Frage: Einige Empfehlungen zur primären Allergieprävention - zum Beispiel Stillen und Vermeidung von Tabakrauchexposition - sind allgemein anerkannt, bei der Allergieprävention durch Proteinhydrolysate gibt es dagegen kontroverse Diskussionen. Welche Ernährungsempfehlungen zur primären Allergieprävention sind durch klinische Studien klar belegt?

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Expertenantwort: Stillen ist die beste Ernährung für alle Säuglinge! Beobachtungsstudien zeigen, dass Stillen in den ersten vier Lebensmonaten das Risiko für die Entstehung eines atopischen Ekzems (AE) reduziert [1, 2]. Für nicht gestillte Säuglinge mit familiärer Allergiebelastung empfiehlt die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) in ihrer Stellungnahme 2018 im ersten Lebensjahr bis zur Gabe diversifizierter Beikost eine hydrolysierte Säuglingsnahrung, deren präventive Wirkung belegt ist [3].

Zur kontroversen Diskussion über den Nutzen von hypoallerger (HA) Nahrung haben Metaanalysen beigetragen, die keinen Effekt belegen konnten. Jedoch wurden in diesen Studien Untersuchungen mit unterschiedlichen Hydrolysaten berücksichtigt; sie erlauben somit keine Aussage über die Wirkung einer bestimmten HA-Nahrung. Denn die GINI-Studie, die weltweit größte Allergiepräventionsstudie, hatte gezeigt, dass manche Hydrolysate wirksam sind, andere jedoch nicht. Die Wirkung hängt dabei nicht allein von dem Hydrolysegrad ab, offenbar beeinflusst auch das Herstellungsverfahren die Eigenschaften der Peptide. Deshalb fordert die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die Sicherheit und Wirksamkeit von jedem einzelnen Hydrolysat separat in klinischen Studien zu prüfen.

Dank oraler Toleranz vor atopischem Ekzem geschützt

Klinische Studien haben die präventive Wirkung eines speziellen Hydrolysats - eines partiellen, moderat hydrolysierten Molkenhydrolysats (pHF) - gegen AE belegt. Es reduziert im Vergleich zu Säuglingsmilch mit intakten Kuhmilchproteinen bei Risikokindern das AE-Risiko im ersten Lebensjahr um bis zu rund 50 %. Die präventive Wirkung ist noch im Alter von 15 Jahren nachweisbar.

Nach zwei Metaanalysen aus dem Jahr 2010 bestätigte auch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017 [4] die präventive Wirkung dieses pHF, auch wenn der Effekt nicht in jeder Altersgruppe signifikant war. Die EU-Verordnung hat die Sicherheit dieses pHF als Proteinquelle für Säuglingsnahrung anerkannt. Derzeit prüft die EFSA die Evidenz für einen Gesundheits-Claim.

Die Wirkmechanismen des pHF sind noch nicht völlig geklärt. Derzeit steht die gestörte Barrierefunktion der Haut bei AE im Fokus. Es gibt Hinweise, dass eine frühe Stärkung der Hautbarriere durch regelmäßige Hautpflege, aber auch die Förderung der Ausbildung oraler Toleranz gegenüber Nahrungsmittelallergenen zur AE-Prävention beitragen. Demzufolge könnte die Induktion oraler Toleranz gegen Kuhmilchproteine die präventive Wirkung eines speziellen pHF erklären [5].

Die World Allergy Organization (WAO) schlägt vor, bei erhöhtem Allergierisiko des Kindes für Schwangere und Stillende Probiotika und für nicht gestillte Risikokinder Probiotika und Präbiotika zu verwenden. Es handelt sich aber um konditionale Empfehlungen mit geringer Evidenz für die Wirksamkeit [6, 7].

Hinsichtlich der Beikosteinführung besteht Konsens der medizinischen Fachgesellschaften. Laut Leitlinie zur Allergieprävention soll keine Verzögerung der Beikosteinführung und Meidung potenter Nahrungsmittelallergene im ersten Lebensjahr jenseits des vierten bis sechsten Lebensmonats aus Gründen der Allergieprävention erfolgen. Einige Studien zeigen, dass eine verzögerte Einführung potenter Nahrungsmittelallergene das Allergierisiko sogar erhöht [8].