Eingang

14. Februar 2022

Annahme

28. April 2022

Englische Fassung

https://link.springer.com/journal/40629

Einführung

Neben sinunasalen Erkrankungen und altersbedingten Riechstörungen ist die postvirale Anosmie eine der Hauptursachen für Riechstörungen bei Erwachsenen [1, 2, 3, 4, 5, 6].

Klassischerweise befassen sich die Fachgebiete HNO-Heilkunde und Neurologie mit olfaktorischen Funktionsstörungen. Die hohe Prävalenz der olfaktorischen Dysfunktion (OD) bei SARS-CoV-2-Infizierten und ihre Bedeutung als diagnostischer Marker haben Untersuchungen des Riechvermögens jedoch auch bei nahezu allen anderen Fachrichtungen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.

Nachfolgend geben wir eine Übersicht zu Riechstörungen im Rahmen von COVID-19-Erkrankungen, die zugrundeliegende Pathophysiologie, die Heilungsraten und mögliche therapeutische Optionen.

Prävalenz und Darstellung des Riechverlustes bei COVID-19

Das "severe acute respiratory syndrome coronavirus 2" (SARS-CoV-2) verursacht mit der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) eine Atemwegs- und Allgemeinerkrankung [7, 8, 9, 10]. Die COVID-19-Pandemie ist mit weltweit über 600 Millionen Erkrankten und circa 6,5 Millionen Toten (www.worldometers.info/coronavirus [Stand: 5.10.2022]) die schwerwiegendste Gesundheitskrise dieses Jahrzehnts. Schon früh in der Pandemie wurde im März 2020 der Verlust des Riechsinns als potenzieller Marker für COVID-19 beschrieben [11]. Inzwischen gibt es zahlreiche Belege dafür, dass Riechstörungen zu den häufigsten Symptomen einer COVID-19-Infektion zählen. Eine im Mai 2020 veröffentlichte Metaanalyse von 3.563 Patienten ergab eine mittlere Prävalenz des selbstberichteten Riechverlusts von 47 % (95 %-Konfidenzintervall [CI]: 36-59 %), die in den einbezogenen Fallserien von 11-84 % reichte [12]. Es ist zu beachten, dass auch regionale Unterschiede zur Prävalenz von OD wahrscheinlich sind, zumindest legen Studiendaten aus verschiedenen Kontinenten (Asien, Nordamerika, Europa) dies nahe [13, 14, 15]. Zudem ist die Vergleichbarkeit zwischen Studien mit und ohne psychophysischer Riechprüfung stark eingeschränkt, denn die Selbsteinschätzung der Patienten zur OD unterschätzt die tatsächliche Prävalenz im Vergleich zu Messungen der Riechfunktion mit psychophysischen Testverfahren. So konnten Moein et al. bei 60 hospitalisierten Studienteilnehmern nachweisen, dass 98 % in psychophysischen Tests ein gewisses Maß an OD aufwiesen, während nur 35 % der Teilnehmer über einen Verlust des Riechvermögens aktiv berichteten [16]. Im Gegensatz hierzu könnte die Bewertung mit psychophysischen Tests zum Erkrankungszeitpunkt allein die Prävalenz von COVID-19-bedingten Riechverlusten überschätzen, da sie all jene Patienten einschließt, denen eine vorbestehende Riechstörung vor ihrer COVID-19-Erkrankung nicht bewusst war [17]. Eine systematische Übersichtsarbeit deutet darauf hin, dass Riechstörungen mit zunehmendem Alter bei COVID-19 seltener berichtet werden [18], was auf eine altersabhängig verminderte Expression von Rezeptoren des Angiotensin-konvertierenden Enzyms 2 (ACE2) im olfaktorischen Epithel zurückgeführt wurde [19], jedoch auch die altersbedingt zunehmende Hintergrundprävalenz von Riechstörungen widerspiegeln könnte.

Eine Riechstörung kann bei Patienten mit COVID-19 das einzige Krankheitssymptom sein [11] und in 23 % der gemeldeten Fälle (95%-CI: 13-29 %), die in eine systematische Übersichtsarbeit vom Mai 2020 aufgenommen wurden, ging sie anderen Symptomen zeitlich voran und schien bei Frauen häufiger vorzukommen [20]. Eine französische Studie [21] an 114 Patienten mit bestätigter COVID-19-Infektion fand bei 47% der Patienten einen Riechverlust, aber weniger als 5 % der Patienten wiesen andere Nasensymptome wie Rhinorrhö und Nasenobstruktion auf. In einer anderen Studie [22] wurde ebenfalls festgestellt, dass Patienten mit COVID-19-bedingter Anosmie nicht über Rhinitis-Symptome berichten, die ansonsten typischerweise mit einem viralen Atemwegsinfekt einhergehen. Das gemischte Symptombild von Infektionen mit SARS-CoV-2 steht unter kontinuierlicher Beobachtung seit Beginn der Pandemie, wobei zuletzt auch App-basierte Verfahren ("ZOE-Symptom-App") mit einer großen Zahl von Studienteilnehmern zum Einsatz kamen [23]. Diese und andere kürzlich erschienenen Daten legen erhebliche Unterschiede in der Prävalenz der Riechstörung bei verschiedenen Virusvarianten nahe, wobei sehr unterschiedliche Raten in verschiedenen geografischen Regionen weltweit berichtet werden [24], aber auch unterschiedliche Raten zu verschiedenen Zeitpunkten der Pandemie [25]. Es sei anzumerken, dass bislang auch keine nennenswerte Veränderung der Komposition von COVID-19-Symptomen durch Impfung beobachtet wird und somit nicht davon auszugehen ist, dass Impfungen gegen OD schützen [26, 27].

Es wurde postuliert, dass Riechstörungen einen prognostischen Wert bei der Vorhersage des Schweregrads von COVID-19 haben könnten. Eine frühe Studie von Yan et al. [14] deutet darauf hin, dass der Verlust des Riechsinns etwas häufiger mit einer leichteren Erkrankung einhergeht, die keine Hospitalisierung erfordert. Stationäre Patienten berichteten signifikant seltener über Anosmie/Hyposmie als ambulante Patienten (27 % vs. 67 %, p < 0,001) [14]. Dies deckt sich mit systematischen Übersichten, in denen festgestellt wurde, dass die Prävalenz des selbstberichteten Riechverlusts stark von der klinischen Situation des Patienten abhängt. Bei stationär behandelten Patienten lag die Gesamtprävalenz bei 31 %, stieg aber bei leicht bis mittelschwer symptomatischen, zu Hause isolierten Patienten auf 67 % an [12]. Das Fehlen standardisierter Populationen und Riechtests könnte die Ergebnisse solcher Studien aber verzerren. Im Gegensatz dazu wurde in einer prospektiven Studie mit 106 Patienten [28] kein Zusammenhang zwischen der Riechfunktion in der ersten Woche der Infektion und dem Schweregrad der Erkrankung festgestellt. In einer weiteren Studie [29] zeigte dieselbe Arbeitsgruppe ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen der Viruslast und dem Schweregrad des Riechverlustes, und auch keine signifikante statistische Korrelation zwischen dem Riechverlust zu Beginn der Infektion und dem Schweregrad der Thorax-CT-Befunde [30].

Pathophysiologische Mechanismen der Riechstörung bei COVID-19

Trotz einer wachsenden Zahl von Studien ist der zugrunde liegende pathophysiologische Mechanismus der Anosmie bei COVID-19 nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Es spricht aber viel dafür, dass SARS-CoV-2 die Stützzellen angreift und dann sekundär zu Schädigungen der Riechzellen führt [31]. Zu den diskutierten Mechanismen gehören weiterhin ein Ödem der Regio olfactoria mit eingeschränkter Reizweiterleitung, eine direkte Schädigung des Riechepithels (OE) und des Bulbus olfactorius (OB).

Für die postvirale olfaktorische Dysfunktion ist bekannt, dass komplexe Mechanismen ursächlich sein können und mit einer Kombination aus Viruslast und der Immunreaktion des Wirts zusammenhängen, wobei Schäden auf verschiedenen Ebenen auftreten: olfaktorisches Neuroepithel, Bulbus olfactorius oder weitere zentralnervöse Riechzentren [32]. SARS-CoV-2 kann vom peripheren Nervensystem aus über verschiedene Wege in das zentrale Nervensystem (ZNS) eindringen [13, 33], entweder als direkte Passage des Virus über die Axone der olfaktorischen Rezeptorzellen des Riechepithels zum Bulbus olfactorius, über die Lamina cribrosa des Siebbeins sowie hämatogen oder lymphatisch durch Durchdringen der Blut-Hirn-Schranke [34].

Eine lokale Obstruktion, die durch ein Ödem innerhalb der Riechspalte verursacht wird, kann zu einer frühen Riechstörung beitragen und die Zufuhr von Riechstoffen zum OE einschränken, obwohl eine nasale Obstruktion bei COVID-19 im Vergleich zu anderen endemischen Coronaviren weniger häufig berichtet wird [35, 36]. Dennoch wurde in einer Studie [37] bei 19 von 20 Patienten eine Obstruktion der Riechspalte in der MRT-Untersuchung (MRT, Magnetresonanztomografie), die innerhalb von 15 Tagen nach Beginn einer COVID-19-bedingten OD durchgeführt wurde, festgestellt, dies wurde in anderen radiologischen Studien bei Patienten mit länger anhaltendem Verlust [15] nur bei drei von 19 Patienten gefunden.

Eine Schädigung des Riechepithels wurde bereits bei postviralen Riechverlusten nachgewiesen [38]. Post-mortem-Studien an COVID-19-Patienten mit Anosmie zeigten eine fokale Atrophie des OE, eine leukozytäre Infiltration der Lamina propria und Anzeichen einer axonalen Schädigung der Riechnervenfasern [39]. In Tiermodellen für SARS-CoV-2 [40] zeigten sich eine massive Zerstörung des Riechepithels nach nasaler Virusinokulation und ein Verlust der Zilien. ACE2-Rezeptoren, die für den Eintritt von SARS-CoV-2 wichtig sind, werden von den Stützzellen und evtentuell auch den horizontalen Basalzellen des OE exprimiert [33, 41]. Eine Schädigung dieser Zellen kann zu einer verminderten Empfindlichkeit und zu einem Verlust der Zilien der olfaktorischen Rezeptorneurone (ORN) führen, auch wenn die ORN selbst keine ACE2-Rezeptoren exprimieren und nach bisherigen Erkenntnissen nicht direkt infiziert werden [42].

Diese Hypothese stimmt mit dem Muster der frühen Genesung überein, da eine direkte ORN-Verletzung einen wesentlich längeren Zeitraum erfordern würde, um eine Abheilung der OD zu erreichen. Neuere In-vivo-Studien, bei denen Bürstenabstriche von der Riechschleimhaut genommen wurden, weisen allerdings darauf hin, dass sowohl reife sensorische Neuronen als auch Stützzellen infiziert zu sein scheinen [43].

Einige der jüngsten Studien deuten auf einen entzündungsbedingten Verlust der Expression von Riechrezeptoren auf ansonsten intakten ORN hin; dies wird durch Tiermodelle und in olfaktorischen Epithelbiopsien belegt, die COVID-19-Patienten post mortem entnommen wurden. Eine Studie über SARS-CoV-2 bei Hamstern hat gezeigt, dass die lokale Immunreaktion die Makrophagenexpression im OE und in der Lamina propria erhöht, was die Erholung des olfaktorischen Epithels und die Wiederherstellung der ORNs verhindern kann [40]. In einer In-vivo-Studie an Patienten mit persistierendem Verlust wurde eine virale Persistenz im Riechepithel nachgewiesen, die mit einer fortschreitenden Entzündung, erhöhtem Interleukin-6 (IL6) und Apoptose einhergeht [43]. Die Regenerationsfähigkeit der basalen Stammzellen wird nachweislich durch Entzündungen beeinträchtigt, und dieser Mechanismus könnte daher für die anhaltende Riechstörung verantwortlich sein [44]. Anekdotische Berichte über eine verbesserte Erholung des Riechvermögens nach einer Impfung spiegeln möglicherweise eine effektivere Virusabwehr wider [45].

Die Ausbreitung von Viren durch anterograden axonalen Transport zum Bulbus olfactorius (OB) und zum ZNS ist gut beschrieben [46]. In Tiermodellen mit OC43-Coronavirus-Infektion wurden Viruspartikel im OB drei Tage nach der Inokulation und im Kortex am siebten Tag nachgewiesen [47]. Bei ACE2-transgenen Mäusen, die mit SARS-CoV-1 geimpft wurden, konnte ebenfalls ein Eindringen des Virus mit einer schnellen Invasion des ZNS nachgewiesen werden [48]; eine ähnlich hohe Viruslast wurde entlang der gesamten Strecke vom Riechepithel bis zum OB gefunden [43]. In mehreren Fallberichten wurde eine Hyperintensität im OB dokumentiert, die sich bei einer erneuten Bildgebung einen Monat später auflöste und von einem Volumenverlust des OB begleitet war [49, 50, 51]. Bei 19 % von 37 COVID-19-Patienten wurden Signalanomalien des OB festgestellt [52]. Bei einem Patienten mit persistierender COVID-19-induzierter OD wurde vor der COVID-19-Infektion eine MRT-Bildgebung durchgeführt, die die Ausgangsvolumina lieferte und eine signifikante Atrophie des OB in Bildern bestätigte, die zwei Monate nach Beginn der Erkrankung angefertigt wurden [53]. In der PET-Bildgebung wurde bei zwei Patienten mit persistierender COVID-19-OD ein hypometabolischer Zustand im Gyrus rectus festgestellt [54]. Obwohl in diesen Studien Hinweise auf Neurotropismus, Atrophie und Hypometabolismus gefunden wurden, könnte dies eine indirekte Folge des Funktionsverlustes auf der Ebene des OE sein. Die Befunde sind kein direkter Beweis für einen retrograden Transport von SARS-CoV-2 in den OB beim Menschen, der größtenteils als nicht wahrscheinlich angesehen wird [31, 34]. Fortschritte im Verständnis des Mechanismus des Riechverlustes werden zur Entwicklung therapeutischer Optionen beitragen. Daher ist weitere Forschung in diesem Bereich unerlässlich.

Riechtests bei COVID-19

Unter normalen Umständen werden psychophysische Riech- und Schmecktests von erfahrenem medizinischen Personal (Krankenschwester, medizinische Fachangestellte, Laborpersonal) durchgeführt und bedürfen der persönlichen Anleitung und Betreuung. Während der COVID-19-Pandemie ist jedoch Kontaktvermeidung das Gebot der Stunde [9, 55, 56].

Telemedizinische Konsultationen ermöglichen sichere Tests für Patienten und Personal [57, 58, 59] und eine frühzeitige Erkennung und Überwachung des gesamten Krankheitsverlaufs, auch während der Infektionsphase, und können somit ein hilfreiches Instrument für die laufende COVID-19-Riechforschung sein.

Wiederherstellung des Riechverlustes nach COVID-19

Inzwischen wurden zahlreiche Studien durchgeführt, um die Heilungsraten und die Risikofaktoren für eine Persistenz anhand von Fragebögen oder psychophysischen Riechtests zu bewerten. Frühe Berichte wiesen auf sehr hohe Raten einer schnellen Genesung hin [60], wobei viele Selbstbeurteilungen eine vollständige Genesung innerhalb einer durchschnittlichen Dauer des Riechverlustes von zehn Tagen angeben [61]; die Heilungsraten in Studien mit Selbstbeurteilungen [62, 63, 64, 65] schwanken zwischen 32 % und 89 % [42]. Interessant ist hier die Diskrepanz zwischen der Selbstbeurteilung der Riechfunktion und der in psychophysischen Tests gemessenen Riechfunktion [62]. Eine Reihe von Studien hat inzwischen Ergebnisse nach sechs Monaten und darüber hinaus veröffentlicht. Leedman et al. [66] berichten, dass in einer konsekutiven Serie von 56 Patienten mit nachgewiesenem COVID-19 nach sechs Monaten 64 % normosmisch waren, 4 % waren anosmisch und 32 % hyposmisch, basierend auf der Auswertung mit UPSIT-Tests . In einer Fallkontrollstudie an 100 Patienten mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 401 Tagen nach der Infektion wurde bei 46 % der Betroffenen und 10 % der Kontrollpersonen eine Riechstörung festgestellt [67]. Angesichts der hohen Zahl der von COVID-19 betroffenen Menschen wird selbst bei den besten der bislang berichteten Heilungsraten eine beträchtliche Anzahl von Menschen weltweit mit einer schweren Riechstörung zurückbleiben.

Qualitative Riechstörung - Parosmie und Phantosmie

Viele Patienten berichten über die Entwicklung einer Parosmie, typischerweise nach einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten und oft nach einer Phase der scheinbaren Erholung einer vorausgehenden Hyposmie [68]. Einige Patienten entwickeln zudem initial eine Parosmie, ohne anfänglich einen Riechverlust zu bemerken. Einige Autoren berichten von typischen Angaben einer "COVID-Parosmie", die sie als äußerst unangenehmen, mit einem verbrannten, chemisch anmutenden Riecheindruck beschreiben, was sich aber phänomenologisch kaum von früher beschriebenen, nicht COVID-assoziierten Riechstörungen unterscheidet [42, 69, 70]. Häufige Auslöser sind Kaffee, Zwiebeln, Knoblauch, Fleisch und Zitrusfrüchte sowie Toilettenartikel wie Mundspülungen oder Zahnpasta [42, 71].

Der zugrunde liegende Mechanismus von Parosmie und Phantosmie bleibt unklar. Eine Theorie besagt, dass eine verringerte Anzahl funktionierender Riechneurone zu einer unvollständigen Codierung von duftinduzierter Information durch die OR führt [72], was unter anderem durch den Befund einer verringerten Anzahl von OR und einer Dominanz unreifer Neurone bei der histopathologischen Untersuchung des Riechepithels verstorbener COVID-19-Patienten, aber auch tierexperimentell unterstützt wird [73]. Es wurde auch vorgeschlagen, dass die Parosmie eine fehlerhafte Reizverarbeitung in demyelinisierten Neuronen [74], Neuronen der Riechschleimhaut [75] oder einen zentralen Mechanismus widerspiegeln könnte [76], wobei eine abnorme Aktivität in der Positronen-Emissions-Tomografie oder funktionellen MRT nachgewiesen werden kann [72, 77]. Interessanterweise scheinen Parosmien ein gutes prognostisches Zeichen zu sein [78, 79].

Behandlungsempfehlungen bei Parosmie und Phantosmie sind bislang nicht evidenzbasiert, auch wenn es anekdotische Berichte über den Einsatz von Antikonvulsiva wie Gabapentin in schweren Fällen gibt [72]. Parosmien wie auch Phantosmien sind typischerweise temporär, das heißt sie verschwinden oder verringern sich in ihrer Intensität und Belastung für den Patienten innerhalb von sechs bis 18 Monaten [70, 80].

Bewertung der Störung des Geschmacksinns bei COVID-19

Die subjektive Beeinträchtigung des Geschmackempfindens zählt ebenfalls zu häufig genannten Symptomen im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung; Studien legen einen Anteil zwischen 40-50 % der Erkrankten nahe [18, 81]. Der Anteil derer, die sowohl Riech- als auch Schmeckvermögen für beeinträchtigt hielten, ist dabei hoch. Dies legt nahe, dass mit "Geschmackssinnverlust" häufig ein Verlust von Geschmacksreichtum und Aromen verstanden wird. Während die eigentlichen Geschmacksqualitäten auf süß, sauer, salzig, bitter, umami und fettig limitiert sind, hat die retronasale Ausbreitung von Aromen in der Nase einen hohen Stellenwert für die Gesamtwahrnehmung des Geschmacks [82, 83]. Validierte, verblindete Testung des Geschmackssinns mittels "taste strips" ergab nur in 12 % respektive 26 % der Studienteilnehmer (n = 93 und n = 41) eine messbare Hypogeusie [84, 85]. Die tatsächliche Einschränkung der Geschmacksqualitäten scheint, anders als bei der Riechstörung, mit umgekehrtem Muster seltener zu sein, als von den Erkrankten eingeschätzt wird.

Aktuelle therapeutische Optionen für Anosmie und Hyposmie nach COVID-19

Es gibt nur wenige etablierte Interventionen für postvirale Riechstörungen und, obwohl eine Reihe von Studien durchgeführt wird, gibt es derzeit nur sehr wenige Belege für Behandlungen, speziell bei COVID-19-bedingten Riechstörungen. In eine systematische Übersichtsarbeit [86] wurde nur eine geeignete RCT-Studie eingeschlossen, aber es wurden acht registrierte, laufende Studien verzeichnet, deren Ergebnisse derzeit (noch) nicht verfügbar sind. Die eingeschlossene Studie [87] liefert schwache Belege für die Wirkung der intranasalen Steroide (INCS) und der oralen Steroide (OCS), die einer Gruppe von 18 Patienten 30 Tage nach Beginn der Erkrankung verabreicht wurden, im Vergleich zu keiner Behandlung, wobei die psychophysischen Riechwerte zu Beginn sowie nach 20 und 40 Tagen gemessen wurden. In der aktiven Behandlungsgruppe wurde eine ausgeprägtere Besserung gefunden als in der Kontrollgruppe. Bevor eindeutige Empfehlungen ausgesprochen werden können, sind größere Teilnehmerzahlen sowie eine längere Nachbeobachtung erforderlich.

In einer 2019 veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeit wurde die Schlussfolgerung getroffen, dass topisch-nasale Steroide die olfaktorische Dysfunktion bei nicht chronischer Rhinosinusitis nicht verbessern [88]. Im Gegensatz dazu gibt es eine Studie, die einen Nutzen von Budesonidspray in Kombination mit Riechtraining nachweist: 44 % der Patienten im aktiven Arm zeigten eine Verbesserung im Vergleich zu 27 % unter Riechtraining (OT) [89]. Angesichts des geringen Risikos einer Schädigung durch topische Steroide könnten diese für Patienten mit persistierender OD nach COVID-19 in Betracht gezogen werden. Es erscheint allerdings als eher unwahrscheinlich, dass die als Spray nasal verabreichten Steroide die Riechspalte überhaupt erreichen - die Nase ist bekanntermaßen ein sehr effektives Filtersystem [90, 91].

In einer systematischen Übersichtsarbeit, die sich speziell mit dem Einsatz von oralen Steroiden bei postviraler OD befasst [92], stellen die Autoren fest, dass mit Placebo in der Regel ein ähnlicher Nutzen erzielt wird wie mit oralen Steroiden, empfehlen aber dennoch den Steroideinsatz in speziellen Fällen.

Auch eine andere Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss, dass es nur schwache Belege für die erfolgreiche Anwendung systemischer Steroide gibt [88]. In den Leitlinien, die zur Unterstützung von Behandlungsentscheidungen bei COVID-19-Riechverlust veröffentlicht wurden [93], wird vorgeschlagen, dass orale Steroide eine Option für Patienten sind, bei denen der Verlust länger als 28 Tage andauert, allerdings sollte die Spontanheilung in den ersten Wochen nach Beginn der Genesung abgewartet werden [42]. Hierbei erscheint ein Zeitraum von 30 Tagen nach Ende der COVID-19-Erkrankung ein optimaler Zeitpunkt zu sein [42]. Der Einsatz von systemischen Steroiden bei postviralen Riechstörungen wird allerdings insgesamt skeptisch beurteilt [94].

Es gibt Belege dafür, dass ein Riechtraining die Riechfunktion bei Patienten mit postviraler OD verbessert. Im Rahmen eines solchen Riechtrainings sollen Patienten mit Riechstörungen über den Zeitraum von drei bis zwölf Monaten morgens und abends an vier kräftigen Düften (olfaktorische und trigeminale Reize) jeweils für 20-30 Sekunden riechen. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2016 [95] zu allen Ätiologien von OD kam zur Schlussfolgerung, dass Riechtraining eine statistisch signifikante Verbesserung der Duftdiskriminierung und -identifizierung, aber nicht der Riechschwellenwerte bewirkt, obwohl die Subgruppenanalyse für Patienten mit postviraler OD schlechter ausfiel als für andere Ursachen einer OD. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017 [96] schloss sechs Studien und 455 Patienten mit postviraler OD ein und berichtete, dass sich Identifikation, Diskriminierung und Riechschwelle signifikant verbesserten. Eine prospektive, einfach verblindete Studie [97] umfasste 70 Patienten mit postviraler OD und kontrollierte die Patienten über fünf Monate. 45 % der Patienten mit postviraler OD erreichten eine signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserung der psychophysisch gemessenen Riechfunktion. Es gibt Hinweise darauf, dass ein längeres Training, ein Wechsel der Riechstoffe alle zwölf Wochen und eine höhere Riechstoffkonzentration zu besseren Ergebnissen führen. In den meisten eingeschlossenen Studien fehlten Kontrollgruppen, sodass eine spontane Erholung, die zu dem gezeigten Nutzen beiträgt, nicht ausgeschlossen werden kann [98]. Angesichts fehlender unerwünschter Wirkungen empfehlen jedoch alle Leitlinien, dass Patienten ein Riechtraining absolvieren sollten.

Es gibt begrenzte, aus nicht randomisierten Studien stammende Erkenntnisse über andere Behandlungen, die bei einer Vielzahl von Ursachen für OD eingesetzt werden, darunter topisches Vitamin A, Omega-3-Fettsäuren, α-Liponsäure, Theophyllin und Natriumcitrat, die jedoch bislang keine Empfehlungen zur Anwendung bei Post-COVID-19-Anosmie erhalten haben. Auch medikamentöse Therapien auf der Basis pflanzlicher Substanzen wurden diskutiert, sind bislang jedoch nicht ausreichend etabliert [99].

Sicherlich hat die COVID-19-Pandemie das Bewusstsein für die Auswirkungen des Riechverlustes geschärft und die Erforschung neuer Behandlungsmöglichkeiten angeregt. Leitlinien und systematische Übersichten müssen regelmäßig aktualisiert werden, um neue Erkenntnisse zu erfassen.

Mögliche künftige therapeutische Ansätze für die Post-COVID-19-Anosmie

Da die Aktivierung von Stammzellen der Riechschleimhaut im Rahmen der SARS-CoV-2-Infektion möglicherweise unterdrückt wird, kann die Stimulierung dieser Zellen die Heilung fördern. Es ist bekannt, dass plättchenreiches Plasma (PRP) entzündungshemmende und regenerationsfördernde Eigenschaften hat, zu denen die Hochregulierung von Wachstumsfaktoren wie dem transformierenden Wachstumsfaktor, dem vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor, dem epidermalen Wachstumsfaktor und dem insulinähnlichen Wachstumsfaktor gehört, und dass es neuroregenerativ wirken kann. In einer kleinen Pilotstudie [100] wurde die Wirksamkeit der PRP-Injektion in die Riechspalte bei sieben Patienten untersucht. Nach dem ersten und dritten Monat hatten zwei Patienten mit Anosmie keine Verbesserung, fünf Patienten mit Hyposmie zeigten eine Verbesserung in den Sniffin'-Sticks-Ergebnissen [100]. Eine Studie an COVID-19-Patienten wird derzeit durchgeführt [42]. Ein weiterer Ansatz sind möglicherweise Schleimhauttransplantationen aus der Riechspalte zur Einbringung von Stammzellen [101]. In einer Studie an transgenen Mäusen betrug die 30-Tage-Überlebensrate im Bulbus olfactorius 83 % (= 5 von 6 Transplantaten). Die histologische Untersuchung zeigte, dass sich Zellen entwickelten, die Riechzellen ähnelten [102]. In einer anderen Studie an Knock-out-Mäusen verbesserte sich die Hyposmie nach intranasaler Infusion von gereinigten gewebespezifischen Stammzellen. Aus dem Transplantat stammende olfaktorische Neuronencluster wurden im gesamten olfaktorischen Epithel bestätigt (5 Cluster/Sektion, n = 6 Mäuse), und funktionelle Verbesserungen wurden drei Wochen nach der Infusion mittels Elektrophysiologie und Verhaltenstests gemessen [103].

Ein weiterer Ansatz könnte die Entwicklung von Riechimplantaten sein [104]. In einem Pilotprojekt mit fünf Patienten wurde versucht, den Bulbus olfactorius zu stimulieren [105]. Bei drei von fünf Patienten wurde eine Riechwahrnehmung subjektiv angegeben, die jedoch nicht objektivierend kontrolliert wurde.

Ausblick

Da die Gesamtzahl der mit SARS-COV-2 infizierten Patienten weltweit zum Zeitpunkt dieser Übersichtsarbeit mehr als 300 Millionen beträgt, leiden geschätzte zwölf bis 20 Millionen Menschen an einer Post-COVD-19-Riechstörung, deren langfristige Prognose noch nicht abschließend abgeschätzt werden kann. Bislang ist es nicht gelungen, durch Impfungen oder andere Maßnahmen das Risiko für derartige Störungen direkt zu beeinflussen. Verbesserungen der Riechstörung bis hin zur Restitutio ad Integrum sind möglich, jedoch haben nicht alle Patienten mit Maßnahmen wie Riechtraining Erfolg. Studien zur Prävention und Therapie von COVID-assoziierter OD müssen intensiviert werden.