Ziel dieses Leitfadens ist es, einen intuitiven Überblick über die in der Implementierung telemedizinischer Beratungen zu beachtenden Aspekte zu geben und den aktuellen Stand der Rahmenbedingungen sowie Optimierungsmöglichkeiten und Perspektiven in der Allergologie aufzuzeigen.

Wenn ein strukturierter Einsatz gewährleistet ist, können digitale und telemedizinische Anwendungen die Patientenversorgung - auch in der Allergologie - verbessern. Hierbei sind Potenziale in vielen Bereichen, von der Anamneseerhebung über die Beratung bis zur Befundbesprechung, Verlaufskontrolle und Therapiebegleitung, hervorzuheben.

Die Nutzung telemedizinischer Anwendungen, insbesondere der Videosprechstunde, hat im Rahmen der COVID-19-Pandemie eine bemerkenswerte Beschleunigung erfahren. Die Übersicht der rechtlichen, technischen und fachlichen Rahmenbedingungen soll die Verankerung digitaler und telemedizinischer Angebote im allergologischen Alltag unterstützen. Um diese jedoch auch in der Zukunft zu konsolidieren, bedarf es einer Einigung bezüglich berufsrechtlicher Handlungsstandards sowie einer dauerhaft - über die Pandemiesituation hinaus - festgelegte Vergütungsstruktur.

Zitierweise: Dramburg S, Walter U, Becker S, Casper I, Röseler S, Schareina A, Wrede H, Klimek L. Telemedicine in allergology: practical aspects. A position paper of the Association of German Allergists (AeDA). Allergo J Int 2021;30:119-29

https://doi.org/10.1007/s40629-021-00167-5

Eingang

11. Januar 2021

Annahme

14. Januar 2021

Englische Fassung

https://link.springer. com/journal/40629

Telemedizin in Zeiten pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen

Im Frühjahr 2020 führten die von der Bundesregierung beschlossenen, weitreichenden Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie zu einer Senkung der Inzidenz sowie Reduktion der Zahl stationär zu behandelnder COVID-19-Patienten. Zeitgleich wirkten sich die Pandemie und die damit assoziierten gesellschaftlichen Veränderungen jedoch auch merklich auf die ambulante Patientenversorgung aus. Insbesondere im ambulant-elektiven Bereich reduzierte sich die Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte rasant [1], während Notfallmediziner mit Sorge beobachteten, wie die Vorsicht der Bevölkerung sich auch in sinkenden Fallzahlen in den Notaufnahmen manifestierte [2]. Eine Unterversorgung im Bereich nicht infektiöser, chronischer und akuter Erkrankungen drohte sich abzuzeichnen. Um eine suffiziente, flächendeckende Patientenversorgung im ambulanten Bereich auch unter Infektionsschutzmaßnahmen aufrecht zu erhalten, stieg das Interesse an telemedizinischen Anwendungen im Vergleich zu den Vorjahren in bemerkenswertem Ausmaß (Abb. 1) [3]. Diese Entwicklung wurde durch ein schnell wachsendes Angebot zertifizierter Technologieanbieter sowie entsprechende Vergütungsanreize und Vereinfachungen im organisatorischen Ablauf mit den Kassenärztlichen Vereinigungen unterstützt.

Abb. 1
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: Nutzung von Videosprechstunden - Vergleich der Befragungen von 2017 und 2020: Ergebnisse repräsentativer Befragungen unter Ärzten verschiedener Fachrichtungen der Stiftung Gesundheit (2017) in Zusammenarbeit mit dem Health Innovation Hub des Bundesgesundheitsministeriums (2020); modifiziert nach [3]

Wesentliche Voraussetzung für die Nutzung der Telemedizin war bereits vor Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie der Beschluss zur Lockerung des Fernbehandlungsverbotes im Rahmen des 121. Ärztetages [4]. Die konkrete Umsetzung des Beschlusses erfolgte im Anschluss durch die Landesärztekammern. Im Jahr 2019 trat das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) in Kraft, mit dem Ziel, die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung voranzutreiben [5]. Hierbei stehen Telematik und Telemedizin im Fokus, mit dem erklärten Ziel, die intersektorale Zusammenarbeit sowie die Versorgung strukturschwacher Regionen zu stärken. In der Pandemiesituation trat dann vor allem der Vorteil der kontaktreduzierten Behandlung in den Vordergrund.

Aktuelle Umfragen zeigen eine gute Akzeptanz telemedizinischer Anwendungen in unterschiedlichen Versorgungsbereichen und Berufsgruppen [6]. Deutlich wird hierbei, dass die genutzten Technologien sich je nach Nutzergruppe und klinischem Szenario unterscheiden [7]. Neben Kommunikations- und Vernetzungsdiensten, welche insbesondere an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung ansetzen, stellt die Videosprechstunde die wohl bedeutendste Nutzung der Telemedizin in der ambulanten Patientenversorgung dar.

Ziel dieses Leitfadens ist es, die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Patientenversorgung mittels Videosprechstunde darzustellen und diese anhand praktischer Beispiele zu erläutern, um den Einstieg in die Telemedizin zu erleichtern.

Definition und Formen der Telemedizin

Da die Telemedizin eine Bandbreite an unterschiedlichen Konzepten und Versorgungsmethoden versammelt, kommt es bei der konkreten Definition des Begriffs immer wieder zu Unschärfe, insbesondere in der Abgrenzung zu anderen Bereichen wie "mobile health" (mHealth) oder "electronic health" (eHealth). Um Verwechslungen entgegenzuwirken, definierte die Arbeitsgruppe Telemedizin der Bundesärztekammer 2015 die Telemedizin als einen "Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt." [8].

Telemedizinische Konzepte lassen sich generell in drei Bereiche einteilen: asynchron, synchron und vermittelt synchron (Abb. 2). Die aktuell meistgenutzten Anwendungen aus dem Bereich der synchronen Telemedizin sind die telefonische Beratung sowie die Videosprechstunde. Eine ergänzende Methode, welche insbesondere in den USA aufgrund größerer Distanzen zu spezialisierten Versorgungszentren genutzt wird, ist die "vermittelte Telemedizin". Hierbei werden körperliche Untersuchungen und diagnostische Tests (z. B. Lungenfunktion, Hautpricktestungen, Blutentnahme etc.) durch einen medizinischen Fachangestellten (MFA) vor Ort durchgeführt und die Ergebnisse mittels Videosprechstunde mit einem entsprechenden Facharzt diskutiert. In Deutschland findet diese Herangehensweise bisher jedoch keine breite Anwendung.

Abb. 2
figure 2

: Formen telemedizinischer Anwendungen; modifiziert nach [21]

Eine weitere Variante der Beratung über Distanz findet sich in der asynchronen Beantwortung medizinischer Fragen, beispielsweise via Chat oder E-Mail. Hierbei findet kein direkter Arzt-Patienten-Kontakt statt, sondern Fragen des Arztes oder Patienten werden mittels asynchroner Kommunikation (z. B. durch in Apps integrierte Nachrichtendienste, E-Mail etc.) zeitversetzt beantwortet und Monitoring-Daten oder Befunde auf Cloud-Server hochgeladen. Dies bietet eine erhöhte Flexibilität seitens des medizinischen Personals, kann jedoch nur für sehr ausgewählte Fragestellungen genutzt werden und geht mit einer deutlich eingeschränkten Beurteilbarkeit des klinischen Befundes einher. Asynchrone Methoden sind nicht geeignet den Arztbesuch zu ersetzen, können jedoch zur (Nach-)Bearbeitung gezielter Themen bei bekannten Patienten dienlich sein.

Die Wirksamkeit telemedizinischer Versorgung im Vergleich zu Präsenzbehandlung wurde im Bereich des Asthma-Managements [9] sowie der Abklärung eines Verdachtes auf Penicillinallergie nachgewiesen [10, 11]. Auch in der Nachverfolgung von COVID-19-Patienten [12] sowie in der dermatologischen Versorgung [13] zeigten sich vielversprechende Ergebnisse.

Geeignete Settings zur Videosprechstunde

Die sorgfältige Auswahl der geeigneten Szenarien und Patienten ist essenziell für eine verantwortungsvolle und reibungslose Nutzung telemedizinischer Verfahren. Grundsätzlich sollten für die Videosprechstunde nur Patienten vorgesehen werden, welche keiner körperlichen Untersuchung unterzogen werden müssen (insbesondere beim Erstbesuch, jedoch auch bei Wiedervorstellungen, so diese eine erneute Untersuchung erfordern). Die Sprechstunde eignet sich somit beispielsweise ideal zur Besprechung in der Praxis erhobener Befunde, die mit zeitlicher Verzögerung dort eintreffen (z. B. Bildgebung, Labor- und Abstrichergebnisse), zur Evaluation des Therapieerfolges sowie der Adhärenz bei längerfristigen Therapien vor einer weiteren Verordnung von Medikamenten (z. B. sublinguale Immuntherapie, SLIT; Biologikatherapie) sowie grundsätzlich zur Beratung von Patienten. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer generellen Beratung per Videosprechstunde ist das Krankheitsbild sowie die aktuelle Ausprägung oder Symptomkontrolle entscheidend. Bei Verdacht auf eine akute Reaktion und Anaphylaxie in der Vorgeschichte sowie im Falle einer Asthma-Exazerbation oder schweren Symptomausprägung anderer allergischer Erkrankungen ist die persönliche Vorstellung vorzuziehen. Um den klinischen Ablauf in der Klinik oder Praxis wirtschaftlich zu gestalten, sollten Videosprechstunden blockweise angeboten werden, zum Beispiel vormittags Präsenzsprechstunde, nachmittags Videosprechstunde. Verzögerungen durch einen "Medienbruch" können so minimiert werden.

Neben der Entscheidung über die klinische Eignung der Patienten sind auch einige allgemeine und technische Aspekte zu berücksichtigen. Beispielsweise müssen die individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten des Patienten bedacht werden: Steht ein entsprechendes Medium (z. B. Mobiltelefon mit Kamera, PC mit Kamera und Mikrofon/Lautsprecher) für eine Videosprechstunde zur Verfügung? Ist der Patient in der Lage, sich online zuzuschalten und das Gerät zu bedienen? Möchte der Patient per Video betreut werden oder zieht er einen persönlichen Kontakt vor? Eine Übersicht geeigneter Szenarien für eine Mischung aus persönlichem Kontakt und Videoberatung findet sich in Tab. 1.

Tab. 1 : Auswahl ärztlicher Handlungen in der Allergologie und deren mögliche Aufteilung ärztlicher Handlungen in der Praxis beziehungsweise Videosprechstunde

Best-Practice-Beispiel: Biologika-Therapie

Im Rahmen einer Therapie mit Biologika lässt sich die Videosprechstunde hervorragend einsetzen, um direkte Patientenkontakte auf das notwendige Maß zu reduzieren, die Adhärenz zu verbessern und den Therapiefortschritt zu dokumentieren. Bei einer Therapie mit Biologika kann folgendes Schema angewendet werden (Abb. 3):

Abb. 3
figure 3

: Therapieschema-Beispiel bei Biologikatherapie mit integrierter Videosprechstunde

Nach der Indikationsstellung erfolgt die Verabreichung der ersten Dosis in der Praxis durch den Patienten nach vorheriger Einweisung durch den Arzt. Der Patient wird auf die Möglichkeit einer Nachverfolgung via Videosprechstunde hingewiesen und über die technischen sowie datenschutzrelevanten Aspekte aufgeklärt. Willigt der Patient in eine telemedizinische Beratung ein, unterzeichnet er die erforderliche Einwilligung und Datenschutzerklärung. Zum Abschluss der Vorstellung erfolgt die Terminierung des ersten Videogesprächs in 14 Tagen.

Zum vereinbarten Termin nach zwei Wochen erfolgt die Überprüfung der Verträglichkeit im Rahmen einer Videosprechstunde. Darüber hinaus ergibt sich die Möglichkeit einer Online-Begleitung der erneuten Applikation durch den Patienten in telemedizinischer Anwesenheit des Arztes. Die weiteren Applikationen erfolgen hiernach durch den Patienten selbst.

Nach 16 Wochen erfolgt die Überprüfung des Therapieerfolges sowie möglicher Nebenwirkungen in einem persönlichen Gespräch in der Praxis. Ist der Patient mit der telemedizinischen Betreuung zufrieden, wird der nächste Videotermin im entsprechenden Intervall (beispielsweise für eine Therapie mit Dupilumab nach weiteren sechs Injektionen - zwölf Wochen) vereinbart. Hierbei erfolgt die Zusendung eines weiteren Rezepts per Post.

Eine persönliche Wiedervorstellung in der Praxis wird je nach Symptomverlauf nach sechs bis zwölf Monaten anvisiert. In einem solchen Wechsel aus persönlichen und telemedizinischen Nachverfolgungsterminen behält der behandelnde Arzt jederzeit die Kontrolle über die Therapie, während der Patient von einem niederschwelligen Zugang zu ärztlicher Beratung profitiert.

Best-Practice-Beispiel: Sublinguale Immuntherapie (SLIT)

Auch im Rahmen einer SLIT lässt sich die Videosprechstunde hervorragend zur Kontaktreduktion bei erhaltener Therapie- und Adhärenzkontrolle einsetzen. Begleitend können außerdem entsprechende Smartphone-Applikationen zur Aufzeichnung der Symptome und Medikamenteneinnahme (z. B. "Husteblume" oder "MASK-air", kein Anspruch auf Vollständigkeit) genutzt werden, die sowohl dem Patienten selbst als auch dem behandelnden Arzt einen objektiven Überblick über den Beobachtungs-/Einnahmezeitraum ermöglichen. Am konkreten Beispiel der SLIT bei einer Allergie gegen Frühblüher hat sich folgendes Schema bewährt (Abb. 4):

Abb. 4
figure 4

: Therapieschema einer sublingualen Immuntherapie gegen Frühblüher mit integrierter Videosprechstunde

  • Nach der Indikationsstellung im Herbst erfolgt die Verabreichung der ersten Dosis in der Praxis bis spätestens Anfang Februar. Im Rahmen dieses Termins wird das Angebot einer telemedizinischen Nachverfolgung sowie gegebenenfalls direkt die Terminierung der entsprechenden Videosprechstunde gemacht.

  • Die Verträglichkeit und Adhärenz wird nach drei Wochen im Rahmen einer Videosprechstunde überprüft.

  • Sind Arzt und Patient mit der Betreuung über Distanz zufrieden, erfolgen die erneute Überprüfung von Verträglichkeit und Adhärenz nach 16 Wochen via Videogespräch sowie das Zuschicken des Folgerezepts auf postalischem Weg.

  • Außerdem wird eine persönliche Vorstellung während der Pollensaison in der Praxis terminiert. Im Rahmen der persönlichen Vorstellung können gegebenenfalls weitere (symptomatische) Medikamente verschrieben und die weitere Nachverfolgung per Video besprochen beziehungsweise terminiert werden.

Technische Aspekte einer Videosprechstunde

Eine Videosprechstunde sollte weitgehend der Gesprächssituation in der Praxis entsprechen. Zusätzlich müssen technische Grundanforderungen erfüllt werden (Tab. 2).

Tab. 2 : Checkliste technischer Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung einer Videosprechstunde

Geeignete Räumlichkeiten

Der Raum muss ausreichend Privatsphäre schaffen. Es sollten möglichst wenig Störungen durch Außengeräusche, Anrufe oder Tätigkeiten anderer Personen möglich sein. Der Arbeitsplatz innerhalb des Raumes sollte gut ausgeleuchtet sein und einen neutralen Hintergrund bieten. Der Zugriff auf die Patientenakte sollte zeitgleich zum Gespräch möglich sein. Dies kann zum Beispiel durch einen zweiten Bildschirm gewährleistet werden.

Geeignete Hardware

PC oder Laptop mit möglichst guter Kamera und integriertem Mikrofon und Lautsprecher. Um eine gute Bildqualität zu gewährleisten, kann je nach Ausstattung des Computers die Anschaffung einer zusätzlichen Kamera sinnvoll sein. Um eine gute Tonqualität zu gewährleisten und Halleffekte zu vermeiden, empfiehlt sich die Nutzung eines Kopfhörers mit integriertem Mikrofon (Headset). Dies ist insbesondere im Gespräch mit älteren und hörgeschädigten Patienten sinnvoll.

Stabile Internetverbindung

Generell gilt: LAN (kabelbasiert) ist besser als WLAN (kabellos). Da Bild und Ton übertragen werden, ist für eine ausreichend leistungsstarke Internetverbindung zu sorgen. Andere Programme mit Verbindung zum Internet sollten gegebenenfalls während der Videosprechstunde geschlossen werden (Telekommunikationsdienste, Dropbox u. ä.).

Zertifizierte Software

Bei der Auswahl der Software ist darauf zu achten, dass diese zertifiziert ist. Eine regelmäßig aktualisierte Liste der Anbieter stellt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf ihrer Webseite zur Verfügung. Bei der Fülle der Angebote ist es wichtig, sich im Vorfeld zu überlegen, welche Funktionen man benötigt, da dies auch über den Preis entscheidet.

Neben der videogestützen Arzt-Patienten-Kommunikation sind auch weitere Services je nach Anbieter möglich, wie zum Beispiel: (I) Gruppenkonferenzen, (II) das Teilen des Bildschirms, um dem Patienten zum Beispiel Befunde zu präsentieren, (III) Chatfunktionen, um zum Beispiel schriftliche Informationen zu geben oder Links zu teilen und (IV) eine automatisierte Terminvergabe.

Bei vielen Anbietern ist das Führen von Einzelgesprächen kostenlos. Ansonsten gibt es sowohl Abonnementmodelle als auch Einzelgesprächsabrechnungen. Was hier am günstigsten ist, hängt vor allem von der Häufigkeit der Nutzung und dem Funktionsumfang der Software ab.

Sind diese Punkte alle erfüllt, steht einer ungestörten Arzt-Patienten-Kommunikation nichts mehr im Weg.

Ablauf einer Videosprechstunde (Arzt - Patient)

Telemedizinische Arzt-Patient-Kontakte sollten professionell vorbereitet und durchgeführt werden. Dazu gehört funktionierende Technik in einem professionellen Ambiente. Arzt und Patient sollten sich bewusst sein, dass das virtuelle Miteinander Chancen und Grenzen hat. Daher ist es wichtig, einen telemedizinischen Kontakt zwischen Patient und Arzt in seinem Ablauf klar zu definieren.

Dies beginnt bei der Planung: Bestens geeignet sind Folgekontakte, während der Erstkontakt zwischen Arzt und Patient idealerweise im Rahmen eines Präsenztermins erfolgen sollte, da er in der Regel eine körperliche Untersuchung und gegebenenfalls weiterführende Diagnostik beinhaltet. Geht es im Anschluss an den ersten Besuch jedoch um die Befundbesprechung und Festlegung weiterer Diagnostik beziehungsweise die Therapieplanung (z. B. einer allergenspezifischen Immuntherapie), bietet sich ein telemedizinischer Kontakt an.

Das Angebot hierzu sollte von der behandelnden Seite durch den Arzt, über die MFA oder Praxisinformationssysteme (Wartezimmer-TV, Broschüren) erfolgen. Seit Dezember 2019 ist zudem die Werbung für Fernbehandlung, beispielsweise auf der Praxiswebsite, zulässig, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich und nach dem anerkannten medizinischen Stand der Erkenntnisse eine ordnungsgemäße Behandlung und Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien grundsätzlich möglich ist [15].

Ist der Patient mit einem virtuellen Kontakt einverstanden, sollte er idealerweise bereits beim Erstkontakt in der Praxis, spätestens jedoch vor Beginn der Videosprechstunde, eine entsprechende Einwilligung und Datenschutzerklärung unterschreiben beziehungsweise abgeben. Viele zertifizierte Technologiedienstleister bieten hierfür bereits in die Software integrierte Standardformulare an. Die Zustimmung zur Fernbehandlung kann auch mündlich erfolgen, sollte jedoch in der Patientenakte dokumentiert werden. Die Terminvereinbarung für eine virtuelle Sprechstunde erfolgt je nach Technologiedienstleister und Präferenz der Praxis online oder über die MFA. Bei Patienten ohne vorherigen Präsenzkontakt sollte zunächst eine kurze telefonische Einschätzung erfolgen, um festzustellen, ob der Zustand des Patienten sowie das vermutete Krankheitsbild eine adäquate Versorgung mittels Videokontakt erlauben oder ein Präsenztermin vorzuziehen ist. Generell obliegt diese Entscheidung dem Arzt, der unter adäquater Anleitung jedoch die Einschätzung auch delegieren kann (für den genaueren technischen Ablauf siehe unten.)

Bei der Eröffnung der virtuellen Sprechstunde empfiehlt sich nach der Begrüßung der Teilnehmer eine klare Umschreibung der zu behandelnden Thematik und auch die Nennung des eingeplanten Zeitfensters. Der Arzt sollte sich im digitalen Austausch mit dem Patienten der eingeschränkten nonverbalen Kommunikation bewusst sein. Die primäre nonverbale Kommunikation findet online über die Stimme und die Gesichtsmimik statt, worauf die Technik entsprechend abgestimmt sein sollte. Es ist dabei zu beachten, die Raumbeleuchtung entsprechend zu gestalten, um eine gute Sichtbarkeit der Mimik zu ermöglichen. Hierfür eignen sich hinter dem Computer befindliche Lichtquellen. Des Weiteren eignet sich ein Gesprächsleitfaden/Protokoll, der/das von beiden Teilnehmern geführt wird. Der Patient kann sich dieses eventuell vorab online von der Praxishomepage herunterladen oder es wird ihm in der Praxis mitgegeben. So kann sich der Patient vorab seiner Fragen bewusst werden und sich aktiv auf den Online-Termin vorbereiten. Die zu klärenden Fragen, zum Beispiel Befundbesprechungen der Laboruntersuchungen, werden benannt und zwischen Patient und Arzt besprochen. Abschließend empfiehlt sich eine Zusammenfassung der besprochenen Themen sowie ein Ausblick auf die nächsten Behandlungsschritte und darauf, ob diese erneut telemedizinisch oder in Präsenz erfolgen sollen.

Ablauf einer Videokonsultation (Arzt - Arzt)

Wie die oben genannten telemedizinischen Kontakte zwischen Arzt und Patient, so sollte auch der telemedizinische Austausch zwischen ärztlichen Kollegen in seinen Vorteilen und Grenzen klar benannt und entsprechend professionell durchgeführt werden.

Ziel ist ein direkter Kontakt zwischen Ärzten ohne Limitierung durch räumliche und zeitliche Grenzen. Der zielgerichtete, fachliche Austausch soll ein effektiveres Miteinander der verschiedenen Gesundheitsstrukturen (Klinik, Praxis, Spezialambulanz) und der beteiligten Ärzte ermöglichen.

Wie beim Patient-Arzt-Kontakt soll auch hierbei das Vorgehen effektiv und zeitsparend sein. Eine Terminabsprache mit Benennung der zu besprechenden Patienten und/oder Themen sollte vorab erfolgen. Es sollte auch klar erkennbar sein, welche Personen an dem Online-Treffen teilnehmen werden. Der Zeitpunkt und -rahmen sollte klar benannt und eingehalten werden. Gerade online sind Wartezeiten zu vermeiden. Eventuell zu demonstrierende Befunde, Bilder oder Medien sollten parat und präsentabel sein. Ein Protokoll oder eine Checkliste während der telemedizinischen Konsultation kann hilfreich sein. Sind die zu klärenden Fragen besprochen, sollte auch das Ende der telemedizinischen Konsultation aktiv eingeleitet werden, eventuell durch einen zuvor definierten Zeitrahmen.

Der unmittelbare Kontakt in der Telemedizin - zwischen zum Beispiel niedergelassenen Allergologen und Oberärzten einer Spezialambulanz - hat das Ziel, einen Austausch auf Augenhöhe zu ermöglichen. Je niedriger die Hemmschwelle zur telemedizinischen Kontaktaufnahme gesetzt wird, umso eher gelingt es, auch traditionell "analogen" Kollegen die Möglichkeiten dieser modernen Kommunikationsform nahezubringen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die ausschließliche Fernbehandlung ist in Deutschland seit Mai 2018 berufsrechtlich zulässig und wurde entsprechend in die Berufsordnungen der Landesärztekammern integriert [16]. Eine Ausnahme bildet hier das Land Brandenburg. Es sei jedoch erwähnt, dass in Brandenburg nur das ausschließliche Fernbehandlungsverbot nicht gelockert wurde. Telemedizinische Anwendungen bei bekannten Patienten sind auch hier erlaubt.

In § 7 Abs. 4 Satz 2 MBO-Ä wird unterstrichen, dass der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt weiterhin als Goldstandard gilt, welcher durch den Einsatz von digitaler Technik unterstützt, jedoch nicht ersetzt werden soll. Somit handelt es sich bei der Erlaubnis zur ausschließlichen Fernbehandlung um eine Ausnahme der generellen Regelung, welche unter dem Vorbehalt folgender Voraussetzungen gilt: die ausschließliche Fernbehandlung bisher unbekannter Patienten muss (I) ärztlich vertretbar sein, (II) die ärztliche Sorgfalt hierbei gewahrt werden und (III) die Patienten müssen über die Besonderheiten dieser Behandlungsart umfassend aufgeklärt werden.

Datenschutz

Der Schutz sensibler, personenbezogener Gesundheitsdaten ist im klinischen Alltag essenziell. Konkret bedeutet dies, dass ausschließlich zertifizierte Kommunikationstechnologien genutzt werden sollten, die den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (europaweit) sowie des deutschen Bundesdatenschutzgesetzes (nationale Umsetzung) entsprechen. Bezogen auf telemedizinische Dienste, beispielsweise Software-Anbieter für Videosprechstunden, sollten Ärzte unbedingt einen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gelisteten Anbieter wählen. Doch auch bei der Kommunikation im Praxisteam sowie mit externen Kollegen ist Vorsicht geboten. Der schnelle Griff zu beliebten Kurznachrichtendiensten wie etwa WhatsApp ist zwar datenschutzrechtlich nicht ausgeschlossen, wenn der Patient entsprechend aufgeklärt wurde und in die Nutzung dieser Kommunikationsform eingewilligt hat, dennoch ergeben sich hier berufsrechtliche Konflikte, da die Speicherung und eventuelle Nutzung der Daten durch Dritte nicht transparent dargelegt werden können. Somit verletzt der Nutzer gegebenenfalls die Schweigepflicht, da ein Zugriff auf sensible Gesundheitsdaten durch Dritte möglich ist. Ein besonderes Augenmerk muss auch auf die korrekte Verschlüsselung von E-Mail-Inhalten gelegt werden, wenn diese beispielsweise zum Versand von Befunden genutzt werden. Einige Landesärztekammern bieten hierzu gute Beratungsangebote und auch der Praxis-Check der Bundesärztekammer kann zurate gezogen werden [17].

Sobald in einer Praxis mehr als 20 Personen im regelmäßigen Umgang mit Patientendaten beschäftigt sind, sollte außerdem ein Datenschutzbeauftragter ernannt werden. Hierbei kann es sich um einen externen Dienstleister handeln oder ein Mitarbeiter der Praxis kann die Funktion nach entsprechender Qualifikation ausüben. Die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten ist es, die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung im Praxisalltag regelmäßig zu überprüfen und neu auftretende Fragestellungen zu erörtern [18].

Haftung

Die Anforderungen an die telemedizinische Beratung und/oder Behandlung entsprechen dem bisherigen Sorgfaltsbegriff der analogen Behandlung. Entsprechend des Behandlungsvertrags, § 630a ff. BGB ist der Arzt somit verpflichtet, bei der Behandlung den allgemein anerkannten fachlichen Standard (medizinische Indikation/Einwilligung des Patienten/Einhaltung des Facharztstandards) einzuhalten. Neben der Sorgfaltspflicht gelten auch die Informations- und Aufklärungspflichten, § 630c, 630e BGB, gemäß der Behandlung basierend auf persönlichem Kontakt.

Darüber hinaus ergeben sich weitere Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der telemedizinischen Fernbehandlung. Diese betreffen insbesondere die Befunderhebungs-, Dokumentations- und Aufklärungspflicht. Zusammenfassend ist der behandelnde Arzt verpflichtet, zu entscheiden, ob eine Fernbehandlung für die Befunderhebung vertretbar ist. Darüber hinaus ist der Patient über den Nutzen, aber auch die Einschränkungen und Risiken einer Fernbehandlung aufzuklären, und die ärztliche Dokumentation wird um diese Aspekte erweitert. Weiterführende Informationen hierzu finden sich im Online-Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung sowie unter www.telemedbw.de/FAQ-Haftung/haftung-bei-verstoss-gegen-aerztliche-sorgfaltspflicht [19].

Da für die Telemedizin noch kein allgemein gültiger, fachlicher, medizinischer Standard definiert wurde, gelten die von der Rechtsprechung für neue Behandlungsmethoden entwickelten Sorgfaltsanforderungen. Diese verpflichten den Behandler, die Sorgfalt eines vorsichtigen Behandlers - spezifiziert auf die Umstände der telemedizinischen Behandlungsmethode - einzuhalten. Bei Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten haftet der Arzt aus Vertrag und grundsätzlich auch aus Delikt [19].

Vergütung und Abrechnung

Videosprechstunden werden grundsätzlich genauso nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet wie in der Praxis erbrachte Leistungen (Tab. 3). Naturgemäß können allerdings bei weitem nicht alle Leistungen telemedizinisch erbracht werden. Da der vermehrte Einsatz von Videosprechstunden politisch gewollt ist, wurden darüber hinaus weitere Gebührenordnungspositionen (GOP) geschaffen. Diese bestehen in einem Technikzuschlag, einer Anschubfinanzierung sowie einem Verwaltungszuschlag für die Anlage eines Behandlungsscheins bei Patienten, die noch nicht im gleichen Quartal in der Praxis waren.

Tab. 3 : Übersicht der Vergütung telemedizinischer Leistungen

Die Anzahl der GOP, die im Rahmen einer Videosprechstunde vergütet wird, ist teilweise begrenzt. Einige dieser Begrenzungen werden aufgrund der Coronapandemie zeitlich befristet ausgesetzt. Außerdem ist die Anzahl der ausschließlichen Video-Behandlungsfälle auf 20 % aller Behandlungsfälle begrenzt. In der GOÄ sind keine Zuschläge für die Videosprechstunde vorgesehen und auch ein erhöhter Steigerungssatz wird in der Regel nicht akzeptiert.

Grundsätzlich können drei Gruppen von Leistungen bei gesetzlich versicherten Patienten unterschieden werden (Tab. 3).

Digitale Gesundheitsanwendungen

Am 19.12.2019 trat das DVG in Kraft. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, dass digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) in die Regelversorgung aufgenommen werden ("App auf Rezept"). Im Oktober 2020 wurden die ersten beiden DiGA, die verhaltenstherapeutische Tinnitus-App "Kalmeda" und die Webanwendung "Velibra" gegen Angststörungen, ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen.

Grundsätzlich als DiGA zugelassen werden können alle digitalen Medizinprodukte der Klasse I und IIa, die folgende Voraussetzungen gemäß § 33a SGB V erfüllen: Sie dienen der Erkennung und Behandlung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen oder unterstützen Patienten auf dem Weg zu einer selbstbestimmten, gesundheitsförderlichen Lebenshaltung. Die Hauptfunktion der DiGA beruht auf digitalen Technologien und der medizinische Zweck wird im Wesentlichen durch digitale Funktionen erreicht. Voraussetzung für die Zulassung als DiGA ist die vorherige Prüfung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), welche aktuell in einem "Fast Track"-Verfahren möglich ist (Abb. 5) [20]. Im Rahmen dieser Prüfung werden sowohl die geforderten Produkteigenschaften anhand der Angaben des Herstellers (Datensicherheit, Anwendungsfreundlichkeit u. a.) als auch der Nachweis eines positiven Versorgungseffekts überprüft. Dieser kann in einem medizinischen Nutzen oder einer patientenrelevanten Struktur oder Verfahrensverbesserung bestehen.

Abb. 5
figure 5

: Übersicht des "Fast Track"-Verfahrens zur Prüfung digitaler Gesundheitsanwendungen [17]

Ist ein solcher positiver Versorgungseffekt bereits nachgewiesen, wird die App sofort endgültig ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Steht der Nachweis noch aus und ist der positive Versorgungseffekt nur plausibel, wird die DiGA vorläufig ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Der positive Versorgungseffekt muss dann binnen eines Jahres durch geeignete wissenschaftliche Studien nachgewiesen werden. Ist die DiGA im Verzeichnis gelistet, kann sie von Ärzten und Psychotherapeuten budgetneutral verordnet und von gesetzlich versicherten Patienten zuzahlungsfrei genutzt werden. Im ersten Jahr wird der vom Hersteller angegebene Preis erstattet, danach wird ein Preis zwischen Hersteller und GKV (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) verhandelt.

Die Verschreibung einer digitalen Gesundheitsanwendung erfolgt analog der Arzneimittelverschreibung mittels Muster 16 ("rotes Rezept"). Die gelisteten DiGAs sind Teil der Arzneimittelliste gängiger Praxisverwaltungssysteme und können unter Angabe des Namens, der Pharmazentralnummer und der Nutzungsdauer, ohne Zuzahlung seitens der Patienten, verschrieben werden.

Aufklärungsvideos

Digitalisierung in der Medizin kann auch eingesetzt werden, um Patienten über Erkrankungen, Behandlungen und medizinische Zusammenhänge aufzuklären. Damit lässt sich wertvolle ärztliche Arbeitszeit einsparen, und Patienten haben jederzeit und von jedem Ort aus Zugriff auf die Informationen. Gleichzeitig können so der Flut ungeprüfter medizinischer Inhalte im Internet wissenschaftlich geprüfte Fakten entgegengesetzt werden.

Diese Form der ärztlichen Aufklärung gelingt am besten mittels Videos, da sie einerseits dem medialen Konsumverhalten der Patienten entgegenkommen und zum anderen einfach zu produzieren und zu verbreiten sind. So lassen sich mit modernen Smartphones, einem zusätzlichen Mikrofon sowie einer guten Beleuchtung anspruchsvolle Videos produzieren. Eine Bearbeitungs-Software ist heute auf den meisten Smartphones vorinstalliert oder lässt sich in Form kostenloser Programme herunterladen. Auch mit PowerPoint lassen sich Videos, zum Beispiel von Vorträgen, produzieren. Über gängige Plattformen wie Youtube, Vimeo oder Facebook können die Videos dann verbreitet werden. Dazu muss ein (kostenloser) Account oder Kanal eröffnet werden. Auch das Einbinden in die eigene Webseite ist möglich. Um ein möglichst großes Publikum zu erreichen oder von interessierten Patienten gefunden zu werden, sollten ansprechende Titel und Standbilder (sog. Thumbnails) sowie aussagekräftige Stichworte (Keywords) verwendet werden (Tab. 4).

Tab. 4 : Checkliste für die erfolgreiche Produktion und Veröffentlichung von Aufklärungsvideos

Inhaltlich sollten die Videos einem Spannungsbogen folgen, der in den ersten Sekunden das Thema anreißt und zum Beispiel durch eine provokante Feststellung oder eine Frage neugierig macht und dann das Thema lebendig behandelt. Gutes Storytelling wird von den Zuschauern durch längere Verweildauer belohnt. Das ist nicht unwichtig, da die Algorithmen der Internet-Plattformen Videos bevorzugt anzeigen, die möglichst häufig geklickt und möglichst lange angesehen werden. Erfolgreiche Videos kommen aber nicht nur den Patienten zugute, sondern auch den Produzenten. Denn diese machen durch ihre Videos auf sich und ihre ärztliche Kompetenz aufmerksam und vergrößern im immer stärker umkämpften Medizinmarkt ihren Bekanntheitsgrad.

Perspektiven

Telemedizinische Anwendungen werden häufig synonym zur Durchführung von Videosprechstunden gesehen. Dabei sind die Möglichkeiten der Telemedizin sehr viel weiter gefasst und werden in Zukunft eine immer größere Bedeutung erlangen. Neben den Vorteilen für die medizinische Versorgung sind es vor allem auch volkswirtschaftliche Aspekte, die dazu beitragen werden. Denn das Nadelöhr der medizinischen Versorgung ist die individuelle ärztliche Behandlung und diese wird in Zukunft eher weniger als mehr zur Verfügung stehen. Versorgungsmodelle, die ärztliche Tätigkeiten ergänzen, ersetzen und für den Patienten jederzeit und überall verfügbar machen, werden sich daher über kurz oder lang schon aus Kostengründen durchsetzen. Im Folgenden sind verschiedene Bereiche, die zunehmend durch telemedizinische Anwendungen geprägt sein werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgeführt:

Aufklärung und Beratung

Schon jetzt ist das Gesundheitssystem durch die Zunahme chronischer Erkrankungen am Rande seiner Belastbarkeit. Hilfe zur Selbsthilfe ist daher ein entscheidender Aspekt. Diese gelingt vor allem auch durch eine seriöse Beratung. Informierte Patienten entlasten das System, da sie weniger häufig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und im Idealfall lernen, ihre Gesundheit eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen. Telemedizinische Anwendungen wie Aufklärungsvideos und Apps eignen sich hervorragend für eine solche Beratung und setzen der ziellosen Google-Suche sinnvolle Gesundheitsinformationen entgegen. Eine unabhängige Zertifizierung solcher digitalen Produkte, wie es bei den DiGA mit dem DiGA-Verzeichnis bereits eingeführt wurde und wie es die Stiftung Gesundheit bereits bei Printmedien anbietet, wäre dabei wünschenswert.

Kontrolle

Die Zeit für die Behandlung von Patienten in Praxen und Ambulanzen ist naturgemäß begrenzt. Außerdem entstehen bei dieser Behandlung hohe Begleitkosten für Personal, Raumnutzung und sonstige Nebenkosten. Außerhalb der offiziellen Sprechstunde durchgeführte Videosprechstunden helfen hier, Zeit und Ressourcen zu sparen. Auch unnötige Anfahrtskosten und Wartezeiten für die Patienten entfallen.

Diagnostik

Telemedizinische Anwendungen ermöglichen in gewissem Umfang das Stellen einer Ferndiagnose. Ob das Screening verdächtiger Hautveränderungen, die Interpretation von Pulswerten und EKG-Ableitungen, Seh- und Hörtests oder serologische Point-of-care-Diagnostik: Die Liste der möglichen Anwendungen wird immer länger. Bei entsprechenden Erkrankungen ermöglicht die digitale, automatisierte Übermittlung von Vitalparametern und anderen medizinischen Daten, beispielsweise Blutzuckerspiegel oder Bewegungsprofil, eine schnelle und gezielte medizinische Intervention.

Therapie

Durch telemedizinische Anwendungen können in kürzester Zeit große Datenmengen generiert werden. Dies ist aber eine grundlegende Voraussetzung für die personalisierte Medizin. Denn nur durch die Sammlung und Auswertung großer Datenmengen (Big Data) mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) können Therapieregime in Zukunft immer passgenauer individualisiert werden.

DiGA werden sich in den nächsten Jahren als vierte Säule der Versorgung neben der Pharmako- und Psychotherapie sowie der operativen Medizin etablieren. Mit ihrer Hilfe wird es möglich sein, Patienten wesentlich schneller, individueller und effektiver zu behandeln. Vor allem chronische Erkrankungen und psychovegetative Beschwerden lassen sich schon heute mit hoher Evidenz auf diesem Weg therapieren.

Rahmenbedingungen

Um eine reibungslose Integration digitaler und telemedizinischer Anwendungen in den klinischen Alltag auch nach der COVID-19-Pandemie zu ermöglichen, sind effiziente bürokratische Abläufe sowie eine solide Vergütungsstruktur essenziell. Rechtliche Handlungsstandards müssen etabliert und Digital Health sowie telemedizinische Behandlungsansätze als Teil des medizinischen Curriculums verankert werden.

Fazit

Die Nutzung telemedizinischer Anwendungen, insbesondere der Videosprechstunde, hat im Rahmen der COVID-19-Pandemie eine bemerkenswerte Beschleunigung erfahren. Die Übersicht der rechtlichen, technischen und fachlichen Rahmenbedingungen soll die Verankerung digitaler und telemedizinischer Angebote im allergologischen Alltag unterstützen. Um diese jedoch auch in der Zukunft zu konsolidieren, bedarf es einer Einigung bezüglich berufsrechtlicher Handlungsstandards sowie einer dauerhaft - über die Pandemiesituation hinaus - festgelegten Vergütungsstruktur.