Frage: Ein sattes und zufriedenes Baby, das alle drei bis vier Stunden trinkt und nachts durchschläft - das wünschen sich viele Eltern. Klappt das mit stärkehaltiger Säuglingsmilch wirklich besser als mit stärkefreier Säuglingsmilch?

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Expertenantwort: Bisher galt die Meinung, dass das Sättigungsvermögen einer Säuglingsmilch (SMN) in erster Linie von ihrem Kaloriengehalt abhängt und Säuglinge ihre Trinkmenge bei Säuglingsanfangsnahrung an ihren Kalorienbedarf anpassen - ähnlich wie es Säuglinge tun, die gestillt werden. Es gibt aber Hinweise, dass auch der Gehalt an freiem Glutamat, der in der Muttermilch hoch und in normaler SMN sehr niedrig ist, die Sättigung beeinflusst. So ergab eine Studie, dass bei einem hohen Gehalt an freiem Glutamat in der SMN im Vergleich zu einem niedrigen Gehalt bereits eine geringere Trinkmenge den Säugling sättigte [1]. Die Sättigungsdauer, also der Abstand zur nächsten Mahlzeit, wurde aber nicht beeinflusst.

Bei Zusatz von Stärke zur SMN wird im Gegenzug die Laktosemenge reduziert. Der Kaloriengehalt von SMN ohne (Pre-Nahrungen) und mit Stärke und/oder anderen Kohlenhydraten (Nahrungen der Stufe 1) ist identisch. Pre-Nahrungen sind dünnflüssig wie Muttermilch; Stärke macht die SMN sämiger. Das assoziieren viele Eltern mit einer besseren Sättigung. Studien in der Vergangenheit konnten zeigen, dass eine mit Reismehl angedickte SMN im Vergleich zu einer nicht angedickten die Magenentleerung verlangsamte [2]. Wissenschaftlich ist aber nicht belegt, dass dies die Abstände zwischen den Mahlzeiten vergrößert. Bei den geringen Stärkemengen in Nahrungen der Stufe 1 ist das auch eher unwahrscheinlich.

Laktose hat einen physiologischen Nutzen

Die von der Natur vorgesehene und beste Milch für Säuglinge, Muttermilch, enthält keine Stärke. Das einzige verdauliche Kohlenhydrat in Muttermilch ist Laktose, die nicht als essenzieller Nährstoff gilt, aber im Vergleich zu anderen Kohlenhydraten wie Stärke oder Maltodextrin einen physiologischen Nutzen hat: Sie verbessert etwa die intestinale Absorption von Kalzium [3, 4]. Zudem sorgt die physiologische Laktosemalabsorption im Säuglingsalter für ein vorteilhaftes präbiotisches Milieu, etwa einen erhöhten Anteil von Bifidobakterien im Kolon und erhöhte Konzentrationen von kurzkettigen Fettsäuren, die einen schützenden Effekt auf die Integrität der Darmschleimhaut haben und sich günstig auf die frühe Immunentwicklung auswirken [5].

Der Zusatz von prägelatinisierter oder vorgekochter Stärke zur SMN ist laut EU-Richtlinie erlaubt. Beide SMN-Typen, die pre- und die 1er-Nahrungen, dürfen und sollen nach Bedarf des Säuglings gefüttert werden. Gesunde Säuglinge sind in gewissen Grenzen in der Lage, ihre Energieaufnahme dem Bedarf anzupassen [6, 7]. Damit das Kind seinen Bedarf aber auch selbst regulieren kann, ist es wichtig, Hunger- und Sättigungszeichen wahrzunehmen und darauf einzugehen. Hört es auf zu trinken, lässt es den Sauger los, dreht es den Kopf weg oder öffnet es den Mund nicht mehr, signalisiert das Kind, dass es satt ist [6].

Fazit

Es besteht kein nachgewiesener Unterschied zwischen SMN ohne und mit Stärkezusatz beim Sättigungsvermögen gesunder Säuglinge. Für den Stärkezusatz gibt es keinen plausiblen Grund. Laktose ist das einzige nutritive Kohlenhydrat in der Muttermilch und hat gegenüber allen anderen nutritiven Kohlenhydraten bekannte physiologische Vorteile. Weitere, noch nicht bekannte Vorteile sind nicht auszuschließen. Daher ist für gesunde Säuglinge eine SMN, die als einziges nutritives Kohlenhydrat Laktose enthält, einer SMN mit zusätzlichen anderen Kohlenhydraten vorzuziehen.