Grundsätzlich muss jederzeit und überall mit einem akuten, potenziell lebensbedrohlichen Notfall gerechnet werden, der sofortiges und kompetentes Handeln erfordert - auch der Hautarztpraxis. Hierzu werden alle fünf Jahre die Reanimationsleitlinien des European Resuscitation Council aktualisiert, mittlerweile ist die siebte Fassung erschienen. Zwar etwas später als im üblichen Turnus, dafür an die Bedingungen der COVID-19-Pandemie angepasst. Im folgenden Beitrag sollen wichtige Hinweise und Ratschläge für den Umgang mit medizinischen Notfällen in der eigenen Praxis gegeben werden.

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Auch in der Hautarztpraxis sollte eine ausreichende Notfallausrüstung inklusive eines automatischen externen Defibrillators vorgehalten werden.

In dermatologischen Praxen halten sich neben den eigentlichen Patienten auch zahlreiche Angehörige und Begleitpersonen auf, die mitunter eine Vielzahl an Vorerkrankungen mitbringen können. Somit muss auch dort jederzeit mit einem akuten lebensbedrohlichen Notfall gerechnet werden.

Um mit seltenen Notfallsituationen routiniert umgehen zu können, ist eine gute Vorbereitung notwendig. Deshalb sollte für jede Praxis ein individueller Notfallplan (siehe Kasten "Mögliche Inhalte eines Notfallplans") erarbeitet werden, der nach Möglichkeit in internen Seminaren mit dem gesamten Praxisteam vor Ort regelmäßig geübt und auch überprüft wird. Weiterhin sollte eine ausreichende Notfallausrüstung inklusive Medikamente (siehe Kasten "Notfallausrüstung") vorgehalten werden, die regelmäßig auf Funktionsfähigkeit und mögliche Verfallsdaten überprüft werden muss.

Aufgrund der aktuellen Pandemie sind 2020 COVID-19-Leitlinien erstellt worden, die ergänzend besondere Maßnahmen für das Notfallmanagement vorsehen. Dabei wird festgehalten, dass bei der kardiopulmonalen Reanimation Aerosole entstehen, die den Helfer gefährden können. Daher sollte eine entsprechende persönliche Schutzausstattung griffbereit vorgehalten werden sowie eine Atemkontrolle lediglich durch Sehen und Berühren erfolgen, nicht aber durch Annähern des eigenen Kopfes an das Gesicht des Patienten [1].

Basismaßnahmen

Im Falle eines akuten Notfalls können Basismaßnahmen eingeleitet werden, die in der Regel für alle Patienten identisch sind und sowohl von ärztlichen als auch nicht ärztlichen Mitarbeitern angewendet werden sollten [2]. Auch hier ist in Pandemiezeiten auf das Anlegen der persönlichen Schutzausrüstung zu achten.

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Ob per Maske oder Nasenbrille: Die Gabe von Sauerstoff in akut lebensbedrohlichen Situationen gilt als Grundpfeiler der Notfallmedizin.

Ruhe bewahren: Ein ruhiges und selbstsicheres Auftreten trägt zur Entspannung der Situation bei und hilft, Fehler zu vermeiden.

Patienten beruhigen und abschirmen: Patienten und auch Angehörige sollten beruhigt und nach Möglichkeit von der Öffentlichkeit abgeschirmt werden. Das trägt dazu bei, zusätzlichen Stress für den Patienten zu vermeiden.

Vitalfunktionen prüfen: Nach der ABC-Regel Atmung, Bewusstsein und Kreislauf ("circulation") prüfen. Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, sollten zunächst die natürlichen Sinne Sehen, Hören und Fühlen verwendet werden.Diese können dann durch Messung des Blutdrucks, durch Auskultation von Herz und Lunge sowie durch Verwendung der Pulsoxymetrie ergänzt werden.

Arzt/Notarzt/Rettungsdienst alarmieren: Es sollte frühzeitig sollte daran gedacht werden, den Praxisarzt beziehungsweise den Rettungsdienst sowie den Notarzt zu verständigen.

Sauerstoffgabe: Um eine möglichst optimale Oxygenierung des Blutes zu erreichen, sollte dem Patienten frühzeitig Sauerstoff über eine Nasensonde oder eine Nasenbrille angeboten werden.

Periphervenösen Zugang legen: Da es im Laufe des Notfallgeschehens zu einer zunehmenden Zentralisierung des Kreislaufes mit einer Verschlechterung der Darstellung der peripheren Venen kommen kann, sollte frühzeitig ein periphervenöser Zugang gelegt werden. Über diesen können dann schnell und einfach Flüssigkeit in Form von Infusionen und Medikamente appliziert werden.

Erweiterte ergänzende Maßnahmen

Im Anschluss an diese Basismaßnahmen sollten zusätzlich an die Leitsymptome adaptierte ergänzende Maßnahmen erfolgen [3]:

Kardiozirkulatorische Störungen

Ursache: Störung der Herzfunktion, zum Beispiel bei Arrhythmien, Störungen des Blutdrucks oder einem akuten Koronarsyndrom.

Symptome: Unwohlsein, Magen- oder Kopfschmerzen, Übelkeit, Kaltschweißigkeit, thorakales Engegefühl oder Schmerzen, Vernichtungsangst.

Maßnahmen: Patienten beruhigen und immobilisieren, den Oberkörper erhöht lagern (Ausnahme: bei Hypotension Beine hoch lagern), keine intramuskulären oder subkutanen Gaben (Kontraindikation für eine mögliche Lysetherapie).

Respiratorische Störungen

Ursache: Störung der Atmung, zum Beispiel durch Asthma bronchiale, Hyperventilation oder einem Lungenödem.

Symptome: Erstickungsangst, auffällige Atemgeräusche (Brummen, Giemen, Rasseln).

Maßnahmen: Patienten beruhigen, Oberkörper hoch beziehungsweise sitzend lagern, um den Einsatz der Atemhilfsmuskulatur zu ermöglichen. Bei Hyperventilation sollte der Patient in einen Rückatembeutel atmen.

Bewusstseinsstörungen

Ursache: Störung des Bewusstseins, zum Beispiel durch kardiale Störungen, durch intrazerebrales Geschehen oder Stoffwechselentgleisungen.

Symptome: bedingt bis gar nicht ansprechbarer Patient.

Maßnahmen: bei erhaltener Spontanatmung und Kreislauf stabile Seitenlage bei kontinuierlicher Überwachung der Vitalfunktionen, Blutzuckermessung mit Hilfe von Glukose-Sticks.

Anaphylaktische Reaktionen

Ursache: Überempfindlichkeitsreaktion, dadurch relativer Volumenmangel durch Vasodilatation und erhöhter Gefäßpermeabilität, zusätzlich Bronchkonstriktion.

Symptome: Übelkeit, Schwindel und Bewusstseinsstörung, Tachykardie, Hypotension, Dyspnoe.

Maßnahmen: sofortige Unterbrechung der Zufuhr des auslösenden Agens, Schocklagerung (Beine hoch lagern), frühzeitig großlumiger periphervenöser Zugang.

Diese Maßnahmen werden durch eine spezifische medikamentöse Therapie ergänzt, insbesondere durch die frühzeitige Gabe von Adrenalin. Dieses wird näher in der aktuellen Leitlinie ausgeführt [4].

Kardiopulmonale Reanimation

Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand soll durch die kardiopulmonale Reanimation (CPR) ein Minimalkreislauf erhalten werden, der eine Versorgung insbesondere des Gehirns mit Sauerstoff sicherstellt. Dabei ist es wichtig, möglichst frühzeitig und suffizient mit den Maßnahmen zu beginnen.

Die kardiopulmonale Reanimation ist eine Teamarbeit, bei der Arzt die Führung übernehmen muss. Er muss die eingeleiteten Maßnahmen beurteilen, koordinieren und festlegen, welche weiteren Maßnahmen getroffen werden und wann eine Reanimation beendet wird.

Im Jahr 2021 sind überarbeitete Reanimationsleitlinien vom den European Resuscitation Council (ERC) verabschiedet worden, die auch vom Deutschen Rat für Wiederbelebung (GRC) übernommen worden sind [5]. Dabei sind wesentliche Kernaussagen herausgestellt worden:

  • Die Herzdruckmassage hat einen erheblich höheren Stellenwert, da Zeiten ohne Minimalkreislauf ("No-flow-Phasen") deutlich vermindert werden sollen.

  • Das Verhältnis Thoraxkompression zu Beatmung liegt bei 30:2 ohne initiale Beatmung beim Erwachsenen, Unterbrechungszeiten sollen auf ein Minimum reduziert werden.

  • Die initiale Pulskontrolle durch Laien entfällt.

  • Der frühzeitige Einsatz eines automatischen externen Defibrillator (AED) wird empfohlen.

Entsprechene CPR-Algorithmen für Erwachsene und Kindern werden in Abb. 1 und Abb. 2 beschrieben.

Abb. 1
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: Algorithmus Advanced Cardiac Life Support für Erwachsene; modifiziert nach Reanimationsleitlinien des European Resuscitation Council - Übersetzung des German Resuscitation Council. Notfall Rettungs med. 2021; 24: 271-2

Abb. 2
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: Algorithmus Advanced Cardiac Life Support für Kinder; modifiziert nach Reanimationsleitlinien des European Resuscitation Council - Übersetzung des German Resuscitation Council. Notfall Rettungs med. 2021; 24: 271-2

Automatische externe Defibrillation

Eine frühzeitige Elektrotherapie oder Defibrillation ist die einzige effektive Behandlung von Kammerflimmern oder pulslosen ventrikulären Tachykardien, um wieder einen koordinierten Herzrhythmus zur erzielen. Da die Erfolgsaussichten mit jeder Minute ohne Therapie sinken, sind kleine preisgünstige AED entwickelt worden, die an vielen öffentlich zugänglichen Orten angebracht sind und von jedem Laien einfach bedient und somit frühzeitig eingesetzt werden können. Die Geräte analysieren selbstständig den Herzrhythmus und geben durch gezielte Sprachdurchsagen dem Laienhelfer genaue Handlungsanweisungen, welche Schritte durchzuführen sind und ob eine Defibrillation bei einem defibrillierbaren Herzrhythmus angezeigt ist. Die Geräte führen wiederholt einen Selbstcheck durch, sodass eine regelmäßige Prüfung nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) nicht erforderlich ist. Daher empfiehlt es sich, auch für eine dermatologische Praxis ein solches Gerät vorzuhalten [4, 5].

Fazit

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass man sich auch in einer dermatologischen Praxis auf das Auftreten von akut lebensbedrohlichen Notfällen einstellen muss. Daher sollte eine Notfallplan erstellt und eine ausreichende Notfallausrüstung inklusive eines automatischen externen Defibrillators vorhanden sein.

Durch regelmäßige Übungen mit dem gesamten Praxisteam sollten die Abläufe in Notfallsituationen trainiert werden. In COVID-19-Pandemiezeiten ist auf die Vorhaltung und den Einsatz einer persönlichen Schutzausrüstung zu achten.