfähigkeiten zu Wutausbrüchen aufgrund von Frustration neigen. Nichtbefolgung und Umherirren sind weitere Probleme bei einzelnen Kindern.

Beratung und Verhaltensunterstützung haben sich für Familien als sehr nützlich erwiesen. Kinder mit DS profitieren von der angewandten Verhaltensanalyse, einer Methode zur Entwicklung eines angemessenen Verhaltens. Jedoch verlangen Schulen und Versicherungen oft die Diagnose Autismus, um Zugang zu dieser Intervention zu erhalten. Medikamente zur Behandlung von ADHS und psychiatrischen Störungen können bei Kindern mit DS wirksam sein, wenn die diagnostischen Kriterien dafür klar vorliegen. Die Kinder reagieren jedoch oftmals empfindlich auf ihre Nebenwirkungen und sprechen bereits auf niedrigere Dosen an. Deshalb sollte die Medikation nur langsam erhöht werden. Sehr förderlich sind Selbsthilfevereine und Elterngruppen für den Austausch von spezifischem Wissen und als sozio-emotionale Unterstützung.

Komplementäre und integrative Interventionen

Die Anwendung der integrativen Medizin ist mit einer Inzidenz von bis zu 38 % in Familien mit Kindern mit DS weit verbreitet. Betreuern wird empfohlen, die Familien daher gezielt nach der Verwendung von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln zu fragen. Megavitamine, Sicca-Zell-Injektionen, Antioxidanzien und Grüntee-Extrakte werden gerne zur Behandlung von DS vorgeschlagen - überwiegend ohne Nutzen, jedoch mit potenziellen Gefahren. Medikamente wie Piracetam und Fluoxetin werden zur Behandlung kognitiver Aspekte von DS beworben, aber eine Wirkung ist nicht belegt. Fluoxetin kann jedoch eine effektive Intervention bei bestimmten Verhaltensdiagnosen sein.

Transition zum Erwachsenenalter und Teilhabe

Die Beteiligung am Gemeinschaftsleben ist immer wichtiger geworden, da Personen mit DS länger überleben und einen höheren Grad an Unabhängigkeit erreichen als früher. Eine Erziehung, die die Integration mit unbeeinträchtigten gleichaltrigen Schülern einschließt und die sich auf die Stärken des Kindes oder Jugendlichen konzentriert, fördert den Fortschritt zum Erwachsenenalter und bietet Menschen mit DS die Chance, ihr volles Potenzial bis hin zur Selbstständigkeit zu erreichen (Kasten "Einige nützliche Adressen").

Es hat sich herausgestellt, dass für das langfristige Wohlergehen von Menschen mit DS und ihren Familien eine genaue Beachtung von Übergängen wie Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und Engagement in der Gemeinschaft sowie von rechtlichen Fragen (Vormundschaft) und finanzieller Unterstützung (soziale Sicherheit) von wesentlicher Bedeutung ist. Da die Lebenserwartung und Lebensqualität von Menschen mit DS steigt, sind klinische Forschung und die Entwicklung evidenzbasierter Pflegeleitlinien für Erwachsene nötig.

Die häufigste Todesursache im Kindes- und Erwachsenenalter sind Atemwegsinfektionen, die wiederum zum Teil mit Immundefekten zusammenhängen. Angeborene Herzfehler verursachen die meisten Todesfälle in der frühen Kindheit, doch die koronare Herzkrankheit tritt bei Erwachsenen weniger häufig als in der Allgemeinbevölkerung auf. Auch Demenz trägt laut Aussage einiger Studien zur Sterblichkeit bei. Richtlinien zur Gesundheitsaufsicht, die in den USA von der American Academy of Pediatrics veröffentlicht und regelmäßig überprüft werden, helfen Ärzten und Familien, eine gute Betreuung von Kindern mit DS sicherzustellen.

Exkurs: Ethische Aspekte der nicht invasiven Pränataldiagnostik

Vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wurde im September 2019 eine Änderung der Mutterschaftsrichtlinien vorgelegt, die die Finanzierung der nicht invasiven Pränataldiagnostik (NIPT) durch die gesetzlichen Krankenversicherungen unter bestimmten Bedingungen vorsieht. Die Regelung enthält vier wesentliche Elemente: eine Zielbestimmung (Vermeidung invasiver Testmaßnahmen), ein Zugangskriterium (der Test muss für die Schwangere "geboten" sein, um ihr eine Auseinandersetzung mit ihrer individuellen Situation zu ermöglichen), Aussagen zum Entscheidungsprozess (nach ärztlicher Beratung im Einzelfall) und eine in ihren Begründungen enthaltene normative Kontextualisierung (Schwangerschaftsabbruch nach §218 a StGB). Hierbei zeigen sich Spannungen, die um zwei Achsen oszillieren: Entscheidung einer Geburt eines Kindes mit pränatal bekannter Trisomie 21 oder des Nichtwissens darüber kann letztlich nur subjektiv von der Schwangeren getroffen werden.

Die Bedeutung der Einzelfallentscheidung bleibt unklar, weil für die Beurteilung von Einzelfällen auch allgemeine Gesichtspunkte maßgeblich sein müssen. Gerade in seiner Paradoxie und Flexibilität könnte jedoch das Modell des G-BA eine gesellschaftspolitisch haltbare und ethisch letztlich vertretbare pragmatische Lösung darstellen - so die ethische Sichtweise und Reflexion [12].

Eltern von Kindern mit DS sind durch die Praxis und Möglichkeiten der NIPD irritiert, teilweise entsetzt. Sie befürchten, dass es zu einer Stigmatisierung von Menschen mit DS kommen wird, beziehungsweise die Aufklärung der Bevölkerung über DS und die Anstrengungen für eine Inklusion vermindert werden. Die NIPT darf nicht dazu führen, dass es als unnormal oder verantwortungslos angesehen wird, einen Fetus mit Chromosomenbesonderheit auszutragen. Eltern sollten sich dafür nicht rechtfertigen müssen.

Nahezu alle Kinder mit DS lernen heute lesen, schreiben und rechnen. Manche arbeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die meisten leben mit Unterstützung recht selbstständig und selbstbestimmt. Diese Menschen nehmen teilweise durchaus wahr, dass Tests entwickelt werden, um Babys, die die gleichen Besonderheiten wie sie selbst haben, zu selektionieren. Wie sich dieses Vorgehen für Menschen mit DS wohl anfühlt?